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Vandenhoeck & Ruprecht Wolfhart Pannenberg Systematische Theologie. Band 2

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Vandenhoeck & Ruprecht

Wolfhart Pannenberg

Systematische Theologie. Band 2

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V&R

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WOLFHART PANNENBERG

Systematische Theologie

BAND II

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Pannenberg, Wolfhart: Systematische Theologie / Wolfhart Pannenberg. -

Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht.

Bd. 2 (1991) ISBN 3-525-52187-1 kart.

ISBN 3-525-52186-3 Gewebe

Umschlag: Michael Rechl, Wanfried

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Inhalt

Vorwort 9

7. Kapitel: Die Schöpfung der Welt 15

I. Schöpfung als Akt Gottes 15 1. Gottes Handeln nach außen 15 2. Die Eigenart des Schöpfungshandelns 23 3. Der trinitarische Ursprung des Schöpfungsaktes 34 4. Gottes Schöpfung, Erhaltung und Regierung der Welt 50

a) Erhaltung und Schöpfung 50 b) Gottes Mitwirkung bei den Tätigkeiten der Geschöpfe 63 c) Weltregierung und Reich Gottes: das Ziel der Schöpfung 69

II. Die Welt der Geschöpfe 77 1. Vielheit und Einheit in der Schöpfung 79 2. Der Geist Gottes und die Dynamik des Naturgeschehens 96

a) Der biblische Ausgangspunkt 96 b) Kraft, Feld und Geist 99 c) Raum und Zeit als Aspekte des Geisteswirkens 105 d) Das schöpferische Wirken des Geistes und die Lehre von den En­

geln 124 e) Das Zusammenwirken von Sohn und Geist beim Werk der Schöp­

fung 132 3. Die Reihe der Gestalten 138

III. Schöpfung und Eschatologie 163 1. Einheit und Unterschied von Schöpfungsakt und Eschaton 163 2. Anfang und Ende des Universums 173 3. Schöpfungsglaube und Theodizee 189

8. Kapitel: Würde und Elend des Menschen 203

1. Der Mensch als personale Einheit von Leib und Seele 209 2. Die Bestimmung des Menschen 232

a) Der Mensch als Gottes Bild in Adam und Christus 232

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b) Bild Gottes und Urstand des Menschen 241 c) Gottebenbildlichkeit als Bestimmung des Menschen 250

3. Sünde und Erbsünde 266 a) Der schwierige Zugang zum Thema der Sündenlehre 266 b) Erscheinungsformen der Sünde und die Frage nach ihrer Wurzel . 274 c) Die Allgemeinheit der Sünde und das Problem der Schuld . . . . 290

4. Sünde, Tod und Leben 303

9. Kapitel: Anthropologie und Christologie 315

1. Die Methode der Christologie 316 2. Der „neue Mensch“ in Person und Geschichte Jesu Christi 336

a) Der neue Mensch „vom Himmel her“ 336 b) Der Urheber einer erneuerten Menschheit 344 c) Das Erscheinen des Sohnes und die menschliche Gemeinschaft . . 356

10. Kapitel: Die Gottheit Jesu Chnsti 365

1. Die Grundlagen für die Behauptung der Einheit Jesu mit Gott . . . . 365 a) Die Verbundenheit Jesu mit dem Vater in seinem öffentlichen

Wirken 366 b) Die Einheit Jesu mit dem Vater als Streitfrage seiner Geschichte . 374 c) Die Rechtfertigung Jesu durch den Vater in seiner Auferweckung

von den Toten 385 2. Die christologische Entfaltung der Einheit Jesu mit Gott 406

a) Die Gottessohnschaft Jesu und ihr Ursprung in der Ewigkeit Got­tes 406

b) Die Selbstunterscheidung Jesu vom Vater als innerer Grund seiner Gottessohnschaft 415

c) Zwei Naturen in einer Person? 423 3. Die Menschwerdung des Sohnes als Selbstverwirklichung Gottes in

der Welt 433

11. Kapitel : Die Versöhnung der Welt 441

1. Heil und Versöhnung 441 2. Der Begriff der Versöhnung und die Versöhnungslehre 447 3. Stellvertretung als Form des Heilsgeschehens 461

a) Die urchristlichen Deutungen des Todes Jesu und das Faktum der Stellvertretung 461

b) Sühne als stellvertretendes Strafleiden 467 c) Stellvertretung und Befreiung 475

4. Der dreieinige Gott als Versöhner der Welt 483

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a) Das Handeln des Vaters und des Sohnes im Versöhnungsgesche­hen 484

b) Das Versöhnungsamt Christi 487 c) Die Vollendung der Versöhnung im Geist 496

5. Das Evangelium 501

Register der Bibelstellen 513

Namenregister 527

Sachregister 537

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Vorwort

Im ersten Band dieser systematischen Darstellung der christlichen Lehre wird die Frage nach der Wahrheit des Redens von Gott bis in das Feld der Religionen verfolgt, die nicht nur in den Auseinandersetzungen der Ge­schichte, sondern auch im religiösen Pluralismus der Gegenwart miteinan­der konkurrieren durch ihre unterschiedlichen, in vieler Hinsicht gegensätz­lichen Wahrheitsansprüche. Das Christentum ist, unbeschadet seiner Beru­fung auf eine einzigartige göttliche Offenbarung und gerade damit, doch auch eine von diesen um die letzte Wahrheit über die Welt, den Menschen und Gott miteinander streitenden Religionen.

Die Tatsache solcher Konflikte zwischen den Religionen ist im Leben der Menschen ganz verschiedener Kulturen offensichtlich genug. Nur eine so­genannte „Theologie der Religionen“ in den Industriegesellschaften des Westens verschließt davor die Augen, indem sie die Vielheit der Religionen als eine im Prinzip konfliktlose Pluralität vieler Wege zu demselben Gott darstellt. Solche Theologie der Religionen arbeitet im Ergebnis dem Vorur­teil in die Hände, das der fortgeschrittene Säkularismus der modernen Öf­fentlichkeit ohnehin gegenüber religiösen Wahrheitsansprüchen hegt, indem er Unterschiede des religiösen Bekenntnisses als reine Privatsache ohne öf­fentliches Interesse behandelt. Diese Auffassung geht aber an der Realität vorbei. Auch heute noch bestätigt sich immer wieder, daß die tiefsten Unter­schiede zwischen den Kulturen religiös begründet sind. Der moderne Säku­larismus, der diese Tatsache so gern verdrängt, ist selber ein Verfallsprodukt der durch das Christentum geprägten kulturellen Tradition. Deshalb ist es vergebens, auf der Basis dieses Säkularismus die religiösen Traditionen an­derer Kulturen von der Belanglosigkeit ihrer Wahrheitsansprüche überzeu­gen zu wollen. Aber auch das Christentum kann auf den Wahrheitsan­spruch für die Offenbarung, auf der es beruht, nicht verzichten. Ihn glaub­würdig zu vertreten erfordert allerdings mit als erstes, die Vielheit derartiger Wahrheitsansprüche und die damit verbundene Strittigkeit der Wahrheit in das eigene Bewußtsein aufzunehmen. Dadurch wird der Anspruch auf Wahrheit, sogar auf endgültige und absolute Wahrheit der Gottesoffenba­rung in Jesus Christus nicht etwa relativiert, sondern allererst mit sachlichem Ernst und Toleranz vertretbar.

Der Anspruch auf eine alle Menschen angehende Wahrheit im Ereignis der Offenbarung des einen Gottes aller Menschen, des Schöpfers der Welt, in Person und Geschichte Jesu von Nazareth, ist Ausgangspunkt und Kraft­quelle der christlichen Weltmission gewesen. Die christliche Theologie hat

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sich im Dienste dieses Wahrheitsanspruchs entwickelt, um ihn zu klären und durch zusammenhängende Darstellung der christlichen Lehre zu erhär­ten, damit zugleich aber auch immer wieder seine Tragweite zu erproben. Die Theologie kann dieser Aufgabe nur dann gerecht werden, wenn sie bei der Prüfung des christlichen Wahrheitsanspruches möglichst unbefangen verfährt. Darum darf sie die Wahrheit der christlichen Offenbarung nicht als schon von vornherein feststehend voraussetzen. Sie würde sonst die Wahrheit der Offenbarung zu einer bloß subjektiven Überzeugung mehr machen, - und das wäre wenig mehr als eine objektive Unwahrheit, sei es auch eine vielleicht in mancher Hinsicht liebenswerte Fabel.

Die in diesem Werk unternommene systematische Darstellung der christ­lichen Lehre behandelt die Frage nach dem Recht ihrer Wahrheitsansprüche als offen. Sie sind offen auf ihre mögliche Bewährung in der Geschichte von Erfahrung und Reflexion der Menschen hin, damit aber auch offen für eine vorläufige Bewährung in der Form zusammenhängender Darstellung ihrer Inhalte. Das ist nicht wenig. Es versteht sich heute keineswegs von selbst, die Wahrheitsansprüche christlicher Lehre auch nur als offen gelten zu las­sen. Viele Repräsentanten der öffentlichen Kultur des Säkularismus betrach­ten diese Frage als längst schon negativ entschieden. Es bedarf guter Gründe, um sich und andern klar zu machen, daß die Wahrheitsansprüche religiöser Behauptungen vielleicht nicht in jedem Einzelfall, aber doch grundsätzlich ernst zu nehmen und diskussionswürdig sind. Der Hinfüh­rung zur Einsicht in diese Sachlage dienten das zweite und dritte Kapitel im ersten Band dieses Werkes. Das vierte Kapitel stellte dar, wie im Felde der miteinander streitenden Religionen die Wahrheitsansprüche des biblischen und - noch spezifischer - des christlichen Gottesglaubens hervorgetreten sind. Diese Wahrheitsansprüche haben ihre zusammenfassende theoretische Formulierung ansatzweise schon im Neuen Testament gefunden, in der Be­hauptung eschatologischer Offenbarung des Schöpfergottes in Person und Geschichte Jesu von Nazareth.

Alle folgenden Kapitel entfalten diesen Wahrheitsanspruch durch die zu­sammenhängende Darstellung der christlichen Lehre von Gott, von der Welt und der Menschheit, sowie von ihrer Versöhnung und Erlösung. Bei diesem Vorgehen bleibt die Situation der Pluralität und Strittigkeit religiöser Wahrheitsansprüche durchaus im Blick. Es geht ja im Wettstreit der Reli­gionen darum, ob von einem bestimmten Verständnis der letzten, meist als göttlich gedachten Wirklichkeit her die Realität der Welt und des Menschen angemessener und differenzierter erfaßt werden kann als von konkurrieren­den Ansatzpunkten her.

Die systematische Darstellung der christlichen Lehre geht auf eine ver­gleichende Abwägung der christlichen und anderer religiöser Interpretatio­nen der Welt und der Thematik des menschlichen Lebens aus der Perspek­tive des jeweiligen Verständnisses der absoluten Wirklichkeit Gottes nicht

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ein. Das mag Aufgabe einer Religionsphilosophie sein. Die christliche Theo­logie hat lediglich zu zeigen, daß und wie sich aus dem Offenbarungsge­schehen, das der christliche Glaube als solches in Anspruch nimmt, eine zu­sammenhängende Interpretation von Gott, Mensch und Welt entwickeln läßt, die sich im Verhältnis zum Erfahrungswissen von der Welt und dem menschlichen Leben, sowie zum Reflexionswissen der Philosophie, mit gu­ten Gründen als wahr vertreten läßt, darum auch im Verhältnis zu alternati­ven religiösen und nicht-religiösen Weltinterpretationen als wahr behauptet werden kann. Die vergleichende Erörterung und Urteilsbildung über die ge­gensätzlichen Wahrheitsansprüche von Weltinterpretationen muß derartige Darstellungen der zu vergleichenden Konzeptionen schon voraussetzen. Solche ausgearbeiteten Darstellungen mögen nicht immer vollständig und in befriedigender Form für alle zu berücksichtigenden religiösen Traditionen zur Verfügung stehen. Das gehört zu den Schwierigkeiten und Schranken der religionsphilosophischen Aufgabe und trägt zu den unvermeidlichen Vorbehalten hinsichtlich der Möglichkeit einer abschließenden Urteilsbil­dung in diesem Felde bei. Die christliche Theologie kann sich damit begnü­gen, die christliche Interpretation der Wirklichkeit Gottes, der Welt und des Menschen im Hinblick auf die guten Gründe des für sie zu erhebenden Wahrheitsanspruchs so eindringlich wie möglich vor Augen zu führen. Dazu gehört auch, daß die Situation des Christentums selbst in einer Welt strittiger religiöser Wahrheitsansprüche in das christliche Wahrheitsbewußt­sein mit aufgenommen wird mit der Folge der Toleranz gegenüber andern Auffassungen. Die Fähigkeit zu realistischer Einschätzung der Partikularität und Vorläufigkeit der christlichen Lehren und die damit verbundene Tole­ranzfähigkeit sind selber ein wichtiges Argument für das Recht des christli­chen Wahrheitsanspruchs.

Bei der Durchführung einer zusammenhängenden Interpretation von Gott, Welt und Mensch aus der Perspektive des Offenbarungsgeschehens, in welchem der christliche Glaube gründet, bedingen sich die verschiedenen Einzelthemen gegenseitig. Wenn die Welt und die menschliche Lebensthe­matik vom christlichen Gottesverständnis her als in Gott begründet darge­stellt werden, dann ist doch immer auch umgekehrt schon eine Neuformu­lierung des christlichen Gottesverständnisses aus der Perspektive veränder­ter Erfahrung von Welt und Mensch und des damit verbundenen Refle­xionswissens mit im Spiele. Die Ausführungen des ersten Bandes zur Gottes­und Trinitätslehre haben gezeigt, in welchem Grade die Neubestimmung des Verhältnisses dieser Lehren zu ihren geschichtlichen Ursprüngen, sowie zu den Motiven ihrer Entwicklung samt den dabei mitspielenden philoso­phischen Konzeptionen maßgeblich ist für die Neuformulierung ihres Ge­halts. Dabei sind natürlich moderne Auffassungen von Geschichte und Her­meneutik, also vom Verhältnis von Menschsein, Geschichte und Religion, schon wirksam, ebenso die nicht nur in den philosophischen Begriffen ent-

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haltenen Beziehungen zur Weltwirklichkeit. Im vorliegenden Bande wird nun umgekehrt das Erfahrungswissen über die Welt und den Menschen aus der Perspektive des christlichen Gottesverständnisses behandelt.

Solche gegenseitige Bedingtheit von Gottes- und Weltverständnis schließt nicht aus, daß der Sache nach dem Gottesgedanken ein Vorrang für das Verständnis von Mensch und Welt zukommt, nicht umgekehrt. Jedes ernst­hafte Reden von Gott impliziert die Forderung, die Wirklichkeit von Mensch und Welt als von diesem Gott bestimmt und durch ihn begründet zu denken. Darum ist umgekehrt die Möglichkeit einer zusammenhängen­den Interpretation der Welt mit Einschluß der Menschheit und ihrer Ge­schichte von einem bestimmten Gottesgedanken her bereits eine Probe auf dessen mögliche Wahrheit, wenn auch eine solche Interpretation der Welt­wirklichkeit an vielen Punkten strittig bleiben mag. Je mehr eine solche Dar­stellung sich im Einklang befindet mit den Daten des Erfahrungswissens und mit den Einsichten des Reflexionswissens, desto erhellender wird sie sein für den Wahrheitsanspruch, der mit dem betreffenden Gottesverständ­nis verbunden ist. Jedenfalls aber erbringt sie einen Tatbeweis dafür, daß und wie die mit dem Gottesgedanken als solchen so oder so implizit ver­bundene Funktion der Konstitution eines Weltbegriffs durch eine mehr oder weniger ins einzelne gehende Darstellung einlösbar ist.

In diesem Sinne geht es bei der Lehre von der Schöpfung, mit der dieser Band beginnt, um Explikation und Bewährung des christlichen Gottesver­ständnisses. Das volle Gewicht dieser Tatsache ist in der neueren Theologie nicht immer gewürdigt, die Aufgabe einer ihrer Bedeutung angemessenen Durchführung der Schöpfungslehre oft vernachlässigt worden. Daher wird sie im vorliegenden Bande besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Die Be­währung des Gottesverständnisses an der Entwicklung eines ihm entspre­chenden Weltverständnisses ist aber für den christlichen Gottesgedanken mit der Schöpfungslehre nicht abgeschlossen, weil insbesondere die Wirk­lichkeit des Menschen in ihrer Faktizität mit dem christlichen Gottesver­ständnis nicht oder noch nicht kongruent ist. Die Wirklichkeit, so wie sie ist, bezeugt nicht überall eindeutig einen liebenden und allmächtigen Schöpfer als ihren Ursprung, und die Menschen verhalten sich zum Thema der göttli­chen Wirklichkeit nicht durchweg in der Weise , daß sie dem Schöpfer für ihr Dasein danken und ihn so in seiner Gottheit ehren. Als Urheber und Vollender der tatsächlich vorhandenen Welt mit Einschluß des Menschen läßt sich der Gott der biblischen Offenbarung nur unter der Bedingung ei­ner Versöhnung der Welt mit ihm als ihrem Schöpfer verstehen. Die Ver­söhnung der Welt mit Gott aber, die dem christlichen Glauben zufolge im Tode Jesu sowohl begründet als auch bereits antizipiert ist, blieb im Blick auf die Wirklichkeit der Menschheit und ihrer Geschichte bisher zumindest unvollständig. Nur im Glaubensbewußtsein der Christen und der Gemein­schaft der Kirche ist sie schon definitiv realisiert, und auch da nicht ohne

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Spannungen und Brüche zwischen geglaubter und gelebter Wirklichkeit. Der dritte Band wird die wenigstens partielle Realisierung der Versöhnung im Leben der christlichen Gemeinschaft und des einzelnen Christen behan­deln im Verhältnis zu der noch zu versöhnenden und zu erlösenden Welt im ganzen.

Für die Bewährung des christlichen Gottesverständnisses an seinem Ver­hältnis zu der Wirklichkeit der Welt und des Menschen gehören also Schöpfung und Versöhnung eng zusammen. In gewissem Sinne kommt erst mit der eschatologischen Vollendung der Welt auch ihre Schöpfung zum Abschluß. Das Eschatologiekapitel am Ende des dritten Bandes wird daher nicht nur den Horizont für die vorangehenden Erörterungen der Kirche und der Glaubensexistenz des einzelnen Christen bilden, sondern auch die im zweiten Band mit der Lehre von Schöpfung und Versöhnung der Welt begonnene Darstellung des dem trinitarischen Gottesverständnis des christ­lichen Glaubens entsprechenden Weltverständnisses zum Abschluß zu brin­gen. Das christliche Bewußtsein von der Vorläufigkeit und Zeichenhaftig­keit aller Formen geschichtlicher Manifestation der Gottesherrschaft, damit aber auch der Wahrheit Gottes selbst, wird im dritten Band in besonderer Weise thematisch werden. Mit dem christlichen Wissen davon, daß die Voll­endung der Welt und unseres individuellen Heils noch aussteht, ist auch das Bewußtsein verbunden, daß allein die Zukunft Gottes selbst die Frage nach der Wahrheit der Christusoffenbarung und des christlichen Glaubens end­gültig entscheiden kann, obwohl diese Wahrheit überall da schon wirksam gegenwärtig ist, wo der Geist Gottes und Christi weht. Die Entscheidung über die Wahrheit seiner Offenbarung also und die Durchsetzung ihrer öf­fentlichen Anerkennung ist Sache Gottes selbst. Sie wird daher auch am Ende dieser Darstellung der christlichen Lehre noch offen bleiben müssen. Diesseits der Vollendung der Wahrheit Gottes in der Geschichte der Welt gehört gerade das Bewußtsein der Vorläufigkeit und Gebrochenheit ihrer gegenwärtigen Realisierung bei uns zu den Bedingungen für die Glaubwür­digkeit christlicher Verkündigung und Theologie.

Auch bei diesem Bande habe ich wieder für mancherlei Hilfe zu danken, meiner Sekretärin Frau Gaby Berger für die Herstellung der Druckvorlage des Manuskripts, meinen Assistenten Frau Dr. Christine Axt-Piscalar, Herrn Walter Dietz, Fräulein Friederike Nüssel, sowie den Herren Markwart Her­zog und Olaf Reinmuth für Hilfe bei den Korrekturarbeiten und bei der Überprüfung der Zitate, den drei zuerst Genannten auch für die Erstel­lung der Register, darüber hinaus aber allen, die mir Mut gemacht haben zur Fortsetzung eines Werkes, an dessen Beginn sich nur schwer nach An­weisung von Lk 14,28ff. abschätzen läßt, ob man es auch wird hinausführen können.

München, im November 1990 Wolfhart Pannenberg

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7. KAPITEL

Die Schöpfung der Welt

I. SCHÖPFUNG ALS AKT GOTTES

1. Gottes Handeln nach außen

Die Schöpfungslehre führt das Dasein der Welt auf Gott als ihren Ur­sprung zurück, indem sie von der Wirklichkeit Gottes hinüberführt zum Dasein einer Welt. Das geschieht durch die Vorstellung von einem Handeln Gottes1, und erst dadurch wird die Welt hinsichtlich ihres Ursprungs aus Gott als Schöpfung bestimmt. Die Welt ist Produkt einer Tat Gottes. Mit dieser Behauptung ist eine folgenreiche Aussage über das Verhältnis der Welt zu Gott und Gottes zur Welt gemacht: Hat die Welt ihren Ursprung in einer freien Tat Gottes, so geht sie nicht notwendig aus dem göttlichen Wesen hervor. Sie gehört nicht notwendig zur Gottheit Gottes. Sie könnte auch nicht-sein. Ihr Dasein ist daher kontingent, Ergebnis und Ausdruck ei­nes freien Aktes göttlichen Wollens und Handelns. Sie ist nicht - wie der Sohn - in Ewigkeit das Korrelat des Daseins Gottes als des Vaters.

Aber bedarf es nicht einer Welt von Geschöpfen oder zumindest einer Hinordnung auf sie, wenn Gott überhaupt als tätig gedacht werden soll? Auch das verneint die christliche Lehre, indem sie schon die trinitarischen Relationen zwischen Vater, Sohn und Geist als „Tätigkeiten“ beschreibt, zu denen mit der Schöpfung der Welt nur anders geartete, nach außen gerich­tete Tätigkeiten hinzutreten.

In der griechischen Patristik wurde allerdings der Begriff Tätigkeit (enérgeia) nur für das gemeinsame Handeln der drei Personen nach außen, in bezug auf die Welt der Geschöpfe, verwendet. Bei Athanasius war der Gedanke der Einheit des Wirkens der Trinität in Entsprechung zur Ungeteiltheit ihrer göttlichen Natur formuliert worden, entgegen der Lehre des Origenes von unterschiedlichen Wir­kungskreisen der drei göttlichen Personen2, und bei den kappadokischen Vätern wurde die Einheit des Wirkens unermüdlich als Ausweis der Wesenseinheit von

1 Siehe dazu die Ausführungen in Bd.l, 398ff., 416ff. 2 So Athanasius im ersten Brief an Serapion (MPG 26,596 A). Zum Gegensatz dieser Aus­

sage zur Auffassung von Origenes vgl. D. Wendebourg: Geist oder Energie. Zur Frage der in­nergöttlichen Verankerung des christlichen Lebens in der byzantinischen Theologie, 1980, 173. Siehe auch Bd. 1,295.

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Vater, Sohn und Geist eingeschärft3. Auch Augustin hat in diesem Sinne von der Ungeteiltheit des göttlichen Wirkens gesprochen (De trin.I,4(7): inseparabiliter operentur (CC 50, 1968, 24f., vgl. ebd. IV,21 (30), 203 z.31 f. u.ö.), ebenso wie vor ihm schon Ambrosius (De fide IV,8,90; CSEL 78,187f.). Dagegen wurden die in­nertrinitarischen Relationen der Zeugung und Hauchung von Augustin noch nicht als operationes oder opera bezeichnet, auch nicht als göttliche Handlungen (actiones). Das ist erst in der lateinischen Scholastik angebahnt worden. Aus­gangspunkt dafür scheint die Trinitätslehre Richards von St. Victor geworden zu sein, der den Begriff der processio, der bis dahin speziell den Hervorgang des Gei­stes bezeichnet hatte, verallgemeinerte zur Bezeichnung der trinitarischen Hervor­gänge überhaupt4. Der Ausdruck konnte nun sogar auch auf das Handeln Gottes nach außen bezogen werden5. Entsprechend fand der Begriff der actio im Sinne eines inneren Handelns durch Intellekt und Wille auch Anwendung auf die Be­schreibung der trinitarischen Relationen. Das Material dafür boten die psycholo­gischen Trinitätsanalogien Augustins. Die Vorstellung eines inneren Handelns in den Akten des Intellekts und des Willens wurde zur Basis der Behauptung inner­göttlicher Relationen erklärt (Thomas S. theol. I,28,4 c). Dabei konnte Thomas v. Aquin anstelle des Begriffs actio auch den der operatio verwenden (I,27,3 c), wie denn die ganze Erörterung von Intellekt und Willen in Gott unter den Begriff von operationes im Sinne inneren Handelns gestellt wurde (I,14 introd.). Nach Thomas beruht darauf insbesondere auch die Lebendigkeit Gottes (I,18,2 c, vgl. 1 c)6. Dieser Sprachgebrauch ist von der altprotestantischen Dogmatik großenteils übernommen worden, trotz Vorbehalten gegenüber der scholastischen Trinitäts­psychologie. Der Begriff des göttlichen Handelns wurde hier zu Beginn der

3 So Basilius De Spir. S. (MPG 29,101 CD u. 133 BC), Gregor Naz. Or. Theol.IV (PG 36,116 C u.ö.), Gregor Nyss. (Ex comm. not. MPG 45,180). Dazu D.Wendebourg a.a.O., 222 f., sowie schon 201 f., 214 f. und zu Didymus dem Blinden 187 ff.

4 F.Courth: Trinität in der Scholastik (Handbuch der Dogmengeschichte II/1 b) 1985, 67 geht auf die Verallgemeinerung des Begriffs nicht ein. Vgl. bes. Richard v. St. Victor De Trin. V,6ff. (PL 196,952 ff.). Die Anwendung des Ausdrucks processio findet sich auch bei Petrus Lombardus Sent.I,13,1 und 2 für den Ursprung sowohl des Sohnes als auch des Geistes aus dem Vater. Als Unterscheidung des letzteren heißt es mit Augustin: procedit a Patre non quo­modo natus, sed quomodo datus vel Donum (vgl. Augustin De trin.V,14,15; PL 42,920f.). Als Bei­spiel für die Kritik der ostkirchlichen Orthodoxie an der wesdichen Verallgemeinerung des Be­griffs der processio, die bei der scholastischen Auffassung der processiones als operationes oder actiones schon vorausgesetzt ist, vgl. P.Evdokimov: L'esprit Saint dans la tradition orthodoxe, Paris 1969, 69: „Considérer la generation et la procession comme duae processiones est une ab-straction arbitraire, car celles ne peuvent aucunement être ,connumérées' comme deux ...“ Dieser verallgemeinerte Sprachgebrauch läßt sich anscheinend nicht auf Augustins Werk über die Tri­nität zurückführen. Es gibt jedoch Beispiele dafür in der vornicaenischen Theologie des We­stens. So heißt es bei Tertullian, daß der Sohn Gottes das Wort sei, das aus dem einen Gott „hervorging“ (adv.2: processent, vgl. auch mehrfach dort in c.7; für den Hinweis danke ich A. Ganoczy). Ob der Sprachgebrauch der lateinischen Scholastik über Augustin hinweg darauf zurückgegriffen hat oder selbständig entwickelt wurde, konnte ich nicht feststellen.

5 Thomas von Aquin, Summa theol. I,27,1 c: Sed cum omnis processio sit secundum aliquant ac-tionem; sicut secundum actionem quae tendit in extenorem materiam, est aliqua processio ad extra; ita secundum actionem quae manet in ipso agente, attenditur processio quaedam ad intra.

6 Siehe schon Augustin De trin.VI,10,ll und XV,5,7.

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Schöpfungslehre, als Überleitung von der Trinitätslehre zur Darstellung der Öko­nomie des göttlichen Handelns in der Schöpfung, erörtert. Ausführlich geschah das bei Amandus Polanus 1609 als Grundlegung für die reformierte Lehre von den ewigen Dekreten Gottes7. Auf lutherischer Seite finden sich entsprechende Erörterungen vor allem in der Jenaer Schule von Johann Musäus und Johann Wil­helm Baier8, aber auch bei David Hollaz9. Die Wittenberger Theologie verhielt sich dagegen eher reserviert und tendierte zu einer Einschränkung der Rede vom Handeln Gottes auf seine opera externa10, ohne jedoch ihre Anwendbarkeit auf die innertrinitarischen Beziehungen gänzlich auszuschließen11.

Die Handlungen der trinitarischen Personen in ihren Beziehungen zuein­ander sind indessen scharf zu unterscheiden von ihrem gemeinsamen Han­deln nach außen. Solcher Unterscheidung dient die Regel, die der untrenn­baren Einheit der trinitarischen Personen in ihrem Handeln „nach außen“, im Weltverhältnis, die für die personalen Unterschiede von Vater, Sohn und Geist konstitutive Sonderung ihrer Tätigkeiten „nach innen“, in ihren Bezie­hungen zueinander, gegenüberstellt12.

Der häufig genannte Satz: Opera tnnitatis ad intra sunt divisa, opera tnnitatis ad ex­tra sunt indivisa ist allerdings nicht eine „Augustinische Faustregel“13. Er ist viel­mehr das Ergebnis der geschilderten, verschlungenen Entwicklung der Auffassun­gen vom Handeln Gottes in der lateinischen Theologie. Nur sein zweiter Teil ist der Sache nach von Augustin vertreten worden, der damit aber einfach der Lehre der kappadokischen Väter folgte, wie oben gezeigt worden ist. Im Hinblick auf die Unteilbarkeit des Wirkens der trinitarischen Personen nach außen sprach Quenstedt 1685 von einer regula Augustiniana (a.a.O. 328), so daß der Eindruck entstehen konnte, die Regel als solche sei von Augustin selbst so formuliert wor­den. Der erste, die innertrinitarischen Beziehungen betreffende Teil der Regel konnte aber überhaupt erst formuliert werden, nachdem die Begriffe operatio und actio auch auf die innertrinitarischen Verhältnisse Anwendung gefunden hatten. In der altprotestantischen Theologie konnte die auf die innertrinitarischen Bezie-

7 A.Polanus: Syntagma Theologiae Christianae (1609), Hannover 1625, 236aff. 8 J.W.Baier: Compendium Theologiae Positivae (1686) ed. tertia Jena 1694, c. 1 §37 (151)

und c.2 § 1 (156). J.Musäus: De Deo Triuno Thesesjena 1647, 12ff. (Thesen 52 ff.). 9 D. Hollaz: Examen theologicum acroamaticum, Stargard 1707, I 508 ff. Hollaz spricht in

diesen einleitenden Bemerkungen zur Schöpfungslehre von actiones, nicht wie Polanus u.a. von opera.

10 So A.Calov: Systema Locorum Theologicorum III, Wittenberg 1659, 882ff. Ähnlich hatte sich schon J.Gerhard geäußert (Loci Theologici 1610ff., ed. altera ed. F.Franz 1885 vol. II,1 a).

11 So J.A. Quenstedt: Theologia didactico - polemica sive Systema Theologicum I, Leipzig 1715, 589 (Beginn des 10. Kapitels De actionibus Dei in Genere, et in specie de Creatione).

12 Dabei weist J.A.Quenstedt darauf hin, daß man die trinitarischen opera ad intra nicht gleichsetzen dürfe mit openbus internis, weil diese sich (wie die Akte des Intellekts und des Wil­lens) auf einen äußeren Gegenstand richten, wenn sie auch als Akte in der Innerlichkeit des Subjekts bleiben (a.a.O., 589f.).

13 So C.H.Ratschow: Lutherische Dogmatik zwischen Reformation und Aufklärung II, Gü­tersloh 1966, 156, vgl. 158.

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hungen erweiterte Formel um die Mitte des 17. Jahrhunderts bereits als gebräuch­lich bezeichnet werden. Das geht aus einer Bemerkung Abraham Calovs von 1659 zu den innertrinitarischen actiones personales hervor: de quibus tradi solet Regula: Opera ad intra sunt divisa (Calov a.a.O. 882). Johann Musäus (De Deo Triuno, Jena 1647) sprach von einer regula Theologorum (These 94).

Die Ausweitung der Vorstellung göttlichen Handelns auf die innertrinita­rischen Beziehungen zwischen Vater, Sohn und Geist, die von der abendlän­dischen Theologie vollzogen wurde, könnte als Abweichung von der Lehre der griechischen Väter erscheinen, die so großes Gewicht auf die Einheit des göttlichen Handelns gelegt hatten, indem sie diese Vorstellung auf das Ver­halten Gottes „nach außen“ beschränkten. Doch an der unteilbaren Einheit Gottes im Handeln nach außen hat auch die westliche Theologie ausdrück­lich festgehalten. Die Ausweitung der Vorstellung vom göttlichen Handeln auf die innertrinitarischen Beziehungen kann auch nicht bedeuten, daß die trinitarischen Personen in ihren aufeinander bezogenen „Handlungen“ von­einander unabhängig wären, wie der Schöpfergott unabhängig ist von der durch ihn hervorzubringenden Welt. In diesem Punkt hat die westliche Aus­weitung der Vorstellung göttlichen Handelns sich in eine Schwierigkeit ver­wickelt, die nur dadurch verdeckt blieb, daß andererseits die hypostatische Eigenständigkeit der göttlichen Personen auf innere Akte eines einzigen göttlichen Subjekts in seinem Wissen und Wollen zurückgeführt wurde: Sind die Akte der göttlichen Personen in ihren Beziehungen zueinander etwa weniger frei als ihr gemeinsames Handeln „nach außen“ bei der Her­vorbringung einer Welt? Oder hat der Schöpfungsakt unbeschadet seiner Freiheit doch auch seinerseits teil an der Verwiesenheit der trinitarischen Personen aufeinander, die sie unzertrennlich sein läßt? Trotz solcher Schwierigkeiten erbrachte die westliche Ausweitung der Vorstellung göttli­chen Handelns in mehrfacher Hinsicht einen Gewinn an theologischer Ein­sicht. Es ist in erster Linie ein Gewinn für das Gottesverständnis selbst, daß Gott als in sich selber tätig gedacht wird. Der Vorteil dieser Auffassung ist deutlich im Vergleich zur palamitischen Lehre von den göttlichen Energien, die zwar ungeschaffen, aber dennoch vom göttlichen Wesen verschieden sein sollen14. Die innere Widersprüchlichkeit dieser Auffassung von unge­schaffenen göttlichen Werken wird in der abendländischen Theologie da­durch vermieden, daß die Vorstellung einer ewigen Tätigkeit Gottes in ihm selber mit den trinitarischen Beziehungen verknüpft wird. Daraus ergibt sich ungezwungen, daß Gott nicht der Welt bedarf, um tätig zu sein. Er ist in sich selber lebendig in den gegenseitigen Beziehungen zwischen Vater, Sohn und Geist. Er wird freilich mit der Schöpfung einer Welt auf neue Weise tätig. Zum Begriff des Handelns gehört es, daß der Handelnde durch einen Akt seiner Freiheit aus sich heraustritt, indem er etwas von ihm selber

14 Siehe dazu D.Wendebourg: Geist oder Energie, 1980, 39-43.

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Verschiedenes hervorbringt oder auf ein solches hin tätig wird bzw. auf des­sen Einwirkung reagiert. Das gilt innerhalb der Einheit des göttlichen Le­bens für die Beziehungen der trinitarischen Personen zueinander. Mit der Schöpfung einer Welt aber treten sie gemeinsam handelnd heraus aus dem, was ihnen gemeinsam ist, nämlich aus dem göttlichen Wesen überhaupt. Dadurch unterscheidet sich die Schöpfung der Welt samt der damit verbun­denen Ökonomie göttlichen Handelns von dem Tätigsein des lebendigen Gottes in den Verhältnissen von Vater, Sohn und Geist zueinander.

Noch in einer anderen Hinsicht ermöglicht die Ausweitung der Vorstel­lung göttlichen Handelns auf die innertrinitarischen Beziehungen einen theologischen Erkenntnisgewinn. Die Lehre von der unteilbaren Einheit der drei Personen in ihrem gemeinsamen Handeln war nämlich von früh an Einwänden ausgesetzt. Man führte dagegen biblische Aussagen an, in denen unbefangen von einem Handeln jeweils einer einzelnen der trinitarischen Personen gesprochen wird. Schon Ambrosius und Augustin sahen sich sol­cher Kritik gegenüber15. Man konnte ihr mit der Auskunft begegnen, daß in solchen Aussagen das gemeinsame Wirken der drei Personen einer einzel­nen von ihnen „appropriiert“ werde. Aber wie solche Appropriation im trini­tarischen Leben Gottes selbst begründet ist, blieb dabei ebenso im Dunkeln wie die Möglichkeit, angesichts der unteilbaren Einheit des göttlichen Han­delns nach außen überhaupt zu einer Erkenntnis der Unterschiedenheit der trinitarischen Personen zu gelangen. Die Verbindung der innertrinitarischen Beziehungen mit dem Begriff des Handelns Gottes als Schöpfer, Erhalter, Versöhner und Vollender einer Welt von Geschöpfen erlaubt insofern eine Klärung dieser Schwierigkeiten, als sie es ermöglicht, das Weltverhältnis des einen Gottes - als Schöpfer, Versöhner und Vollender der Welt - trinita­risch vermittelt zu denken, so daß den Beziehungen des einen Gottes zu den Geschöpfen und der Geschöpfe zu ihm immer auch schon das gegenseitige Handeln der trinitarischen Personen zugrunde liegt. Das Handeln des einen Gottes im Weltverhältnis ist nicht ein völlig anderes als in seinem trinitari­schen Leben, sondern in ihm wendet sich dieses trinitarische Leben selber nach außen, tritt aus sich heraus und wird zum Bestimmungsgrund der Be­ziehungen zwischen Schöpfer und Geschöpf.

In der theologischen Tradition ist dieser Sachverhalt so zum Ausdruck gebracht worden, daß der Grundsatz des gemeinsamen Wirkens der trinitarischen Perso­nen in ihren Werken nach außen mit dem Zusatz versehen wurde: servato tarnen personamm divinarum ordine (so David Hollaz, Examen a.a.O. 510, vgl. Joh.An­dreas Quenstedt a.a.O. 589). Dabei handelt es sich im Sinne der traditionellen Dogmatik um die Ordnung der Ursprungsbeziehungen zwischen Vater, Sohn und Geist: In ihren Werken nach außen wirken die trinitarischen Personen diesen

15 Ambrosius De fide IV,6,68 (CSEL 78,180 z. 32-35), Augustin De trin. I,4,7: pater et filius et spintus sanctus sicut inseparabiles sunt, ita inseparahiliter operentur (CC 50,36,22-24).

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Relationen gemäß zusammen, der Vater als Ungezeugter Ursprung, der Sohn als vom Vater gezeugt, der Geist als vom Vater ausgehend und vom Sohn empfan­gen. Auf den in dieser Ursprungsordnung begründeten Besonderheiten sollten auch die Appropriationen der Schöpfung an den Vater, der Versöhnung an den Sohn und der eschatologischen Vollendung an den Geist beruhen. Im Sinne der Ausführungen von Bd.I (335 ff.) ist dieser Gesichtspunkt so zu erweitern, daß auch im gemeinsamen Handeln der trinitarischen Personen nach außen die Ge­genseitigkeit ihrer Beziehungen zum Ausdruck kommt. Mit der trinitarischen Vermittlung des Handelns Gottes nach außen

hängt noch ein weiterer Fragenkreis zusammen, bei dem es um Einheit und innere Zusammengehörigkeit der verschiedenen Phasen der Heilsökonomie des göttlichen Handelns geht. Daß die Einheit der Handlung, letztlich beru­hend auf der Einheit des handelnden Subjekts, eine Vielheit von Momenten zu einer auch prozessualen Einheit im Ablauf des Geschehens verknüpft, kennzeichnet jedes Handeln, das unter Bedingungen der Zeit steht, sei es, daß der Handelnde selbst seinen Ort in der Zeit hat und sich mit den Zwek­ken seines Handelns auf eine von seiner Gegenwart verschiedene Zukunft richtet, oder sei es auch nur, daß der Gegenstand des Handelns sein Dasein in der Zeit hat und unter Bedingungen zeitlicher Prozesse seine Gestalt ge­winnt. Von Gottes Handeln läßt sich nur im letzteren Sinne ein Struktu­riertsein durch Unterscheidung und Zuordnung von Mitteln und Zwecken behaupten und auch das nur mit Einschränkungen. Daß menschliches Han­deln Geschehensfolgen hervorbringt, die durch eine Verknüpfung von Mit­teln und Zwecken gegliedert sind, ist dadurch bedingt, daß Menschen ihre Zwecke gewöhnlich nicht durch einen einzigen Akt und unmittelbar zu rea­lisieren vermögen, sondern nur durch einen gegliederten Handlungszusam­menhang, weil sie für ihr Handeln darauf angewiesen sind, anderweitig ge­gebene Bedingungen und Materialien als Mittel zu nutzen zur Realisierung des erstrebten Zweckes. In diesem Sinne läßt sich die Zweck-Mittel-Struk­tur nicht ohne weiteres auf die Vorstellung eines göttlichen Handelns über­tragen, weil damit Gott als ein bedürftiges und abhängiges Wesen hinge­stellt würde16. Aber die Zweck-Mittel-Struktur des Handelns hat auch die Funktion, eine gegebene Vielheit in der zeitlichen Abfolge ihrer Elemente zur Einheit zu verbinden, und zwar so, daß die Einheit der Reihe von ihrem Ende her begründet ist. Im Hinblick auf diese Funktion der Integration ei­ner Ereignisreihe in eine von ihrem Ende her begründete Einheit läßt sich von Zwecken und Mitteln auch des göttlichen Handelns sprechen. Das ist nicht so zu verstehen, als ob Gott seine Zwecke nur durch den Gebrauch von dazu geeigneten Mitteln erreichen könnte. Das schöpferische Handeln des allmächtigen Gottes kann von sich aus alle seine Zwecke unmittelbar

16 Siehe dazu Bd. 1, 406f., 418f.

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realisieren, in der Form von basic actions17, durch einfache Willensakte. Doch wenn das göttliche Handeln sich die Hervorbringung endlicher, da­her auch zeitlich begrenzter und durch zeitliche Verhältnisse bestimmter Geschöpfe zum Gegenstand macht, dann wird es die endlichen Ereignisse und Wesen im Zusammenhang einer Zeitfolge hervorbringen, in der ihr Da­sein auf eine zukünftige Vollendung bezogen ist. Die Rede von Mitteln und Zwecken göttlichen Handelns drückt dann nur die Beziehungen zwischen den endlichen Ereignissen und Wesen als so von Gott gewollt aus, aller­dings unter dem Gesichtspunkt ihrer Bezogenheit auf eine sie in ihrer End­lichkeit übersteigende Zukunft. Das wird an späterer Stelle noch genauer er­läutert und begründet werden. Hier ist zunächst festzuhalten, daß die zeitli­che Ordnung, in der die geschöpflichen Dinge und Ereignisse als solche stehen, Anlaß dazu gibt, ihre Beziehung auf das Handeln Gottes durch die Vorstellung von einem „Plan“ auszudrücken (Jes 5,19 u.ö.), den Gott im Prozeß der Geschichte verfolgt. Wenn die Bestimmung alles geschöpflichen Geschehens und Daseins auf die Gemeinschaft mit Gott selbst hingeordnet ist, dann wird diese Vorstellung die gedankliche Form eines Heilsplans an­nehmen. An dieser Stelle führt die Zweckbeziehung des göttlichen Han­delns nach außen auf die Gestalt seiner trinitarischen Vermittlung, insofern die Gemeinschaft der Geschöpfe mit ihrem Schöpfer als Teilhabe an der Gemeinschaft des Sohnes mit dem Vater durch den Geist zu denken ist. Der Heilsratschluß oder Heilsplan (Eph 2,9 ff.), der dem Ablauf der Ge­schichte der Schöpfung zugrunde liegt und in den alles Geschehen einge­ordnet ist, kann dann als schon jetzt offenbar in Jesus Christus, in seinem Gehorsam gegen die Sendung des Vaters, verkündet werden. In solchem Rahmen läßt sich dann weiterhin auch sagen, daß der in sich unabhängige Gott sich mit der Tat seiner Schöpfung und im Gange der Geschichte seiner Geschöpfe abhängig macht von den geschöpflichen Bedingungen für das Inerscheinungtreten seines Sohnes in Jesu Verhältnis zum Vater, nicht so, als ob Gott zur Realisierung seiner Zwecke auf davon verschiedene Mittel an­gewiesen wäre, aber so, daß dies faktisch der Modus ist, wie eine Vielheit von Geschöpfen einbezogen wird in die ewige Seligkeit der Gemeinschaft des Sohnes mit dem Vater: Für Gottes Handeln ist kein Geschöpf bloßes Mittel, sondern gerade durch die Hinordnung seines Daseins auf den Kai­ros der Erscheinung des Sohnes wird jedes Geschöpf des Heilszwecks sei­nes Schöpfers teilhaftig.

Die entfaltete Struktur des göttlichen Handelns „nach außen“ umfaßt ne­ben der Schöpfung der Welt auch die gewöhnlich davon unterschiedenen Themen ihrer Versöhnung, Erlösung und Vollendung. In einem weiter ge­faßten Sinne könnte allerdings zum Begriff der Schöpfung auch die Vollen-

17 T.Penelhum: Survival and Disembodied Existence, 1970, 107, vgl. 40 mit Bezugnahme auf A.Danto: Basic Actions, in: American Philosophical Quaterly 2, 1965, 141-148.

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dung des Geschöpfes gerechnet werden. Folgt man aber der traditionellen, engeren Auffassung der Rede von der „Schöpfung“ im Unterschied zur Versöhnung und Vollendung, so erschöpft sich der Gedanke des göttlichen Handelns „nach außen“ nicht im Akt der Erschaffung der Welt. Dieser bil­det dann nur das erste Glied in einer Ökonomie göttlichen Handelns, die das Weltverhältnis Gottes in allen seinen Aspekten umfaßt und zum Aus­druck bringt.

Muß also von einer Mehrzahl göttlicher Taten gesprochen werden? Oder schließt die ewige Selbstidentität des Einen Gottes die Vorstellung einer Ab­folge unterschiedlicher Handlungen aus, so daß streng genommen das Han­deln Gottes von Ewigkeit her nur ein einziges wäre? Die theologische Tra­dition hat unter dem Druck des Postulats der Einfachheit Gottes tatsächlich behauptet, daß das Handeln Gottes in sich nur ein einziges und identisch mit seiner Wesenheit sei18. Dagegen berichten die biblischen Schriften nicht nur der Sache nach ganz unbefangen von einer Vielzahl göttlicher Taten, sondern sprechen auch ausdrücklich von ihrer Mehrzahl: von den Taten (Ps 78,11: aliloth) und Wundern, die Gott sein Volk „schauen“ ließ (vgl. Ps 77,12); von seinen „Großtaten“ (Ps 106,2: geburoth oder einfach von seinen „Handlungen“ (Ps 11l,6: ma'asau). Man konnte sie zusammenfassen in ei­nem Kollektivplural: So spricht das Josuabuch von den Ältesten Israels, die „all das Tun Jahwes“ (qol ma'asäh Ihwh) kannten, das er für Israel getan hatte (Jos 24,31, vgl. Ex 34,10; Ri 2,7 u. 10), nämlich in der Geschichte des Auszugs aus Ägypten und der Wüstenwanderung. Dieser Kollektivplural ist das Wort der hebräischen Bibel für „Geschichte“ überhaupt (vgl. Jes 5,19; 28,21, auch Ps 92,5f.). Darin ist die Vielzahl der Taten Gottes doch auch wieder als Einheit gedacht, aber als eine in sich gegliederte, differenzierte Einheit. Daß die reale Vielheit innerhalb der Einheit des göttlichen Han­delns nicht nur Schein ist, auch nicht nur der Seite seiner kreatürlichen Wir­kungen angehört, sondern dem Handeln Gottes selber eignet, kommt späte­stens an der Stelle zum Ausdruck, an der sie sich als verbunden mit den trinitarischen Unterschieden im Leben Gottes erweist: in der Inkarnation des Sohnes. Das Versöhnungshandeln Gottes, das mit der Inkarnation des Sohnes anhebt, ist gegenüber der Grundlegung des bloßen Daseins der Ge­schöpfe wirklich noch einmal etwas Neues, wiewohl es dabei um die Vollen­dung der Geschöpfe und damit auch des Schöpfungswerkes selber geht.

18 Thomas v.Aquin S. theol.I, 30,2 ad 3: Sed in Deo secundum rem non est nisi una operatio, quae est sua essentia. Das gilt nach Thomas sogar für die trinitarischen Prozessionen (I,27,4 ad 1), da sie in Handlungen begründet sind (I,27,1 und 5). Die altprotestantische Theologie hat hinsichtlich der Trinität ebenso wie Thomas auf der realen Verschiedenheit der innergöttlichen Prozessionen und Personen voneinander bestanden. Im Hinblick auf das göttliche Handeln konnte A. Calov die allseits zugestandene Realidentität der sog. actiones essentiales internae (wie Wille und Intellekt) mit der göttlichen Wesenheit zum Anlaß nehmen, die Vorstellung des Handelns auf die actiones externae zu konzentrieren (Syst. Loc.Theol.III, 1659, 883f.).

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Von daher läßt sich ganz allgemein sagen: Das je Neue in der Abfolge gött­lichen Handelns - und also seiner Vielfalt - ist begründet in der trinitari­schen Vielfalt des göttlichen Lebens. Darum geht auch wiederum die Ein­heit dieses selben Gotteshandelns in der Ökonomie der Geschichte Gottes mit seiner Schöpfung nicht verloren über der Vielfalt des Geschehens. Da­von wird zum Abschluß dieses Kapitels noch einmal die Rede sein.

Doch zunächst ist von der Schöpfung als einem besonderen Werke Got­tes zu handeln. Dabei geht es an erster Stelle um das göttliche Schöpfungs­handeln als um den freien Ursprung einer von Gott verschiedenen Wirklich­keit. Frei ist auch das Handeln der trinitarischen Personen in ihren Bezie­hungen zueinander, aber nicht in dem Sinne, daß der Vater es auch unterlas­sen könnte, den Sohn zu zeugen, oder der Sohn den Willen des Vaters verleugnen, der Geist jemand anderen verherrlichen könnte als den Vater im Sohn und den Sohn im Vater. Der Ursprung der Welt als Schöpfung aus dem freien Handeln Gottes besagt gerade dies, daß auch dann, wenn die Welt nicht ins Dasein getreten wäre, der Gottheit Gottes nichts mangelte. Das ist allerdings mehr eine Aussage über die Welt, nämlich über die Kon­tingenz ihres Daseins, als über Gott; denn Gott hat sich nun einmal in sei­ner Freiheit von Ewigkeit her dazu bestimmt, Schöpfer und Vollender einer Welt von Geschöpfen zu sein. Daher beruht die Vorstellung, Gott hätte die Erschaffung der Welt auch unterlassen können, auf einer Abstraktion von der faktischen Selbstbestimmung Gottes, die in der Ewigkeit seines Wesens begründet sein muß und also nicht als der konkreten Wirklichkeit Gottes äußerlich gedacht werden kann. Dennoch muß auch von Gott her der Ur­sprung der Welt als kontingent, weil aus der Freiheit des einen Gottes in sei­nem trinitarischen Leben entspringend, gedacht werden.

2. Die Eigenart des Schöpfungshandelns Der Schöpfungsgedanke hat sich in Israel entwickelt als Ausweitung des

Heilsglaubens an den in der Geschichte erwählenden und handelnden Bun­desgott auf den Anfang allen Geschehens: „Der Beginn dieser Gottesge­schichte wurde nun bis zur Schöpfung vordatiert“19. Diese Auffassung ist mit dem Argument angegriffen worden, daß Israel vielmehr immer schon „am altorientalischen Welt- und Schöpfungsdenken teilhatte und dann seine spezifischen Geschichts- und Gotteserfahrungen in ihrem Horizont ver­stand“20. Daß kosmologische und kosmogonische Vorstellungen, wie sie

19 G.v.Rad: Theologie des Alten Testaments I, 1957, 143. 20 So H. H. Schmid: Schöpfung, Gerechtigkeit und Heil, „Schöpfungstheologie“ als Gesamt­

horizont biblischer Theologie, in: ZThK 70, 1973, 1-19, Zit. 11 f. Eine ähnliche Auffassung hat R.P.Knierim entwickelt: Cosmos and History in Israel's Theology, in: Horizons in Biblical Theology 3, 1981, 59-123.

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von den Religionen des Alten Orients ausgebildet worden sind, den Vätern Israels zu keiner Zeit völlig fremd waren, also auch die Vorstellungen eines göttlichen Ursprungs der Weltordnung in Israel nicht überhaupt erst als Ex­trapolationen der Erfahrung geschichtlichen Gotteshandelns und insbeson­dere der Herausführung aus Ägypten, der Errettung am Schilfmeer und der Gabe des verheißenen Landes entstanden sind, wird man ohne weiteres zu­gestehen müssen. So scheint der göttliche Ursprung der irdischen Welt in der Frühzeit Israels dem kanaanäischen Himmelsgott El zugeschrieben worden zu sein, der auch in der Karatepe-Inschrift in Kilikien als Schöpfer der Welt bezeugt ist und der die Frühzeit Israels mit Ugarit verbindet21. In der Abrahamüberlieferung wird der von Abraham verehrte Gott mit El identifiziert22. Das geschieht besonders in der Erzählung von der Begeg­nung Abrahams mit Melchisedek, dem Priester des El Eljon von Jerusalem, der Abraham segnet im Namen des „El Eljon, der Himmel und Erde ge­macht hat“ (Gen 14,19). Da für das spätere Israel der Gott Abrahams mit Jahwe, dem Gott des Sinai und des Exodus, identisch war (Ex 3,6), wird auch er als eins mit dem Schöpfergott El verstanden worden sein. Die si­cherlich komplexen religionsgeschichtlichen Vorgänge im Hintergrund sol­cher Identifizierung von Jahwe, El und dem Gott der Väter brauchen hier nicht erörtert zu werden23. Wichtig ist aber, daß es sich dabei jedenfalls um

21 Siehe dazu W.H.Schmidt: Königtum Gottes in Ugarit und Israel, 2.Aufl. 1966, 23ff., zur Schöpfungsfunktion Els 58 ff. Zur Karatepe-Inschrift vgl. Ancient Near Eastern Texts Relating to the Old Testament, ed. J . B. Pritchard 2. ed. 1955, 499f., bes. 500 b. Ferner auch Fritz Stolz: Strukturen und Figuren im Kult von Jerusalem, BZAW 118, 1970, 102-148, sowie F.M.Cross: Canaanite Myth and Hebrew Epic, Cambridge, Mass. 1973, 1-75, sowie ders.: El in ThWAT I, 1973, 259-279.

22 So der Sache nach auch H. H. Schmid: Jahweglaube und altorientalisches Weltordnungs­denken, in ders.: Altorientalische Welt in der alttestamentlichen Theologie, 1974, 31-63, bes. 38 ff. Schmid macht allerdings mit Recht darauf aufmerksam, es handle sich „nicht um die dis­tanzierte oder gar reflektierte Identifikation zweier in sich abgeschlossener Größen, sondern darum, daß sich der Erfahrungshorizont der Jahweverehrung demjenigen der El- bzw. Baalreli­giosität in einem Maße angeglichen hatte, daß daraus zwangsläufig parallele, ja sogar identi­sche Ausdrucksweisen erwachsen bzw. daß El-Überlieferungen ganz selbstverständlich auch als jahwerelevant erscheinen mußten“ (46f. Anm.58).

23 J.van Seters: The Religion of the Patriarchs in Genesis (Biblica 61, 1980, 220-233) hat mit der Annahme einer spezifischen, von Jahwe unterschiedenen Vätergottheit auch die einer noch nicht mit der Gestalt Jahwes verbundenen El-Verehrung in Zweifel gezogen. Aber die Priester­schrift (Ex 6,3) stellt immerhin ausdrücklich fest, daß die Väter die Identität des von ihnen ver­ehrten Gottes Jahwe noch nicht kannten, und damit stimmt auch die Erzählung von Ex 3 über­ein. Die Verwendung von “'ē/ epithets“ bei Deuterojesaja (Jes 43,5 u. 10; 45,22; 46,9), die van Seters als Indiz für eine Spätdatierung der entsprechenden Angaben der Genesis nimmt, sind bei Deuterojesaja sicherlich Ausdruck eines „increasing effort to identify Yahweh with the one universal deity reflected in the use of the term 'ē/“ (230), aber das schließt keineswegs aus, daß dabei „archaische“ Reminiszenzen (vgl. 221) aufgegriffen wurden, die die Überlieferung be­wahrt hatte und die in der Situation des Exils eine neue Aktualität gewonnen haben mögen, zu­gleich aber auch eine Argumentation wie die Deuterojesajas von der traditionellen Sprache her

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keine bloße Angleichung der Gottheit Jahwes an diejenige Els oder (falls sie jemals für sich Gegenstand kultischer Verehrung waren) der Vätergotthei­ten gehandelt haben kann. Vielmehr fand eine Aneignung der Vätertraditio­nen, aber auch der Gestalt Els - auch des El von Jerusalem - durch Jahwe statt. Möglicherweise hat sich dieser Prozeß noch bis tief in die Königszeit hingezogen. Mit der Aneignung aber ging offenbar auch eine Umformung der mit der Gestalt Els und, noch weit stärker, bei den mit Baal verbunde­nen kosmologischen Funktionen einher, und an dieser Stelle dürfte v.Rads These, daß der biblische Schöpfungsglaube seinen Ursprung in Israels Er­fahrungen von Jahwes Geschichtshandeln habe, einen bleibenden Wahr­heitskern besitzen. Die Vorstellungen von Weltordnung und Weltentste­hung wurden zwar nicht erst neu geschaffen, wohl aber in ihrem Charakter neu geprägt unter dem Einfluß der Erfahrungen Israels vom Handeln seines Gottes in seiner Geschichte. Das ist ein Sachverhalt von erheblicher theolo­gischer Relevanz, weil damit die Eigenart der biblischen Vorstellungen vom Schöpfungshandeln Gottes im Unterschied zu anderen Konzeptionen der Weltentstehung zusammenhängt, so sehr die Entstehung der Welt auch in der Sicht anderer Kulturen auf einen göttlichen Ursprung zurückgeführt worden sein mag.

Das treibende Motiv für die Aneignung und Anverwandlung der mit El und Baal verbundenen kosmologischen Funktionen durch Jahwe wird man in der Eiferheiligkeit Jahwes, in seinem Anspruch auf ausschließliche Vereh­rung, suchen dürfen, wie er im ersten Gebot zum Ausdruck kommt (Ex 20,3 und bes. Dtn 6,14 f.)24. Mit diesem Anspruch war die Annahme eines vom Gott des Sinai und der geschichtlichen Erwählung und Führung verschiede­nen Urhebers der Welt und ihrer Ordnung nicht vereinbar. Durch Zurück­führung auch der kosmischen Ordnung und ihres Ursprunges auf den Gott der Heilsgeschichte wurde die Unumschränktheit der in seinem geschichtli­chen Handeln sich manifestierenden Macht dargetan. Dabei wurde nicht nur El mit Jahwe identifiziert, sondern auch die Schöpfertätigkeit Baals, die im Unterschied zu El eher welterhaltende oder welterneuernde als weltbe­gründende Tätigkeit war25, wurde mit dem Motiv des Chaos-Drachen

legitimieren konnten. Angesichts der Angaben von Ex 6,3 und der Erzählung Ex 3 sowie der unbestrittenen Bedeutung der Gottesgestalt El in kanaanäischen Zeugnissen des zweiten und frühen ersten Jahrtausends vor Christus erscheint es doch am ehesten plausibel, mit F. M. Cross anzunehmen, daß die Väter Israels Verehrer Els oder einer besonderen Ausprägung der El- ge­stalt waren, wobei offen bleiben mag, ob dahinter im Sinne der Thesen A. Alts eine ursprüng­lich selbständige, nomadische Vätergottheit steht, die ihrerseits erst sekundär mit El verschmol­zen worden wäre.

24 Siehe dazu W.H.Schmidt: Die Frage nach der Einheit des Alten Testaments im Span­nungsfeld von Religionsgeschichte und Theologie, in: Jahrbuch f. bibl. Theologie 2, 1987, 33-57, bes. 42 ff.

25 Vgl. W.H.Schmidt 1967, 61 f.

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kampf s auf Jahwe übertragen26. Das Universum ist in Natur und Geschichte gleichermaßen das „Handlungsfeld“ Jahwes27. In den Klagepsalmen der Exilszeit wurde der Chaoskampf Jahwes aufs neue aktuell (Ps 74,12 ff., 89,6 ff., 77,12 ff.), weil Jahwe nun „mit der Macht der Urzeit das Weltganze wieder aus dem Chaos reißen“ mußte, während Ps 104,5 ff. die Erde als ein für allemal begründet, der Macht der Chaoswasser entzogen dargestellt hatte28. Andererseits wurde nun bei Deuterojesaja der Schöpfungsglaube zum Argument für die Erwartung eines neuen Heilshandelns Jahwes, das seine Macht auch über den Gang der Geschichte aufs neue erweisen sollte29. Wie eng bei Deuterojesaja das Handeln Jahwes in der Schöpfung und bei der Hervorbringung des geschichtlich Neuen zusammengesehen wurde, zeigt die Verwendung von Schöpfungsterminologie für das göttliche Ge­schichtshandeln. So wird das bevorstehende Neue „geschaffen“ (Jes 48,7, vgl. 43,19). Wie er das Licht gebildet und die Finsternis „geschaffen“ hat, so wirkt Jahwe auch Heil und Unheil in der Geschichte (45,7)30. Damit stellt sich für die Theologie die Frage, ob sie den Begriff der Schöpfung auf den Anfang der Welt beschränken darf oder vielmehr als Inbegriff des schöpfe­rischen Gotteshandelns im Weltgeschehen auslegen muß. Die biblischen Zeugnisse von Gott als Schöpfer sind durch die Spannung zwischen diesen beiden Aspekten gekennzeichnet.

Im Zusammenhang mit der Renaissance des Schöpfungsglaubens und der Schöpfungstheologie in der Exilszeit wird man auch den Schöpfungsbericht der Priesterschrift im ersten Kapitel der Genesis würdigen müssen. Aller­dings ist hier - im Unterschied zu Deuterojesaja - das Schöpfungshandeln Gottes am Anfang, bei der Grundlegung der Welt, nicht nur Beispiel und Gewähr für die Hervorbringung des geschichtlich Neuen in der Gegenwart. Die Grundlegung der Welt am Anfang hat ihre Gegenwartsrelevanz darin, daß sie deren bis in die Gegenwart unerschütterlich feststehende Ordnung zum Gegenstand hat. Darin entspricht der priesterliche Bericht den kosmo­gonischen Mythen, vor allem auch dem babylonischen Epos Enumaelisch, das im Hintergrund des ersten Kapitels der Genesis steht. Aber im übrigen unterscheidet sich die Beschreibung des göttlichen Schöpfungshandelns in diesem Text tiefgreifend von der Darstellung des Mythos. Die Unum­schränktheit von Jahwes Schöpfungshandeln entspricht den Aussagen der

26 Ebd. 46 ff. Siehe ferner J.Jeremias: Das Königtum Gottes in den Psalmen. Israels Begeg­nung mit dem kanaanäischen Mythos in den Jahwe-Königs-Psalmen, 1987, bes. 29-45 zu Ps 29,3 ff.

27 J.Jeremias a.a.O. 44. 28 J.Jeremias 29 und 49. 29 Siehe dazu R. Rendtorff: Die theologische Stellung des Schöpfungsglaubens bei Deutero­

jesaja in: ZThK 51, 1954, 3-13, bes. 6 f. zu Jes 44,24 ff.; 40,27-31; 40,12-17 und 40,21-24; auch die Ausführungen auf S. 8 zu Jes 54,4-6.

30 Vgl. dazu R.Rendtorff a.a.O. 11.

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Psalmen und Deuterojesajas über das Handeln des einen, alleinigen Gottes in Schöpfung und Geschichte. Der priesterliche Schöpfungsbericht hat der Unumschränktheit des göttlichen Schöpfungshandelns ihren für die Folge­zeit klassischen Ausdruck gegeben: Das geschieht durch die Konzentration der Darstellung auf das göttliche Befehlswort als den alleinigen Grund für das Dasein der Geschöpfe. Auch wenn es nicht zutrifft, daß im Text des Ka­pitels ein älterer Tatbericht von einer späteren Darstellung der Schöpfung durch das bloße Befehlswort Gottes verdrängt worden ist31, vielmehr der göttliche Befehl und der Bericht über seine Ausführung von vornherein auf­einander angelegt sind32, so ist doch in jedem Falle deutlich, daß es in der Sicht der Priesterschrift zur Weltschöpfung keines Kampfes mit einer Cha­osmacht mehr bedurfte wie im babylonischen Epos oder auch bei den in den Psalmen nachklingenden, auf Jahwe übertragenen ugaritisch-kanaanä­ischen Vorstellungen vom Meereskampf Baals. Die Mühelosigkeit des blo­ßen Befehlens veranschaulicht die unumschränkte Verfügungsmacht des Schöpfers33. Auch diese Vorstellung ist allerdings mythischen Ursprungs34, mag sie sich auch in Israel durch die prophetische Auffassung vom Ge­schichte wirkenden Gotteswort nahegelegt haben35. Die Vorstellung, daß alle Dinge durch das magisch wirkende Wort bzw. durch das königliche Be­fehlswort des Gottes hervorgebracht worden sind, findet sich im alten Ägypten schon in der auf das dritte Jahrtausend zurückgehenden „Theolo­gie von Memphis“. Sie wurde dort mit dem ägyptischen Königsgott Ptah verbunden36, wenig später im Apophismythos auch dem Sonnengott Re zu­geschrieben37. Mag auch eine literarische Beziehung des Schöpfungsberichts der Priesterschrift zu diesen Texten nicht nachweisbar sein38, so ist auf jeden Fall die Vorstellung von einer Schöpfung durch das göttliche Wort nicht

31 So W.H.Schmidt: Die Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift, 2.Aufl. 1967, bes. 169ff., vgl. 115 ff.

32 So O.H. Steck: Der Schöpfungsbericht der Priesterschrift, 1975, 14-26, sowie 246 ff. 33 Das ist in anderer Weise auch in Psalmen wie Ps 93 und Ps 29 sowie Ps 104 trotz Beibe­

haltung des Bildes vom Meereskampf ausgedrückt worden, indem das Königtum Jahwes im Unterschied zu dem Baals (aber analog zu dem Els) als „ohne Anfang und Ende“ bestehend dargestellt wurde, nicht als erst durch einen Chaoskampf errungen: J.Jeremias a.a.O. 27 zu Ps 93,1 f., sowie S.38 f. zu Ps 29,3 und 10 (vgl. ferner a.a.O. 42 f.).

34 Man sollte daher „die Erschaffung durch das souveräne Machtwort Gottes“ nicht ohne weiteres schon als „antimythisch“ bezeichnen, wie das bei L.Scheffczyk (Einführung in die Schöpfungslehre, 1982, 11) geschieht, so deutlich auch die Differenz zu den Vorstellungen ei­nes Chaoskampfes ist. Eine Mittelstellung nimmt hier übrigens die Konzentration des Schöp­fungshandelns auf die „Stimme“ Jahwes in Ps 29,3 ff. ein, eine Vorstellung, die ihrerseits schon im Baalmythos eine Rolle spielte (vgl. J.Jeremias a.a.O. 41 f.).

35 So vermutet W.H.Schmidt a.a.O. 175f. 36 Ancient Near Eastern Texts Relating to the Old Testament, ed. J.B.Pritchard 2.ed. 1955,

5 (n.53ff.). 37 A.a.O. 6f. 38 So W.H.Schmidt a.a.O. (1967) 177.

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schon als solche das unterscheidend Charakteristische des biblischen Schöp­fungsgedankens. Dessen Eigentümlichkeit besteht vielmehr in der durch die Wortschöpfung veranschaulichten, unumschränkten Freiheit des Schöp­fungshandelns, analog zum Geschichtshandeln des Gottes Israels. Das Cha­rakteristische dieses Gedankens gehört eng zusammen mit der Einzigkeit des biblischen Gottes; denn darin ist der entscheidende Unterschied zu ana­logen Vorstellungen der Kosmogonie aus den Kulturen des Alten Orients begründet. Diese unumschränkte Freiheit schöpferischen Handelns ist spä­ter durch die Formel einer Schöpfung „aus nichts“ (zuerst 2.Makk 7,28; cf. Röm 4,17, Hb 11,3) ausgedrückt worden39.

Im zweiten Makkabäerbuch hatte die Wendung von der Schöpfung aus nichts wohl noch nicht den Sinn, die Vorstellung der Formung einer vorgegebenen Ma­terie auszuschließen, sondern besagt einfach, daß die Welt „zuvor nicht war“40. In der Literatur des hellenistischen Judentums begegnet durchweg die auch Sap 11,17 bezeugte Vorstellung einer Erschaffung der Welt aus der gestaltlosen Ur-materie41. Sie findet sich noch bei Justin (Apol. I,10,2) und bei Athenagoras (suppl. 22,2)42. Unter den christlichen Apologeten des zweiten Jahrhunderts hat als erster Tatian darauf insistiert, auch die Urmaterie müsse von Gott hervorgebracht worden sein (or. 5,3), weil - wie schon Justin gelehrt hatte (Dial. 5,4-6) - neben Gott kein zweites ungewordenes Prinzip anzunehmen sei. Aktuell war dieses Thema im zweiten Jahrhundert durch die Auseinandersetzung mit dem Dualis­mus Markions43. Entscheidend für die Durchsetzung der Lehre von der creatio ex nihilo in der christlichen Patristik wurden Theophilus von Antiochien und Irenäus von Lyon44. Besonders Theophilus hat sich ausdrücklich gegen die platonische Annahme einer ebenso wie Gott ungewordenen Materie gewendet (ad Aut.II,4): Die Größe Gottes und seiner Schöpfertat zeige sich erst dann, wenn er nicht wie menschliche Künstler aus einer vorgegebenen Materie, sondern aus gar nichts hervorbringe, was immer er will. Auch Irenäus betonte, daß Gott aus freiem Wil­len alles hervorgebracht habe (adv. haer. II,1,1), auch die Materie (II,10,4). Genau diese Auffassung wurde ungefähr zur gleichen Zeit von dem berühmten Arzt Ga­len in seiner Kritik an der jüdischen Lehre von der Schöpfung als unvernünftig

39 Vgl. dazu auch Syr Baruch 21,4 und 48,8. Weitere Belege bei U.Wilckens: Der Brief an die Römer 1, 1978, 274 Anm.887.

40 So G.May: Schöpfung aus dem Nichts. Die Entstehung der Lehre von der creatio ex ni­hilo, Berlin etc. 1978, 7. May verweist auf die sprachlich analoge Wendung bei Xenophon Mem. II,2,3, wo es heißt, daß Eltern ihre Kinder aus nichts (έκ μέν ούκ όντων) hervorbringen.

41 G.May a.a.O. 6ff., sowie zu Philo von Alexandrien 9ff. 42 G.Mav 122-142. 43 G.May 153ff. Vor Tatian hatte unter den christlichen Theologen bereits der Gnostiker

Basilides eine Schöpfung aus nichts behauptet (71 f., 74 ff.). Siehe dazu auch die Bemerkungen von H.Chadwick in: Concilium 19, 1983, 414-419, bes. 417.

44 Zu Theophilus ad Aut.I,4 und 8, sowie II,4,10 und 13 siehe May a.a.O. 159f., zu Irenäus dort 167 ff.

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bezeichnet, ebenso wie noch im 3. Jahrhundert von dem platonischen Philoso­phen Kelsos45.

Wenn der ursprüngliche Sinn der Formel creatio ex nihilo nur besagt, daß die Welt „zuvor nicht war“, und wenn die Pointe ihres dogmatischen Gebrauchs in der frühen Patristik darin liegt, jede dualistische Vorstellung eines ewigen Gegen­übers zur göttlichen Schöpfertätigkeit auszuschließen, dann dürfte es sich nicht empfehlen, diesem Nichts mit Karl Barth unter dem Namen des „Nichtigen“ nun doch wieder eine „Wirklichkeit“ eigener Art beizulegen (KD III/3, 327-425, bes. 402 ff.), sei es auch nur als „Widerspruch und Widerstand“ (327), gegen den Gott „sich selbst behauptet und seinen positiven Willen durchsetzt“ (405). Die Beru­fung auf Gen 1,2 (406) vermag das nicht zu rechtfertigen, weil es sich bei der dort kurz erwähnten „Urflut“ (tehōm) um eine entmythologisierende Abwertung der babylonischen Tiamat handelt, während Barth geradezu umgekehrt dieses Chaos zum „Nichtigen“ und „Bösen“ (407) aufwertete. Von einem „Widerstand“ gegen das göttliche Schöpfungshandeln war im Schöpfungsbericht der Priesterschrift keine Rede. Derartige Vorstellungen sind durch die Unumschränktheit des göttli­chen Befehlswortes gerade ausgeschlossen. Aber auch die von der Auffassung Barths ganz verschiedene, an jüdische Spekulationen anschließende Deutung des Nichts der creatio ex nihilo bei Jürgen Moltmann als Raum, den Gott für das Ge­schöpf eingeräumt habe, indem er sich in sich selber zurückziehe (Gott in der Schöpfung. Ökologische Schöpfungslehre, 1985, 98-105, bes. 100 f.), stellt eine sachlich unbegründete Mystifikation des Nichts dar. Ihre Funktion in der jüdi­schen Mystik zur Erklärung der Selbständigkeit geschöpflichen Daseins neben Gott, die von Moltmann aufgenommen wird, muß in einer christlichen Schöp­fungslehre durch die trinitarische Explikation des Schöpfungsgedankens ersetzt werden. Zur logischen Problematik der Formel „ex nihilo“ vgl. E.Wölfel: Welt als Schöpfung. Zu den Fundamentalsätzen der christlichen Schöpfungslehre heute, 1981, 26 ff.

Die Eigenart der biblischen Vorstellung vom Schöpfungshandeln Gottes schließt also jede dualistische Auffassung von der Weltentstehung aus. Die Welt ist nicht Ergebnis irgendeines Zusammenwirkens Gottes mit einem an­deren Prinzip, wie es sich z. B. in der Beschreibung der Weltentstehung im platonischen Timaios als Formung einer gestaltlosen Materie durch einen Demiurgen darstellt. In erheblich veränderter Gestalt ist eine derartige dua­listische Konzeption im gegenwärtigen philosophischen Denken wieder ent­wickelt worden durch die Prozeßphilosophie von Alfred North White­head46. Sie wird auch von vielen Theologen gegen die klassische christliche

45 Siehe dazu A.Dihle: Die Vorstellung vom Willen in der Antike, 1985, 9 und 12ff., 16f. Zu den Motiven dieser Kritik vgl. ebd. 21 ff. Nach Dihle ist ein Willensbegriff, der gegenüber inte­lektuellem Abwägen selbständig ist, in der Antike erst spät und unter der Einwirkung biblischer Anschauungen konzipiert worden (29f.).

46 A.N.Whitehead: Process and Reality (1929) Harper TB ed. 1960, 529: „Opposed ele­ments stand to each other in mutual requirement... God and the World stand to each other in this opposed requirement... Either of them, God and the World, is the Instrument of novelty for the other“. Daher 528: „It is as true to say that God creates the World, as that the world

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