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Derzeit zählt das Bundesinstitut für berufliche Bildung (BIBB) 1,44 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 29 Jahren oh- ne Berufsabschluss. Damit liegt der Anteil ausbildungsloser be- ziehungsweise ausbildungsinte- ressierter Jugendlicher bei rund 15 Prozent. Auch die demo- grafische Entwicklung ändert nichts daran, dass es für dieje- nigen ohne Berufsabschluss nur geringe Chancen auf eine Aus- bildung bzw. einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt geben wird. In diesem Sinne spricht der Deutsche Gewerk- schaftsbund von einer „Gene- ration abgehängt“. Der aktuel- le 14. Kinder- und Jugendbe- richt greift diese Problematik auf und verweist bei der Beur- teilung der Integration in Aus- bildung auf die Längsschnitt- studien des BIBB und des Deut- schen Jugendinstituts (DJI). Beide Untersuchungen sind auf die quantitative Erforschung der Abfolgen von Bildungsschritten ge- richtet und beschreiben aufgrund ihrer Analysen „harte Fak- ten“, welche die Erwerbsbiografien von Jugendlichen beeinflus- sen. Die hier vorliegende Veröffentlichung von Nora Gaupp, welche als wissenschaftliche Referentin am DJI in München tä- tig ist, stellt die Ergebnisse einer qualitativen „Zusatzerhebung zum DJI-Übergangspanel“ (7) vor. Mit Hilfe dieser Interview- studie sollen die „weichen Faktoren“ des Gelingens oder Miss- lingens von Übergangswegen untersucht werden. Insbesondere war folgende Fragestellung forschungsleitend: „Welche Personen sind in welcher Weise für den Verlauf der Übergänge junger Er- wachsener von der Schule in die Arbeitswelt bedeutsam?“ (13). Zu diesem Zweck erforschte Gaupp anhand einer Teilstichprobe des DJI-Übergangspanels retrospektiv die subjektive Sicht jun- ger Erwachsener, die eine Hauptschule besucht haben, auf ih- ren Erwerbsverlauf. Im Ergebnisteil werden über die Ausgangsfragestellung hinaus zentrale Aspekte des Übergangsgeschehens herausgearbeitet, theoretisch fundiert und anhand ausgewählter Fallbeispiele em- pirisch illustriert. Die Analyse der Interviews zeigte, dass die Entstehung einer Übergangsbiografie sowohl aktiv gestaltet als auch ein Ergebnis von Gelegenheiten und Zufällen sein kann. Als nächstes beschreibt die Autorin unterschiedliche Motiva- tionslagen der Jugendlichen, die laut ihrer Untersuchung von bisherigen (wertschätzenden) Erfahrungen und der Erwartung an die berufliche Zukunft beeinflusst werden. Weiterhin haben kritische biografische Ereignisse wie beispielsweise der Tod ei- nes nahen Verwandten negative aber auch positive Effekte auf die Motivation. Der anfangs benannte Fokus auf die Bedeutung sozialer Interaktionen innerhalb des Übergangsweges wird ne- ben diesen Themen bearbeitet. Demnach finden sich im Material vielfältige Bezüge zu dritten Personen. Diese können für die in- dividuelle Biografie der Befragten hinderliche (Demotivierung, Türschließer) und förderliche (Türöffner, Motivierung, Sicherer Hafen, Ratgeber, Tandempartner) Funktionen übernehmen. An- hand dieser Analysen entwirft Frau Gaupp ein integriertes Mo- dell, in dem sie alle vier von ihr herausgearbeiteten Dimensio- nen verknüpft und versucht, dass „Übergangsgeschehen aus der subjektiven Sicht der jungen Erwachsenen in seiner Gesamtheit“ (92) abzubilden. Zum Abschluss der Publikation werden die Er- gebnisse kurz zusammengefasst und ihre pädagogische Relevanz gekennzeichnet. Insgesamt schildert die Autorin anhand ihres Fallmaterials nach- vollziehbar den Einfluss bestimmter Faktoren beim Übergangs- geschehen von der Schule in den Beruf und verbindet diese mit theoretischen Konzepten. Es wird ein fundierter Überblick zu zentralen Themen des Übergangs gegeben, der sowohl für die Fachwissenschaft als auch für die praktische Arbeit im Feld der Jugendberufshilfe interessant ist. An manchen Stellen wäre eine eingehendere rekonstruktive Auseinandersetzung mit den Modi des Übergangsgeschehens sowie eine konsequentere Verfolgung der Akteursperspektive wünschenswert – vor allem in Bezug auf die abschließende Modellbildung. Im Hinblick auf zukünftige Un- tersuchungen ist darüber hinaus interessant, wie die Befunde in den aktuellen Forschungsstand zum Thema einzuordnen sind und welche Erklärungen sich beispielsweise für die Entwicklung eines problematischen Bildungsverlaufes liefern lassen. Hier wären al- lerdings – wie auch Frau Gaupp an einigen Stellen feststellt – wei- terführende detaillierte Analysen notwendig. Spannend für die Praxis der Jugendsozialarbeit ist zudem, anhand des herausgear- beiteten integrierten Konzeptes Ideen zu entwickeln, wie Poten- tiale und Risiken in der Verlaufsbiografie eines Jugendlichen iden- tifiziert und bearbeitet werden können. Der Wert der vorliegenden Studie liegt in der Bereitstellung von empirischen und theoretisch fundierten Ergebnissen zu Bedin- gungen des Übergangsgeschehens aus der Perspektive der ju- gendlichen Akteure. Hierfür wählt Frau Gaupp einen qualita- tiven Zugang, der in Zukunft für die Weiterentwicklung der Maßnahmen im Bereich Übergang Schule-Beruf immer wichti- ger wird! Angela Bauer NORA GAUPP: Wege in Ausbildung und Ausbildungslosigkeit. Bedingungen gelingender und misslingender Übergänge in Ausbildung von Jugendlichen mit Hauptschulbildung. edition der Hans-Böckler-Stiftung, Bildung und Qualifizierung, Bd. 277. Düsseldorf 2013 54 Rezensionen Sozial Extra 7|8 2013: 54-56 DOI 10.1007/s12054-013-1032-z

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Derzeit zählt das Bundesinstitut für beru�iche Bildung (BIBB) 1,44 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 29 Jahren oh-ne Berufsabschluss. Damit liegt der Anteil ausbildungsloser be-ziehungsweise ausbildungsinte-ressierter Jugendlicher bei rund 15 Prozent. Auch die demo-grafische Entwicklung ändert nichts daran, dass es für dieje-nigen ohne Berufsabschluss nur geringe Chancen auf eine Aus-bildung bzw. einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt geben wird. In diesem Sinne spricht der Deutsche Gewerk-schaftsbund von einer „Gene-ration abgehängt“. Der aktuel-le 14. Kinder- und Jugendbe-richt greift diese Problematik auf und verweist bei der Beur-teilung der Integration in Aus-bildung auf die Längsschnitt-studien des BIBB und des Deut-

schen Jugendinstituts (DJI). Beide Untersuchungen sind auf die quantitative Erforschung der Abfolgen von Bildungsschritten ge-richtet und beschreiben aufgrund ihrer Analysen „harte Fak-ten“, welche die Erwerbsbiogra�en von Jugendlichen beein�us-sen. Die hier vorliegende Verö�entlichung von Nora Gaupp, welche als wissenschaftliche Referentin am DJI in München tä-tig ist, stellt die Ergebnisse einer qualitativen „Zusatzerhebung zum DJI-Übergangspanel“ (7) vor. Mit Hilfe dieser Interview-studie sollen die „weichen Faktoren“ des Gelingens oder Miss-lingens von Übergangswegen untersucht werden. Insbesondere war folgende Fragestellung forschungsleitend: „Welche Personen sind in welcher Weise für den Verlauf der Übergänge junger Er-wachsener von der Schule in die Arbeitswelt bedeutsam?“ (13). Zu diesem Zweck erforschte Gaupp anhand einer Teilstichprobe des DJI-Übergangspanels retrospektiv die subjektive Sicht jun-ger Erwachsener, die eine Hauptschule besucht haben, auf ih-ren Erwerbsverlauf. Im Ergebnisteil werden über die Ausgangsfragestellung hinaus zentrale Aspekte des Übergangsgeschehens herausgearbeitet, theoretisch fundiert und anhand ausgewählter Fallbeispiele em-pirisch illustriert. Die Analyse der Interviews zeigte, dass die Entstehung einer Übergangsbiogra�e sowohl aktiv gestaltet als auch ein Ergebnis von Gelegenheiten und Zufällen sein kann.

Als nächstes beschreibt die Autorin unterschiedliche Motiva-tionslagen der Jugendlichen, die laut ihrer Untersuchung von bisherigen (wertschätzenden) Erfahrungen und der Erwartung an die beru�iche Zukunft beein�usst werden. Weiterhin haben kritische biogra�sche Ereignisse wie beispielsweise der Tod ei-nes nahen Verwandten negative aber auch positive E�ekte auf die Motivation. Der anfangs benannte Fokus auf die Bedeutung sozialer Interaktionen innerhalb des Übergangsweges wird ne-ben diesen Themen bearbeitet. Demnach �nden sich im Material vielfältige Bezüge zu dritten Personen. Diese können für die in-dividuelle Biogra�e der Befragten hinderliche (Demotivierung, Türschließer) und förderliche (Türö�ner, Motivierung, Sicherer Hafen, Ratgeber, Tandempartner) Funktionen übernehmen. An-hand dieser Analysen entwirft Frau Gaupp ein integriertes Mo-dell, in dem sie alle vier von ihr herausgearbeiteten Dimensio-nen verknüpft und versucht, dass „Übergangsgeschehen aus der subjektiven Sicht der jungen Erwachsenen in seiner Gesamtheit“ (92) abzubilden. Zum Abschluss der Publikation werden die Er-gebnisse kurz zusammengefasst und ihre pädagogische Relevanz gekennzeichnet.Insgesamt schildert die Autorin anhand ihres Fallmaterials nach-vollziehbar den Ein�uss bestimmter Faktoren beim Übergangs-geschehen von der Schule in den Beruf und verbindet diese mit theoretischen Konzepten. Es wird ein fundierter Überblick zu zentralen Themen des Übergangs gegeben, der sowohl für die Fachwissenschaft als auch für die praktische Arbeit im Feld der Jugendberufshilfe interessant ist. An manchen Stellen wäre eine eingehendere rekonstruktive Auseinandersetzung mit den Modi des Übergangsgeschehens sowie eine konsequentere Verfolgung der Akteursperspektive wünschenswert – vor allem in Bezug auf die abschließende Modellbildung. Im Hinblick auf zukünftige Un-tersuchungen ist darüber hinaus interessant, wie die Befunde in den aktuellen Forschungsstand zum Thema einzuordnen sind und welche Erklärungen sich beispielsweise für die Entwicklung eines problematischen Bildungsverlaufes liefern lassen. Hier wären al-lerdings – wie auch Frau Gaupp an einigen Stellen feststellt – wei-terführende detaillierte Analysen notwendig. Spannend für die Praxis der Jugendsozialarbeit ist zudem, anhand des herausgear-beiteten integrierten Konzeptes Ideen zu entwickeln, wie Poten-tiale und Risiken in der Verlaufsbiogra�e eines Jugendlichen iden-ti�ziert und bearbeitet werden können. Der Wert der vorliegenden Studie liegt in der Bereitstellung von empirischen und theoretisch fundierten Ergebnissen zu Bedin-gungen des Übergangsgeschehens aus der Perspektive der ju-gendlichen Akteure. Hierfür wählt Frau Gaupp einen qualita-tiven Zugang, der in Zukunft für die Weiterentwicklung der Maßnahmen im Bereich Übergang Schule-Beruf immer wichti-ger wird! Angela Bauer

NORA GAUPP:

Wege in Ausbildung und Ausbildungslosigkeit. Bedingungen gelingender und misslingender Übergänge in Ausbildung von Jugendlichen mit Hauptschulbildung. edition der Hans-Böckler-Stiftung, Bildung und Qualifizierung, Bd. 277. Düsseldorf 2013

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RezensionenSozial Extra 7|8 2013: 54-56 DOI 10.1007/s12054-013-1032-z

Silvia Staub-Bernasconi, Grand Old Lady der Sozialarbeitswis-senschaft, hat die Sozialberu-fe als Menschenrechts-Profes-sionen konzipiert. Wolf-Dieter Narr, Grandseigneur der Poli-tikwissenschaft, hat dazu eine Art Theorie-Fundament erstellt und in Buchform vorgelegt. Die Schrift, zusammen mit Dirk Vo-gelskamp erarbeitet und vom Ko-mitee für Grundrechte und De-mokratie herausgegeben, umfasst u. a. philosophische, mentalitäts-geschichtliche, rechtstheoreti-sche und politologische Ansätze. Das Buch behandelt acht Fragen-komplexe („Dimensionen“ ge-nannt) und besteht aus insge-samt 62 Kapiteln („Aspekte“ genannt). Unterbrochen werden diese Glie-derungspunkte durch neun „Ein-schübe“, drei „Quellgründe“ und drei „Zeugnisse“. Was nicht nur auf den ersten Blick verwirrt, er-

weist sich bei der gründlichen Lektüre als mäandernder Roter Faden zur Orientierung, Urteilsbildung und Handlungsanleitung im Laby-rinth des komplexen und komplizierten Themas Menschenrechte und ihrer grausamen Missachtung – nicht zuletzt in den nationalsozialisti-schen Konzentrationslagern. Worum geht es? Menschenrechte sind heute bekanntlich in aller Mun-de – nicht zuletzt, wie angedeutet, auch auf dem Feld der Sozialen Ar-beit. Allerdings, sowohl in den Sozialberufen hierzulande als auch ge-nerell und weltweit sprechen die Erfahrungen von Leid, Ungerechtig-keit und Unterdrückung dagegen, dass die Menschenrechte wirklich aktuelle Geltung erlangt haben. Im Gegenteil, unter Berufung auf sie werden polizeiliche Maßnahmen legitimiert, „humanitäre Interventio-nen“ des Militärs schöngeredet und nicht zuletzt blutige Kriege geführt.Wolf-Dieter Narr, Pazi�st und zeitweise Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie in der Bundesrepublik, unternimmt in seiner Schrift den bewundernswerten Versuch, die Menschenrechte als Ausdruck der Bedürfnisse sowohl des einzelnen Menschen als auch des Kollektivs zu aktualisieren und sich ihrer – „Trotzdem!“ – in po-litisch-praktischer Absicht als Grundlage humanen Urteilens, Orien-tierens und Handelns zu versichern. Dass dies kein einfaches Unter-fangen ist, beweist die exkursreiche Abhandlung in ihrer Gesamtheit.Bei der Vertiefung in dieses (anklagend und argumentativ) gewal-tige und in Teilen sehr anschaulich beeindruckende Buch zeigt sich, dass es Narr und seinem Co-Autor Vogelskamp gelungen ist, zu vermeiden, sich „in Lügengespinste zu verheddern“ und „Schindluder (zu treiben) … mit dem Pathos der Menschenrech-te“ (S. 14). Diese intellektuelle Leistung hat ihren Preis: Die Lek-türe des Bandes beinhaltet ein hartes Stück Lese- und Verstehens-arbeit, an der freilich die redemächtige Formulierweise des Au-tors nicht ganz unschuldig ist. Rudolph Bauer

WOLF-DIETER NARR (ZUSAMMEN MIT DIRK VOGELSKAMP)

Trotzdem: Menschenrechte! Versuch, uns und anderen nach nationalsozialistischer Herrschaft Menschenrechte zu erklären. Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Köln (2012), 292 Seiten, 18,00 EUR ISBN 978-3-88906-137-9

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Soziale Arbeit

Bringfriede Scheu, Otger Autrata

Partizipation und Soziale ArbeitEinflussnahme auf das subjektiv Ganze

2013. I, 319 S. Br. € (D) 39,99 ISBN 978-3-658-01715-6

Partizipation ist zu einem omnipräsenten Stichwort in der Sozialen Arbeit geworden. Dabei wurde allerdings Partizipation zu einer Leerformel: Was genau eigentlich gemeint wird, wenn von Partizipation gesprochen oder geschrieben wird, ist kaum mehr erkennbar. Bringfriede Scheu und Otger Autrata leiten ein grundlegendes Ver-ständnis von Partizipation her und erläutern es: Partizi-pation ist als Gestaltung des Sozialen und als Einfluss-nahme auf ein subjektiv Ganzes zu definieren. Daraus ergeben sich neue Perspektiven für Soziale Arbeit in diszi plinärer und professioneller Hinsicht.

Der Inhalt

■ Partizipation und Partizipationsforschung

■ Soziale Arbeit und Partizipation

■ Historische Herangehensweise zur Erklärung

von Partizipation

■ Grundlagen der Partizipation: Mensch, Gesellschaft

und Soziales

■ Partizipation als Gestaltung des Sozialen

■ Partizipation und Soziale Arbeit: Neues Verständnis

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Neue Studiengänge brauchen neue Lehrbücher. Die Bache-lor-Studiengänge verlangen nach neuen Konzepten, denn die explizite Berufsorientie-rung kommt zu den wissen-schaftlichen Zielsetzungen hin-zu. Der Bachelor ist zu einer Art „Basisquali�kation“ gewor-den, an die weitere Studien an-schließen können, die aber auch zu einer beruflichen Tätigkeit vorbereitet. Mit dieser dualen Orientierung sind hohe Anfor-derungen an Studienbücher ver-bunden. Man kann nicht ein-fach alte Werke etwas umbau-en, sondern muss konzeptionell neu planen. In manchen Verla-gen sind deshalb ganze Reihen entstanden, auch der vorliegen-

de UTB-Band fügt sich umstandslos in die neuen konzeptionel-len Überlegungen ein.Die Soziale Arbeit mit Familien ist zu einem breiten Feld der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe geworden. Sowohl als The-ma der Forschung wie auch als Thema der praktischen Sozialar-beit nimmt die Familie einen hohen Rang ein. In dem Buch von Uhlendor� und anderen werden wissenschaftliche Erkenntnis-se und praktische Erfahrungen gleichermaßen gründlich auf-gearbeitet und zusammen mit dem rechtlichen und institutio-nellen Wissen gut geordnet präsentiert. Fallbeispiele, Übungs-aufgaben und Exkurse bringen den Charakter als Studienbuch zum Ausdruck.Die Einleitung ist problemorientiert aufgebaut und um Bei-spiele gruppiert, so dass auch der Studienanfänger einen gu-ten Zugang erhält. Im Kapitel „Familie als Lebensform“ wird das soziologische Wissen zur Familie als privater Lebens-form in der Gesellschaft zusammengefasst. Im dritten Ka-pitel geht es um Aufgaben der Familie und Kon�iktthemen, wenn diese Aufgaben nicht oder nur unzureichend bearbeitet werden können. Damit ist ein Einstieg in die sozialpädagogi-sche Perspektive auf die Familie verbunden, denn die Soziale Arbeit mit Familien hat es überwiegend mit solchen Fragen der Überforderung oder des Misslingens zu tun. Dies wird im Kapitel über „Soziale Probleme“ fokussiert, insofern hier die Belastungen von Familien, angefangen bei Armut über Sucht und Gewalt bis hin zu Trennung und Scheidung unter-sucht werden.

Der knappe Abschnitt über „Migration, Transkulturalität und Familie“ ist freilich nicht gelungen, denn weder ist Migration ein der Gewalt vergleichbares Problem, noch ist der Zugri� auf dieses Thema in sich gut strukturiert. Auch die unvermittelt angehängte Fallbeschreibung einer mehrfachen Familienprob-lematik sollte Gegenstand einer eigenen Betrachtung und Ana-lyse sein. Bis zum vierten Kapitel ist die Darstellung mit Fall-beispielen angereichert, die die jeweilige Thematik sehr gut er-schließen helfen. Dies ist in den nachfolgenden Kapiteln leider nicht mehr der Fall.Allerdings geben die drei folgenden Kapitel über die rechtlichen Grundlagen, die Praxiseinrichtungen sowie die Konzepte und Methoden der Sozialarbeit mit Familien einen guten Überblick. Gerade im letzten Kapitel wird gezeigt, wie vielfältig die An-sätze der Familienarbeit pragmatisch ausdi�erenziert sind und welche wissenschaftlichen Konzepte inzwischen in der Sozia-len Arbeit mit Familien Anwendung �nden. Gleichzeitig wird deutlich, dass in manchen Feldern vor allem die programmati-sche Literatur dominiert (wie bei den Mehrgenerationenhäusern oder den Familienzentren), während andere Tätigkeitsbereiche schon gut untersucht sind. Die „Frühen Hilfen“ und die „Sozial-pädagogische Familienhilfe“ werden als rechtlich verfasste For-men behandelt, als pädagogische Tätigkeiten verdienten sie noch mehr Aufmerksamkeit.Der nicht au�ösbare Widerspruch zwischen Unterstützung der Familie als einer respektierten privaten Lebenswelt und Intervention in unterschiedlichen Formen bis hin zur Heraus-nahme von Kindern aus der Familie wird rechtlich gut darge-stellt. Es wäre wünschenswert, auch zu analysieren, wie die-ser Widerspruch für die sozialpädagogische Beziehung und die Arbeit innerhalb der Familie eine spezi�sche Anforde-rung an die beru�ich tätigen Sozialpädagogen mit sich bringt. Denn die Re�exion, die generell die Berufsarbeit zu beglei-ten hat, muss sich hier mit strukturellen Fragen der ö�ent-lichen Tätigkeit in einer privaten Lebenswelt befassen. Zwi-schen „Wissen“ und „Handeln“ muss sich im Feld der Fami-lienarbeit in besonderer Weise „Takt“ einschieben, denn nur taktvolles Handeln kann die Intervention und den Kontroll-auftrag in Hilfe verwandeln. Solche Überlegungen könnten sich problemlos an die Bestimmung des „sozialpädagogischen Problems“ anschließen. Insgesamt aber liegt ein gelungenes Studienbuch vor, das nahe an der beru�ichen Praxis das wissenschaftliche Wissen systematisch aufbereitet und zugänglich macht. Es ist eine ideale Grundlage für eine einführende Lehrveranstaltung, die jeder Pädagoge und jede Pädagogin absolvieren sollte. Denn Arbeit mit Familien gehört zu allen pädagogischen Tätigkeiten von der Kinderkrippe bis zur Al-tenarbeit. Franz Hamburger

UWE UHLENDORFF / MATTHIAS EUTENEUER / KIM-PATRICK SABLA

Soziale Arbeit mit Familien. Ernst Reinhardt Verlag, München Basel 2013, 212 Seiten, 24,99 EUR, ISBN 978-3-8252-3913-8

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