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Nachrichten aus der Chemie| 62 | April 2014 | www.gdch.de/nachrichten
BJournalV
Elemente, Moleküle und das Weltgeschehen
The Last Alchemist in Paris & Other
Curious Tales from Chemistry.
Von Lars Öhrström. Oxford University
Press, Oxford, 2013. 257 Seiten,
geb. 19,80 Euro.
ISBN 978–0–19–966109–1
b Die Idee, sich Elementen oder
Molekülen literarisch nicht streng
wissenschaftlich, sondern anekdo-
tisch zu nähern, erfreut sich seit Jah-
ren großer Beliebtheit. Grundlegend
ist die Sammlung von einundzwan-
zig Erzählungen „Das periodische
System“ von Primo Levi, der Chemie
und eigenes (Über-)Leben im Dritten
Reich kunstvoll miteinander verwebt
[Nachr. Chem. 2013, 61, 129].
Das hier vorliegende Buch eines
schwedischen Chemikers verfolgt
ein anderes Anliegen. Es wendet sich
an naturwissenschaftlich interessier-
te Laien, die sich mitnehmen lassen
auf Reisen durch die Historie und
nicht davor zurückschrecken, auch
bildgebende Techniken wie Magnet -
resonanzimaging, Kristallstrukturen
oder Redoxreaktionen kennen zu ler-
nen. Kunstvoll verbindet der Autor
Episoden der Weltpolitik und -ge-
schichte, Roman- und Filmhelden
oder eigene Erlebnisse mit Eigen-
schaften, Vorkommen und Bedeu-
tung von Elementen, Isotopen und
Molekülen. Über den wasserstoffge-
Rezensionenfüllten Zeppelin Hindenburg, die
Zinnknöpfe der napoleonischen Ar-
mee und Arsenvergiftungen hat
man schon vieles gelesen, eher sel-
ten aber über die blaue Farbe des La-
pislazuli (S3–-Ionen), den Duftstoff
Eugenol und das im 1. Weltkrieg mi-
litärisch wichtige Aceton.
Der Autor streut nur hier und da
ein Bild, eine Karte, ein Diagramm
oder eine Molekülstruktur ein. Sein
sehr leicht zu lesendes Englisch lässt
nur selten zum Wörterbuch greifen.
Er scheut sich nicht, komplizierte Re-
aktionsgleichungen zu präsentieren,
die er aber immer wortreich zu er-
klären weiß. Eine beeindruckende
Fülle an zitierter Literatur lädt zum
Nachlesen ein.
Und doch bleibt es eine Schwach-
stelle des Buches, dass der Autor vie-
le Fakten, beispielsweise die chroni-
sche Toxizität des Bromids, das Ha-
ber-Ostwald-Verfahren oder die De-
finition von Metalloiden, nicht mit
weiterführenden Hinweisen belegt.
Zudem ist so mancher Zeitschriften-
artikel unsauber zitiert.
Wer war nun der titelgebende
„letzte Alchemist in Paris“? Kein Ge-
ringerer als der schwedische Drama-
tiker, Schriftsteller und chemische
Experimentator August Strindberg.
Er lehnte ein Ansinnen des vorlie-
genden Buches grundsätzlich ab,
nämlich das wohlgeordnete Peri-
odensystem der Elemente verständ-
lich zu machen. Strindberg versuchte
zu beweisen, dass man die verschie-
denen Elemente ineinander „trans-
mutieren“ könne; gelungen ist ihm
allerdings nur die Synthese von „Kat-
zengold“ (FeS).
„Das Richtige ist das intensive
Buch. Das Buch, dessen Autor dem
Leser sofort ein Lasso um den Hals
wirft, ihn zerrt und nicht mehr los-
lässt – bis zum Ende nicht, lies oder
stirb! Dann liest man lieber.“ (Kurt
Tucholsky)
Mathias Seifert, Dortmund
Nur für gut vorgebildete Bierfreunde
The Chemistry of Beer. The Science in
the Suds.
Von Roger Barth. Wiley & Sons, Hobo-
ken/NJ, USA, 2013. 330 Seiten, brosch.
29,70 Euro.
ISBN 978–1–118–67497–0
b Der Autor möchte mit diesem
Buch Bierliebhabern und Hobby-
brauern die chemische Basis des
Bierbrauens nahebringen. Der Rück-
seitentext verspricht: „All the
science is explained in clear, non-
technical language“. Auf eine solche
populärwissenschaftliche Bier-
Chemie en passant darf man ge-
spannt sein.
Bereits nach einer gelungenen
Einführung in die Geschichte und
den Herstellungsprozess zeigt sich
das Grundproblem dieses Buchs: Die
Bierherstellung ist äußerst komplex,
und der Autor braucht für die Dar-
stellung allein der chemischen
Grundlagen knapp 200 Seiten.
„Chemistry Basics“, „Water“, „Intro-
duction to Organic Chemis-
try“,„Sugars and Starches“, Proteine
und Enzyme, Hopfeninhaltsstoffe,
Fermentation, „Chemistry of Flavor“,
„Chemistry of Beer Styles“ und „Beer
Flavor Stability“. Da kommt eine
Menge Chemie zusammen. Zugege-
ben, „You don’t need to be a PhD
scientist to read this book“, aber soli-
de chemische Grundkenntnisse
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muss ein Leser mitbringen, um die
gewaltige Stofffülle durchdringen zu
können.
Bei der chemischen Stoffauswahl
des Autors kommen Zweifel auf, ob
diese auf die avisierte Leserschaft
zugeschnitten ist. Mit Strukturfor-
meln aller Hexosen einschließlich Ta-
lose und Idose, aller proteinogenen
Aminosäuren und den Feinheiten
der D,L- und R,S-Nomenklatur wird
man Laien nicht begeistern können.
Vieles hätte der Autor besser wegge-
lassen, etwa die Strukturformeln
von Squalen (eine ganze Seite), Er-
gosterol etc. etc., wobei im Text un-
klar bleibt, wozu diese abgebildet
sind. Auch der radikalische Mecha-
nismus der Oxidation von Linolsäure
über zwei Druckseiten dürfte die Le-
ser überfordern.
Im Text stolpert man oft über Un-
genauigkeiten und Fehler. Viele
Strukturformeln verwirren mit unge-
wöhnlichen Bindungswinkeln, che-
mische Bindungen werden mal
durch Striche, mal durch zwei Punkte
symbolisiert. Nirgendwo verwendet
der Autor bei Gleichgewichten den
korrekten Doppelpfeil, nicht einmal
bei der auch noch stöchiometrisch
falschen Eigendissoziation des Was-
sers. Molekularer Sauerstoff wird in
Text und Formelbild als Singulett for-
muliert, Korrosion ist kein „loss of
metal due to oxidation“, Energie
nicht nur eine „quantity measuring
the capacity to make something mo-
ve“, und Terpene sind mehr als
„members of a family of naturally
occuring hydrocarbons with one or
more double bonds“ und so weiter.
Alles in allem hat der Autor sein
Ziel verfehlt, ein populärwissen-
schaftliches Buch zu schreiben. Das
ist schade, und es tut weh, ein so
interessantes Konzept trotz vieler
guter Ansätze scheitern zu sehen.
Chemischen Laien ist dieses Buch
deswegen nicht zu empfehlen. Trotz-
dem können chemisch gut geschulte
und fehlertolerante Bierfreunde da-
rin interessante Querverbindungen
zwischen einem frisch gezapften
Bier und ihrer Wissenschaft entde-
cken und genießen.
Klaus Roth, Berlin
Keine Langeweile
Wie man mit AC/DC das Licht
ausmacht.
Von Konrad Stöckel. Piper-Verlag,
München, 2013. 259 Seiten, brosch.
9,99 Euro. ISBN: 978–3–492–30432–0
b Da ist es wieder, so ein Buch, das
wahllos durch Physik, Chemie, Biolo-
gie, Technik mäandert und Fragen
beantwortet, Versuche beschreibt,
Informationen liefert, von denen
man nie zuvor im Leben gedacht hat,
dass es sie geben könnte. Aber die-
ser Autor macht das einfach genial:
Er schreibt, plaudert, grummelt und
sülzt einfach drauf los, ohne Rück-
sicht auf politische Korrektheit,
sprachliche Finessen und lauernde
Gefahren. Eierschale schützen mit
Fluor und dann in Salpetersäure le-
gen, um den Schutz zu prüfen? Wa-
rum nicht? Es geht zwar um Fluorid
(in Zahnpasta) und dann auch mit
Essig, aber bitte: Der Beweis, dass
Zähneputzen nützt, ist geschafft;
wenn auch erfahrene Mütter be-
haupten, dass der Versuch sowieso
nicht funktioniert.
Insgesamt sind es über 70 laute,
leise, feurige Versuche, (Zauber-)
Tricks, abwegige Forschung und erlo-
gene Informationen. Das ist bunt
durcheinandergewirbelt; wahr-
scheinlich ist dem Autor der Zettel-
kasten vom Tisch gefallen, und er
war zu faul, neu zu sortieren. Einige
Chemikalien wird auch der Apothe-
ker nicht herausrücken, andere Ver-
suche funktionieren einfach prima
mit primitivem Material.
Das ist ein nützliches Lesebuch
für Erwachsene ab 16 Jahren, das zu
eigenen Versuchen anregt und cha-
osresistente Eltern zum Grübeln
bringen wird. Für die kommt es da-
rauf an, die freigesetzten Energien in
geordnete Bahnen zu leiten. Vieles
ist auch für den engagierten Che-
mielehrer und den Stammtisch nütz-
lich. Egozentrischer Autor, aber auch
das hält den Leser bei Laune und ver-
hindert die Langeweile – ein Pro-
blem, das Bücher dieser zusammen-
stoppelnden Provenienz regelmäßig
haben (und selten lösen).
Ernst Guggolz, Frankfurt
b Kurz vorgestellt
Hauptgruppenchemie
Chemie der Nichtmetalle.
Von Ralf Steudel. 4. überarbeitete
und aktualisiert Auflage.
De Gruyter, Berlin, 2013.
600 Seiten, brosch. 89,95 Euro.
ISBN 978–3–11–030439–8.
Das Lehrbuch gibt einen Überblick
über die Chemie der nichtmetalli-
schen Elemente. Die Theorie der
chemischen Bindung im ersten Teil
liefert die Grundlagen für die Stoff-
chemie im zweiten Teil. Dieser er-
wähnt Anwendungen der Verbin-
dungen in Materialien, Industrie,
Landwirtschaft und Umweltschutz.
Politische Kommunikation
VCI-Politikbrief. Bis zu vier Mal
pro Jahr unter
www.vci.de/politikbrief
Seit November informiert der Ver-
band der Chemischen Industrie,
VCI, mit einem Politikbrief über die
wirtschaftspolitischen Themen
der chemischen Industrie in
Deutschland. Zielgruppe sind in
erster Linie Entscheidungsträger in
der Bundes- und Europapolitik
und deren Mitarbeiter. Die erste
Ausgabe bündelt VCI-Positionen
zur Energiepolitik.