Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber...

25
Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer · Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund?

Transcript of Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber...

Page 1: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer · Friedrich-Wilhelm Schwartz

Alt und gesund?

Page 2: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

Alter(n) und GesellschaftBand 11

Herausgegeben von

Gertrud M. BackesWolfgang Clemens

Page 3: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia FischerFriedrich-Wilhelm Schwartz

Alt und gesund?Altersbilder und Präventions-konzepte in der ärztlichen und pflegerischen Praxis

Page 4: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

1. Auflage Juli 2006

Alle Rechte vorbehalten© VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006

Lektorat: Monika Mülhausen / Marianne Schultheis

Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.www.vs-verlag.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. JedeVerwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes istohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesonderefür Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei-cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesemWerk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solcheNamen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachtenwären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, HeidelbergDruck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., MeppelGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in the Netherlands

ISBN-10 3-8100-4084-3ISBN-13 978-3-8100-4084-8

Bibliografische Information Der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Page 5: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

Fiir Klara

Page 6: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

Inhalt

1 Einleitung 13

1.1 Zielsetzung und Gliedemng des Buches 14 1.2 Forderung und Dank 17 1.3 Zitierung 17

2 Alter als gesellschaftliche Herausforderung 19

2.1 Mehr Altere bei langerer Lebenserwartung 19 2.2 Gesundheitsfbrdemdes Verhalten im Alter 22 2.3 Gesundheit und Krankheit im Alter 23 2.4 Leistungsinanspruchnahme und Kosten 25 2.5 Ansatze der Pravention und Gesundheitsforderung 29

2.5.1 Active Ageing 32 2.5.2 Ansatze in Deutschland 34

2.6 Ausblick 37

3 Alter - Definitionen und Bilder 39

3.1 Definitionen von Alter: soziale Konstruktionen 40 3.1.1 Studien zur A Itersdefinition 41 3.1.2 Dimensionen des Alterns 42

3.2 Bilder im Kopf: Vorstellungen liber Alter und alte Menschen 43 5.2.7 Altersbilder - Hintergrilnde, Theorieansdtze

und A usprdgungen 44 3.2.2 Vorurteils- und Stereotypenforschung:

generalisiertes versus personalisiertes Altersbild 46 3.2.3 Subjektive Theorien zu Alter 47 3.2.4 Altersbilder von Arzten und Pflegekroften 49 3.2.5 Altersbilder und stereotypgeleitetes Verhalten

bei Arzten 50 3.2.6 Altersbilder und stereotypgeleitetes Verhalten

bei Pflegekr often 51 3.3 Ausblick 52

4 Soziale Reprasentationen und Episoden als empirische Zugange zu Altersbildern 55

4.1 Theoretischer Rahmen der vorliegenden Studie: Soziale Reprasentationen 5 5

4.2 Methoden der Analyse von Altersbildern 58 4.2.1 Methoden der Alter(n)sforschung 59

Page 7: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

4.2.2 A Itersforschung als Feld angewandter Sozialforschung 60

4.2.3 Analyse von Medien und ihrer Rezeption 61 4.2.4 Der Vignetten Ansatz 62 4.2.5 Der Episoden Ansatz 63

4.3 Forschungsdesign der vorliegenden Studie 65 4.4 Die methodischen Zugange der Studie 61

4.4.1 Erhebung von subjektiven Altersbildern mit episodischen Interviews 61

4.4.2 Inhaltsstruktur des Interviewleitfadens 69 4.4.3 Analyse der Fachzeitschriften und

Ausbildungsordnungen 70 4.4.4 Ruckmeldung und diskursive Validierung der

Ergebnisse in Focusgroups 70 4.4.5 Triangulation unterschiedlicher methodischer

Zugange bei der Sammlung von Daten 72 4.4.6 Thematisches Kodieren zur Analyse der Daten 73 4.4.7 Vorgehen des thematischen Kodierens 74

4.5 Die Untersuchungsteilnehmer 74 4.5.1 Pflegekrafte 74 4.5.2 Arzte 16

4.6 Zusammenfassung des methodischen Vorgehens 77

Subjektive Altersbilder von Arzten und Pflegekraften -Verluste und Gewinne, aber schwierig zu definieren 79

5.1 Alter - Schwierigkeiten der Definition 79 5.1.1 Das kalendarische Alter 80 5.1.2 Das biologische Alter 80 5.1.3 Ausjustieren von kalendarischem und

biologischem Alter 80 5.1.4 Subjektive Alterskriterien der Professionellen 81 5.1.5 Alter undKrankheit - zwangsldufig verbunden? 86 5.1.6 Zwischenfazit 87

5.2 Differenziert und hochbetagt - Assoziationen von Arzten und Pflegekraften zu Alter 87 5.2.1 Negative Assoziationen 88 5.2.2 Positive Assoziationen 90 5.2.3 Zwischenfazit 91

5.3 Zusammenfassung und Diskussion 92

Page 8: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

6 Wandel der Altersbilder von Arzten und Pflegekraften -viel Veranderung aber wenig Konsequenz 95

6.1 Wandel durch den Beruf: Differenzierung der Altersbilder 95 6.2 Personlicher Wandel: das eigene Alterwerden 99 6.3 Gesellschaftlicher Wandel: gestiegene Lebenserwartung 100 6.4 Kein Wandel: der Beruf hat keinen Einfluss 101 6.5 Konsequenzen des Wandels: Wandel als Veranderung? 102 6.6 Zusammenfassung und Diskussion 105

7 Gesundheit im Alter - Einstellungen und Konzepte 109

7.1 Gesundheit im Alter ist erstrebenswert, aber eine Illusion - die Bandbreite der Einstellungen 112

7.2 Konzepte zu Gesundheit im Alter 113 7.2.1 Korperliche Dimension 113 7.2.2 Psychische und kognitive Dimension 116 7.2.3 Leb ens situation 117

7.3 Fazit 118

8 Gesundheitsforderung und Pravention im Alter -Theoretisches Verstandnis und Ansatze 121

8.1 Wissenschaftliche und subj ektive Definition 121 8.1.1 Pravention und ihre Trias 121 8.1.2 Pravention in der drztlichen Versorgung 123 8.1.3 Pravention in der Pflege 126 8.1.4 Gesundheitsforderung 127 8.1.5 Abgrenzungsprobleme und FolgerungenfUr

die Praxis 132 8.2 Orientierung an Risiken und Ressourcen 133

8.2.1 Im Fokus: Risikofaktoren 134 8.2.2 Im Fokus: Gesundheitsstorungen- und

Krankheiten 136 8.2.3 Im Fokus: Ressourcen 137

8.3 Einstellungen 139 8.3.1 Eher positiv 139 8.3.2 Eher negativ 142

8.4 Zusammenfassung und Diskussion 144

9 Gesundheitsforderung und Pravention im Alter -Realisierung in der Praxis 149

9.1 Gesetzlicher Rahmen 150 9.1.1 Pravention/Gesundheitsforderung in der

drztlichen Versorgung 150

Page 9: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

9.1.2 Prdvention/Gesundheitsforderung in der pflegerischen Versorgung 152

9.2 Umsetzung von Pravention und Gesundheitsforderung in der Praxis 154 9.2.1 Pravention/Gesundheitsforderung in der

drztlichen Versorgung 154 9.2.2 Prdvention/Gesundheitsforderung in der

pflegerischen Versorgung 161 9.3 Wandel der beruflichen Tatigkeit 163

9.3.1 Personlicher Wandel 163 9.3.2 Gesellschaftlicher und gesundheitspolitischer

Wandel 166 9.4 Wahrgenommene hemmende und fordemde Faktoren

bei der Umsetzung in der Praxis 168 9.4.1 Patient ens eitige hemmende Faktoren 168 9.4.2 Patient ens eitige fordernde Faktoren 171 9.4.3 Professionenbezogene hemmende Faktoren 172 9.4.4 Professionsbezogene fordernde Faktoren 174 9.4.5 Gesundheitssystembezogene hemmende

Faktoren 176 9.4.6 Gesundheitssystembezogene fordernde

Faktoren 178 9.5 Zusammenfassung und Diskussion 179

10 Focusgroups als Feedback: tJberwindung von Barrieren zur Pravention im Alter 189

10.1 Durchfiihrung der Focusgroups 190 10.2 Die Focusgroup mit Pflegekraften in Hannover 191 10.3 Die Focusgroup mit Pflegekraften in Berlin 196 10.4 Die Focusgroup mit Arzten in Berlin 201 10.5 Die Focusgroups im Vergleich 204

11 Pravention und Alter - (k)ein Thema in der Aus-, Fort-und Weiterbildung? 207

11.1 Die Ausbildung aus Sicht der Arzte und Pflegekrafte 208 11.2 Die arztliche Ausbildung 209 11.3 Die pflegerische Ausbildung 211 11.4 Die arztliche Weiterbildung 214 11.5 Die arztliche Fortbildung 216

11.5.1 Aktuelle Situation 216 11.5.2 Analyse der Fortbildungsangebote 216

11.6 Die pflegerische Fort- und Weiterbildung 217 11.7 Zusammenfassung 219

10

Page 10: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

12 Alter(n) und Pravention in Fachzeitschriften - trotz zunehmender Berucksichtigung von geringer Relevanz 221

12.1 Methodik 221 12.2 Vorstellungen vom Alter(n) und von alten Menschen 223 12.3 Pravention und Gesundheitsforderung im Alter 227 12.4 Zusammenfassung und Diskussion 232

13 Arztliche und pflegerische Pravention im Alter zwischen Konzept und Praxis -- Diskussion und Ausblick 235

13.1 Altersbilder von Arzten und Pflegekraften: differenziert und auf Hochbetagte bezogen 236

13.2 Gesundheit im Alter: keine Frage des korperlichen Zustands sondem psychosozialer Aspekte 236

13.3 Pravention und Gesundheitsforderung: unsystematisch, sekundar und voller Barrieren 237

13.4 Focusgroups: Validierung der Ergebnisse und Ruckkopplung an die Versorgungspraxis 239

13.5 Defizite in der Aus-, Fort- und Weiterbildung: Gesundheit, Alter, Pravention und Gesundheits forderung starken 239

13.6 Fachzeitschriften: Stellenwert der Themen Gesundheit im Alter sowie Pravention und Gesundheitsforderung erhohen 240

13.7 Ausblick 241

Literaturverzeichnis 243

11

Page 11: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

1 Einleitung

Der demographische Wandel mit einem steigenden Anteil alterer Menschen ist der einschlagigen Wissenschaft seit mehreren Jahrzehnten bekannt. Er wurde aber von der Politik, der Fachoffentlichkeit und der Gesellschaft lange zeit nicht wahrgenommen. Erst seit kurzem werden die Konsequenzen z.B. fiir die gesundheitliche Versorgung der betroffenen Patienten und der sie be-teiligten Professionen sowie die erforderlichen Strukturen realisiert und in bereiter Offentlichkeit diskutiert. Gleiches gilt fiir die Pravention und Ge-sundheitsfbrderung im und fiir das Alter. Deren Potenziale und Notwendig-keit wurden in Deutschland vereinzelt bereits Ende der 1970er Jahre artiku-liert, fanden allerdings noch in den 1990er Jahren kaum Gehor. Die Chancen und die Relevanz von Gesundheitsforderung, Pravention (und Rehabilitation) zur Verbesserung der Gesundheit, der Erhaltung der Selbststandigkeit und Mobilitat auch im hoheren Alter wurden lange Zeit nur unzureichend sowohl von der Wissenschaft als auch von der Gesellschaft und den in der Versor-gungspraxis Tatigen zur Kenntnis genommen.

Im Zuge der Starkung der Pravention mit der Einrichtung des „Deut-schen Forums Pravention und Gesundheitsforderung" durch das Bundesmi-nisterium ftir Gesundheit und Soziale Sicherung sowie der Diskussion um das Praventionsgesetz erftihr auch das Thema Pravention im Alter erstmals poli-tisch vermehrte Aufinerksamkeit.

Inwieweit die praventiven Potenziale tatsachlich ausgeschopft und MaB-nahmen in der Praxis angeboten und umgesetzt werden, wird auch wesentlich von den beteiligten Professionen im Gesundheitsbereich mit bestimmt. In der ambulanten medizinischen und pflegerischen Versorgung kommt den Haus-arzten und Pflegekraften als zentralen Ansprechpartnem im Gesundheitswe-sen eine bedeutende Rolle zu. Wie stark diese Professionen die vorhandenen Potenziale wahrnehmen und in der Praxis ressourcenorientiert handeln, ist nicht zuletzt abhangig von ihren subjektiven Altersbildern und Gesundheits-konzepten sowie ihrer Bewertung physiologischer altersbedingter Verande-rungen als pathologisch.

Subjektive Konzepte gehen in die Vorstellung von professionellen Per-sonen selbst ein, nicht nur was ihre eigene Haltung gegentiber ihrem eigenen Alterwerden und ihrer personlichen Gesundheit anbetrifft, sondem auch in ihre Vorstellung, wie sie mit den zu ihrer Behandlung oder Pflege anvertrau-ten Betroffenen mit Gesundheit oder Krankheit umgehen sollten. Bei der Be-sprechung von Vorgehensweisen und Behandlungsverfahren mit Patienten handelt es sich immer auch um Aushandlungsprozesse liber subjektive Ge-sundheitsvorstellungen und ihre Konsequenzen. Neben den Gesundheitskon-zepten bestimmt das Bild vom Altern und alten Menschen der Professionel-len als implizites Wahmehmungs- und Beurteilungsschema der Kompetenzen

Page 12: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

und Potenziale bzw. Probleme und Defizite sowohl Art und Inhalt des Kon-taktes mit ihren Patienten als auch ihr Versorgungshandeln mit.

1.1 Zielsetzung und Gliederung des Buches

Mit dem vorliegenden Buch sollen Ergebnisse der von 2001-2003 durchge-fuhrten Studie „Gesundheitskonzepte und Altersbilder Professioneller in der ambulanten Versorgung" dargelegt werden. Ziel ist es, den Inhalt und Stel-lenwert von Gesundheits- und Alterskonzepten von Hausarzten und Pflege-kraften, unter besonderer Beriicksichtigung der subjektiven Ebene aufzuzei-gen, diese subjektiven Konzepte in Bezug auf Altere und Hochbetagte zu er-forschen und sie in den Kontext berufsgruppenspezifisch vorherrschender Konzepte zu stellen (zu Gesundheitskonzepten siehe Flick et al. 2004).

Das Buch zeigt - gerade auch durch die in den zahheichen Zitaten sicht-bare Praxisnahe - ein Sttick Lebenswirklichkeit der Wahrnehmung Alterer und des Alters durch Hausarzte und ambulante Pflegekrafte und seiner ge-sundheitlichen Versorgung. Deutlich wird die zum Teil sehr groBe Diskre-panz zwischen den theoretischen Anspriichen und Konzepten sowie dem tat-sachlichen AUtagsgeschehen. Insofern ist die vorliegende Studie ein Beitrag dazu der Wirklichkeit mit Bescheidenheit gegentiberzutreten. Sie ist aber auch eine Aufforderung, die Anstrengungen in der Aus-, Fort- und Weiterbil-dung zu intensivieren und konkretes, praxisnahes Handlungswissen zu ver-mitteln mit dem Ziel den Professionellen die Selbstgewissheit zu geben, das Pravention im Alter ntitzt.

Die Professionellen wurden in der Untersuchung sowohl als „privates In-dividuum", als auch in ihrer Funktion als Professionelle in der Versorgungs-praxis angesprochen. Dabei soil u.a. herausgearbeitet werden, welche Dimen-sionen in den Alterskonzepten der Professionellen enthalten sind, und welche Ansatze zur Pravention und Gesundheitsforderung im Alter vorliegen. tJber die Identifizierung subjektiver Konzepte alten Menschen gegentiber konnen Ansatzpunkte fur eine verbesserte Versorgung zur Optimierung der Gesund-heit Alterer abgeleitet werden.

Hauptfragestellungen sind:

• Welche Konzepte tiber das Altem und das hohe Alter haben Arzte und Pflegekrafte in der ambulanten Versorgung? Inwieweit andem sich diese im Verlauf des (Berufs-)Lebens?

• Welche Einstellung weisen Arzte und Pflegekrafte bezuglich Pravention und Gesundheitsforderung insbesondere bei Alten und Hochbetagten auf? Welche Faktoren werden von den professionellen fiir ihre Realisa-tion als forderlich bzw. als hinderlich angesehen?

14

Page 13: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

• Welche Konzepte von Alter werden in den wichtigsten einschlagigen Fachzeitschriften vermittelt?

• Welche Konzepte von Gesundheit im Alter haben Arzte und Pflegekraf-te?

• Welchen Stellenwert haben Alter, Prevention und Gesundheitsforderung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung?

Die zentralen Themenbereiche Alter und Pravention/Gesundheitsforderung werden in folgenden Kontexten untersucht:

• auf der subjektiven Ebene mittels qualitativer Interviews von Arzten und Pflegekraften und der Validierung ihrer Ergebnisse in Focusgroups,

• auf der strukturellen Ebene durch eine Analyse der Aus-, Fort- und Wei-terbildung in beiden Professionsbereichen sowie durch eine Analyse re-levanter medizinischer und pflegerischer Fachzeitschriften.

Das Themenfeld und der Untersuchungsgegenstand der Studie werden im Folgenden in einen theoretischen (Kapitel 2 und 3, ebenso 8 und 9) bzw. me-thodischen Rahmen (Kapitel 4) gestellt. Die wesentlichen empirischen Er-gebnisse werden dargestellt (Kapitel 5 bis 12). AbschlieBend wird ihre Rele-vanz fiir die gesundheitliche Versorgung und das Gesundheitssystem zusam-menfassend diskutiert (Kapitel 13).

Einleitend gibt zunachst das Kapitel 2 „Altem als gesellschaftliche Her-ausforderung" einen Uberblick iiber die Bedeutung des demographischen Wandels ftir die Gesellschaft und das Versorgungssystem. Betrachtet werden auch die derzeitigen realisierten und potenziell moglichen Ansatze und Stra-tegien der Prevention und Gesundheitsforderung fiir ein gesundes Altem.

Alter zu defmieren versucht Kapitel 3 „Alter - Defmitionen und Bilder", das mit dem biologischen, psychologischen und sozialen Altern auch ver-schiedene Facetten aufzeigt. Zugleich geht das Kapitel den Altersbildem, Vorstellungen iiber Alter und alte Menschen nach und zeigt Hintergrtinde, Theorieansatze und Auspragungen auf Dargestellt werden auch vorliegende Studien zu professionenbezogenen Altersbildem.

Einen Uberblick iiber Methoden in der empirischen Altersforschung so-wie die in der vorliegenden Untersuchung eingesetzten Verfahren gibt Kapi-tel 4 „Soziale Reprasentationen und Episoden als empirische Zugange zu Al-tersbildem".

Ergebnisse der Studie zu Altersbilden legt Kapitel 5 „Subjektive Alters-bilder von Arzten und Pflegekraften - Verluste und Gewinne, aber schwierig zu definieren" dar. Es greift die bereits im Kapitel 4 eingefiihrten Dimensio-nen auf und ordnet die Konzepte der Professionellen in diesen Rahmen ein. Das Kapitel geht der Frage nach, ob und inwieweit fiir die Befi-agten Altsein

15

Page 14: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

mit Kranksein verkntipft ist und welche spezifischen Assoziationen zu Hoch-betagten bestehen.

Inwieweit die Altersbilder der Arzte und Pflegekrafte im Laufe ihres Be-mfes, ihrer personlichen Biographic und/oder bedingt durch gesellschaftliche Veranderungen einen Wandel erfahren haben, zeigt das Kapitel 6 „Wandel der Altersbilder von Arzten und Pflegekraften - viel Veranderung aber wenig Konsequenz" auf.

Kapitel 7 „Gesundheit im Alter - Einstellungen und Konzepte" gibt ei-nen Einblick in die Konzepte der Professionellen und ihrem Verstandnis von Alter. Betrachtet werden korperliche, psychische und kognitive Dimensionen sowie die wahrgenommene Lebenssituation Alterer.

Kapitel 8 und 9 widmen sich der Pravention und Gesundheitsforderung im Alter. Kapitel 8 „Gesundheitsfbrderung und Pravention im Alter - Theo-retisches Verstandnis und Ansatze" zeigt, ausgehend von einer wissenschaft-lichen Abgrenzung der Begriffe, die subjektiven Defmitionen der Arzte und Pflegekrafte auf und setzt diese in Beziehung zu ihrer Orientierung an Risiko-faktoren bzw. Krankheiten und Ressourcen. Zudem werden die Einstellungen der Befragten zur Pravention und Gesundheitsforderung dargestellt.

Hieran schlieBt sich mit Kapitel 9 ^Gesundheitsforderung und Pravention im Alter - Realisierung in der Praxis" die Verankerung von Praventi-on/Gesundheitsforderung in der arztlichen bzw. pflegerischen Versorgung, ihre Umsetzung sowie eine Analyse der wahrgenommenen hemmenden und fordemden Faktoren an. Wie bereits das Kapitel 7 geht auch das Kapitel 10 der Frage eines Wandel nach.

Die zuvor ermittelten Ergebnisse werden in Focusgroups mit den Inter-viewpartnern reflektiert. Diesem widmet sich das Kapitel 10 „Focusgroups als Feedback: Uberwindung von Barrieren zur Pravention im Alter".

Kapitel 11 „Pravention und Alter - (k)ein Thema in der Aus-, Fort- und Weiterbildung?" stellt die Ergebnisse einer Analyse hierzu vor und zeigt ak-tuelle Entwicklungen auf

Kapitel 12 „Alter(n) und Pravention in Fachzeitschriften - trotz zuneh-mender Beriicksichtigung von geringer Relevanz" analysiert die Aufberei-tung des Themas in jeweils zwei zentralen pflegerischen und medizinischen Fachzeitschriften in drei Jahrzehnten.

AbschlieBend werden zentrale Ergebnisse zusammengefasst und (iber-greifend im Kapitel 13 „Arztliche und pflegerische Pravention im Alter zwi-schen Konzept und Praxis - Diskussion und Ausblick" diskutiert.

16

Page 15: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

1.2 Forderung und Dank

Die Studie „Gesundheitskonzepte und Altersbilder Professioneller in der am-bulanten Versorgung" wurde vom Bundesministerium fiir Gesundheit und Soziale Sicherung vom Juni 2001 bis Juli 2003 gefordert (Zuwendungsbe-scheid Nr.: 228-42 265/79). Fiir die Unterstutzung mochten wir uns herzlich bedanken.

Die Ergebnisse waren nicht zustande gekommen ohne die Bereitschaft der niedergelassenen (Haus-)Arzte und Pflegekrafte ambulanter Dienste, die ihre Zeit fiir ein Interview zur Verfiigung gestellt haben und zur Reflexion der Ergebnisse an den Focusgroups in Berlin und Hannover teilgenommen haben. Ihnen gilt unser besonderer Dank.

Neben den Autoren haben Ricarda Henze und Stephanie LUpke, beide Hannover, an der Studie und Prof. Dr. Matthias Klein-Lange (f) an der An-tragstellung mitgewirkt, denen wir ebenfalls danken. Katherin Grobe danken wir fiir die Unterstutzung bei der Layoutgestaltung dieses Buches.

1.3 Zitierung

Der Einfachheit halber wird tiberwiegend die mannliche Form gewahlt, auch wenn z.B. Arztinnen und Interviewpartnerinnen mit angesprochen werden.

Die Kennzeichnung der Zitate aus dem empirischen Material weist auf die Profession (A = Arzt, P = Pflegekraft) sowie auf den Ort ihrer Tatigkeit hin (B = Berlin, H = Hannover). Entsprechend steht „BA" fiir Arzt aus Berlin und „HA" fur Arzt aus Hannover, „BP" meint Pflegekraft aus Berlin und „HP" Pflegekraft aus Hannover.

Zur besseren Lesbarkeit wurden die Zitate um umgangssprachliche For-meln wie ,ja, ah, also, eben, mhh" etc. geglattet. Inhaltliche Ktirzungen sind entsprechend mit eckigen Klammem [...] gekennzeichnet, ebenso kleine Hin-zufiigungen, die den Lesefluss und die Verstandlichkeit erhohen.

17

Page 16: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

2 Alter als gesellschaftliche Herausforderung

„POPULATION AGEING IS FIRST AND FOREMOST A SUCCESS STORY FOR PUBLIC HEALTH POLICIES

AS WELL AS SOCIAL AND ECONOMIC DEVELOPMENT."

GRO HARLEM BRUNDTLAND (WORLD HEALTH ORGANIZATION 1999)

Die Weltgesundheitsorganisation hat 1998 die demographische Anderung als eine der groBten Herausforderung des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Die Alte-rung der Bevolkerung betrifft fast alle Lander weltweit und ist keineswegs nur ein Phanomen der Industriestaaten. Vielmehr vollziehen die derzeitigen Entwicklungslander die Alterung ihrer Bevolkerung in einer wesentlich ktir-zeren Zeitspanne. Schon heute leben in diesen Landem 70% aller alteren Menschen auf der Welt (World Health Organization 2002).

Im Folgenden wird zunachst kurz der demographische Wandel darge-stellt. Hieran schlieBen sich eine Betrachtung des gesundheitsfordemden Verhaltens alterer Menschen sowie eine Analyse der Gesundheit und Krank-heit im Alter und ihrer gesellschaftlichen Relevanz an. Das Kapitel geht der Frage nach, inwieweit Potenziale fur Prevention und Gesundheitsforderung im und fur das Alter bestehen und mit welchen Strategien diese ausgeschopft werden konnen. AbschlieBend werden bestehende Ansatze in Deutschland aufgezeigt.

2.1 Mehr Altere bei langerer Lebenserwartung

Die groBte Relation tiber 60-Jahriger an der Gesamtbevolkerung weisen der-zeit neben Japan europaische Lander auf An der Spitze steht Italien mit ei-nem Anteil von 24,5% (2002), dicht gefolgt von Japan (24,3%), Deutschland (24,0%) und Griechenland (23,9%)). In alien Landem nimmt die altere Bevol-kerung in den kommenden Jahrzehnten zu (World Health Organization 2002).

Fur Deutschland wird eine Zunahme der Bevolkerung tiber 60 Jahre von 24,1% (2001) auf 36,7% (2050) prognostiziert (Statistisches Bundesamt 2003). Diese Anderung des Bevolkerungsaufbaus lasst sich im Wesentlichen auf drei Faktoren zuriickzufuhren: (1) das Nachriicken der geburtenstarken Jahrgange („Babyboom-Generation") in das hohere Lebensalter, (2) eine gleichzeitig weitere Zunahme der Lebenserwartung und (3) eine vergleichs-weise geringe Geburtenrate, die mit derzeit 1,4 pro Frau (West-Deutschland)

Page 17: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

deutlich unter der Geburtenziffer von 2,1 liegt, die zum Erhalt der heutigen BevolkerungsgroBe erforderlich ist.

Seit Einfuhrung der ersten amtlichen Sterbetafel in Deutschland 1871/1881 hat sich bis 1998/2000 die Lebenserwartung der Manner bei Ge-burt um 39,2 und die der Frauen um 42,4 Jahre erhoht. Der deutliche Anstieg der Lebenserwartung ist auf eine verringerte vorzeitige Sterblichkeit am Le-bensanfang im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zurtickzufuhren. Eine wei-tere Verbesserung der Lebenserwartung erfolgte im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts bei den Alteren. Insgesamt haben in der femeren Lebenserwar-tung ab 60 Jahre die Frauen mit einer Zunahme von 10,8 Jahre gegentiber den Mannem mit 7,1 Jahre von der Entwicklung in den vergangenen 1,3 Jahr-hunderten profitiert (Wiesner 2001, Statistisches Bundesamt 2003).

Deutschland liegt derzeit mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung ab Geburt (2000/02) von 75,4 Jahren fur Jungen und 81,2 Jahren fiir Mad-chen knapp ein halbes Jahr unter dem Durchschnitt der alten EU-Lander (EU15) und deutlich unter den in der Lebenserwartung fiihrenden Landem Italien (Jungen: 76,8 Jahre) und Spanien (Madchen: 83,1 Jahre) (Statistisches Bundesamt 2004).

Die 10. koordinierte Bevolkerungsvorausberechnung (Stand 31.12.2001) geht aufgrund weiterer Verbesserungen im hoheren Alter von einem Anstieg der weiteren Lebenserwartung aus. Nach einer mittleren Annahme wird fur das Jahr 2050 mit einer Lebenserwartung ab Geburt flir Madchen von 86,6 Jahre und flir Jungen von 81,1 Jahre gerechnet, was eine Zunahme um 5,6 bzw. 5,7 Jahre gegentiber 2000/02 bedeutet. Ftir die 60-Jahrigen wird ent-sprechend eine femere Lebenserwartung von 23,7 Jahren (Manner) bzw. 28,2 Jahren (Frauen) erwartet. Dies entspricht einer Erhohung um 3,8 bzw. 4,4 Jahre (Statistisches Bundesamt 2003, 2004).

Mit der demographischen Transition (und des medizinischen Fortschritts) ist haufig die Befiirchtung einer zunehmenden Krankheits- und Finanzie-rungslast in der alteren Bevolkerung verbunden (Medikalisierungsthese). Da flir die Inanspruchnahme gesundheitsbezogener Leistungen das Alter ein ent-scheidender Faktor ist, ist es flir die gesundheitliche Versorgung wichtig zu wissen, inwieweit die derzeitige und zukiinftige Lebenserwartung durch Krankheiten und Behinderungen tatsachlich belastet ist, und inwiefem Ver-besserungen der Gesundheit im Alter moglich sind (Kompressionsthese).

Anhand der Daten des Medicare Current Beneficiary Survey von 1992-1998 zeigen Lubitz et al. (2003), dass 70-Jahrige ohne gesundheitliche Ein-schrankungen mit 13,8 Jahren nicht nur eine langere Lebenserwartung haben, sondem diese auch zu 61% aktiv verbringen, wahrend Personen mit beste-henden Einschrankungen bei den Aktivitaten des taglichen Lebens nur zu 35% eine aktive verbleibende Restlebenserwartung von 11,6 Jahren haben. Bereits institutionalisierte Personen weisen die kiirzeste Rest-Lebenser-wartung auf. Dabei liegen die Krankheitskosten flir die Rest-Lebenser-

20

Page 18: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

wartung der 70-Jahrigen ohne fiinktionelle Einschrankungen trotz langerer Lebenszeit unter denen von Personen mit bereits vorhandenen gesundheitli-chen Limitationen (136.000 US-$ vs. 145.000 US-$). Dies bedeutet, dass Pravention und Gesundheitsforderung im und fur das Alter zu einer Verbes-serung der Gesundheit und langerer aktiv verbrachter Lebenserwartung fuh-ren kann, ohne das unter den gegebenen Rahmenbedingungen die Gesund-heitsausgaben steigen.

Zur Entwicklung der behinderungsfreien Lebenserwartung liegen inzwi-schen auch Daten fiir Deutschland vor. Dinkel (1999) zeigt anhand von (sub-jektiven) Querschnittsdaten des Mikrozensus fur eine Lebensspanne von 17 Jahren eine Zunahme der aktiven Lebenserwartung im hoheren Alter. Klein und Unger (2002) analysieren Langsschnittdaten des Sozio-okonomischen Panel. Bei den betrachteten Kohorten der Jahrgange 1917, 1922 und 1927 zeigt ein absoluter und relativer Rtickgang der Jahre in Inaktivitat (d.h. der Einschrankungen der Aktivitaten des taglichen Lebens), der besonders bei den Mannem deutlich ausgepragt ist. Wahrend der Anteil inaktiver Lebens-erwartung in der Geburtskohorte 1917 bei den 67-70-jahrigen Mannem 28,1% betragt, verringert er sich fur den Jahrgang 1922 auf 24,8% und fur den Jahrgang 1927 auf 21,4%). Auch tiber einen Kohortenvergleich des Al-terssurveys kann eine geringere Anzahl berichteter Erkrankungen der spater Geborenen im Vergleich zu den nur sechs Jahre filiher Geborenen konstatiert werden (Deutsches Zentrum ftir Altersfragen 2005a).

Insgesamt zeigt sich damit eine deutliche Verbesserung der Gesundheit bzw. der Anteile „gesunder" Jahre an der Gesamtlebenserwartung. Ursachen sind eine Optimierung der Lebensbedingungen sowie eine vermehrte Bildung der jiingeren Generationen. Dies geht einher mit einem verbesserten Gesund-heitsverhalten wie vermehrter korperlicher Aktivitat sowie einem verminder-ten Ranch- und Alkoholkonsum (Schwartz, Walter 2003). Nach Baltes (1999) sind die heute 70-Jahrigen durchschnittlich um funf Jahre gesiinder als die 70-Jahrigen vor drei Jahrzehnten. Auch die Bundesregierung weist in ih-rem Kommentar zum Dritten Altenbericht darauf hin, dass sich die Lebens-bedingungen im „Dritten Lebensalter" hinsichtlich gesundheitlicher Verfas-sung, Qualifikation und materieller Absicherung deutlich verbessert haben (Deutscher Bundestag 2001).

Aufgrund der beobachtbaren Verbesserungen der Gesimdheit der Alteren in den vergangenen Jahrzehnten halt der Praventionsforscher Fries (2000) ein Hinausschieben der Morbiditat um zehn Jahre fiir moglich. Amerikanische Hochrechnungen auf Basis von Daten der Framingham-Studie sowie des Na-tional Long Term Care Survey zeigen bei Fortschreibung der erreichten ge-sundheitsbezogenen Verbesserungen fur das Jahr 2070 eine weitere Redukti-on der durch chronische Behinderungen beeintrachtigten Lebensjahre um die Halfte (Singer, Manton 1998). Dies setzt allerdings mittel- und langfristig er-hebliche Anstrengungen der Pravention und GesundheitsfGrderung voraus.

21

Page 19: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

Dabei kommt der Optimierung der Gesundheit der Bevolkerung insbesondere in der zweiten Lebenshalfte eine wichtige Bedeutung zu.

2.2 Gesundheitsforderndes Verhalten im Alter

Hinsichtlich der alteren Bevolkerung liegen in Deutschland nur vereinzelt Daten zum praventiven Verhalten vor. Dies gilt umso mehr fiir das hohere Alter, bei dem haufig keine Altersdifferenzierung erfolgt.

Nach dem Bundesgesundheitssurvey (1998) nimmt der Anteil der Bevol-kerung ohne sportliche Betatigung im Alter deutlich zu. Uber 50% (Manner) bzw. 60% der 60-69-Jahrigen und iiber 70% der 70-70-Jahrigen sind nicht regelmaBig korperlich aktiv. Damit erreichen weniger als 10% der iiber 60-jahrigen Frauen und weniger als 15% der Manner die Empfehlung sich an mindestens drei Tagen in der Woche eine halbe Stunde korperlich zu betati-gen (Mensink 2003). Bereits im mittleren Lebensalter haben relativ viele Per-sonen eine geringe korperliche Fitness. So kommen iiber 50% der 50-59-jahrigen Frauen und 30%) der gleichaltrigen Manner beim Treppensteigen iiber drei Stockwerke, einem groben Indikator fiir die korperliche Fitness, au-Ber Atem. Insgesamt ist die korperliche Aktivitat bei Personen mit niedrige-rem soziookonomischen Status geringer (Riitten et al. 2005).

Nach dem deutschen Alterssurvey (1996) geht die Abnahme der intensi-ven sportlichen Betatigung jedoch zugunsten vermehrter Spaziergange, von denen iiber 62,7% der 70-85-Jahrigen angeben diese taglich oder mehrmals in der Woche durchzufuhren. Allerdings geht auch jeder zehnte altere Mann und mehr als jede siebte altere Frau nie spazieren. Die korperliche Betatigung er-folgt dabei mit zunehmendem Alter alleine (70-85 Jahre: 45,1%)) (Kohli et al. 2000).

Breuer (2005) weist anhand von Analysen des Sozio-okonomischen Pa-nels 1985-2001 darauf hin, dass korperliche (In)Aktivitat auch von Kohorten-und Periodeneffekten (z.B. PraventionsmaBnahmen, Propagierung bestimm-ter Altersnormen) bestimmt wird. Letztere konnen den Einfluss des Alters vollstandig oder teilweise kompensieren. So sind ftir die Inaktivitat von Frau-en Kohorteneffekte der dominante Faktor, wahrend bei Mannem das Alter eine spezifische Rolle spielt.

Die Bedeutung der Emahrung flir den Erhalt der Gesundheit ist den Alte-ren hinreichend bekannt. Dabei nimmt - wie bei anderen gesunderhaltenden MaBnahmen (Ausnahme: Sport und Gymnastik) - ihre Wahmehmung mit steigendem Alter zu. So geben fast 90% der 70 bis 79-Jahrigen an, sich ge-sund zu emahren und maBig oder keinen Alkohol zu konsumieren (Kunst-mann 2005). Immer noch zu wenig beachtet wird jedoch auf eine ausreichen-de Fliissigkeitszufuhr (Walter, Schneider, Bisson 2006).

22

Page 20: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

Deutliches tJbergewicht (Adipositas, BMI > 30 kg/m^) findet sich von al-ien Altersgruppen bei beiden Geschlechtem (1998) am haufigsten in der Al-tersgruppe der 60-69-Jahrigen, wobei der Anteil der Frauen mit 35,3% nicht nur deutlich hoher liegt als der der Manner (27,5%), sondem auch gegenliber der funften Lebensdekade um fast 10 Prozentpunkte zunimmt. Im hoheren Alter nimmt der Anteil der stark Ubergewichtigen ebenso wie die der Uber-gewichtigen wieder ab. Einen BMI < 25 kg/m^ weisen gut ein Fiinftel aller 70-79-jahrigen Manner und ein Viertel aller gleichaltrigen Frauen auf (Bun-desministerium fur Gesundheit 2001; Benecke, Vogel 2003).

Daten des Mikrozensus (1999) zeigen, dass der Anteil der Rancher in der Altersgruppe 65+ mit 10,3%) im Vergleich zu anderen Altersgruppen mit Ab-stand am geringsten ist (Bundesministerium fiir Gesundheit 2001).

Ein Indiz fur die Bereitschaft zur Pravention ist auch die Teilnahme an professionell angeboten MaBnahmen wie z.B. die individuellen Kursangebote der BCrankenkassen nach § 20 SGB V. Diese richten sich vor allem auf die Handlungsfelder Bewegung (64,7%), Emahrung (17,9%)), weniger auf Stress (16,9%)) und Umgang mit Genuss- und Suchtmitteln (0,8%)). 60-jahrige und Altere, die insgesamt 26,4%) aller gesetzlich Krankenversicherten stellen, ma-chen einen Anteil von 20,3% aller Kursteilnehmer aus. Dabei bevorzugen Al-tere eindeutig Bewegungsangebote, wahrend die Teilnahme an MaBnahmen zur Emahrung, Stress und Sucht im Vergleich zum mittleren Lebensalter deutlich abnimmt (Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbande der Kranken-kassen 2005).

Zur Pravention zahlt auch die Inanspruchnahme der u.a. fiir den Perso-nenkreis der iiber 60-Jahrigen empfohlenen Grippeschutzimpfung. Daten aus dem Jahr 2003 zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen Impfver-halten und Alter: Die Quote der Geimpften betragt in der Altersgruppe der 70-Jahrigen und alteren iiber 60%, wobei sich Manner dieser Altersgruppe haufiger impfen lieBen als Frauen. In alien jiingeren Altersgruppen hingegen zeigten sich die Frauen impffreudiger. Gegentiber dem Jahr 1999 hat die Impfquote insgesamt zugenommen (Wirth 2004).

2.3 Gesundheit und Krankheit im Alter

Mit dem Alter verandem sich wichtige physiologische Variablen. Diese fuh-ren zwar zu verminderten Kapazitats- und Leistungsreserven und erfordem somit eine Anpassung der taglichen Lebensaktivitaten, rufen aber an sich keine Symptome hervor (Resnick 1994). Dennoch werden nachlassende Herzfunktionen, adaptive Storungen des Kreislaufs, Abbauerscheinungen am

23

Page 21: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

Bewegungsapparat im Alter haufig als behandlungsbedtirftige Krankheit in-terpretiert (Sachverstandigenrat 1996).̂

Insgesamt ist die zweite Lebenshalfte durch eine deutliche Zunahme an gesundheitlichen Beeintrachtigimgen, Behindenmgen und chronischen Krank-heiten gekennzeichnet.

Erleben noch zwei Drittel der 55-69-Jahrigen gesundheitliche Verande-rungen nicht als Belastimg, fuhlen sich 45,1% der 70-85-Jahrigen dadurch bei der Bewaltigung alltaglicher Aufgaben beeintrachtigt (Kohli et al. 2000). Ent-sprechend nimmt der Hilfebedarf bei den Hochbetagten (80+) stark zu (Stein-hagen-Thiessen, Borchelt 1996).

Charakteristisch fiir das Alter ist die Multimorbiditat, d.h. das gleichzei-tige Vorliegen mehrerer Gesundheitsstorungen. Nach dem Alterssurvey be-richten 56% der Altersgruppe der 70 bis 85-Jahrigen iiber das gleichzeitige Vorhandensein von zwei bis vier und 24% von ftinf und mehr Erkrankungen. In der Altersgruppe der 55 bis 69-Jahrigen weisen dagegen ein Viertel eine und 14% keine Erkrankung auf (Deutsches Zentrum fur Altersfragen 2005a). Ahnliche Angaben zeigen Praxisdaten (Giither 1998). Danach leiden 71% der 70-79-Jahrigen mindestens an drei chronischen Krankheiten.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen insgesamt etwa die Halfte al-ler Todesfalle. Die wichtigsten Erkrankungen sind koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstorungen, arterielle Hypertonic und Schlaganfall. Aufgrund der schwerwiegenden flinktionellen Folgen (z.B. Lahmungen), fuhrt der Schlaganfall, der besonders im hoheren und hohen Al-ter auftritt, in 30-50% der Falle zu Behindenmgen und Pflegebedtirftigkeit. In wesentlich hoherem MaBe als das bloBe kalendarische Alter pragen Faktoren wie Multimorbiditat, Lebensweise sowie korperliche Fitness die kardiovasku-lare Leistung (zusammenfassend Walter, Hager 2004).

Eine typische „Alterskrankheit" ist die Demenz, hinter deren Syndrom sich verschiedene Formen verbergen (degenerative Demenz z.B. Alzheimer-Typ, vaskulare Demenz, Mischformen, sekundare Demenz infolge anderer Erkrankungen wie z.B. Gehimtumor). Wahrend die Pravalenz bei den 60-65-Jahrigen um 1% liegt, steigt sie bei den 90-95-Jahrigen auf 39%) an (Henderson 1998).

Osteoporose, bedingt durch eine niedrige Knochenmasse sowie eine Sto-ning der Mikroarchitektur des BCnochengewebes, sowie die durch Osteoporo-se begiinstigten Schenkelhalsfrakturen stellen haufige Erkrankungen im Alter dar. Aufgrund einer geringeren maximal erreichbaren Knochenmasse sowie einer starkeren Abnahme der Knochenmasse wahrend der Menopause haben vor allem Frauen eine hohere Frakturgefahrdung.

So ist z.B. die altersbedingte Reduktion der Knochendichte, der sog. Osteopenie, seit Jahrzehn-ten in der Medizin bekannt. Erst in den 1980er Jahren wurde sie als Osteoporose generell zur Kjankheit erklart und massenhaft zum Gegenstand von Diagnostik und Behandlung.

24

Page 22: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

Sturze sind ein haufiges Ereignis bei alten Menschen. Ca. 30% der liber 65-Jahrigen und ca. 50% der uber 80-Jahrigen stiirzen ein oder mehrere Male pro Jahr, wobei jeder Zehnte wegen eines Sturzes ein Krankenhaus aufsucht. In Risikogruppen (z.B. vorausgehende Sturze oder Demenz) bzw. in Kran-kenhausern und Altenheimen liegt das Sturzrisiko noch hoher. Die Verlet-zungswahrscheinlichkeit bei Stiirzen steigt mit dem Alter an. 5-10%) der Sturze fiihren zu Frakturen. Folgen sind haufig nicht nur anhaltende Schmer-zen, Selbstbeschrankung, vermindertes Selbstwertgeftihl und Angst vor wei-teren Stiirzen. Stiirze haben damit negative Folgen fur Mobilitat, Selbststan-digkeit und Lebensqualitat (zusammenfassend Walter, Hager 2004).

Kraft, Korperkontrolle und Gleichgewicht sind wichtige Faktoren flir die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts (Jadelis et al. 2001, Wolfson et al. 1994) und damit fur das Verhindern von Stiirzen. In ca. 10%) der Falle liegt dem Sturz eine Synkope zugrunde, deren Ursache geklart werden muss. Der bei weitem groBte Teil der Stiirze sind Stolperstiirze. Etwa 10%) der Stolper-stiirze beruhen auf Umweltfaktoren (lose Teppiche, Telefonkabel usw.), die durch Wohnraumveranderungen vermieden werden konnen. Die Mehrheit der Stolperstiirze ist multifaktoriell bedingt. Wesentliche Risikofaktoren sind muskulare Schwache, friihere Stiirze und Gangstorungen (Authors of the Guideline for the prevention of falls in older persons 2001).

Eine mit dem Alter zunehmende Gesundheitsstorung ist die Haminkonti-nenz, von der jeder Dritte iiber 65-Jahrige betroffen ist. Uber 65-jahrige Men-schen leiden zumindest ebenso oft an Haminkontinenz wie an kardiovaskula-ren Erkrankungen. Ursachen sind u.a. altersbedingte Veranderungen wie der zunehmende Tonus der Hamblase bei gleichzeitig abnehmendem Fassungs-vermogen, eine verminderte Hemmung des Miktionsreizes sowie Hamwegs-infekte. Da eine mangelnde KontroUe bei den meisten Patienten Scham und Angst auslosen, wird Inkontinenz anfanglich oft verheimlicht und flihrt zu einem Riickzug aus sozialen Beziigen. Ham- und Stuhlinkontinenz sind dar-iiber hinaus mit haufigerer Heimeinweisung und einer reduzierten Lebenser-wartung assoziiert.

2.4 Leistungsinanspruchnahme und Kosten

Gesundheitsstorungen und Krankheiten spiegein sich auch in den gesund-heitsbezogenen Leistungsinanspruchnahmedaten wieder. Neben den Daten der kassenarztlichen Vereinigung (KV) sind vor allem die sog. Routinedaten der Krankenkassen interessant. Hierzu zahlen u.a. Arbeitsunfahigkeit (AU), stationare Aufenthalte, Medikamente, Heil- und Hilfsmittel (Grobe, Tempel 2002, Swart, Ihle 2005).

25

Page 23: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

Die ambulante Gesundheitsversorgung alterer und alter Menschen erfolgt zu groBen Teilen durch die Hausarzte. Uber 90% der im Alterssurvey befrag-ten Personen aus der Altersgruppe zwischen 70 und 95 Jahre geht mindestens einmal im Jahr zum Hausarzt (Deutsches Zentrum fiir Altersfragen 2005a). Daten zur Morbiditat aus den Hausarztpraxen konnen somit einen guten Uberblick uber das Krankheitsspektrum der Zielgruppe geben. Nach Abrech-nungsdaten von 60 hausarztlichen Praxen (Allgemeinmediziner und prakti-sche Arzte) mit rund 75.000 Patienten als geschichtete Zufallsstichprobe aus dem KV-Bezirk Nordrhein betragt der Anteil der liber 60-Jahrigen ca. 35% aus. Rund 5P/o der gesamten Leistungen (Punktwerte) von Allgemeinmedi-zinem und praktischen Arzten entfallen auf die liber 60-Jahrigen. Die Anzahl der Arztkontakte nimmt mit dem Alter zu. Betragt sie bei den 60-69-Jahrigen 5,2 pro Quartal, steigt sie liber 6,2 bei den 70-70-Jahrigen auf 7,3 bei den 80-Jahrigen und Alteren an (Walter, Schneider, Bisson 2006)

Krankenkassendaten (GEK) zeigen deutlich ansteigende Arbeitsausfall-zeiten in den hoheren Altersgruppen. So weisen berufstatige Manner ab dem 55. Lebensjahr im Vergleich zu den 30-34-Jahrigen einen 2,5fach erhohten Krankenstand auf. Dieser ist ausschlieBlich auf eine Zunahme der AU-Tage, nicht jedoch der AU-Falle zurlickzufiihren. Die langere Arbeitsunfahigkeit ist in den hoheren Altersgruppen mit einer vermehrten Inanspruchnahme von Krankengeldleistungen verbunden. Hauptursache stellen mit Abstand Rli-ckenschmerzen dar, gefolgt von depressiven Episoden und sonstigen Band-scheibenschaden. Rlickenschmerzen sind ebenfalls die haufigste Diagnose an alien AU-Tagen, an zweiter Stelle stehen Atemwegserkrankungen (Frauen) bzw. Verletzungen und Vergiftungen aufgrund auBerer Ursachen (Manner) (Grobe, Doming, Schwartz 2003). Die Zunahme der Arbeitsunfahigkeit im sechsten Lebensjahrzehnt zeigt insbesondere auch vor dem Hintergrund der Erhohung des Renteneintrittsalters die Notwendigkeit der betrieblichen Ge-sundheitsfbrderung auf, zumal sich das AusmaB der Arbeitsunfahigkeit deut-lich zwischen den Berufsgruppen unterscheidet.

Die Zunahme der Morbiditat im Alter verdeutlicht die Abbildung 2-1. Sie zeigt den Anteil an Personen, bei denen mindestens eine der Erkrankun-gen Koronare Herzkrankheit (KHK), Diabetes mellitus Typ II, Asthma bron-chiale/COPD und/oder Brustkrebs diagnostiziert wurde oder die entspre-chende Medikamente erhielten. Einen ahnlichen Verlauf weisen Daten zur gesundheitsbezogenen Leistungsinanspruchnahme (Krankenhaustage, Medi-kamente) auf Der leichte Rlickgang der Morbiditat bei den Hochbetagten fmdet sich bei zahlreichen Krankheiten und gesundheitsbezogenen Leistungs-inanspruchnahme. Er wird sowohl auf eine Selektion zugunsten geslinderer Risiken zurlickgefuhrt, als auch auf eine veranderte Diagnostik und Therapie (Mills, Reilly 1983, Resnick, Marcantonio 1997).

26

Page 24: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

Abbildung 2-1: Versicherte einer Krankenkasse nach Altersgruppen und Geschlecht mit mindestens einer der Krankheiten koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus Typ II, Asth-ma/COPD Oder Brustkrebs im Jahr 2000 (Grobe, Doming, Schwartz 2002, S. 117)

Insgesamt steigen die Leistungsausgaben mit zunehmendem Alter an. Wah-rend bis zur VoUendung des 20. Lebensjahres Versicherte durchschnittlich jahrlich Kosten von unter 500 € verursachen, liegt der Anteil nach dem 85. Lebensjahr bei 3.500 € (GEK Daten 2001). Die Leistungsausgaben werden wesentlich vom Todeszeitpunkt bestimmt. So betragen in alien Altersklassen die Ausgaben fur Uberlebende weniger als 3.000 €, wahrend sie bei Verster-benden durchschnittlich 15.000 € umfassen. Die hochsten Ausgaben im letz-ten Lebensjahr weist mit 16.000 € die Altersgruppe der 55-60-Jahrigen auf, wahrend sie in den sich anschlieBenden Lebensjahren wieder abnehmen und bei den iiber 90-Jahrigen nur noch 6.000 € betragen. Da verhaltnismaBig ho-he Leistungsausgaben in zeitliche Nahe zum Todeszeitpunkt anfallen, sind spatere Lebensabschnitte insgesamt jedoch aufgrund der erhohten Sterblich-keit mit hoheren Ausgaben verbunden (Grobe, Doming, Schwartz 2003).

Leistungen der Pflegeversicherung nehmen ca. 2 Mio. Personen (2001) in Deutschland in Anspruch, von denen (iber die Halfte mindestens 80 Jahre alt sind. 67,6% der 80-85-Jahrigen und 56,5% der 90-95-Jahrigen werden zu Hause versorgt (Deutscher Bundestag 2002, Abbildung 2-2). Ab dem 95. Le-bensjahr gehen die Pflegequoten deutlich zuriick. Dieses auch bei der Morbi-ditat bekannte Phanomen wird sowohl durch eine Selektivitat hinsichtlich gu-

27

Page 25: Ulla Walter · Uwe Flick · Anke Neuber Claudia Fischer ......Ulla Walter · Uwe Flick Anke Neuber · Claudia Fischer Friedrich-Wilhelm Schwartz Alt und gesund? Altersbilder und Präventions-konzepte

ter Risiken als auch eine statistische Untererfassung der Pflegefalle im hohen Alter erklart (Heigl 2002).

Abbildung 2-2: Altersspezifische Pravalenz der Pflegebedurftigkeit nach SGB XI zum Jahresende 2001 (Statistisches Bundesamt 2003a, S. 10)

50,7% der ambulant Pflegebediirftigen erhielten Ende 2002 die Pflegestufe I, 36,3% die Pflegestufe II und 12,9% die Pflegestufe III (Bundesministerium fiir Gesundheit und Soziale Sicherung 2004, Drifter Bericht tiber die Ent-wicklung der Pflegeversicherung 2004). Nach dem Alterssurvey tibemehmen 15% der 55-69-jahrigen Frauen und 9 der Manner dieser Altersgruppe Auf-gaben der Pflege, der Betreuung oder Hilfeleistungen fur andere Personen mit eingeschrankter Gesundheit. Im hoheren Alter verringert sich der Ge-schlechtsunterschied (70-85-Jahrige: 7% Manner, 10%) Frauen) (Deutsches Zentrum fiir Altersfragen 2005b).

28