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  • 5/12/2018 Lukes, Steven 1982

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    Krise der Arbeitsgesellschaft?Verhandlungen des 21. Deutschen SoziologentagesinBamberg 1982

    Herausgegeben imAuftrag der Deutschen Gesellschaft fur Soziologievon Joachim Matthes .

    Campus Verlag, Frankfurt/New York

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    MACBTUND HERRSCHAFT BEI WEBER, MARX, FOUCAULTSteven Lukes

    IWenigStens in einem Punkt herrscht tiber die Macht Klarheit: man kanngrundverschiedener Ansicht sein , worum es sich bei ihr iiberhaupt handeltund wie sie festzustellen ist. Das Spektrum der Defintionen reicht vont riigerischer Kla rhei t (Russel ls ,,Erzielen angestr ebte r Erfolgc 'v ) bi s zumuntr iige rischen Nebel (Luhmanns Darste llung der Macht a1 s ,,M:edium sym-bolisch generalisierter Kommunikation "2). FUr den einen geht es um eineFahigkeit, fiir den anderen urn deren Nutzung, fur den dritten um ein Be-ziehungsgefiige. Macht solI die Eigenschaft von Individuen sein, von Kol-lektiven oder vielleicht auch die Ressource eines-Systems, Manche Defi-nitionen (die Iieber unter sich bleiben wollen) schaff en cine feste Verbin-dung zwischen Macht und Absicht: zur Androhung von Gewalt, zum Vor-liegen cines Konflikts und/oder einer Auflehnung oder auch zur Duldungvon Befehlsgewalt. Fur die einen ist Macht etwas Negatives und hat mitZwang zu tun, die anderen sehen sie positiv und produktiv, wieder anderenehmen Damonisches wahr und nicht ~ me ihre Kontrahenten - Giitiges.In der Erorterung der Macht, so hat es den Anschein, anything goes.Ich will nun dreierlei versuchen: Erstens mochte ich etwas Ordnung inder Anarchie der Definit ionen herste ll en, dazu werde ich inden Definitionenzwischen GroBfamilien und einigen Nebenzweigen unterscheiden. Zweitenswerde ich mich auf ein Sortimentvon Auffassungen konzentrieren, die meinerMeinung nach die Auseinandersetzungen uber Macht in der abendlandischenGeistestradition bestimmt haben, naml ich die Vorste llungen von Macht a1 sKontrolle. Dazu werde ich drei Interpretationen dieser Vorstellungen vonMacht a1 s Kontrol le gegeneinander abwagen - die Ansa tze von Weber, Marxund Miche l Foucault -, urn einige ihrer Grundelemente herauszubringen.Und schIieBlich will i ch eine Erklarung wagen, warum es i iberhaupt sinnvol1ist, s ich mit einer derar tigen Analyse von Macht zu beschaf tigen.

    IIEs kann nicht schaden, zunachst einma! den Grundgedanken von Machtvon dessen verschiedenen Auffassungen zu unterscheiden, Der Grundge-10 6

    ?anke ist der gemeinsame Nenner a ll seiner verschiedenen Auffassungen;jede Auffassung kann somit als Interpretation oder Anwendung einesGrundg~dankens aufgefaBt werden. Die ver schiedenen Auffassungen vonMacht s?lld .- analo zu dem, was John Rawls iiber die Auffassungen vonGerechtigkei t geschrieben ha t - "das Ergebn is von verscbiedenen Vorstel -Iungen von Gesel lschaft vor dem Hin tergrund einander widersprechenderAnsichten tiber natiirl iche Notwendigkeiten und Moglichkeiten des mensch-lichen Lebens", Wenn wir diese Auffassung von Grund auf verstehen wol-len, ,,mii ssen wir die Auffassung von gesel lschaftl icher Zusammenarbei tdeutlich mache~, von der sie abgeleitet ist".3 Genauso mochte ich jetztals den allgemeinsten und abstraktesten Grundgedanken von Macht - inBezug zum_ gesel lschaftl ichen Leben - behaupten: Die Macht eines odermehrerer Hand~lnder A z " n Hinblick auf em Ziel Z manifestiert sick danm;wenn A das Ziel Z durch das Einwilligen eines oder mehrerer Handelnder._B erreicht; Wir werden noch sehen, daB die verschiedenen Elemente se lbstdiese r grobschl li chtigen Defini tion wild unterschiedl ich inte rpret iert wer-den konnen; doch darin liegt angesichts der Aufgabe, die wir uns gesetzthaben, gerade ihre Starke.

    Ich behaupte nun zunachst ei runal , daB , wenigstens in der abendlandi-.sc.hen Tradit ion, zwe.i Moglic~eiten bes te~en, diese Definit ion auszulegen.D!e ~rs .te Interyretanon verihr :t symmetnsch; sie geht davon aus, daB dasEmwil ligen zwischen A und B emvemehml ich geschieht und daB beiden da sZ~el ~ ?emein~am ist. Die zweite Inte rpretation verfahrt asymmetrisck: B'sEmwilligung gilt als erzwungen, und das bedeutet, daB die Ziele von B nichterreicht, nur zum Tell erreicht oder liberhaupt nicht angesteuert werden,~d wenn B die Ziele von A teilt, so ist das das Ergebnis und nichtdie Be-dingung der Macht vox: A. Die erste Interpretation liefert Auffassungenvon Macht als Kooperation und Konsens, die zweite von Macht als Hierar-chie und Herrschaft.

    Z .unachst ein Blick auf die symmetrischen Auffassungen: Ihre Geschich-te r:lcht vom Altertum bis in die Gegenwart. Fur Plat on und Aristoteles,schrieb Franz Neumann, ,,ist die politische Macht die Gesamtmacht desGemeinwesens",? Cicero sagte, daB ."Freiheit nur in der Stadt einen Platzfind~t? in d:r das. Yolk die. hochste Macht hat"S, und in den Digesten vonJ ustuuan wird die ~esetzliche Kraft der Entscheidung eines Prinzen vonder Ta~ache abgele!t~~'6 d~ "das V?lk ihm iseine ganze Regierung undMacht ube~gen hat. Mittelalterliche und moderne Vertragstheorienhaben b e zeichnenderweise diese Idee der Dbertragung der kollektivenMacht des Volkes auf den Souveran iibemommen. Man denke bei denmodemen The?~en nur an die Lehre von Montesquieu, der zufolge "die~~ht der Individuen ... nicht ohne die Verbindung aller ihrer Willen ver .. emgt werden kann"? , an Burke ("Wenn Menschen in Zusammenschlus-sen handeln, wird Freiheit zur Macht'(8) oder die liberale Variante wieWit sie bei Humboldt und T.H. Green finden und die lautet: Freiheit impositiven Sinne" ist ,:erne Macht, die ein jeder durch die Hiife oder Ah-

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    sicherung seiner Mitmenschen aus iiben kann",? Auch der ~sm~ ent-halt eine konsensuelle Auffassung, angewandt auf da s Vermac~tnls , denSoz ia li smus aufzubauen. Was heiBt Sowje tmacht?, fragt Lenin. Sie "ebne tden Weg ZUlli Soz ia lismus. Sie gibt den vormals Unter~ckten die Gel~gen-heit sich aufzurichten und in einem standig fortsch reit enden MaBe die ge-samte Regierung des Landes, die gesamte Wrrtschaftsverwaltung und dieProduktion in die eigenen Hande zu nehmen.Yl? Und unter den mehr oderweniger zeitgenoss ischen Autoren be~orten Hannah Arex:dt undoTalcottParsons konsensuel le Auffassungen. DIe erste re unter Verweis auf eme klas-sisch republikanische Deutung von Po~tik, in der. das We:en der Macht, ,nich t von einer Befehl-Gehorsam-Bez;ehung bestimmt WlX~, dem ?. '~e -schlift der Un t erdriickung", sondem vielmehr "der menschlichen Fahig-keit" entspricht, "gemeinsam ~u han~eln".11 ~~ Parsons ~:. M~cht dieRessource eines Systems, namlich "die generalisierte Kapazitat emes so-. Z' 1 d h :,1..._ "12zialen Systems, etwas imInteresse gememsamer re e urc zULWUen .

    Ich wende .mich jetzt den asymmetrischen Auffassungen zu, Deren Ge-schichte ist nicht weniger ehrwiirdig als die, die wir gerade behandelt ha-ben sie reicht von Thrasymmachos bis in unsere Tage. Ihre klassischenVertreter waren Hobbes und Max Weber, beide betonten den Zusammen-hang zwischen der Asymmetrie der Macht un? s~zialen .Ko?flikten - ak-tuel len wie potentiell en. FUr Hobbes gal t: "Weil die Macht emes Menschendie eines anderen Menschen behindert oder ihr entgegens teht , ist Machtganz einfach nichts anderes als das Mehr der Macht des ein~n gegeniiberder eines anderen. "13 Bei Weber heillt es: ,,Macht bedeutet jede Chance,innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Wider-s treben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht. "14 .

    Man kann die asymmet rischen Auffassungen sinnvo lle rweise in zweiUnterfamilien anfspalten, Die eine zielt auf Ungleichheit - sie behandeltMacht ganz ausdrilcklich als Ungleichheit .> ~as heifst a~f eine Vorstellungvon Verteilung, die sich auf das unterschiedliche Vennogen von Handeln-den bezieht, sich knappe, doch begehrte Vorteile und Ressourcen zu ver-schaffen. Die Theoretiker der sozialen Stratifikation verwenden gewohn-lich den Begriff Macht in eben diesem Sinne.V Sehr deutlich hat das FrankParkin formuliert:

    "...von der Verteilung von Macht zusprechen konnte auch als eine andere Beschrei-bung des Zustroms von Belohnungen gelten, Die Tatsache, daB die herrschende Klassesich erfolgreich einen unangemessenen Antell an Belohnungen zukommen lassen kann- im Vergleich zur untergeordaeten Klasse -, Ist gewisse=aBe.n ein Mafistab .derMacht der ersteren tiber die letetere. Anders gesagt, man braucht sich Macht gar nichtals etwas vorzustellen, das oberhalb oder jenseits des Systems materieller oder gesell-schaftlicher Belohungen existiert, man kann sie vielmehr als cine Vorstellung oderMetapher deuten, mit der der Strom von Ressourcen beschrieben wird, die das Systemausmachen, Und damit handelt es sich eben nicht um eine Dimension, die getrennt vonder sozialen Stratifikation existiert.,,16

    Hier wird Macht als Ungleichheit aufgefaBt. Doch es geht auch anders, .und dami t will ich mich jetzt befassen: namlich Macht als Kontrolle. Im108

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    alten System hat A einfach einen groBeren Gewinn al s B, wenn er B's Ein-willigung innerhalb eines Verteilungssystems erreicht, Im neuen Modellist A auf eine bestimmte Weise fU r da s Zustandekommen der Einwilligungvon B verantwort lich. Der Zusammenhang, das wird noch deutl ich werden,steckt voller Probleme - Er wirft eine Reihe von Fragen auf, die cinerseitsmitphilosophischen Voraussetzungen zusammenhangen, andererseitsProbleme der Methodik ber iihren.

    Eines aber, und das sollten wir festhalten, ist diese Sichtweise vonMacht a ls Kontrolle nicht: Sie ist nicht per se pejorativ. Denn schlieBlichkann man in jedem gegebenen Fall cine derartige Kontrolle aus mehrerenGriinden rechtfert igen:Nur ein Erz-Anarchist wird Kontrolle als unter kei-ner lei Umstanden zu rechtfert igen betrachten, Zum zwei ten hande lt es sichauch nicht automatisch um cine ,,negative" Auffassung von Macht, derenBedeutung Foucau lt ,,a ls e ine Kraft , die Nein sagt"17 charakteri si ert . In.sofern die Macht von A einschriinkt, tut sie das doch stets in Hinblick aufein Ziel von A, das diese Einschrankung bestimmt. Drittens geht es nichtum die Gleichsetzung von Macht mit Repression, denn -das wiirde ja dieUnte rdrii ckung "befreiender " Al temat iven vorausse tzen, die in der fragl i-chen Si tua tion latent vorhanden sein konnen, es aber nich t se in mi issen.

    Und noch eine abschlieBende Bemerkung zur generellen Unterschei-dung zwischen symmetrischen und asymmetrisehen Auffassungen. Wirbefassen uns Iedigl ieh mi t der analyti sehen Unte rsehe idung von verschie-denen Moglichkeiten, historische Gegebenheiten zu interpretieren, alsonicht mit einer Defintion der .,WU"klichkeit", in der es urn da s Erkennenbest immter Phanomene geht. Es kann daher nur eine maBige Uberraschungsein, wenn identi sche histori sehe ,,Beweissti icke" von sich befehdendenDenkem jeweils fU r ihre ureigene Sache vere innahmt werden konn ten . Manvergleiche nur die Perspektive Lenins mit der Webers, wenn es um den Auf.bau des Sozialismus geht, oder die Positionen von Talcott Parsons und C..Wright Mil ls zur St ruktur der Macht inder amerikanischen Gesellschaft.ts

    I T IBetrachten wir die Auffassung von Macht aIs Kontrolle aus der Nahe, Ichmoch te dazu dre i einfluBreiche, inte ressante und auf e ine inte ressante Weiseunterschiedliehe Interpretationsmodi erortem, Aus dem Vergleich ergibtAch ein genaueres Bild derj ewei ls zugrunde liegenden Vorausse tzungen undder moglichen ErkIarungsfunktionen.. Weber, das haben wir bereits erwahnt, sah Macht als die Chance cinesHandelnden, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auchgegen Widers treben durchzusetzen, gIeichgii lt ig , worauf die Chance beruht.Nach Weber gibt es eine ext rem wei te Bandbrei te solcher Grundlagen, da -durch wird derr-BejP1ff , ,:Macht" soziologisch "amorph". Weber schlug des-

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    halb al s prazisere Fassung den Begriff ,,Herrschaft" vor.I? Doch dann un-terschie d er zwischen Herrschaft in e inem ,,iiuBerst allgemeinen" und ei -nem "engeren" Sinn. Zum erste ren gehort bei spiel sweise ,,Herr schaft kraf tInteressenkonstellat ion ( insbesondere kraft monopolis tischer Lage)" , dochWebers Herrschaftssoziologie bezieht sich allein auf den an zweiter Stellegenannten Sinn, namlich ,,Herrschaft kraft Autoritat (Befehlsgewalt undGehorsamspfl icht)". In Webers Worten: "Wit wol len im folgenden den Be-griff der Herrschaft imengeren Sinn gebrauchen, welcher der durch Interes-senkonstei lationen, insbesondere marktmafs ig bedingten Macht, die i iberal lformel l auf dem fre ien Spie l der Inte ressen beruht, gerade entgegengese tzti st , al so ident isch ist mit auto rita rer Befehlsgewalt ." Der Bezugsrahmen vonWebers Herrschaft ssoz iologie i st dabei noch enger, denn er insi st ie rt nichtnur darauf, daB die verschiedenen Formen von Her rschaft Befehlsstruktu-r en se in sol len, es geh t auch darum, daf sie wil lentli che Gefolgschaf t erzeu-gen, , ;als ob die Beherrschten den Inha lt des Befehl s um seiner selbst wi ll enzu r Maxime ihres Handelns gemach t hatten", Deshalb: ". . .d ie bloSe auBereResultante: das Befolgtwerden des Befehls, geniigt (nicht), denn der Sinnseines Hingenommenwerdens als einer 'geltenden' Norm ist fU r uns nichtgleichgiiltig-"ZODiese def initor ischen Einschr iinkungen fiihren dazu, daf Webers Herr-schaf tssoziologie nicht nur alle Machtstrukturen ausschlofs, die durch Mark-te und ahnl iche ,,In ter essenkonste ll a t ionen" gebi lde t wurden (wie e twa dasVerhaltnis Schutzherr-Miindel oder auch nur die internationale Politik);ausgeschlossen ble iben auch Machtst ruktu ren, die vornehmlich au f Zwangberuhen, und die sind historisch sieher nicht gerade die Ausnahme. Weiter-hin werden die Falle nicht erwahnt, in denen dominierende Gruppen oderRegime in den Augen ihre r Unter tanen keine Legi timitat e rwerben konnen,und es fehlen auch Legit imat ionskrisen oder die verschiedenen Formen vonillegitimer Herrschaft.P!Aus zwei Grilnden ist dieses Ergebnis umso verbliiffender: Ers tens kann-te Weber ganz genau die Vielfalt von Motiven, die zum Befolgen von Be-fehlen fiihren konnen, Die Menschen konnen Unterwerfung heucheln,meint Weber, sich opportunistisch verhalten, aus Eigeninteresse handelnoder aus individue ller Schwache und Hil flosigkeit , da es ke ine akzeptableAlternative gibt. "Ebenso in der konkreten Motivation: der Befehl kannim Einzelfall aus eigener Dberzeugung von seiner Richtigkeit oder ausPflichtgefiihl oder aus Furcht oder aus 'stump fer Gewohnung' oder urn. ei-gener Vortei le wil len ausgefi ihrt werden . .. "zzZweitens, weil Weber in Machtfragen ein Realist war: Er war sich stetsklar tiber die eiserne Faust im Samthandschuh, und er hatte keinerlei U-Iusionen tiber egoist ische Mot ive hin ter a lt ruisti schen Gefiihlen. Wie er aus-drii ckl ich sagte, "werden von po lit ischen Gemeinschaften dem einze lnenBeteiligten Zumu tungen zu Leistungen gestellt, welche jedenfalls groBeTei le derselben nur desha lb er fiil len, weil si e d ie Chance physischen Zwan-ges dahinterstehend wissen".Z3110

    Webers Soziolog ie der Macht al s Herrschaft ziel t also auf Befeh lsst ruk-turen, in denen im allgemeinen die Legitimitatsanspri iche der Herrschendenvon ihren Untergebenen akzeptiert werden, Es geht um cine Erkundung derHypothese, die die vorherrschenden Typen von Autor ita t bez iehungsweiseBegriindungen fiir Gehorsam. (in den versch iedenen tradit iona len Formen,in der rat ional- legalen und in der charismatischen Variante) als grundlegendund erklarungswirksam fiir das Verhliltnis zwischen Herr und Herr, Herrund Apparat und zwischen diesen beiden und den Beherrschten sowie denorganisato rischen Strukturen postul ie rt. Als Ergebnis unsere r Erorterungwollen wir festha lten, daB Weber schlicht davon ausging, da die Begriin-dungen fiir Gehorsamspfli cht im al lgemeinen von den Beherrschten ak-zeptiert wurden und daB er deshalb nicht weiter erforschte, a) wieweitMythen der Legitimation akzeptiert wurden und von wem, und b) wosie akzep tie rt wurden und wie diese Akzeptanz abgesichert wurde .Die marxistische Tradition hat sich bekanntlich gerade den Fragen derHerrschaft zugewandt , d ie Weber entweder ausgelassen oder nicht verfolgthat. Sie behandelt ,,Herrschaft kraft Interessenkonstellationen" in derTheorie der Ausbeutung, und sie behandeIt Ausmafs, Vorkommen undMittel der Legitimitatsbeschaffung in der Theorie der Ideologie und (urn.Gramsci zu zitieren) Hegemonie.Ausbeutung bezeichnet eine Beziehung zwischen Klassen. In der Perio-de nach der Stammes- und vor der kapi tal isti schen Klassengese ll schaft WUr-de Surplus-Arbeit von denunmit te Ibaren Produzenten aurch aufse rokono-mischen Zwang abgepreBt, durch Frondienste, Sklaverei oder direkte An-eignung, Im Kapital isrnus s ind dagegen die ausbeuter ischen Klassenverhalt-nisse in einem System des gleichen Tauschs zwischen formal freien Agentenversteckt, die wen jeweiligen Eigeninte ressen nachgehen: Das "versteckteRatsel" der kapitalistischen Produktion lost sich in der Enthiillung dieserBeziehung, die in der Aneignung des Mehrwerts durch die herrschendeKlasse besteht, Diese Losung l iegt nat ii rlich darin, da B zwar die Arbeits -kraft zu ihrem Wert verkauft wird, daB aber Mehrarbeit Mehrwert schafft,den sich der Kapitali st aneignet. Ohne t ief er in die Feinhei ten dieser Debat -te zu ste igen: die Klassenmach t oder Herrschaft, die bei dieser Ausbeutungoffenbar wi rd, not igt die ausgebeu tete Klasse auf eine doppel te Weise. Dennobwohl der Arbeiter frei scheint (indem er ein Angebot annimmt, das ab-zulehnen ihm frei steht), ist er doch genotigt, denn er kann sich dem Lohn-verhaltnis nur urn. den Preis des Verhungerns entziehen. Und ist er zwei-tens, in dieses Verhaltnis eingetreten, so ist er gezwungen, einen Lohn zuakzept ier en, der niedriger i st a ls der Wert, den se ine Arbei tskraft schafft,In der burgerlichen Gesellschaft entsteht diese doppelte Notigung aus denBesitzverha ltnissen, die der kapi ta list ischen Klasse e inen eindeut igen Ge -schaf tsvortei l gegenliber der numerisch weit groBeren proletarischen Klasseverschaffen,

    Selbstvers tandlich ist auch die ideologische Hegemonic ein Klassenver-ha ltnis, Marx' Theorie der Ideo logie zeigte nich t unbedingt ein HochstmafI I I

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    an Koharenz; manchmal behauptete er - wie Weber -, die herrschendenIdeen einer Gesellschaft seien die Ideen ihrer herrschenden Klasse. Dannwieder schwebte ihm vor, Klassenbewufstsein sei dUTChbestimmte Situa-tionen detenniniert, etwa derart, daB mit sich verscharfenden Widersprii-chen linKapitalismus die herrschende Ideologie ihre Macht liber ein zuneh-mend geschlosseneres und revolutionareres Proletariat nach und nach ein-biiEen wiirde, Lenin und Lukacs haben diese Idee libemommen, haben al-Ierdings daraus eine gegenteilige SchluBfoIgenmg gezogen: Sie gingen da-von aus, daB die Lage der Arbeiter eine willfahrige Gewerkschaftsmentali-tit hervorbringt, die nUTvon oben beseitigt werden kann, durch das ge-meinsame Hande1n (die Macht?) aufgeklarter Kader, die in der Lage sind,den Arbeitem ihr wahres Bewufstsein zu vermitteln, das wiederum auf derEinsicht in ihre (unterstellten) Klasseninteressen beruht. Erst Gramsci hatsich mit der ganzen Verstricktheit der Vorstellung von ideologischer Machtbeschaftigt. Gramsci hat zwar nie bezweifelt, daB es sich bei Hegemonieurn eine Form der kulturellen und ideologischen Klassenmacht handelt,doch er lieE vier Fragen offen: 1.Wieweit werden herrschende Legitima-tionsfonnen akzeptiert und von welchen Gruppen? 2. Wo Zustimmungherrscht, was ist das (schwankende) Gleichgewicht zwischen "Gewalt"und "Zustimmung"? 3. Wie wird Zustimmung gesichert und aufrechter-halten - und durch welche Institutionen? 4. Wie kann man anti-hegemo-nistische Einstellungen pflegen und entwickeln? Natiirlich ging Gramsciimmer davon aus, daB, so effekt iv die ideologische Kontrolle bei der Be-schaffung von Zustimmung fur die herrschende Ordnung auch sein mag,die revolutionaren Klassenziele in der unterdriickten Klasse doch immerfortbestehen wiirden - vielleicht nur imVerborgenen und verschliisselt,doch stets in der Lage, bei geeigneter Gelegenheit aktiviert, artikuliert undmobilisiert zu werden.Foucault lehnt zunachst einmal diese beiden Vorstellungen ab. Filr ibngilt keineswegs, daB Macht eine Beziehung zwischen Herrschern und Be-herrschten oder zwischen herrschenden und beherrschten Klassen darstellt,Macht, schreibt Foucault, ist nicht

    "...eine Gruppe von Institutionen und Mechanismen, die die Gefolgschaft vonBlirgern eines gegebenen Staates sichert ... (noch) eine Form von Unterwerfung, die imGegensatz zur Gewalt in del' Form von Herrschaft auftritt, '" (noch) ein generellesSystem von Herrschaft einer fiber eine andere Oruppe ...,,24

    Die ,juristische Vorstellung von Macht" (wie sie typisch bei Weber zufinden ist) lehnt er als zu begrenzt und irrefiihrend ab, da nach ihr ,,alleModi von Herrschaft, Unterwerfung oder UnterdrUckung letztlich nur inGehorsam miinden"; wir miissen uns, sagt Foucault, von dieser ,juristi-schen und negativen Darstellung von Macht" losmachen und ,,nicht Iangeran Macht in Begriffen wie Gesetz, Verbot, Freiheit oder Souveranitat den-ken".2S Und zur sogenannten Klassenherrschaft: ,,Aus dem allgemeinenPhanome n der Herrschaft der Bourgeoisie kann alles abgeleitet werden. "26Macht diirfe nicht global analysiert werden, von oben nach unten, sondem112

    vielniehr anhand einer "aufsteigenden Analyse", die bei den ,,infinitesima-len Mechanismen" beginnt, deren Geschichten und Folgen nachspiirt underst ganz zum SchluE diese mit den "allgemeineren Machten und okoncmi-schen Interessen" inVerbindung bringt. Zum Beispiel;

    .....was die Inhaftierung von Geisteskranken .., die Untcrdiiiekung oder da s Verbotvon Sexualitat angeht, miissen wit die Art und Weise betrachten, wie auf der jeweiligenStufe der Familie, der unmittelbaren Umgebung, der Zellen oder der grundlegendstengesellschaftlichen Einheiten diese Phanomene der Repression und des Ausschliefsensiiber we Instrumente und eine eigene Logik verfiigten, die einer bestimmten Anzahlvon Bediirfnissen entsprachen, Wit miissen die dafii.r verantwortlichen Faktoren aufspii-r~n Gene,die das unmittelbare gesellschaftliche Umfeld ausmachten, die Familie, Eltern,Xrzte, undsoweiter), und wir dUrfen sie nicht von vomherein unter der Formel einerverallgemeinerten Bourgeoisie zusammenwiirfeln ." 27

    Dann ~?nnen wir erkeIlIl:en, da B "die Apparate der Uberwachung, dieTherapeutisierung der Sexualitat, der Geistesgestortheit, der Straffalligkeit,all die kleineren Machtmechanismen zu einem bestimmten Zeitpunkt inder Oeschichte die Interessen der Bourgeoisie zu vertreten begannen".28

    Fli: Fo~ca~t is: Macht die Bezeichnung fur "eine komplexe strategi-sche Situation inemer gegebenen Gesellschaft", sie ist zu deuten al s "dieVielfalt von Gewaltbeziehungen, die dem Bereich immanent sind, in demwir wirken und eine Organisation konstituieren". Macht wird "von unzahli-gen. Punkten"ausgeiibt, imZusammenspiel nicht-egalitarer und beweglicherBeziehungen .29 Foucault beharrt darauf, daB die Analyse der Macht sichnicht

    .....mit Maeht auf der Ebene bewu:Bter Intentionen oder Entscheidungen befassensoil; sie soil nicht versuchen, Macht aus einer intern en Perspektive zu betraehten, und sie5011 damit aufhoren, mit dem Finger auf das Labyrinth und die nicht zubeantwortendeFrage zu deuten: 'Weralso hat die Macht und was hat er vor? Wasist das Ziel eines Men.schen, dem esum Macht geht?' Statt dessengeht esdarum, Macht dort zuuntersuchen woAbsichten, falls vorhanden, in tatsachliche und wirkungsvolle Praktiken gekleidet sind."

    Obwohl also Machtbeziehungen das Verfolgen von Zielen und inten-tional Handelnde zueinander ineine Relation setzen, leitet sich Macht nicht"aus dem Entschlufs eines Individuums" oder "einer regierenden Kaste"oder einer "Staatselite" ab: die begrenzten Ziele zahlloser Individuen resul-~eren in "groBen anonymen St:-ategien". Die Logik von Machtbeziehungen1St "vollkommen klar, ihre Absichten sind entschliisselbar, und doch ist eshaufig der F.all, daB es niemanden gibt, der sie erfunden hat, und daB mannur von werugen behaupten kann, sie hatten sie formuliert".30.~arii.ber hinaus schaffen oder ,,konstituieren" Machtbeziehungen auchIndividuen, deren Verhalten und deren Absichten. Deshalb spricht Foucaultvon "fortlaufenden Unterwerfungen auf der Ebene jener kontinuierlichenund unun~erbrochenen Prozesse,. di.e unsere Korper einzwangen, unsereGesten regieren, unser Verhalten diktieren, undsoweiter", Deutlicher:

    1,,Man darf sich das Individuum nicht als cine Art Elementarkemvorstellen einprimitives Atom, ein multipler und triiger Stoff, woran sich die Macht heftet und wo-11 3

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    , """ schlagt wobei sie dann die Individuen unterdri ickt oder zerknickt.gegen sie ZU.L

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    I. ;":,1

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    wird, Sich einer Befehlsgewal t zu fiigen, bedeutet , a ls ausreichenden GrundfUr eine Tat oder eine Uberzeugung anzunehmen, daB der Befehl oder dieWeisung von jemandem kommt, dessen Anspruch man anerkennt, Befehl s-gewalt auszuiiben heifrt, Gehorsam oder Glauben zu finden, well man dar"auf einen anerkannten Anspruch hat . Damit ist aber gesagt , daB Herrschafts-beziehungen - einmal abgesehen von ihrer Komponente physischen Zwangs- nur dann als n6tigend betrachtet werden konnen, wenn we Anerken-nung auf irgendeine Weise erzwungen wurde, wenn etwa die vorgebrachtenGriinde vorgetauscht oder selbs tsuchtig s ind, oder wenn der Handlungsspiel-raum der Machtlosen so eingeengt wurde, daB sie den Anspruch auf Machtnur als einen Begleitumstand ihres Schicksals sehen. Doch wenn da s nichtder Fall ist, warum sollten dann Untertanen und Anhanger ihren Herr-schern nicht konsensuell und aus freien Stiicken Legitimation verleihen?Ich habe e in wenig den Verdacht , daB Weber Autorit atsverhaltnisse desha lbals Kontrol le und Herrschaft einstufte , wei! er davon ausging, daB eine sol -che Aufbiirdung - erschwert durch die Angst vor physischer Gewalt - tat-sachl ich der Normalfa ll se i. Fii r die marxi st ische Theone der Ausbeutungriihren der Zwang und die Notigung daher, daB die Arbei ter (al s Kollektiv)den Lohnverhaltnissen nicht entkommen konnen und da B ihnen dadurchein Tell des Mehrwerts vorenthalten wird. Hegemonie enthalt - aus dermarxistischen Perspektive - N6tigung, da sie die Verwirklichung, die Ver-folgung und sogar die Artikulat ion al te rnativer authenti scher Klassenz ieleverhindert. Auch fU r die Foucaul tschen MachtverhaItnisse kann gci ten, daBsie notigen , denn sie unte rdriicken Autonomic , Kreativit at und die Ent fal-tung menschlicher Anlagen - oder sogar korperlicher Vergnugungen, InFoucault s Sprache finden sieh haufig Belege fiir diese Interpretat ion ( .,Un-terdriickung", "Unterwerfung", ,,Repression" undsoweiter). So redet erauch von der Notwendigkeit e iner nicht-di sz ipl inie renden Form der Machtund "einer neuen Form von Recht , das gle ichzei tig ant i-di sz ipl inie rend undzugleich befreit vom Souveranitatsprinzip sein muB".36 Diese Gedankenscheinen bei seiner Idee von einer ,,normalisierten Gesellschaft" mitzu-schwingen. Andererseits erklart er "eine besondere Scheu vor dieser Vor-s tellung von Repress ion "37, und die StoBrichtung seiner ganzen Theonezielt auf die These, daB das "Subjekt" das Ergebnis von Machtbeziehun-gen sei 'und daB so subjektive Vorstellungen wie Autonomie, Kreativitatund Befre iung nur Tel l e ines anderen, machterzeugten Diskurses seien, de rdariiber hinaus nur dazu dient, die wahre Natur der Machtverhaltnisse zuverschleiem. ,,Macht", schre ibt Foucault , , ,ist immer schon cia, man befin-det sich nie auBerhalb von ihr, es gibt keine Randzonen, in denen die, diemit dem System gebrochen haben, herumtanzen k6nnen".38 Dann aberist nicht klar, warum die "einwilligenden" Subjekte der Macht als von an-deren genotigt aufgefaBt werden sollten, da ex hypothesi sie und jene an-deren nicht anders konnen, a ls so zu glauben und sich so zu verhalt en.

    vWas. blei?t als SchluBfolgerung? Ich wiirde sagen, Foucault hat recht, wenner sich emer Anschauung von Macht konfrontiert sieht, die tief in unseremReden verwurzelt ist und es durchdringt. Doch ich wiirde auch sagen, daBer das, wogegen er sich wendet, nicht hinreichend deutlich macht und daBer desha lb dieser Anschauung nicht entkommt,j a nicht entkommen kann .

    Was ist ~as fur. e~e Anschau:ung? 1ch habe sie , ,Macht als Kontrolle" ge.nannt, und ich will jetz t auf em paar Voraussetzungen eingehen, die sichaus unserer Diskussion ergeben haben. Erstens und vor al lem anderen setztdiese Anschauung - wie der Begriff Machtverhaltnisse - Akteure voraus,die begriindet handeln, Ziele verfolgen, zwischen Alternat iven wahlen. Die"se Macht besteht ja, zweitens, gerade darin, daB die Ziele einiger durch dieVerhlnderung der Erreichung der Ziele anderer verwirklicht werden oderdaB andere zur Umformulierung ihrer Ziele gezwungen werden. Urn, drit-tens, diesen Sachverhalt herauszuschaIen, muB eine Beziehung zwischen denHandlungen (oder auch Nicht-Handlungen] jener "einiger" und den Konse-~ue~en. der H~dlun?en herges~ellt werden (obwohl, me Foucault ganzrichtig sieht , e s sich nicht unbedingt urn beabsicht igte Konsequenzen han-de ln muB). Vier tens gehort auch dazu, daB die ,,blockie rten" Alte rnat ivenidentifiziert werden - in der Gestalt von ,,relevanten Alternativen": washatte das .Opfer der M~cht getan oder geglaubt, hatte es die Macht nicht ge-geben? Diese Alte rnat rven m6gen aber, fimftens, den Akteuren gar nichtklar geworden se in, vie lmehr konnten sie ja vie l effi ziente r gewi rkt haben _so wiirde die marxistische Theorie der Ideologie argumentieren -, wenn sienicht e rkannt worden waren, Nun mii ssen, sechstens, diese Alternat ivenini rgende iner Beziehung zu den tat sachliehen oder latenten Zielen der Akteu-re stehen, sonst haben wir es - wie Lukacs-Lenin es sehen - nur mit will-~li:hen ~spriic~en zu ~, die sich auf die Unterdriickung erwiinschterMoglichkeiten beziehen, Mit anderen Worten: das Erzwungene innerhalbder Machtbeziehung muB deutlich gemacht werden. SchlieBlich liegt aufder Hand, daB die unterstellten Alternativen, die in al lem stecken, wasman ~cht zuschreibt, ihrerseits Handelnde voraussetzen, die begriindetund zielgereehr vorgehen und zwischen Alternativen auswahlen.

    Wie gesagt , Foucault schein t diese Anschauung widerlegen zu wollen.Er greift nicht nur die juristische Fassung von Macht an, sondern auch diesehr vie l a llgemeinere Vorste llung , nach der soziale Beziehungen und Pro.zesse nur in Begriffen menschlichen Handelns adaquat gedeutet und ver-standen wer~en konnen, das heiBt (teilweise) durch Begriindungen, Zieleund En tscheidungen der Menschen, eingeschlossen ihre Voraussetzungenund al le ungewol lten Konsequenzen. Kurz gesagt, li egt Foucault s Plan. (dener i ibrigens keinesw~gs a ls e inziger verfo lgt) da rin, menschliche Ta tigke i-~cn vom expkI:nans IDS explanandum zu befordern; insbesondere geht es~. darum, eme. Analyse von MachtverhaItnissen vorzulegen, die unper-sonJiche Mecharusmen und Apparate als das explanans herausarbeiten

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  • 5/12/2018 Lukes, Steven 1982

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    und die Individuen, deren Reden und deren Verhalten als das explarum-dum.Doch ich habe schon angedeutet, daB Foucault weder in dem, was ersagt, noch in dem, wie er es vortragt, den Fangen der traditionellen An-schauung entkommen kann, Auf jeden Falliebt auch in seinen Diskursendas Subj ekt noch. Und ich f rage mich iiberhaupt , ob das Zie l, menschl ichesHandeln aus der Erklarung von Macht zu bewerten - ganz zu schweigenvon geseilschaft lichem Leben ganz allgemein -, der MUhe wert ist, (Aufdem Gebiet der symmetrischen Auffassungen von Macht scheint NiklasLuhmann eine Art Doppe lgangerroll e zu Foucaul t einzunehmen.) Wenndiese Anschauungen iiberhaupt so etwas wie Zukunft haben, dann wohleher auf dem Geb iet der Neurobiologie a ls dem der Sozialwissenschaften.Doch ohne iiberzeugende Erfolge aus einer dieser Richtungen (und viel-leicht sogar, wenn es diese gabe) frage ich mich, ob wir auf die tradi tione l-len Erkll irungen verzichten konnen, SchlieBlich wollen wir wissen, werindividuell oder a 1 s Kollektiv Macht besitzt oder ausiibt. Natiirlich hatFoucault recht, wenn er auf die Komplexitat dieser Frage hinweist. Docher ha t noch nicht gezeigt, daB sie unni itz oder fa lsch geste11t ist.Aus dem Englischen von Tilman Spengler

    ANMERKUNGEN1 B.Russell,Power,London 1938, S. 35.2 N.Luhmann, Trust and Power, 1979, S.108;im Original: Mach. t , Stuttgart 1975.3 J.Rawls,A Theory ofjustice,Oxford1972,S.9f.4 F. Neumann, .Approaches to the Study of Political Power", in: The Democraticand Authoritarian: State, New York 1964, S. 5.5 Cicero, De Re Publica, Buch 1, Art. 31.6 Digesta [ustitioni A ugus ti ,Buch 1, Kap. 4, Sect. 1.7 Montesquieu,L'Esprit des Lois, Buch 1, Kap. 3.8 E. Burke, Reflections on the Revolution in France, London 1910, S. 7.9 T.R. Green, ,,Lecture on Liberal Legislation and Freedom of Contract", in: Works,6.Aufiage, Bd. 3, London 1911, S. 370-373.

    10 V.I. Lenin, "What is Soviet Power?", in: Selected Works, London 1969, S.476-477.11 H. Arendt, On Violence, London 1970, S.40-44.12 T. Parsons, ,,Authority, Legitimation and Political Action", in: CJ. Friedrich,Hrsg. ,Authority Nomos I ., Cambridge, Mass. 1958, S. 206.13 T.Hobbes, Elements of Law Natura! and Polit ic ,Teil1,Kapite18, Sektionen3 und4.14 M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Bd, I, K5ln 1964, S. 38.15 Vgl.vor allem G. Lenski, Power and Prioilege ,New York 1966, S.45.16 F. Parkin, Class Inequality and Political Order, London 1971, S.46.'17 Anthony Giddens lehnt eine solche Anschauung abo Vgl. dazu sein Buch CentralProblems in Social Theory, London 1979, insb, Kap. 2. Er behauptet: ,,lm Zen-trum von Herrschaft und Macht liegt die Fahigkeit zu Transformation im mensch-lichen Handeln, hier liegt der Ursprung all dessen, was imsozialen Leben befreiend118

    und produktiv, doch genauso auch repressiv und zerstorerisch ist." In: A. Giddens,A Contemporary Critique of Historical Materialism, London 1981, S. 51, dort fin-det sich auch das Zitat von Foucault.

    18 Vgl.C_WrightMills, The Power Elite, New York und London 1956, und T. Parsons,"The Distribution of Power in American Society"; es handelt sich dabei um cineBesprechung von Mills' Buch inWorld Politics, Oktober 1957.

    19 M. Weber,Wirtschaft und Gesellschcft ,Bd. 2, Koln 1964, S.692.20 ibid, S. 692,695.21 Vgl, F. Parkin,Max Weber,Chichesterund London 1982, Kap, 3.22 Wirl;schaft und Gesel lschaf t , S. 695.23 ibid, S. 658.24 M.Foucault, H is toire de Z oo sexualiti 1.La Volonte de s a u o i r , Paris 1976, S. 121.25 ibid, S. 113, 119.26 M _ Foucault,Power/Knowledge ,hrsg. von C . Gordon, Brighton 1980, S. 100.27 ibid, S. 99.28 ibid, S. 101.29 Histoire de Lasexua!ite, S. 121, 123.30 ibid, S. 125.31 Power/Knowledge, S. 98.32 ibid,S. 105,102,107.33 Parkin, Max Weber, S_83.34 Marx-Engels Werke, Berlin 1961-66, Bd. 23, S_16.35 M. Foucault,Power/Knowledge, S. 98, 156.36 ibid, S. 108.S7 ibid, S. 92.38 ibid, S. 141.

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