swissjazzorama jazzletter · 2019-03-19 · Eine Chopin-Etüde mit dem Alligator Crawl von Fats...

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Nr. 43, April 2019 jazzletter EDITORIAL swissjazzorama Inhalt 2–3 In eigener Sache 4–7 Jazz in den Medien der Schweiz 8 Trouvaillen in unserem Archiv 9 Unsere Bibliothek wird vorgestellt 10–13 Joe Haider und Herb Geller 14 Was hat Harlem mit Limoges zu tun? 15–16 Trouvaillen, In memoriam, Impressum Auch wenn die Musik eines Jazzkonzertes mit einem letzten Beckenschlag des Drum- mers endet, ist für eine nachhaltige Wir- kung gesorgt, wenn rückschauend Medien das Ereignis mit einem Beitrag würdigen. Noch vor einigen Jahrzehnten wurde der kulturelle Wert von Jazz und Blues nur so eingestuft, dass sie mit einer Platzierung in Lokalteilen vorlieb nehmen mussten. Im Kulturteil von Zeitungen suchte man sie vergebens, und sehr oft waren diese Bei- träge von einer minimalen Fachkenntnis geprägt. Statt von den Leistungen der Musiker zu berichten, stellte man Ausser- musikalisches ins Zentrum (Alter und Klei- dung der Konzertbesucher, ihr frenetischer Applaus etc.). Die Qualität dieser Texte war damals vom Zufall abhängig. Selbst unver- besserliche, von Vorurteilen geleitete Jazz- skeptiker schrieben über eine Materie, mit der sie nur mangelhaft vertraut waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg verbesserte sich die Situation. Für das Schreiben von Konzertkritiken und anderer Texte zum Thema Jazz gab es bald einige Spezialisten, die über ein fundiertes Fachwissen verfüg- ten. Nicht unbedeutend waren in den Vier- zigerjahren die Bemühungen von Ernest Berner, der in der Schweizer Film-Zeitung in Zusammenarbeit mit dem Journalisten Arthur Goepfert immer wieder solche Texte erscheinen liess. (Ernest Berner, selbst ein Jazzpianist mit beachtlichen Fähigkeiten, war der Vater von André Berner, dem Grün- der des Zürcher Amateur-Jazzfestivals.) Erfreulich ist, dass wir Ihnen auf Seiten 4 bis 7 eine Reihe von Persönlichkeiten der Schweizer Jazzgeschichte vorstellen kön- nen, die nicht als Musiker, aber Bücher und Artikel schreibend oder am Radio kommen- tierend Wertvolles für die enorm wichtige Publizität des Jazz geleistet haben. J.T.S Die Anfänge des Jazz in den Medien der Schweiz 1945 Cléon Cosmetto la vraie musique de Jazz 1948 Jan Slawe Einführung in die Jazzmusik 1977 Jean-Roland Hippenmeyer Swiss Jazz Disco Liebe Leserin, lieber Leser Das Wichtigste zuerst! Bevor wir Ihnen auf den Seiten 4 bis 7 acht Persönlichkeiten vorstellen, die in der Presse und am Radio in der Schweiz den Jazz mit Erfolg ins Zentrum stellten, berichten wir über einen ausserordentlichen Anlass, das Kickoff- Konzert vom 9.11.2018, zum Start der Grün- dung von proswissjazz. Mit der Stiftung proswissjazz soll das swissjazzorama finanziell breit abgestützt und gesichert werden (siehe auch Seite 3). Wenn man auf ein vereinsgeschichtlich so wichtiges Ereignis wie die finanzielle Neu- strukturierung unserer Aktivitäten mit einem Konzert aufmerksam macht, soll es etwas ganz Besonderes sein: Jazzmusiker, deren Geburtsdaten Jahrzehnte auseinander liegen, die aber so gekonnt zusammen- spielen, wie wenn sie nie etwas anderes getan hätten. Wir würdigen den gelungenen Anlass auf Seite 3. Fast zu einem schönen Brauch ist es gewor- den, dass René Bondt und Fernand Schlumpf eine Jazzkoryphäe im Seniorenalter zu einem Interview einladen. Für diese Aus- gabe konnten sie den einzigartigen Joe Haider gewinnen. Da ging's darum, wie er als klassisch ausgebildeter Musiker zum Jazz kam, wie und wo er als Pianist und Arran- geur, aber auch als Leiter der Jazzschule Bern arbeitete und wie er dabei auch den Freejazz mit seiner Auffassung in Einklang brachte. Siehe Seiten 10 bis 12. Einzigartig in seiner Art war auch der Alt- saxofonist Herb Geller, den wir Ihnen auf Seite 13 vorstellen. Ein absolutes Unikat. Wer ausser Herb Geller war im amerika- nischen Westcoastjazz etabliert und spielte später in einer deutschen Bigband während sage und schreibe 28 Jahren (!). Herzlich Jimmy T. Schmid

Transcript of swissjazzorama jazzletter · 2019-03-19 · Eine Chopin-Etüde mit dem Alligator Crawl von Fats...

Nr. 43, April 2019

jazzletter

EDITORIAL

swissjazzorama

Inhalt2– 3 In eigener Sache 4–7 Jazz in den Medien der Schweiz 8 Trouvaillen in unserem Archiv9 Unsere Bibliothek wird vorgestellt

10–13 Joe Haider und Herb Geller14 Was hat Harlem mit Limoges zu tun? 15–16 Trouvaillen, In memoriam, Impressum

Auch wenn die Musik eines Jazzkonzertesmit einem letzten Beckenschlag des Drum-mers endet, ist für eine nachhaltige Wir-kung gesorgt, wenn rückschauend Mediendas Ereignis mit einem Beitrag würdigen.Noch vor einigen Jahrzehnten wurde derkulturelle Wert von Jazz und Blues nur soeingestuft, dass sie mit einer Platzierung in Lokalteilen vorlieb nehmen mussten. ImKulturteil von Zeitungen suchte man sievergebens, und sehr oft waren diese Bei-träge von einer minimalen Fachkenntnisgeprägt. Statt von den Leistungen derMusiker zu berichten, stellte man Ausser-musikalisches ins Zentrum (Alter und Klei-dung der Konzertbesucher, ihr frenetischerApplaus etc.). Die Qualität dieser Texte wardamals vom Zufall abhängig. Selbst unver-besserliche, von Vorurteilen geleitete Jazz-skeptiker schrieben über eine Materie, mitder sie nur mangelhaft vertraut waren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verbessertesich die Situation. Für das Schreiben vonKonzertkritiken und anderer Texte zumThema Jazz gab es bald einige Spezialisten,die über ein fundiertes Fachwissen verfüg-ten. Nicht unbedeutend waren in den Vier-zigerjahren die Bemühungen von ErnestBerner, der in der Schweizer Film-Zeitungin Zusammenarbeit mit dem JournalistenArthur Goepfert immer wieder solche Texteerscheinen liess. (Ernest Berner, selbst einJazzpianist mit beachtlichen Fähigkeiten,war der Vater von André Berner, dem Grün-der des Zürcher Amateur-Jazzfestivals.)Erfreulich ist, dass wir Ihnen auf Seiten 4bis 7 eine Reihe von Persönlichkeiten derSchweizer Jazzgeschichte vorstellen kön-nen, die nicht als Musiker, aber Bücher undArtikel schreibend oder am Radio kommen-tierend Wertvolles für die enorm wichtigePublizität des Jazz geleistet haben. J.T.S

Die Anfänge des Jazz

in den Medien der Schweiz

1945Cléon Cosmettola vraie musiquede Jazz

1948Jan SlaweEinführung in die Jazzmusik

1977Jean-RolandHippenmeyerSwiss Jazz Disco

Liebe Leserin, lieber Leser

Das Wichtigste zuerst! Bevor wir Ihnen aufden Seiten 4 bis 7 acht Persönlichkeitenvorstellen, die in der Presse und am Radio in der Schweiz den Jazz mit Erfolg insZentrum stellten, berichten wir über einenausserordentlichen Anlass, das Kickoff-Konzert vom 9.11.2018, zum Start der Grün-dung von proswissjazz. Mit der Stiftungproswissjazz soll das swissjazzoramafinanziell breit abgestützt und gesichertwerden (siehe auch Seite 3).

Wenn man auf ein vereinsgeschichtlich sowichtiges Ereignis wie die finanzielle Neu-strukturierung unserer Aktivitäten mit einemKonzert aufmerksam macht, soll es etwasganz Besonderes sein: Jazzmusiker, derenGeburtsdaten Jahrzehnte auseinanderliegen, die aber so gekonnt zusammen-spielen, wie wenn sie nie etwas anderesgetan hätten. Wir würdigen den gelungenenAnlass auf Seite 3.

Fast zu einem schönen Brauch ist es gewor-den, dass René Bondt und Fernand Schlumpfeine Jazzkoryphäe im Seniorenalter zueinem Interview einladen. Für diese Aus-gabe konnten sie den einzigartigen JoeHaider gewinnen. Da ging's darum, wie erals klassisch ausgebildeter Musiker zum Jazzkam, wie und wo er als Pianist und Arran-geur, aber auch als Leiter der JazzschuleBern arbeitete und wie er dabei auch denFreejazz mit seiner Auffassung in Einklangbrachte. Siehe Seiten 10 bis 12.

Einzigartig in seiner Art war auch der Alt-saxofonist Herb Geller, den wir Ihnen aufSeite 13 vorstellen. Ein absolutes Unikat.Wer ausser Herb Geller war im amerika-nischen Westcoastjazz etabliert und spieltespäter in einer deutschen Bigband währendsage und schreibe 28 Jahren (!).

Herzlich

Jimmy T. Schmid

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IN EIGENER SACHE

Message der Zentrale:– Vorstand– Geschäftsleitung– ArchivDer Vorstand hat sich nach der Jahres-versammlung 2018 diverse Male ge-troffen, um die wichtigsten Prioritätenanzupacken und die neuen Mitgliederim Vorstand «einzuarbeiten». Nachfol-gend einige Details zur Arbeit des Vor-standes und der Geschäftsleitung. fs

Kapitalbeschaffung, Stiftungsgesuche:Immer schwieriger wird die dringendnotwendige Beschaffung von neuenBetriebsmitteln für den Verein. Über zehnGesuche an bekannte Stiftungen, die sichkulturell engagieren, sind mit negativemEntscheid zurückgekommen. Neue Mit-glieder für den Verein durften wir begrüs-sen. Sie ersetzen leider aber nur teilweisedie Austritte infolge Todesfällen, ein rich-tiger Zustrom an neuem Blut fehlt.

Stadt Uster:Gemäss Leitbild der Stadt Uster und auf-grund des bestehenden Leistungskontrakteswurde die Stadt angefragt für die Bewilli-gung eines Startkapitals für die neue Stif-tung. Um dieses Geschäft in der UstermerBehörde aktenkundig zu machen, wurdeuns empfohlen, einen Businessplan zuerstellen und dann ein Gesuch auf offiziel-lem Weg einzugeben. Dieser Businessplanliegt nun vor, so dass 2019 das Gesucheingereicht werden kann.

Rettungsaktion für die Mietzinszah-lungen an der Ackerstrasse in Uster:Mit der Aktion «Miet-Patenschaft – miteinem Beitrag von CHF 100.–- finanzierenSie pro Jahr 1 m2 Büro- resp. Archivfläche»,sind per 2018 CHF 16 000.– eingetroffen.Wir haben unsere Liquidität entsprechendverbessert. Dafür sind wir allen Spendernsehr dankbar. Da jedoch budgetmässiggegen 70 000.– zu decken sind, genügtdiese Aktion allein nicht.

NEU – «Aktion Rettungsschirm»:Ein Mitglied des Vorstandes hat einenpersönlichen Brief versandt, um Gönner zufinden, die mit einem speziellen Beitrag vonCHF 2000.-– pro Jahr die «Schirmherr-schaft» über die Räume übernehmen, bisdie Stiftung gegründet werden kann. Diesewird dann die Mietverträge übernehmen.Die Aktion wurde im November gestartet,und es sind bis Ende Jahr CHF 12 000.–.

einbezahlt worden. Die Aktion wird weitergeführt. Sie ist nötig, damit wir den Ver-pflichtungen nachkommen können. Auchdafür danken wir allen Archiv-Freundenganz herzlich.

Webseite:Die neue Webseite wird laufend ergänztund nachgeführt. Das Echo ist positiv und2019 wird die alte Webseite vollständigersetzt werden können.

Veranstaltungen:Der Tag der offenen Türe war wieder einErfolg, und die Crew-Mitglieder haben denTag genutzt, um gegenseitig wichtigeDetailfragen abzuklären.Die Veranstaltungen im Musikcontainerin Uster waren gut besucht. Der gemein-same «Jazz Day»-Anlass mit dem JazzclubUster brachte, dank den internationalenStars um Engelbert Wrobel und NickiParrott, ein volles Haus.Joe Haider mit seinen Sparklettes und das Stiftungskonzert vom November mitder Präsentation von Pepe Lienhard begeisterten die treuen Besucher vollauf.(Siehe auch Seite 3).

Archiv:Mit verschiedenen Führungen konnte dasneue Archiv interessierten Mitgliedern undKulturvereinen näher gebracht werden.Auch der Stadtrat von Uster liess sich in dieGeheimnisse unseres Inventars einführen.Überragend waren neue Schenkungen vonDonatoren, z.B. das ganz persönliche Archivdes bekannten Jazzjournalisten JohannesAnders. Seine Helvetica-CDs, seine Artikel

zum Schweizer Jazz-Geschehen und Inter-views mit Schweizer Jazz-Persönlichkeitenschliessen eine grosse Lücke in unserenBeständen.Von Radio DRS durften wir 8 Zügelkartonsvoller CDs in Empfang nehmen, womit dieRadiogebühren, die Sie alle bezahlen, denWeg zurück ins Archiv des swissjazzoramain Form von besten Jazz-CDs gefundenhaben.Nicht zu vergessen sind die zwei Instru-menten-Geschenke, ein Flügel und ein Banjo-Bass. Darüber werden Sie imnächsten Jazzletter Genaueres erfahren.

Kontakte:Die Kontakte zu den Jazz-Hochschulen werden laufend weiter gepflegt sowie auchdie Besprechungen mit Vertretern des Kan-tons Zürich betr. weiterer Unterstützungunseres Archives.Die internationalen Kontakte wurden durch Klaus Nägeli und Konrad Korsunskyin Limoges (FR) gepflegt. Auf Einladung der Direktorin wurde zum Jubiläum des Hot Club de Limoges (gegründet 1948),neben anderem, die Freundschaft mit demSchweizer Jazzjournalisten Johnny Simmengefeiert. Mit einem grossen Artikel sind wir im neuen Buch «Harlem à Limoges»von Anne Legrand vertreten. Ein herzlichesDankeschön unserem Crew-Mitglied Kon-rad Korsunsky, der den Artikel beigesteuerthat. (Siehe auch Artikel auf Seite 14 und das Inserat auf Seite 16).

Weitere News erfahren Sie an der kommenden Jahresversammlung vom Freitag, 12. April 2019.

In unserem Archiv lagern nochstapelweise Schachteln mitNeueingängen. Diese müssenkontrolliert, mit schon Vorhan-denem verglichen und dannarchiviert werden. Material, daswir schon haben, wird unseremShop übergeben.

Für diese Arbeit brauchen wir Deine Hilfe. Lieber Jazz-freund, bitte melde Dich.Du bestimmst selber Zeit und Arbeit, die Du für dasArchiv leisten möchtest.

Unsere Irène Spieler gibt Dirgerne weitere Auskünfte.(Telefon 044 94019 82)

Wir brauchenDeine Hilfe!

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Am Freitag, 9. November 2018, 20.00 gingdas Kickoff-Konzert zur Gründung der Stif-tung proswissjazz mit viel Swing undDrive über die Bühne des Ustermer Musik-containers. Was die zwei Kleinformationenmit Schweizer Jazzmusikern boten, warJazz vom Feinsten. Eine Rhythmusgruppemit dem ausgezeichneten Pianisten Jean-Paul Brodbeck sorgte für das musikalischeFundament für zwei Bands, die eine mitdrei jungen Bläsern, Absolventen von Jazz-schulen, die andere mit vier Bläsern, be-kannte Senioren des Schweizer Jazz. Fürdas präzise Tuttispiel und die stilsicher vor-getragenen Soli der«Youngsters» und der

«Old Cats» bedankte sich das zahlreicherschienene Publikum mit begeistertemApplaus. Für die Moderation war einebesondere Persönlichkeit der SchweizerUnterhaltungsmusik zuständig, der Band-leader Pepe Lienhard. Sein Interview mitAndrea Engi, dem Präsidenten des swiss-jazzorama, informierte die Anwesendenüber wichtige Details der Fondsgründung.Wenn der finanzielle Kickoff so gut gelingtwie der musikalische, wird sich das ein-zige Schweizerische Jazzarchiv swissjazz-orama als wichtiges Element im UstermerKulturleben bald in einem neuen Rahmenetablieren. J.T.S.

Ein Jazzevent der seltenen Art

Musiker und Moderator

Das Trio: Jean-Paul Brodbeck, pHeiri Känzig, bElmar Frey, dm

Die «Old Cats»: Mario Schneeberger, asBruno Spoerri, tsHans Kennel, tpPaul Haag,tb

Die «Youngsters»: Silvan Schmid, tpFlorian Weiss, tbNiculin Janett, as

Moderation: Pepe Lienhard

proswissjazz

Oben:Der ModeratorDas Trio

Mitte:Die «Old Cats»Die «Youngsters»

Unten:Die Musikerverabschiedensich vombegeistertenPublikum

Fotos: Hans Burkhalter und Fred Herster

Philippi. Die ersten Eintragungen datierenvon 1924, die letzten von 1976.

Die für ihn wesentlichen Ereignisse hatPhilippi chronologisch dokumentiert. Ent-halten sind Briefe, Fotos, Präsenzlisten,Konzertprogramme, Manuskripte für Vor-träge, Klubprogramme, Annoncen, Kritiken,Skizzen und Ähnliches. Oft ist vom jewei-ligen Ort eine Ansichtskarte beigefügt undvielen Ereignissen ist ein Datumszettelbeigegeben, was eine exakte Datierungermöglicht. Alles ist sorgfältig in die Albeneingeklebt.

Mario Schneeberger hat eine Inhalts-analyse der Alben erstellt, mit Stichwort-Verzeichnissen, die 550 Seiten umfasst.Alles ist im PDF-Format gespeichert. Inter-essantes lässt sich schnell finden und aus-drucken. Die Alben sind bei ihm archiviert.Sie werden nicht ausgeliehen, können abernach Voranmeldung eingesehen werden.Es werden auch Kopien erstellt (allfälligesCopyright vorbehalten).

Die Alben sind Zeugnis vom riesigen Ein-satz von Hans Philippi für den Jazz in derSchweiz über mehr als ein halbes Jahr-hundert. Sie sind auch in unserem Archivvorhanden. WA

Ein Amerikaner in der Schweiz:Cléon Cosmetto (1919–2013)

Cléon Cosmetto war ein US-amerikanischerBürger, der in Lausanne lebte. Seine kleineBroschüre La vraie musique de Jazz wareine der ersten Publikationen über Jazz, diein der Schweiz geschrieben, gedruckt undverlegt wurde. Umfang: 50 Seiten. Sprache:Französisch. Die Broschüre ist 1945 imVerlag Edition de l'Echiquier, J.-F. Chastel-lain, Lausanne, erschienen. Es gibt sie im

Archiv des swissjazzorama zweimal:SJO-Nummern BO 10005 und CP-41215.Cléon Cosmetto war ein am Konservato-rium Lausanne ausgebildeter Pianist und ein ausgezeichneter Interpret vonBeethoven-Sonaten sowie ein Jazzkenner.Er ist am 22. Februar 2013 im Alter von 94 Jahren verstorben.

Zum Inhalt der Broschüre La vraie musique de Jazz: Es ist ein kleines Lese-heft. Der Inhalt ist nicht einfach zu be-schreiben. Zuerst wird festgestellt, dass eszweierlei Jazz gibt: Richtigen (vraie) Jazzund falschen Jazz (gemeint ist wohl kom-merzieller Jazz). In etwa die Ansicht vonHugues Panassié. Dann gibt es ein paarSeiten Jazzentwicklung, wobei der ModernJazz (Bebop) mit nur acht (8) Zeilen abge-handelt wird. Die Meinung des Autors:Schwarze sind den weissen Musikern über-legen. Dann folgt ein Musiknotenvergleich:Eine Chopin-Etüde mit dem Alligator Crawlvon Fats Waller. Waller habe bei Chopinkopiert! Am Schluss wird mit Notenbei-spielen der Blues und die Blue Note erklärt.Johnny Simmen wird gedankt für seineHinweise zu diversen Punkten. Weil es einLeseheft ist, enthält es manche interes-sante Gedanken, die sich in Kürze nurschwer beschreiben lassen. Wer sich dafürinteressiert, wie man den Jazz vor siebzigJahren einschätzte, sollte das Heft lesen.

Debatte Jazz contre classique (Jazzkontra Klassik): 1946 wurde von RadioSottens (früherer Name des Schweizer Radios für die französische Schweiz) einegroße Debatte über Jazz und Klassik zwi-schen dem Dirigenten Ernest Ansermet,dem Musikkenner Emmanuel Buenzod,dem Psychiater Dr. Boven, und dem klassi-schen Pianisten und Jazzkenner CléonCosmetto organisiert.

Zusammenfassung: Wir sind hier in einer sehr didaktischen Debatte, die einegewisse Überlegenheit der klassischen Mu-sik gegenüber allen anderen Musikarten beweisen möchte. Kritiker, die den Jazz

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Die Anfänge des Jazzin den Medien der Schweiz

Wir beschränken uns hier aus naheliegenden Gründen nur auf die Vorstellungeiniger namhafter Jazzspezialisten, die vor ein paar Jahrzehnten im Höhepunktihrer Zeit aktiv waren. Sie arbeiteten am Radio, schrieben für die Presse Artikel undKonzertkritiken, einige von ihnen waren auch Buchautoren. Eine Liste ihrer Werke,die in unserer Bibliothek eingereiht sind, umfasst 64 Titel, darunter 29, die in derSchweiz verlegt wurden. Zwei davon sind besonders bemerkenswert: Eine erstekleine Broschüre zum Thema «Jazz» wurde auf französisch in der Schweiz geschrie-ben, gedruckt und kam 1945 heraus, im Jahr, als der zweite Weltkrieg zu Ende ging.Verfasser war ein US-Amerikaner, der in Lausanne lebte: Cléon Cosmetto.1948 erschien dann das erste ausführliche Werk über den Jazz in deutscher Sprachedes polnisch-schweizerischen Doppelbürgers Jan Slawe «Einführung in die Jazzmu-sik» (Es erschien noch vor der ersten Buchproduktion des Deutschen Joachim ErnstBerendt. Sein «Das Jazzbuch» wurde 1953 als Fischer-Taschenbuch verlegt).Notabene, für Fans, die sich für frühe Jazzbücher und Broschüren interessieren, istunsere Bibliothek eine wahre Fundgrube, J.T.S

Jazz in der Schweiz,Zeitdokumente 1924–1976:Hans Philippi (1905–1976)

Hans Philippi, geboren am 17. Dezember1905 war einer der ersten Jazzfreunde inder Schweiz. Er bemühte sich um Anerken-nung für diese neue Musik als Kunstform.Er war beteiligt bei der Gründung des HotClub Basel, hatte eigene Sendereihen amRadio, hielt überall in der Schweiz Platten-vorträge und war mit Jazzgrössen wieLouis Armstrong und Kennern aus Frank-reich wie Hugues Panassié oder CharlesDelauney bekannt.

Eine ganz spezielle Geschichte,über die wir im Jazzletter 27, März2013, ausführlich berichtet haben:

Im Februar 2004 erzählte eine Bekanntebei einer Wohnungsräumung sei eineAnzahl Alben für die Müllabfuhr bereitge-stellt worden. Diese handelten von Jazzund enthielten teilweise sehr altes Mate-rial. Ob man das nicht retten sollte? MarioSchneeberger durfte die Alben an sichnehmen. Sie sind nummeriert von 1 bis 28.Es sind die Erinnerungsalben von Hans

Ernest Ansermet:«Es ist möglich,

dass der Jazz ein paar Überraschungen

in der Entwicklung der Musik bereithält».

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«Negermusik» nennen (ein Ausdruck, derheute nicht mehr zulässig ist, Red.) glau-ben, dass dies eine Musik ist, die sich nurdem Vergnügen widmet und sich auf Im-provisation und Variation beschränkt. AlsErgebnis kann der Jazz also nicht dasNiveau der klassischen Musik erreichen,wo Komponisten Formen und Sprachen neuerfinden, um Freiheit zu erlangen. ErnestAnsermet aber sagte: «Es ist möglich, dassder Jazz ein paar Überraschungen in derEntwicklung der Musik bereithält». WA

«Un amateur très profesionnel»:Johnny Simmen (1918–2004)

Diesen treffenden Titel gab 1983 eine fran-zösische Zeitung einem der bedeutendstenaller Jazz-Autoren, dem Aargauer JohnnySimmen. Sie bezog sich dabei vorwiegendauf Simmens umfangreiche Tätigkeit alsVerfasser von über 3000 Artikeln. Zunächstin Deutsch, zB in den Zürcher «Jazz News»1941, später vorwiegend in Englisch undFranzösisch für Melody Maker, Downbeat,Storyville, Mississippi Rag, Der Jazzfreund,Coda, Point du Jazz, Bulletin du Hot Club de France usw. Für seine Referate in derSchweiz, in Frankreich, Belgien und in denUSA schrieb er publikationsreife Manu-skripte, die bei den Kennern bis heute gesuchte Raritäten sind. Dies nicht nurwegen Simmens profunden Kenntnissen,seinen Hunderten von (Brief-) Freundschaf-ten mit Musikern sondern auch, weil er sichprimär mit weniger bekannten Musikernintensiv befasste anstatt mit den grossenStars, über die ohnehin schon viel publiziertworden war. Der grösste Teil seiner un-glaublich umfangreichen Korrespondenzenmit Musikern ging nach Simmens Tod anden Autor John Chilton, s. Jazz Letter 39.Nach dessen Hinschied fanden sie ein vor-läufiges Lager im englischen National JazzArchive. Auch für Covertexte und für Bei-träge, Ratschläge oder Korrekturen in zahl-reichen Büchern war Simmen oft gefragt,so etwa als Redaktor von Bill Colemans«Trumpet Story» in den französischen undenglischen Ausgaben. Schliesslich gestal-

tete er weit über 100 der Swissair-exklusi-ven, 2-stündigen inflight Jazzprogramme.Simmens Texte waren sorgfältig recher-chiert und verfasst; individuell, facetten-reich und einzigartig. Er nutzte sein Sprach-talent wie die Meister der Jazzimprovisa-tion, welche auch beim tausendsten Soloüber «Body and Soul» noch schöpferischimprovisieren. Konrad Korsunsky

Der Nachlass von Johnny Simmen ist in unserem Archiv abgelegt.

Pendler zwischen Kirche und Radiostudio:Heinz Wehrle (1921–2012)

Persönliches zur Persönlichkeit: Wieviele Meilemerinnen und Meilemer ihr Ohrnicht nur ihrem Kirchenorganisten amSonntag, sondern auch dem mit diesem inPersonalunion agierenden Präsentator der samstäglichen JazzwunschsendungAufforderung zum Jazz auf Radio Bero-münster liehen, ist nicht bekannt. Gewisssind Orgel zusammen mit dem sich rhyth-misch bewegenden und singenden Kir-chenvolk in der Gospeltradition von christ-lich orientierten afroamerikanischern Kirch-gemeinden für die Entwicklung des Jazzwesentlich. Wie auch immer, unser Gottes-dienst begann jeweils samstags, pünktlichum 14:00 Uhr vor dem Radiogerät sitzend,mit den ersten Takten von Miles Davis'Milestones. Am Mikrofon: Heinz Wehrle.

Im Studio und ausserhalb: 1954 empfahlder damalige Unterhaltungschef WaloLinder Heinz Wehrle in die Redaktion zurBetreuung der sogenannten leichten Mu-sik, in die man auch den Jazz, der Wehrlebesonders am Herzen lag, einzureihengewillt war. Von Jan Slawe, dem vermitteln-den Jazz-Solitär im deutsch-schweizeri-schen Rundfunkbetrieb übernahm Wehrleden Stab, und erweiterte das Angebot,

neben der bereits erwähnten Aufforderungzum Jazz um weitere Gefässe wie Jazz-Kurier, Eine Stunde Jazz oder New Sounds.Auch Konzerte mit in der Schweiz gastie-renden Stars und Ausschnitte vom Ama-teur-Jazzfestival Zürich wurden nunmehrmitgeschnitten. Selbst am Fernsehen durfteer im Studio Wolfbach gelegentlich Jazz-sendungen präsentieren. Im Radio verlorder Jazz den Ruch leichter Unterhaltungund wurde mit Wehrles Zutun in denBereich der edleren Kultur verschoben.

Jazz Live: Die Idee, kostengünstig einenGastsolisten zusammen mit einer Haus-rhythmusgruppe vor Publikum im Studioauftreten zu lassen, ging auf Heinz Wehrlezurück und wurde nach 111 Sessions 1982leider eingestellt. Im Studio-TonmeisterKlaus Koenig fand er einen Leader-Pianis-ten, der sich im später so genannten JazzLive Trio kongenial auf die jeweils eingela-denen Frontleute einzustellen wusste. Nachdem Auslaufen des Sendeformats bestehtdas Trio jedoch mit unterschiedlichemPersonal an Bass und Drums bis heute fort.

Heinz AblerSiehe Jazzletter 37, Seite 6 und 7

Klaus Koenig und das Jazz Live Trio.

Von links: Walo Linder, Nat King Cole,Lance Tschannen, Heinz Wehrle.

Johnny Simmen und Ray Bryant.

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Tänzer auf vielen Hochzeiten:LanceTschannen (1922–1984)

Persönlichkeit: Obwohl Tschannen in helvetischen Gefilden hier und dort in den Genuss der Weihe als «Jazzpapst» kam,war sein musikalisches Interesse breitergefächert. Diesen Eindruck gewinnt, werversucht, sich einen Überblick über seinlebenslanges Engagement für Musik unter-schiedlicher Provenienz zu verschaffen. DerSpagat, einerseits das Amt des Präsidentender Gesellschaft für die Volksmusik in derSchweiz zu bekleiden und anderseits dieSwiss Jazz School in Bern mit zu begrün-den, schien ihm spielend zu gelingen.

Wirken: Wie schon angedeutet, warTschannen salopp gesagt ein Hansdampf in allen Gassen. Er produzierte die Schwei-zerische Musikanthologie Musica Helve-tica, war 1968–1979 sowohl Präsident derEuropäischen Jazz-Föderation als auch ab1978 Präsident des Schweizer Musikrats.Seine Mitarbeit war auch beim ZürcherAmateur-Jazzfestival und als Geburtshelferder Montreux Jazz Festivals gefragt.

Radio: Hauptsächlich jedoch war LanceTschannen ein Radiomann und förderte alsLeiter Kultur von Schweizer Radio Interna-tional SRI mit seiner Sendung Jazz Pano-rama während 25 Jahren die Vorliebe fürdiese Musik an vielen Ecken. Wohl wissend,dass die Präsentation dieser Musik kaum je mehr als ein Minderheitenpublikumansprechen wird, vermochte er doch einsolides Fundament, das die Einsturzgefahrin Grenzen hält, anzulegen.

Anekdotischer Exkurs in die Vergan-genheit: Im Juni 1964 erschien in derkulturpolitischen Zeitschrift die linie einBeitrag von Lance Tschannen zum heuteleicht grotesk anmutenden Thema Ist Jazzunmoralisch? Vor dem Hintergrund, dassJazz damals in rassistischer Einfärbungnoch immer verbreitet als «Negermusik»mit allen dazu passenden kulturellen Vor-urteilen galt, gelangte Tschannen tapfer zurabschliessenden Einsicht: «Jazz ist in derTat eine musikalische Sprache unserer Zeitgeworden, und wenn er unmoralisch seinsollte, dann müssen wir grundsätzlich ander Moral unseres heutigen Lebens zwei-feln». Wohl wahr. Heinz Abler

Von der Front zum Jazz:Jan Slawe (1923–1982)

Leben: Der als Jan Sypniewski in Krakaugeborene Slawe wurde nach dem Überfallvon Hitlers Wehrmacht auf Polen und derim Juni 1940 erfolgten Niederlage Frank-reichs als Mitglied der 2. polnischen Schüt-

zendivision in der Schweiz interniert. Ge-wiss, an heutigen Umständen gemessen,ein reichlich abenteuerliches Schicksal für einen 17-Jährigen. Zumal auch ihm der in diesen Zeiten hierzulande üblicheFrondienst für Internierte zunächst nichterspart blieb.

Nach Studien am ad hoc eingerichtetenpolnischen Gymnasium Winterthur und derUniversität Zürich promovierte er als Dr.phil. über das damals kaum verbreitetanerkannte Thema Jazz. Der Weg, einemwachsendem Publikum die Jazzmusiknäher zu bringen, war damit geebnet undJan Slawe, wie er sich fortan der Einfach-heit halber nannte, arbeite ab 1948 fürRadio Beromünster und die NZZ und späterab 1963 bis zu seinem Tod für den Tages-Anzeiger.

Würdigung: Jan Slawe öffnete in den 50erJahren durch seine Präsenz am Radio denZugang vieler und insbesondere damalsjunger Menschen zum Jazz. Damit trug der1956 zum Schweizer Bürger gewordeneSlawe seinen Anteil zum Eingang des Jazz in die hiesige Kulturszene bei, zumal in derFrühzeit des Zürcher Amateur-Jazzfestivals.Er war eher den traditionelleren Stilartendes Jazz zugetan, den moderneren Formen,insbesondere dem ab 1960 aufkommen-den Free Jazz vermochte er weniger abzu-gewinnen.

Werk: Sein schriftlicher Nachlass besteht im Wesentlichen aus drei Büchern:

– Einführung in die Jazzmusik, Basel,Verlag National-Zeitung, 1948.

– Louis Armstrong: Zehn monographischeStudien, Basel, Papillons-Verlag, 1953.

– Kleines Wörterbuch der Jazzmusik,Zürich, Sanssouci, 1953. Heinz Abler

Für den Jazz mit unermüdlichem Elan:Otto Flückiger (1929–2006)

Wirft man einen Blick auf die swissjazz-orama-Vorgeschichte, stellt man fest,dass wir Otto Flückigers Initiative viel zuverdanken haben. Als passionierter Jazz-historiker gründete er 1989 mit ein paarFreunden den Verein Pro Jazz Schweiz und richtete in Rheinfelden das erste Jazz-archiv ein, das dann 1992 in Arlesheim alsSchweizer Jazzmuseum eröffnet wurde.1998 fand die Verlegung nach Uster statt.

Otto Flückiger kam 1929 in Basel zur Welt.Ein frühes Erlebnis, das seine Jazzbegeiste-rung enorm verstärkte, war kurz nach demzweiten Weltkrieg das Konzert des DonRedman-Orchesters im ausverkauften Bas-ler Küchlin-Theater. Die Faszination Jazzliess ihn nie mehr los. Auf mehreren Aus-landreisen in den USA eignete er sich einfundiertes Wissen an. Sein wachsendesInteresse an der Geschichte des Jazz doku-mentierte er durch die Herausgabe vonPublikationen, durch Veröffentlichungenvon Tonträgern und durch die Mitarbeit anFachzeitschriften. Besonders verdient ge-macht hat er sich mit der Herausgabe derGeschichte des Schweizer PionierorchestersLanigiro. Otto Flückiger starb am 9. März2006. Anlässlich der Verleihung des Jazz-preises der Region Basel, der Golden JAPNote 2003, durch den Jazzclub Aesch-Pfeffingen ehrte ihn die Basler Zeitung miteinem grösseren Artikel «Ein unermüdlicherSchaffer zum Wohl des Jazz», Treffenderlässt sich sein Einsatz für den Jazz kaumcharakterisieren. J.T.S

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Jazzkenner aus der welschen Schweiz:Jean-Roland Hippenmeyer (*1943)

Er ist Autor verschiedener Jazzbücher: LeJazz en Suisse 1930 –1970 (1971) – Jazzsur Films (1973) – Histoire(s ) du Jazz –Sidney Bechet sowie einer DiskografieSwiss Jazz Disco (1977).

Den Jazz entdeckte er 1959, seither lässt erihn nicht mehr los. Hippenmeyer ist Film-und Schallplattensammler. Die Dokumen-tensammlung, die er sich angelegt hat, istvon beachtlicher Grösse. Um den Musikerndirekt zu begegnen und sie zu interviewen,reiste er viel in den USA und in Europa.Er ist Autor zahlreicher Artikel über Jazzund von Beiträgen in der Revue Musicalede Suisse romande. Die Swiss Jazz Discoumfasst sämtliche, wie Hippenmeyer sagt,handelsüblichen Aufnahmen, die vonSchweizer Musikern im In- und Auslandgemacht wurden. Die Diskografie enthältmehr als 5300 Titel aus einem halben Jahr-hundert Schweizer Jazz.

In der Swiss Jazz Disco kann man z.B.herausfinden, dass die Lanigiros zuerst TheLanigiro Syncopating Melody Kings hiessenund bereits am 3. Juli 1926 im Radio StudioBasel Aufnahmen machten. Das warenwahrscheinlich die ersten «Jazz»-Aufnah-men mit Schweizer Beteiligung. Die Musi-ker, die im Aufnahmestudio sassen, sindaufgeführt, dabei war auch Hans Philippi.Er spielte brass bass, slide wistle und sang.Brass bass steht für Tuba oder Sousaphone.

Ein zweites Beispiel: Der AltsaxofonistFlavio Ambrosetti (Vater von FrancoAmbrosetti) machte irgendwo (!) in Swit-zerland im Winter 1943 mit einem SextettAufnahmen. Wieder ist die Besetzungaufgeführt, u.a. waren Geo Voumard (p)und Sunny Lang (b) dabei.

Und ein drittes Beispiel: Sidney Bechetmachte am 19. März 1954 im privaten Rah-men in Genf Aufnahmen mit Claude Aubert(ss), Wally Fawkes (cl), Raymond Droz (tb),Henri Chaix (p) und René Marthaler (dm). Übrigens, die wertvolle Swiss Jazz Disco

von Hippenmeyer ist nur eines von ca.3500 Büchern, die im Archiv des swissjazz-orama registriert und eingereiht sind. WA

Radio Suisse Romande

Raymond Colbert (1918–2009)Débute à Radio Lausanne en 1936; anime de 1943 à 1978 les émissions «Hollywoodsur les ondes», «De film en aiguille» puis «Swing sérénade»*. Spécialiste du jazz et des musiques populaires, il futresponsable du département variété.

Géo Voumard (1920–2008)Pianiste, directeur de 1966 à 1983 dusecteur «animation et divertissement» à la Radio Suisse Romande, promoteur de concerts de jazz à Epalinges et co-fondateur du Festival international de jazz de Montreux en 1967.

Pierre Grandjean (1946)Preneur de son à Radio-Lausanne puis animateur de l'émission «Europe Jazz».Coréalisateur des enregistrements de concerts au Montreux Jazz Festivalpendant vingt ans.

Yvan Ischer (1961)Saxophoniste et animateur de l'émissionJAZZ sur la Radio Suisse Romande/Espace 2depuis 1987, a succédé à Pierre Grandjean.

Presse écrite

Michel Denoréaz (1924–2013)Pionnier des analyses postcoloniales dujazz, conférencier et journaliste, MichelDenoréaz fut le premier à présenter lamusique des jazzmen suisses dès le débutdes années 1960. Il est membre du jury des premières éditions du Montreux Jazz Festival (voir son portrait dans la Jazzletter 2013-2).

René Langel (1925 ?)Clarinettiste, écrivain et journaliste pour denombreux quotidiens romands, rédacteuren chef de la HOT REVUE (1945–1947) et co-fondateur du Festival international de jazz de Montreux en 1967.

Périodiques

HOT REVUELausanne, 1945–1947.

JAZZ 360°Sierre, 1977–1986.

JAZZ PASSIONLausanne, 1990–1995.

VIVA LA MUSICAMensuel de l'Association pour l'Encouragement de la Musique Improvisée (AMR)Genève, depuis 1974.

ONE MORE TIMEMensuel de l'Association des MusiciensGenevois de Jazz (AGMJ)Genève, depuis 1986.

VIBRATIONSLausanne, 1991–2013.

Publications (par ordre chronologique)

Cléon Cosmetto: «La vraie musique de jazz»Lausanne, Editions de l'Echiquier,J.-F. Chastelain, 1945.

Christian Steulet: «Réception du jazzen Suisse 1920–1960»Fribourg, Institut d'histoire moderne et contemporaine, 1989.

Christian Jacot-Descombes: «BBFC»Lausanne, Les Cahiers de la Gazette, 1991.

René Langel: «Le jazz orphelin de l'Afrique»Paris, Payot (collection Rivages), 2001.

Pierre Bouru: «Le bonheur était dans le jazz», Genève, Slatkine, 2003.

PS.*Swing Serenade war in den 40er-Jahren eine der wenigen regelmässigen Jazz-Sendungen am Schweizer Radio. Am Samstagnachmittag, 17.30 Uhr (RadioSottens) versuchten wir jungen Jazzfanszuhause zu sein, um die halbe Stunde Jazz zu geniessen. (Red.)

Suisse romande:– journalistes – périodiques – publications Christian Steulet

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Trouvaillen in unserem ArchivIm Archiv des swissjazzorama sind viele ganz spezielle Objekte zu finden.Zum Beispiel die Notizbücher des Zürcher Rhythm Clubs aus dem Jahr 1935 u.w.Hier zeigen wir den Einband und die Seite 1 des Bandes IV. WA

Dies Buch ist Eigentum desZürcher Rhythm Club.

Der Zweck dieses Clubs ist es, die Hot-Musik mit allen Mitteln zu fördern. Es istdaher jeder Freund von Hot-Jazz eingela-den, sich an ihm zu beteiligen durchMitgliedschaft, welche durch den Wochen-beitrag von sfr. –.50 erworben wird, oderdurch literarische Mitarbeit. Diese Zeilenstehen jedem offen, der sich ihnen in seriö-ser Absicht nähert. Zur Hauptsache werdenhier Kritiken über Platten, Hot-Veranstal-tungen etc. verfasst, das Buch dient aberauch dafür, Meinungsgegensätze, soweitsie den Hot betreffen, aufzuklären. Die hierkritisierten Platten werden durch Unter-streichen wie folgt klassiert:

ganz grosse Platte (Linie rot)sehr gut (Linie blau)gut (Linie grün)

Zürich, 26. Mai 35.

J. RasumowskyJonny Simmen (Johnny)Jean FavreMax HerforthJohn Schatzmann

Zwei LP-Covers aus unserer Plattensammlung,gestaltet von David Stone Martin.

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Den Zugang zur BIBLIOTHEK auf derneuen Website findet man unterMedien/Bücher. Dort den online-Kataloganklicken, und es erscheint untenstehendeSuchmaske (sjo_books). Die Bibliothek des SJO ist eine Magazin-Bibliothek, d.h.die rund dreieinhalb Tausend Bücher sindgemäss ihrer Signatur eingereiht, also nicht systematisch und deshalb nur überden online-Katalog auffindbar. Entscheiden Sie sich entweder für die Schnellsucheoder für die Standard-Suche. Die Optio-nen helfen bei der Formulierung der Such-Anfrage. Die Suchtipps beziehen sich allgemein auf die Datenbanken des swissjazzorama (jazzdaten.ch und archivdaten.jazzorama.ch).

Zu den Feldern: SIGNATUR verrät etwasüber den Standort des einzelnen Exemp-lars: «BO-0….» bis zu 30cm Höhe,«BO-05….» sind grösser als 30cm. Unter«BO-1….» finden sich Hefte, Broschüren,Mappen, sie stehen in Boxen. «BO-2….»ist Belletristik, «BO-3….» sind Disko-grafien, «JS-40…» ist die Sammlung von Johnny Simmen, «CP-41…» die vonClaude Perrottet.GENRE: Auswählen aus den vorgege-benen Begriffen der Drop-down-Liste.THEMA: Ein wichtiges Feld. Stichwort-artig-präzise, sinntragende Wörter alsnähere Umschreibung des Buchinhalts indeutscher Sprache (ausgenommen Fach-

begriffe und Unübersetzbares, New Yorknicht Neu York). Warum Sie das Wort –horribile dictu – «Neger» nicht finden,jedoch im Feld TITEL dreimal, lesen Siedie Begründung im Jazzletter Nr. 33/2015.

HELVETICA: Dieser griffige Titel bezeich-net alles, was vom SJO gesammelt wirdund irgendeinen Bezug zur Schweiz hat.Die entsprechenden Dokumente, Bücherund Platten sind also als «Helvetica»gekennzeichnet und somit such- undauffindbar. Das heisst aber nicht, dass wirnur Schweizerisches sammeln, das gäbegerade bei den Büchern eine kümmerlichkleine Bibliothek. Überhaupt habe ich denEindruck, man schreibt oder produziertheutzutage im deutschsprachigen Raumkeine Bücher mehr über Jazz. Und wenndann doch, deutet im Titel nichts daraufhin, dass es hauptsächlich um Jazz geht.So z.B. im neusten Buch von Roger Willem-sen Musik! Über ein Lebensgefühl, dasich allen Leserinnen und Lesern wärmstensans Herz, bzw. auf den Nachttisch legenmöchte. Allein die Aufzählung aller mit«feinsinniger Wucht» beschriebenen Musi-ker und Musikerinnen würden den Umfangdieser Seite sprengen. Aus WillemsensNachlass stammen die Texte, Essays, Radio-moderationen und Rezensionen, geschrie-ben mit viel Sachverstand und noch mehrEinfühlungsvermögen, dabei spricht erweder die «Geheimsprache der Musikwis-

senschaftler» noch das«Jägerlatein der Einge-weihten».

Apropos Sachverstandund Einfühlungsvermö-gen – ein Hinweis ineigener Sache. PeterRüedis Stolen Momentshaben wir selbstver-ständlich in unseremBestand. Darüber hinausverfügen wir über eineerweiterte und laufendaktualisierte Version vonRüedis publizistischenHervorbringungen –fragen Sie den Biblio-thekar.

Der aktuelle Zuwachsbetrifft v.a. Americana(z.B. im REIHENTITEL:American Made MusicSeries der UniversityPress of Mississippi).Die amerikanischenUniversitäten sind sehrproduktiv in der Musik-

literatur. Dank ihnen ist es möglich, eineaktuelle, gut dotierte Jazz-Bibliothek inklu-sive angrenzender Bereiche zu führen.

Das Feld LINKS ist sichtbar, wenn es Inhalthat. Das sind dann Rezensionen und Hin-weise zum Buch, die als pdf-Datei miteinem Klick aufgemacht werden oder demLink folgend eine Webseite auftun können.

Jetzt noch etwas Statistik. Schwerge-wichtig sind im SJO die Biografien ver-treten: 282 Auto-, 196 Sammel- und 705Einzelbiografien (mit Überschneidungen).Neuanschaffungen 2017/2018: 274 Titel(Neuerscheinungen und Antiquarisches).

Bei den Helvetica kommen wir total aufbeachtliche 396 Titel, davon Neuanschaf-fungen seit 2017: 20 Titel. Ich nenne nurfünf davon: Meinrad Buholzer Always aPleasure – Begegnungen mit Cecil Taylor;Biografien von Franco Ambrosetti und Gustav Sigg; Richard Köchlis Biografie des Tampa Red; Christian Broeking überIréne Schweizers Unbändiges Gefühl von Freiheit.

Im Übrigen verweise ich auf bereits er-schienene Kolumnen aus meiner Feder imJazzletter: 2015 Nr. 32, 33 und 2017 Nr. 40.Und noch ein Aufruf: Schenkt eure Jazz-und jazznahen Bücher (nicht nur Plattenund CDs) dem SJO, statt sie im Bücherge-stell vergilben zu lassen. Mittlerweile istdie Chance gross, dass wir sie schon besit-zen, aber unser Shop nimmt sie gerne an.

Zu guter Letzt noch ein Hinweis: Da wiruns den Aufwand einer Ausleih-Administ-ration aus finanziellen und personellenGründen nicht leisten können, dürfen die Bücher das SJO nicht verlassen – Ausnah-men bedürfen des Einverständnises desBibliothekars! Hingegen können dieDoubletten-Exemplare in unserem Shopkäuflich erworben werden. Bruno Gut

Papier ist (nicht) geduldig

swissjazzorama

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«Mean Something!» Ein kurzer Rundgang mit Joe Haider durch sein Leben und sein Werk

Joe, dein sympathisches Schwäbischvermischt sich ab und zu mit ein paarHelvetismen. Das eine verweist aufdeine Herkunft, das andere auf deineWahlheimat Bern. Zeitlich überschaustdu acht aktiv mitgestaltete Lebens-jahrzehnte. Wenn du heute zurück-blickst, drängt sich da, öfter als früher,Vergangenes ins Blickfeld?Ja, das ist dem Alter geschuldet. Mit 82beginnt man, schon die halben, nicht nurdie ganzen Lebensjahre zu zählen. Lässtman die eigene Vita Revue passieren undüberlegt, mit wem man wann und wogespielt hat, dann kann es einem schonschwindlig werden. Das Erinnerungsver-mögen zeigt zwar Lücken, die Highlightsaber sind mir sehr präsent.

Kulturschock auf einem Panzer

War es für den kleinen Haider schoneine Sternstunde, als er 1945, unmittel-bar nach Kriegsende in Deutschland,einem amerikanischen Panzer begeg-nete, von einem Besatzungsmitglied –notabene einem schwarzen – aufsGefährt gehoben und mit einer TafelHershey-Schokolade beschenkt wurde?Da war ich ganze neun Jahre alt. Die Szenewirkte irreal. Meine Mutter hatte mir stetsmit dem schwarzen Mann gedroht, wennich mal nicht parierte, und da war nunplötzlich dieser dunkelhäutige GI, der michmit Schokolade fütterte und ein Radio mit-führte, aus dem Jazz dudelte. Tadd Dame-rons Stück Hot House drang an mein Ohr.Aber das wusste ich damals nicht, ich habedas erst später rekonstruieren können.Nach dem Krieg waren ganz andere Dingealltäglich. Wir Jungs spielten fussball-kickend in Stuttgarter Ruinen, fühlten unsgewissermassen vogelfrei, denn eine Zeit-lang gab es keine Schule. Erst später wurdeder Unterricht wieder aufgenommen.

Vermutlich mit altem deutschem Liedgut, fernab vom Jazz ...Gesungen wurde jedenfalls im Gymnasium,aber auch dort war der Jazz weit weg. Inmeinem Elternhaus war andere Musik will-kommen, da stand ein Klavier, und alsAkkordeonist brachte ich es zur württem-bergischen Jugendmeisterschaft. Mit demTango Warum weinst du kleine Tamara

qualifizierte ich mich zwar nicht für höhereakademische Weihen, aber für eine kauf-männischen Lehre im Stuttgarter Radio-Musikhaus Barth. Dort kreuzten einesTages zwei Berliner Typen auf und wollteneine Tuba kaufen. Das konnten die – Banjo-spieler Dieter Baier und Drummer KarlheinzBergemann von der Schwabenland-Dixie-band – sich überhaupt nicht leisten, abersie überraschten mich mit der Frage, ob ichdenn eine Tuba leihen und mit ihnen spie-len könnte. Als Stift war ich mit dem gan-zen Instrumentarium des Hauses recht gutvertraut, aber mein Ja zur Tuba entsprangschon grenzenloser Selbstüberschätzung.Und als es zur Frage kam ob ich dennwüsste, was Jazz sei, musste ich verneinen.Am folgenden Donnerstag war ich freilichbei der wöchentlichen Probe der Schwa-benland Dixie mit einer gebrauchten Tubadabei und blies die in einem kleinforma-tigen Harmoniebüchlein notierten Grund-töne runter. Die Sache gefiel mir sehr, sielag ausserhalb des Üblichen und gab mirdas Gefühl, was Besonderes zu sein. Undweil damals bei vielen Jugendlichen deramerikanische Lifestyle einsickerte, wurdeaus dem Herbert Haider –- zum Leidwesenmeiner Mutter – flugs ein Joe, der vieleneue Leute kennenlernte. Freund Berge-mann nahm mich mit in den von DieterZimmerle geleiteten Jazzklub Schlüssel.Zimmerle war Redaktor im SüddeutschenRundfunk, Abteilung leichte Musik, undbetreute dort eine eigene Sendung.

Leichte Musik? Wo blieb da der Swing?Den Begriff Swing haben wir damals garnicht diskutiert, jedenfalls wir in Stuttgartnicht. Man war dem Two-Beat-Oldtimeverpflichtet. In den ersten Nachkriegs-jahren vollzog sich unter dem Regime derBesatzungszonen vieles sehr isoliert. Zumersten Mal in meinem Leben verliess ichden Raum Stuttgart, als wir 1955 mit derSchwabenland-Band am Amateur-Jazz-festival in Düsseldorf auftraten.

Auftritt zu dritt, du an der Tuba?Auftritt in voller Dixieformation, samteinem Mann am Klavier. Dieses Instrumentwar mir selber auch nicht fremd. MeinBruder, meine Schwester und ich hatten alsJugendliche Klavierunterricht gehabt –klassisch natürlich. Bei mir machte sich

freilich früh ein Hang zum Improvisierenauf dem Tasteninstrument bemerkbar, keinjazzmässiges Improvisieren, eher ein ge-dankenlos-witziges Klimpern. Es war dannBergemann, der mich auf die damals wich-tigen Jazzpianisten aufmerksam machte –etwa auf Bud Powell. Was ich von demdann auf Platten zu hören bekam, gefielmir aber nicht. Auch ein Gillespie-Konzertin Stuttgart empfand ich nicht als Ohren-schmaus. Dem knapp achtzehnjährigenHaider gefiel Armstrong, nicht Bebop! Es brauchte einige Zeit, bis bei mir derGroschen fiel. Inspirierend wirkte nebenBergemann in Stuttgart der gleichaltrige,aber im Jazz weiter fortgeschrittene Pianist und Arrangeur Wolfgang Dauner.Auch wir formierten dann eine Band, dieden neuen Stil aufnahm. Da machte ich als Pianist mit.

Zweimal Stuttgart-München

Entsprach denn die soziale Reifung des jungen Haider dem Aufbruch immusikalischen Bereich?Bei aller Freude an unserer Musik und ihrerWirkung in der Öffentlichkeit belastetemich die Trennung meiner Eltern, diewährend meiner Gymnasialzeit zur Folgehatte, dass der Vater nach München zogund erwirkte, dass ich unter seine Obhutkam. Als Schwabe kam ich aber mit denBayern nicht zurecht und wurde wiedernach Stuttgart zurückgeschickt, wo meineKlassenkameraden eine Runde weiterwaren und ich zurückversetzt wurde. Dabegann mein Körper zu streiken, ich brachzusammen und kam mit Hirnhautent-zündung ins Krankenhaus. VerzweifelteReaktion meiner Mutter nach der Gene-sung: «Was mach ich bloss mit dir?»

Dass man auch mit 82 Jahren auf der Höhe seiner Zeit und seiner Schaffenskraftsein kann, beweist Joe Haider allemal. Als Pianist, Arrrangeur, Leader und Pädagogehat er sich eine Maxime Duke Ellingtons zu Herzen genommen: Jazz ist mehr alsHandwerk, er muss ausdrucksstark sein. René Bondt und Fernand Schlumpf habendem «schwäbischen Berner» Fragen gestellt.

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Ich nehme dich als orchestralen, nichtals linearen Pianisten wahr. Joe Haidersucht nicht um jeden Preis die techni-sche Artistik, er bringt die Vielfalt derHarmonien zu Geltung.Voll widersprechen will ich nicht, aber dochetwas korrigieren. Ein richtiger Beboperwar ich nie, mir war früh bewusst, dass esgilt, im Spiel Eigenständiges zu entwickeln.Also musste ich etwas finden, das mich vonden andern Pianisten abhebt. Ich nahm mirstets ein Wort Duke Ellingtons zu Herzen:«Mean something!» Man attestiert mir, einausdrucksstarker Pianist zu sein. Ausdruckbedeutet mir mehr als Technik.

Mehr Herz als Kopf…Ja, aber ab und zu beweise ich, dass esauch anders geht -– dann nämlich, wennich ein horrendes Tempo anschlage und imStück das erste Solo spiele. Meine Stilbil-dung hat gedauert. Bis ich da Anerkennungfand, verging viel Zeit. Heute kann ich da-rüber lachen. Als Lehrer an der Jazzschulehabe ich Ausdrucksstärke nie unterbunden,sondern gefördert. Ich war nie ein Puristund wollte, dass die Schüler eigene Wegesuchen, statt dem Trend nachzulaufen.

Lebenslanges Lernen gilt wohl auch für einen Jazzmentor, nicht zuletzt,wenn er im Alter zu spüren bekommt,dass die motorischen Fähigkeitenschwinden. Ist das für Dich ein Thema?Bei den Aufnahmen zu unserer aktuellenTrio-Platte meinte der Produzent zu mir:«Joe, es ist alles okay.» Ich stelle bei mirselber nicht fest, dass ich mehr Übungsauf-wand treiben müsste, um dem technischenLevel zu genügen. Ich intensiviere dasFingertraining aber in den Wochen vorneuen Aufnahmen. Das Ideelle, das Aus-drucksmässige überlasse ich dagegen demMoment. Es gibt allerdings eine Vorausset-zung, damit die Sache gut wird. Du musst

wollen, musst Ehrgeiz und Inspirationspüren. In dem Moment, wo ich ein Podiumbetrete und auf dem Klavierstuhl Platznehme, verändert sich für mich die Welt.Die pianistische Tagesform spielt da einehöchst untergeordnete Rolle, entscheidendist die Inspiration hier und jetzt.

Übergehend vom Pianisten zum Arran-geur Haider drängt sich die Frage auf,wie Joe Haider seine Inspirationslustvia Arrangement auf die Mitmusikerüberträgt. Was ist befriedigender amarrangierten Jazz: das Klangerlebnisoder das soziale Interplay?Vorweg ein Geständnis: Gewisse Dingekann ich nicht. Ich bin sicher nicht dergrösste Bigband-Arrangeur der Welt. ImVergleich etwa zu Maria Schneider bin ichein Waisenknabe. Aber ich habe im Laufeder Zeit als Arrangeur einen eigenständi-gen klanglichen Weg über die Besetzunggefunden – zuerst mit Streichern, dannauch mit Vokalistinnen. Die Wahl derTonart, die Tempobestimmung, das richtigeAbmischen bei Livekonzerten – all das wirdwichtig bei diesen Sound-Experimenten.Das hat mit dem klassischen Arrangierennicht übermässig viel zu tun, da geht eszunächst mal um eine Klangsuche.

Hörst du ein Arrangement schongenau, bevor du es niederschreibst und proben lässt?Ja.

Und lässt du gewisse Abweichungen,die möglicherweise attraktiv tönen,im Aneignungsprozess zu?Nein, ich möchte meine Version hören. Dasliegt manchmal nur in Lautstärke-Nuancen.Oder beim Tempo geht es darum, wie einePhrase klingt. In dieser Hinsicht brachtemich die klassische Ausbildung in Komposi-tion deutlich weiter. Inspirierend war fürmich auch Slide Hampton, der als Arran-geur genial demonstriert hat, wie man einekleine Bigband mit drei Trompeten, dreiPosaunen und drei Reeds klanglich erwei-tert, indem man die traditionellen Bläser-Sections mischt.

Der Arrangeur Joe Haider braucht fürein Projekt gute, willige Interpreten –und die kann er sich nach Eignungzusammensuchen wie ein Filmregisseursein Darstellerteam. Arbeitet der Pädagoge Haider mit einer vorgege-benen Auswahl von Musikern oderWorkshopteilnehmern, dann sieht dieSache wohl anders aus …In der Tat. Bist du Schulleiter, hast neben-her Fächer zu unterrichten und kriegstjedes Semester eine Schar Schüler zuge-teilt, Begabte und weniger Begabte, dannkann so ziemlich alles geschehen. Ich habees immer so gerichtet, dass ich bei neuen

Da kam wohl die Lehre bei Radio Barthgerade zur richtigen Zeit?Ich erlernte dort jedenfalls das Musikinstru-mentengeschäft von der Pike auf. Und inder Freizeit ging es bei mir auch pianistischvorwärts, so dass mich eines Tages ein Kol-lege mit der Frage konfrontierte: «Warumstudierst du eigentlich nicht Musik?» Nun,ich war zwanzig, hatte Talent, aber aucheine sichere Stelle und konnte mir anfäng-lich kaum vorstellen, einen solchen Schrittzu tun, zumal eine Ausbildung ausgerech-net in München zur Debatte stand. Abermit Hilfe von Münchner Kollegen meldeteich mich in der Folge beim Trapp'schenKonservatorium – einem Vorläufer desheutigen Richard Strauss-Konservatoriums– zur Prüfung an. Nun musste ich heimlichüben, denn ich traute mich nicht, die Mutter in meine Pläne einzuweihen. Nacheinjähriger Vorbereitung bestand ich dieAufnahmeprüfung. Und jetzt musste ichzuhause beichten, dass ich zwecks Studiummeine Lebensstelle in Stuttgart aufgebenund schon am Folgetag nach Münchenziehen werde. Schwäbisches Drama, dannTränen und am Schluss mütterlicher Segen!Den Abend vergesse ich nie mehr. Muttergab mir 300 Mark mit, die noch am glei-chen Abend mit Freunden in Alkohol aufgelöst wurden. Das war mein Start aufeiner neuen Wegstrecke.

Haider – der Pianist und Arrangeur

Ein Vorschlag: Wir überspringen dieseStrecke und landen in der Gegenwart,blicken von dort aus aber zurück aufdie verschiedenen Ebenen deinesprofessionellen Musikerlebens. Wennich dem Pianisten Joe Haider zuhöre,dann hör ich – auf eine simple Formelgebracht – nicht Bud Powell, sondernErroll Garner.Wieso das denn?

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Schülern den Anfang machte und damitvorweg einige Massstäbe setzen konnte.Du erkennst sogleich, wie einer am Klaviersitzt. Dann kommt bei Pianisten schon dienächste Frage: Fingertechnik oder Armtech-nik? Ich bin ein Verfechter der Fingertech-nik, weil die Spannung in den Fingernsteckt. Das hat Vorteile.

Ewiggestrige – Ewigmorgige

1945 erlebtest du einen kleinen Kultur-schock. Mit den amerikanischen GIskam eine Menge Jazz nach Europa.US-Jazzer tourten durch die Alte Welt,manche blieben sogar als gewisser-massen unerreichbare Vorbilder für dieEuropäer. Du und andere haben indesviel getan für eine universellere Auf-fassung von Jazz. Gibt es noch immermarkante Unterschiede diesseits undjenseits des Atlantiks?Ich würde den Freejazz, die Avantgardeüberhaupt, als typisch europäisch bezeich-nen. In amerikanischen Clubs – nimmVillage Vanguard in New York als Beispiel –hat man sich schnell wieder vom Freejazzverabschiedet, weil das Publikum nichtmitkam. Du kannst nicht eine Woche langBill Frisell anhören, das ist so kompliziertund dicht, dass du nicht mal einen einzel-nen Abend richtig verdauen kannst. Odernimm Cecil Tayler, der eine Stunde lang

Joe Haider biografisch…– Geboren als Herbert Karl Anton Haider

am 3. Januar 1936 in Darmstadt.– Wird als Lehrling im Stuttgarter Radio-

Musikhaus Barth für den lokalen Oldtime-Jazz gewonnen und schliesst sich, zuerst alsTubaspieler, dann als Pianist, unter demNamen Joe Haider der Amateurszene an.

– Ab 1960 Musikstudium am Trapp'schenKonservatorium (heute Richard Strauss-Konservatorium) in München.

– 1965 bis 1968 Pianist des Haustrios imMünchner Jazzclub «Domicile». Begleitetdort, wie auch danach als Leiter des Jazz-Ensembles im Bayerischen Rundfunks,bedeutende Jazzmusiker – beispielsweiseBenny Bailey, Dusko Goykovich, NathanDavis, Booker Ervin, Klaus Doldinger, HansKoller, Leo Wright, Attila Zoller, George Mraz,Peter Trunk, Philly Joe Jones und Joe Nay.

– Ab 1970 Mitglied der Schweizer FormationFour for Jazz (mit Heinz Bigler, Isla Eckinger,Peter Giger). Gründung eines eigenen Triosmit Bassist Isla Eckinger und Drummer PierreFavre sowie einer Combo mit Dusko Goyko-vich. Daneben gemeinsam mit SlideHampton Co-Leader einer Bigband, in deru.a. Dexter Gordon mitspielte.

– 1984 bis 1995 Leitung der Swiss JazzSchool in Bern. Großer Kulturpreis desKantons Bern 1994 für Haiders Verdiensteauf dem Gebiet der Musik.

– 1988 Deutscher Schallplattenpreis für eine Produktion des Joe Haider Orchestrafeaturing Mel Lewis.

– Tourneen mit Woody Shaw, dann mit Rhythmusgruppe und Solisten wie Andy

Scherrer, Roman Schwaller, Sandy Pattonoder Don Menza.

– Von 2000 bis 2011 Zusammenarbeit mitBrigitte Dietrich Jazz Orchestra und Doppel-quartett mit Streichern Mysterious.

– 2016 Präsentation des Albums Keep It Darkmit einer grossformatigen Besetzung.

– 2018 Joe Haider konzertiert frisch wie ehund je mit dem Joe Haider Jazz Orchestra & The Sparklettes Back to the Roots und dem neuem Joe Haider Trio Waltz for ever.

… und diskografisch1. A Land of Dolls – Four for Jazz (Intercord)2. Katzenvilla – Joe Haider Trio

(Intercord/JHM Records)3. Power of Nature – Four for Jazz (Intercord)4. Sunday Child – Four for Jazz (Intercord)5. Cafe de Pyrennes – Joe Haider Trio (Kick)6. Give Me A Double – Joe Haider /Slide

Hampton Orchestra (MPS)7. Reconciliation – Joe Haider Quintet (EGO)8. Just for Fun – Sal Nistico Quartet (EGO)9. Thoughts – Leszek Zadlo Ensemble (EGO)

10. Serenade to a Planet – Benny Bailey Quintet (EGO)

11. East of Isar – Benny Bailey Quintet (EGO)12. After a Long Time – Goykovich/Haider

Quintet (EGO)13. The Essential Point – Joe Haider Quartet

(JPV/Pläne)14. Keep Hot – Joe Haider /Mel Lewis Orchestra

(Jeton/JHM Records)15. Up Shot – Joe Haider Sextet (JLM)16. Magic Box – Joe Haider Quintet

(JHM Records)

17. Confirmation – Conte Candoli /Joe HaiderTrio (JHM Records)

18. Walking Tiptoe – Joe Haider /Bert Joris Big Band (JHM Records)

19. Waltz for ever my love – Sandy Patton &Joe Haider Trio (JHM Records)

20. Bilein – Don Menza-Joe Haider Quartet (JHM Records)

21. Grandfather's Garden – Joe Haider Trio (JHM Records)

22. Consequences – Dietrich/Haider Jazz Orchestra (JHM Records)

23. A Magyar/The Hungarian/Die Unga-rische – Joe Haider Trio (JHM Records)

24. A Sunday in Switzerland – Joe Haider Trio(JHM Records)

25. Mysterious – Joe Haider Double Quartet(Double Moon Records)

26. CINQ – Quintet (TCB Records)27. Lebenslinien – Joe Haider's Eleven

(Musiques Suisses)28. A Moment in Montreux – Joe Haider Trio

(Sound Hills)29. She was Looking at the Moon –

Joe Haider Quartet (JHM Records)30. Keep it Dark – Joe Haider Jazz Orchestra

& Kaleidoskope String Quartet (Challenge Records)

31. Back to the Roots – Joe Haider Jazz Orchestra & The Sparklettes (Challenge Records)

32. Waltz for ever – Joe Haider Trio (Challenge Records)

In unserem Archiv ist Joe Haider aktuell mit 16 Tonaufnahmen sehr gut dokumentiert.

pausenlos spielt wie ein Verrückter. SeinPublikum beeindruckt die Intensität, diesportliche Leistung des Vortrags, kaum diemusikalische Aussage. Das erklärt vieles,auch in Bezug auf die gestellte Frage: Esgeht nicht um europäischen oder ameri-kanischen Jazz, es geht um Personen, diekonsequent ihren Weg gehen.

Du hast die Jazzschule Bern zehn Jahrelang geleitet. Ein quantitativer Ver-gleich mit der berühmten BostonerBerklee School of Music verbietet sichschon im Ansatz. Wie beurteilst Du einequalitative Gegenüberstellung?Amerikanische Musikschulen kennen einenhörsaalartigen Betrieb, der nicht ins Detailgeht, sondern die Studenten anweist, sichvieles selber zu erarbeiten. Die Europäersind da detailversessener, hier wird demMusikschüler praktisch alles wie ein Butter-brot vor die Nase gesetzt. Dies im Gegen-satz zu unseren Anfängen. Damals warenwir auf uns selber angewiesen, es gab kein«Real Book», bestenfalls alte Schellack-platten. Musiker aus unserer Generationwaren darum anpassungsfähiger als dieheutigen, nicht selten getrieben von mate-riellem Zwang. Man kämpfte um jeden Gig,war glücklich über ein Studio-Aufgebot.Bedenken, wie man die nächste Mietezahlen soll, kennen manche Berufsmusikerheute auch, aber in anderer Form: Wir

haben damals fürs Geld gespielt, auchTanzmusik, heute unterrichten mancheBerufsmusiker an diversen Schulen, umüber die Runden zu kommen.

Wohin entwickelt sich der Jazz heute,wie kann er sich künftig definieren?Jazz hat nichts mit Hiphop zu tun, wohlaber mit Blues oder mit Gospel. Das Fataleist, dass der Jazzer nicht rechtzeitig einge-griffen hat bei der stilistischen Breitenent-wicklung und allgemeinen Inanspruch-nahme des Jazz. Der Jazzmusiker hätte vielfrüher seine Musik verteidigen müssen.Stattdessen hat sich das Lager gespalten inEwiggestrige und die Ewigmorgige. In eineraktuellen Fernsehdokumentation über EllaFitzgerald berichtet die junge schwarzeSchlagzeugerin Terri Lyne Carrington,Lehrerin an der Berklee School, dass sichdort rund 500 Vokalisten und Vokalistinnenin Ausbildung befinden. Und von denenhabe sich niemand Ella und ihren meister-haften Scat-Gesang zum Vorbild genom-men, weil angeblich zu schwer. Dabeigehört doch das Solieren über ein richtigesBebop-Stück zum Unabdingbaren im Jazz.

Vielen Dank, lieber Joe Haider, für die-sen gesprächsweisen Rundgang durchsechs Jahrzehnte persönlich erlebtenund kraftvoll mitgestalteten Jazz.

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Herbert Arnold Geller kam am 2. November1928 in Los Angeles zur Welt. Musik warbei der Familie Geller durchaus keine Ne-bensache. Die Mutter arbeitete in Kinos imGrossraum L.A. am Klavier als Begleiterinvon Stummfilmen. Herb erhielt mit achtJahren von einem Freund der Familie, dereinen Musikladen besass und Unterrichterteilen konnte, ein Altsaxofon. Zum Altsaxkam zwei Jahre später die Klarinette.

Benny Carter und Charlie Parker

Herbs Vorbild als Saxofonist war bald ein-mal Benny Carter. Von seiner Erfindungs-gabe und seiner Technik war er sehr beein-druckt. Als Teenager spielte Herb in derHigh School Band. Dort traf er den jungenPianisten Russ Freeman, der durch unddurch ein Fan von Charlie Parker war. Nichtlange ging's, und der Parker-Funke sprangvon Russ zu Herb. Hauptinspirationsquellewar nun auch für Herb das Spiel Parkers.Auch später, als er sich eigene Jazzthemenausdachte, war er stark von Parkers Musikbeeinflusst.

Mit etwas mehr als zwanzig Jahren wagteHerb Geller als junger Musiker den Sprungüber den Kontinent nach New York, wo ervon Jack Fina, einem weniger bekanntenBandleader engagiert wurde. In dessenSaxsection sass kein geringerer als derAltsaxofonist Paul Desmond. Obwohl siemusikalisch nicht immer der gleichen Auf-fassung waren, wurden Paul und Herb guteFreunde. In New York holte sich Herb bei

Claude Thornhill, Lucky Millinder und an-deren reputierten Orchestern seine erstenBigband-Erfahrungen.

Lorraine

Nach drei Jahren in New York kam Herbzurück nach Los Angeles und spielte mitallen, die in der Region Rang und Namenhatten. Mit Bill Holman, Shelly Manne,Marty Paich, Barney Kessel u.v.a. Aus einerBegegnung mit der Pianistin LorraineWalsh wurde bald mehr. Sie zogen nachNew York und heirateten. Lorraine wurdeHerbs ideale, musikalisch absolut gleich-gesinnte Partnerin.

Nach der Heirat liessen sich die Gellers inL.A. nieder und spielten mit verschiedenenWestküsten-Musikern, u.a. auch mit denLighthouse Allstars des Bassisten HowardRumsey. Für das Label EmArcy gab es eine Reihe von Aufnahmen, deren jazzge-schichtlicher Wert hoch zu schätzen ist.Zwei LPs unserer Sammlung dokumentie-ren in idealer Weise die Musik, welche dieGellers Mitte der Fünfzigerjahre zusammenmit hochkarätigen Bebop-Exponenten derWestcoast-Jazzszene aufnahmen. Beson-ders erwähnenswert sind: der TrompeterConte Candoli, der Drummer LaurenceMarable und die Bassisten Curtis Counceund Leroy Vinnegar. Was hier gespieltwurde, ist kompromissloser Bebop. DasRepertoire umfasst nur wenige Standards,viele Themen stammen von Lorraine oderHerb. Wahrscheinlich oft von beiden.

Leider wurde die produktive Zusammenar-beit der Gellers plötzlich beendet.

Im Alter von nur 30 Jahren starb LorraineGeller-Walsh an einem heimtückischenAsthma-Anfall. Tief betroffen von diesemSchicksalsschlag, entschloss sich Herb, derzu dieser Zeit mit einer Benny Goodman-Bigband in Chile unterwegs war, nichtmehr nach den USA zurückzukehren. Erreiste per Schiff nach Europa. Für denWestcoastjazz ging das Kapitel «Geller»jäh zu Ende.

Deutschland

Nach kürzeren Jobs, die Herb in Frankreichu.a. mit den ebenfalls nach Europa dislo-zierten zwei Kennys, dem Drummer KennyClarke und dem Pianisten Kenny Drew,zusammenbrachte, meldete sich die RIAS-Bigband aus Berlin mit einem interessantenAngebot. Herb akzeptierte und zog nachBerlin, wo er sich neben weiteren amerika-nischen Musikern, z.B. dem TrompeterBenny Bailey und dem Trombonisten NatPeck, in das RIAS-Ensemble eingliederte.In Berlin traf er Christine Rabsch, seinezweite Frau. Nach drei Jahren offerierteihm die NDR-Bigband, Hamburg, quasi dieStelle seines Lebens als Leadalto-Playerund Arrangeur.

Dass ein Sideman fast drei Jahrzehnte imgleichen Orchester spielt, ist ziemlich sel-ten. Herb Geller war während 28 Jahrenbei der NDR-Bigband, die sich währenddieser Zeit vom Nachkriegs-Tanzorchesterzu einem modernen Spitzenensemble wan-delte. Herb Gellers Beitrag zu dieser Ent-wicklung war beträchtlich. Seine NDR-Aktivitäten waren vielfältig. Das Altsaxofonblieb zwar immer sein Vorzugsinstrument,doch mit seinem unermüdlichen Elan, ar-beitete Herb auch ständig daran, weitereHolzblasinstrumente zu beherrschen:Klarinette, Flöte, Oboe, um hier nur drei zu nennen. Auch als Musical-Komponistfand er mit «Playing Jazz» (seine musika-lische Autobiografie) und «Jazzie Josie B.»grosse Beachtung,

Für seine nebenamtliche Lehrtätigkeit ander Hochschule für Musik in Hamburgwurde er mit dem Titel «Professor» aus-gezeichnet. Trotz dieser und weitererEhrungen blieb Herb Geller bescheiden wieimmer. Sein Kommentar zu den Auszeich-nungen war: «Well, my friends still call me Herb». Am 19. Dezember 2013 starb ermit 85 Jahren in einem Hamburger Spitalan einer Lungenentzündung.

Herb Geller – An American in Germany

Von den Lighthouse Allstars in Hermosa Beach, Kalifornien, bis zur NDR-Bigband in Hamburg ist nicht nur geografisch, sondern auch musikalisch ein weiter Weg.Doch sowohl als Westcoast-Musiker als auch als Lead Alto-Player und Solist einesgrossen deutschen Jazzorchesters war Herb Geller Extraklasse. Er galt neben Bud Shank und Art Pepper als einer der besten Altsaxofonisten des Westcoastjazz.Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau Lorraine, die während ein paar Jahren seineWeggefährtin am Piano war, zog er nach Europa und sicherte sich dort in derJazzszene einen Vorzugsplatz, hauptsächlich in Deutschland. Jimmy T. Schmid

Herb und Lorraine Geller

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Neuere Kontakte zwischen dem swissjazz-orama und Frankreich ergaben sich durchdie Besuche von Frau Dr. Anne Legrand undihren Besuchergruppen an verschiedenenAscona Festivals. Anne ist die Jazz-Histo-rikerin an der Bibliothèque Nationale deFrance, Paris, wo sie unter anderem dieSammlung des Legats von Charles Delau-nay betreut. Zudem ist sie sowohl Jazz-kennerin, eine grossartige Organisatorinund Ausstellungsgestalterin. Sie hat genaudie richtige Persönlichkeit, um in Limogesdas Doppeljubiläum «100 Jahre Jazz» und«70 Jahre Hot Club de Limoges» durch-zuziehen. 1918 spielten die afro-amerikani-schen Soldaten vom dortigen Militärspitalerstmals Jazz in öffentlichen Auftritten. DieJubiläumsanlässe mit dem Titel «Harlem àLimoges» fanden durch das ganze Jahr2018 unter der Ägide des Stadtpräsidenten,Emile R. Lombertie statt: Konzerte, Aus-stellungen, Filme, Dokumente, Radio- undTV-Sendungen, das wunderschöne Buch«Harlem à Limoges», (Editions Les Ardents,Limoges) und ein internationales Kollo-quium im vergangenen Oktober.

Ein Referat über Johnny Simmen

Zu diesem wurden Klaus Naegeli undKonrad Korsunsky vom swissjazzorama alsReferenten im Rahmen des Themen-Nach-mittags «Ecrire sur le Jazz» eingeladen.

Der Schweizer Simmen wurde als einzigerausländischer Autor präsentiert, auf glei-chem Niveau wie die französischen Jazz-pioniere Hugues Panassié und Jean-MarieMasse. Masse war auch Schlagzeuger,Maler, Hot Club-Gründer und -Präsident,Impresario von 500+ Konzerten (!), Grün-der und treibende Kraft von «Radio SwingFM» von Limoges mit täglich 24 StundenJazz, auch heute noch. Der gebürtige Aar-gauer Simmen war in Frankreich ein oftund gern gesehener Referent. Es war füruns eine grosse Freude festzustellen, dassihn zahlreiche Besucher und Experten des Kolloquiums persönlich gekannt undhoch geschätzt haben. Dank der perfektenfrankophonen Übersetzungshilfe vonMichèle Pfenninger-Simmen, der Tochtervon Johnny, und von Jacques Rohnerwährend der Vorbereitungen kam unserBeitrag trotz unserem «français fédéral»-Akzent sehr gut an. Ebenso erfeulich wares zu sehen, dass unser Referatskonzept imDialogstil, mit den begleitenden Beamer-Fotos von Simmen mit vielen seiner Musi-kerfreunde gut aufgenommen worden ist.Zudem beschränkten wir uns auf acht Musikbeispiele. Wir spielten diese ganz ab, während fast alle andern Referenten jeweils nur ein paar Takte antönten undausblendeten – keine gute Idee. So kommtkeine Stimmung auf. Die acht von uns ge-wählten Titel hat Thomas Reich perfekt auf

eine CD übertragen. Kopien davon durftenwir den Behörden, Organisatoren und Co-Referenten als Gastgeschenk des swiss-jazzoramas überreichen. Daneben nutztenwir die Gelegenheit, an allen Anlässen die neuen französischen jazzorama-Flug-blätter zu verteilen. Zusammenfassenddürfen wir feststellen, dass unsere Begeg-nungen eine frische Basis für die Beziehun-gen des swissjazzorama mit der internatio-nal orientierten Jazzwelt geschaffen haben.

Sehr angenehm überrascht waren wir vonder offenen, freundschaftlichen Atmos-phäre unter den Teilnehmern, welche teilweise mit ihren Vortragsthemata (z.B.Panassié oder Delaunay) entweder stark imtraditionellen oder im modernen Bereichidentifiziert waren. Dazu gab es jedochkeine einzige gehässige Bemerkung, trotzdes jahrelangen Glaubensstreites, der aufdem Thema «traditional vs. modern» vorallem in Frankreich ausgetragen wordenist. Hat da vielleicht Johnny Simmens aus-geprägte und gelebte Offenheit für Neuesim Jazz noch eine weitere, eine langfristigentschärfende, wohltuende Auswirkunggehabt? Konrad Korsunsky

Reminder: Besuchen Sie wieder einmaldie Simmen-Sammlung in Uster oder aufwww.swissjazzorama.ch

Was hat Harlemmit Limoges zu tun?

Abbildungen (im Uhrzeigersinn):Klaus Naegeli vor der Bibliothèque FrancophoneMultimédia, Limoges.Anne Legrand, Organisatorin des Inter-nationalen Jazz Kolloqiums.Klaus Naegeli und Konrad Korsunsky……und während der der Simmen-Präsentation(Leinwandbild).Viele Zuhörer im Auditorium der Bibliothèque.

Im Jazzletter Nr. 42 erläuterte Jacques Rohner die Entstehung der Jazz-Beziehungen zwischen der Schweiz und Frankreich. Langjährige Freundschaftenentstanden ab 1938 zwischen Jazzkennern hier und dort.

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ROY HARGROVEUS-amerikanischer Trompeter des Post Bop, 16.10.1969–02.11.2018Hargrove gehört zu den zahlreichen Alumnider Berklee School Of Music in Boston. Inder Überzeile ist er zwar als Post-Bop Musi-ker affichiert, sein musikalisches Spektrumbedeckte jedoch weite Bereiche innerhalbdes Jazz und anverwandter Richtungen.Nach dem von seinem Entdecker WyntonMarsalis geförderten Einstieg als «YoungLion» in der Post Bob Welt tat er sich etwa1997 mit der Gruppe Crisol auf der live inItalien entstandenen CD Habana als LatinJazzer hervor. Dies brachte ihm 1998 einenGrammy ein. Das Bewusstsein, wo seineWurzeln lagen, trat indes in der Zusam-menarbeit mit älteren und bestandenenGrössen, wie etwa Johnny Griffin oder JoeHenderson, zu Tage. Als er ab 2003 seineMusik um den RH Factor (Name seiner da-malige Gruppe) erweiterte, fanden auchHip Hop, Soul und Funk Eingang in seinSchaffen. Der ausgesprochen groovigeAnsatz dieser Musik begeisterte auch einPublikum ausserhalb der engeren Szene.Schon im Titel Directions in Music, einge-spielt zusammen mit Mike Brecker, HerbieHancock, John Patitucci und Brian Blade,deutet sich der Anspruch an, als diesesQuintett am 25. Oktober 2001 die Bühnebetrat. Ort des Geschehens war die be-rühmte Massey Hall in Toronto, wo schon48 Jahre zuvor ein anderes Quintett einlegendäres Konzert gegeben hatte: CharlieParker mit Dizzy Gillespie, Bud Powell,Charles Mingus und Max Roach. Das Ge-wicht dieser Vorgänger wird Hargrove imFortgang der Jazzgeschichte kaum erlan-gen, aber als ebenso umtriebiger Musikerwie hervorragender Trompeter wird er lan-ge in bester Erinnerung bleiben. Am Endeseines nicht überlangen Lebens, das leiderauch nicht frei von Drogen verlief, war ererschöpft und starb an Nierenversagen.

Als helvetisches P.S: lässt sich anzufügen,dass Hargrove, der in seinen Performancesdem Flügelhorn eine ebenbürtige Rollebeimass, sich für seine Instrumente derFertigkeiten des Aargauer Instrumenten-bauers Inderbinen bediente. Heinz Abler

TROUVAILLENfindet man viele in unseremArchiv

«The Georgians» mit Frank Guarente:Erste Tonaufnahme in der Schweiz 1926 im Café Esplanade in Zürichmit einer amerikanischen Hot Band. Diese wurde unter dem Schweizer Label Kalophon-Recordveröffentlicht.

Frank Guarente, geboren als Francesco Saverio Guarente am 5. Oktober 1893 in Montemiletto, Italien,gestorben am 21. Juli 1942 in New York City war ein US-amerikanischer Jazz-Trompeter, Komponist undBandleader. 1923 hatte er mit den Georgians und mit Spechts Orchester grosse Erfolge in London undParis. Ab 1924 leitete er eigene Bands und machte in der Schweiz Aufnahmen für das Label Kalophon.Dann spielte er in der britischen Tanzband von Bert Firma. 1928 kehrte er in die USA zurück. fs

IN MEMORIAMBLICK INS ARCHIV

1957 erschien eine Sonderausgabe des Knaurs Jazz Lexikonfür den Buchclub Ex Libris Zürich.

Dieses Lexikon war eine gute Hilfe fürjunge Jazzfans, sich in deutscher Spracheüber Jazz, Orte, Stile, Musiker undMusikerinnen zu informieren.

Aber erst die 170 Illustrationen vonStephen Longstreet machten das Buch zueiner Trouvaille. Die Zeichnungen entstan-den in einem Zeitraum von ca. 20 Jahren.

Stephen Longstreet, geboren als Henri Weiner(1907– 2002) war ein US-amerikanischer Schrift-steller, Drehbuchautor und Illustrator. Er ver-öffentlichte auch unter diversen Pseudonymen.11-jährig lernte er den Sänger Paul Robesonkennen. Von ihm lernte er viel über Musik.Später studierte er an der New York School of Fine and Applied Art. Bald war er zeichnendin Greenwich Village und im Cotton Club inHarlem anzutreffen. Er ging auch nach Paris, woer Pablo Picasso und Henri Matisse begegnete.Zurück in den USA beschäftigte er sich wiedermit dem Jazz und zeichnete Jazzgrössen wieCount Basie, Billie Holiday, Sarah Vaughan,Duke Ellington u.a. Seine Arbeiten wurden auchin diversen Museen ausgestellt. WA

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Der Jazzletter erscheint 2–3 x jährlichRedaktion: Jimmy T. Schmid (J.T.S.) Layout: Walter Abry (WA)Copyright: swissjazzoramaAckerstrasse 45, 8610 Uster, +41(0)44 940 19 [email protected] www.jazzorama.chContact pour la Suisse romande:VakantContato per la Svizzera italiana: VakantMitarbeiter dieser Nummer: Heinz Abler (ha),Walter Abry (WA), René Bondt, Hans Burkhalter,Fred Herster. Bruno Gut, Konrad Korsunsky,Klaus Naegeli, Fernand Schlumpf (fs), Jimmy T.Schmid (J.T.S.), Irène Spieler, Christian Steulet

IMPRESSUM

IN MEMORIAMZusammengestellt von Heinz Abler

RANDY WESTONUS-amerikanischer Pianist und Komponist des Modern Jazz06.04.1926– 01.09.2018Weston ist gewiss einer derjenigen, auf den dieZuschreibung Afroamerikaner punktgenau passt.Nachdem er dem R&B, dem nachfolgenden Be-und Hardbop entwachsen war, widmete er sichzeit seines langen Lebens der Verbindung mitder afrikanischen Herkunft seiner eigenen Kultur.Er bereiste den afrikanische Kontinent, lebte dortwährend Jahren und tauchte insbesondere in die mystische Welt der marokkanischen Gnawa-Bruderschaft ein. Diese auch spirituell unterleg-ten Reisen zwischen den einzelnen Kulturenbilden sich in seiner Musik ab, was seinenBeitrag zum Jazz aus der Masse heraus hebt.

HAMIET BLUIETTUS-amerikanischer Baritonsaxofonist und Flötist des Avantgarde Jazz16.09.1940–04.10.2018Bluiett war ein Mitbegründer der Black ArtistsGroup (BAG) in St.Louis, neben der weit bekann-teren Chicagoer AACM (Association for theAdvancement of Creative Muscians) eine wei-tere Gemeinschaft zur Förderung kreativer afro-amerikanischer Musikkultur. Somit waren dieVoraussetzungen gegeben, um mit Kollegen ausder Region wie Oliver Lake und Julius Hemphillzusammen mit David Murray das über langeJahre die Avantgardeszene bereichernde WorldSaxophone Quartet zu gründen. Dort übernahmer den Baritonpart und trat in dieser Funktionauch des öfteren am Willisauer Jazz Festival auf.

TOMASZ STANKOPolnischer Trompeter des zeitgenössischen Jazz11.07.1942–29.07.2018Stankos eigenwillger Stil, getragen von einemTon, den man als von «rauher Wärme» kenn-zeichnen könnte, liess sich nach dem Anspielenweniger Takte eines Stücks erkennen. Aus derpolnischen Szene, die sich um den Pianisten undKomponisten Krzysztof Komeda gruppiert hatte,wuchs Stanko zu einem Leader heran, der sichanfänglich an Konzepten von Ornette Colemanorientierte. Für ECM, dem Label dem er während40 Jahren die Treue hielt, nahm er zahlreicheAlben als Leader auf. In den letzten Jahrenvornehmlich mit seinem polnischen und NewYorker Quartett.

JERRY GONZALEZUS-amerikanischer Trompeter und Perkussionist des Afro-Cuban Jazz 05.06.1949–01.10.2018Gonzalez, puertoricanischer Herkunft, brachtedas Kunststück fertig, sich als Trompeter undCongalero gleichermassen einen Namen zumachen. Seine Spielwiese war der Salsa, auf derer sich mit seiner Fort Apache Band tummelte.Die überaus gekonnte Musik dieser Gruppe warund ist noch immer State oft the art in diesemLatin-Genre und verbreitet ein locker entspann-tes Ambiente ohne trivial zu sein. Darüberhinaus spielte Gonzalez häufig Flügelhorn undnahm ironischerweise als Perkussionist 1986 mitFranco Ambrosetti die Scheibe Movies auf.

BIG JAY MCNEELYUS-amerikanischer Tenorsaxofonist des Rhythm & Blues29.04.1927–16.09.2018McNeely war auf seinen Instrument alles andereals ein Leisetreter, was wohl der Stilrichtung, der

er sich verschrieben hatte, geschuldet war. DieSpielweise ist auch unter dem Begriff «Honkin'»geläufig. Als «Rampensau» beglückte McNeely das Publikum zudem mit akrobatischen Einla-gen, indem er das Saxofon am Boden, auf demRücken liegend, spielte. Er wechselte häufig dieRecord-Labels, seine wahre Bestimmung jedochfand er gewiss – wie gesagt – an der Rampe.

BILL WATROUSUS-amerikanischer Posaunist des Modern Jazz 08.06.1939–02.07.2018Watrous gehörte zu jenen Posaunisten, die ihrInstrument aus der Tradition von J.J. Johnsonheraus eher elegant als kraftstrotzend zu spielenwussten. So war er ein wohl geschätztes Mit-glied in Big Bands (Woody Herman, MaynardFerguson oder Quincy Jones), aber auch Leitereiner eigenen unter dem Namen ManhattanWildlife Refuge Big Band firmierenden Truppe.Er trat auch als Bandmate der Jazz-Rock-GruppeTen Wheel Drive sowie zusammen mit KaiWinding, Albert Mangelsdorff und Jiggs Whig-ham unter dem Titel Trombone Summit auf.

ERICH KLEINSCHUSTERÖsterreichischer Posaunist des Modern Jazz 23.01.1930 –12.09.2018Kleinschusters Herkunft aus der österreichischenJazz-Metropole Graz erleichterte ihm den Zu-gang zur europäischen Szene, wo er unter ande-rem in den Big Bands von Kenny Clarke/FrancyBoland sowie bei George Gruntz' Concert JazzBand im Posaunensatz sass. Bis 1982, ihremEnde, leitete er überdies die ORF-Big Band.Ausserdem widmete er sich in Wien und seinerHeimatstadt Graz der Ausbildung des Jazz-Nach-wuchses und organisierte den Jazz-SommerGraz, eine feste Grösse in der europäischen JazzAgenda.

WAYNE DOCKERYUS-amerikanischer Bassist des Hard Bop Jazz 26.06.1941–12.06.2018Wayne Dockery war der jüngere Bruder desPianisten Sam Dockery, mit dem er die Mitglied-schaft, wenn auch zeitlich auseinandeliegend,bei Art Blakey's Jazz Messengers teilte. Dockery,der eigentlich Mathematik und Geschichtestudiert hatte, erschien in vielen Gruppen desHard und Post Bop, so etwa bei Stan Getz oderHal Galper. 1990 zog er nach Paris, wo er vorallem in Gruppen um Archie Shepp und SonnyFortune auftrat.

SONNY FORTUNEUS-amerikanischer Alt- und Sopransaxofonist des Post Bop Jazz19.05.1939 – 25.10.2018Fortune, der zuweilen auch als Flötist wirkte kam zunächst aus der Rhythm & Blues-Welt,ehe er sich ab der Mitte der 60er Jahre bis in die frühen 70er den Grupen um Elvin Jones,Mongo Santamaria sowie McCoy Tyner an-schloss. Tyner und Jones sind Schlüsselnamen,die auf John Coltrane verweisen und damit stilistisch auch Fortune kennzeichnen. Nebenvielen anderen Engagements spielte der starkunterschätzte Fortune auch bei Miles Davis,bevor sich dieser zwischen 1975 und 1980 aus der Szene verabschiedete.

NANCY WILSONUS-amerikanische Sängerin des Modern Jazz, R&B und Pop20.02.1937–13.12.2018Wilson durchlebte ihre ergiebigen Jahre als Jazz-Sängerin in den sechziger Jahren. Als

Gewinnerin mehrerer Grammies (den letzten2007) trat sie später in Personality Shows undvor allen auch in Las Vegas auf, wo sie sichnaturgemäss eher vom engeren Jazzfach ent-fernte, ehe sie sich ab den Achtzigern vor allemauch zusammen mit dem Pianisten RamseyLewis wieder auf der Jazz-Szene zurückmeldete.

CURT PRINASchweizer Pianist, Posaunist,Arrangeur und Komponist31.8.1928–18.5.2018Curt Prina war einer der profiliertesten Schwei-zer Jazzmusiker in der Zeit, als Jazz noch haupt-sächlich Tanzmusik war. Schon als Teenager ginger 1946 mit der damals in der Schweiz bekann-ten Bigband von Bob Huber auf eine Spanien-tournee. 1948 engagierte Fred Böhler den Zür-cher für sein Sextett als Pianist und Arrangeur.Ein grosser Karriereknick nach oben gelang ihm,als er anfangs der Fünfzigerjahre Mitglied desHazy Osterwald-Sextetts wurde. Er spielte Piano,Posaune, arrangierte und komponierte. Als wich-tiger Exponent des Schweizer Swingjazz wird eruns stets in bester Erinnerung bleiben. J.T.S

KorrigendaIn der 42. Ausgabe des Jazzletters ist uns imNachruf für Lukas «Cheese» Burckhardt einFehler bei der Schreibweise des Namens unter-laufen. Nicht «Burkhardt» sondern «Burckhardt»(mit ck) ist richtig.

Harlem à Limoges –auch auf CD!

19 Live- Radiomitschnitte1946 –1959

mit Claude Bolling, Buck Clayton,Guy Lafitte, Willie «The Lion» Smith,Albert Nicholas, Don Byas,Bill Coleman, Lionel Hampton u.a.

Preis: 15 Euro. Zu beziehen bei:Bibliothèque Francophone Multimédia,Place Aimé-Césaire 2, 87000 Limoges(France). bfm.limoges.fr