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Fersenbeinbruch
Transcript of Fersenbeinbruch
Nach der Rehabilitaionsstatistik dergewerblichen Berufsgenossenschaftenvon 1990 ist entsprechend einer Ana-lyse von 1.131.582 Unfällen der Fer-senbeinbruch von allen Brüchen desmenschlichen Körpers derjenige, derden höchsten MdE-Index aufweist.Das heißt, 72,3% aller Patienten, diejemals einen Fersenbeinbruch erlei-den, sind dauergeschädigt und dies ineiner Höhe von im Mittel 25,5% MdE.Winkler [13] beobachtete sogar, daßPatienten nach konservativ-funktionel-ler Behandlung bei Beteiligung desChopart-Gelenks (Typ Böhler VIII)mit einer mittleren MdE von 40–50%bei einseitiger Kalkaneusfraktur einge-stuft werden. James u. Hunter [6] be-richteten noch 1983 über die Notwen-digkeit subtalarer Arthrodesen in 28%,Double- und Triple-Arthrodesen in10% sowie über notwendige Amputa-tionen in 3% der Fälle nach konserva-tiv behandelten Fersenbeinbrüchen.
Diese erschreckenden Zahlen las-sen es unverständlich erscheinen, daßauch heute noch, an der Schwelle zumJahr 2000, intraartikuläre Fersenbein-brüche beim jungen aktiven Menschennicht an allen unfallchirurgischen Zen-tren offen reponiert, stabil osteosyn-thetisch versorgt und funktionell nach-behandelt werden.
Probleme der konservativ-immobilisierenden Behandlung
Fersenbeinbrüche, insbesondere in-traartikuläre Mehrfragmentfrakturen,haben immer die Neigung zur starkenAnschwellung der umgebenden Weich-teile. Eine geschlossene Einrichtung,insbesondere nach der Methode vonOmoto et al. [8], die in Narkose undBauchlage des Patienten vorgenom-men wird, kann bei einiger Übung desBehandlers innerhalb der ersten Tagezu einer relativ guten Repositionführen. Das erzielte Repositionsergeb-nis kann jedoch nach eigener Erfah-rung im Gipsverband nicht gehaltenwerden, da das Repositionsergebnisnach Abschwellen der Weichteile ver-lorengeht. Wird dagegen die initialestarke Schwellung bis etwa zum 8. bis10. Tag nach dem Trauma abgewartet,gelingt das Manöver nach Omoto et al.kaum mehr. In der Regel resultiert eineRedislokation zur ursprünglichen Fehl-stellung, so daß mit den gleichen Fol-geerscheinungen zu rechnen ist wie beiprimär funktioneller Behandlung.
Probleme der primär-funktionellen Behandlung
Je nach Ausmaß der intraartikulärenZerstörung können eine Reihe ver-schiedener Faktoren der Fehlheilungbeobachtet werden, die multifaktoriellein erhebliches Beschwerdebild unddie hohe Rate von notwendigen sub-talaren Arthrodesen und weiterführen-den Korrektureingriffen nach sich zie-
Trauma Berufskrankh (2000) 2 [Suppl 1] : S129–S132 © Springer-Verlag 2000
FersenbeinbruchBringt die Osteosynthese Vorteile?
H. Zwipp, S. Rammelt, J. M. Gavlik, R. GrassKlinik und Poliklinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Technische Universität Dresden
Prof. Dr. H. Zwipp, Klinik und Poliklinik fürUnfall- und Wiederherstellungschirurgie, Tech-nische Universität Dresden, Fetscherstraße 74,D-01307 Dresden e-mail: [email protected], Tel.: 0351-4580, Fax: 0351-4584307
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Zusammenfassung
Die Vorteile eines offen-operativenVorgehens, insbesondere bei Verwen-dung des ausgedehnt lateralen Zu-gangs mit übungsstabiler Plättchen-osteosynthese, sind gegenüber demkonservativen Vorgehen in der neue-ren Literatur unbestritten. Nicht nurdie besseren funktionellen Resultate,die raschere Erreichbarkeit der Ar-beitsfähigkeit, die erkennbare Ten-denz einer günstigeren Einstufungder Minderung der Erwerbsfähig-keit, sondern v. a. auch die erkennbarniedrigere Rate von notwendiger, se-kundärer subtalarer Arthrodese von3–5% vs. 28% sind unbestreitbar. Ei-ne prospektiv-randomisierte Studiehat erstmals 1996 den wissenschaft-lichen Beweis erbracht, daß dasprimär operative Vorgehen mitübungsstabiler Plättchenosteosyn-these dem konservativen Vorgehenhochsignifikant überlegen ist. Die ei-genen Erfahrungen zeigten, daß dieintraoperative arthroskopische Kon-trolle der posterioren Facette zurÜberprüfung der Gelenkrekonstruk-tion sicherer ist als die intraoperativeBrodén-Aufnahme. Dadurch ist mitweiteren Qualitätsverbesserungen inder operativen Versorgung zu rech-nen. Alle Autoren berichteten überdie anspruchsvolle Operationstech-nik und über eine proportionaleKomplikationsrate hinsichtlich dersog. Learning curve. Deshalb solltendiese Operationen nur von sehr er-fahrenen Operateuren durchgeführtund Patienten mit intraartikulärerFraktur bei fehlender Kontraindika-tion rasch in ein UnfallchirurgischesZentrum überwiesen werden. Die un-verändert schwierigen Kalkaneus-frakturen sind, nach Erfahrung alleroperativ tätigen Autoren, in denzweit- und drittgradigen offenenFrakturen zu sehen. Nach eigener Er-fahrung ist bei diesen Frakturen einesehr frühe, freie plastische Deckungnotwendig, um sie auch, wie ge-schlossene Frakturen, mit einer in-ternen übungsstabilen Osteosynthe-se stabilisieren zu können.
Schlüsselwörter
Kalkaneus · Fraktur · KonventionelleBehandlung · Subtalare Arthroskopie ·Offene Frakturen
BEHANDLUNGSVERFAHREN
hen, da die Patienten in der Regel nochnicht einmal in einem orthopädischenSchuh mit Abrollsohle schmerzfreilaufen können.
Subtalare Früharthrose, Kalkaneo-Kuboid-Arthrose, OSG-Präarthrose
Während Böhler [3] noch eine Inkon-gruenz der talokalkanearen Gelenk-fläche in 62% der Fälle angab, kanndiese seit Einsatz der CT-Analyse in84% der Fälle [12] beobachtet werden.
Seit systematischer Einführung derComputertomografie zur Analyse derFersenbeinbrüche ist auch bekannt,daß in allen Fällen einer intraarti-kulären Fraktur des Subtalargelenkszusätzlich das Kalkaneo-Kuboid-Ge-lenk in 52% der Fälle [14] zerstört ist.Diese Frakturen, die von Böhler [3] alsTyp VII/VIII in 23% der Fälle gesehen
wurden, sind heute mit 52% viel häu-figer beobachtbar und nach Winkler[13] mit einer extremen MdE belastet.
Die 3. Gelenkeinheit, d. h. die me-diale Facette des Kalkaneus, welche inetwa 20% der Fälle mit der anteriorenFacette eine Einheit bildet, ist in 8%der Fälle zusätzlich frakturiert [14].
Nicht nur bei diesen 3 Gelenk-brüchen, sondern bereits bei den 2 Ge-lenkfrakturen des Fersenbeins kommtes in der Regel zur Dorsalkippung desTalus, wodurch die breitere Trochleatali permanent in der OSG-Gabel fehl-gestellt ist. Diese Pathologie führtnicht nur zu einem frühen Impinge-ment im Bereich der Tibiavorderkante,sondern stellt aufgrund der sekundärenInkongruenz eine Präarthrose des obe-ren Sprunggelenks dar.
Ossär-biomechanische Probleme
Aufgrund der regelmäßig zu beobach-tenden Scherfraktur zwischen Su-stentaculum und Tuber calcaneikommt es neben den Gelenkverwer-fungen in aller Regel zu einer Lateral-versetzung des Tubers mit sehr häufi-gem Ausbeulen der lateralen Fersen-beinwand und einem konsekutiven Im-pingement der Peronealsehnen. DieseVersetzung ist in der Regel mit einerHöhenminderung des Fersenbeins, ei-ner Verkürzung desselben in bezug aufdie laterale Fußsäule und meist mit ei-ner Varus- oder Valgusfehlstellung desRückfußes assoziiert. Allein dadurchwird die wichtige Funktion des Fer-senbeins als Hebelarm für den M. tri-ceps surae erheblich gestört. Selbst ei-ne stark dislozierte Fraktur des Tubermediale oder ein versprengtes planta-res Fragment können zu erheblichenschmerzhaften Problemen im Rück-fußbereich in der Initialphase des Bo-denkontakts führen.
Insbesondere durch eine relevanteFehlstellung des Rückfußes (> 5°)kommt es zu einer fortgeleiteten Fehl-belastung des oberen Sprunggelenksim Sinn einer Präarthrose. Durch dieVerkürzung der lateralen Säule unddurch die zusätzliche Höhenminde-rung kommt es in der Regel zumschweren posttraumatischen Pes pla-no valgus mit Abduktionsfehlstellungdes Mittel- und Vorfußes. DieseStörung der Trigonometrie des Fußesführt zusätzlich dazu, daß die Vor-spannung der Plantaraponeurose ge-schwächt und damit konsekutiv eineKalkaneo-Kuboid-Arthrose gefördertwerden.
Ein sehr schwerwiegendes ossäresProblem ist durch die erhebliche Ver-setzung der posterioren Facette nachlateral gegeben, die in manchen Fällensogar dazu führen kann, daß es nebendem Peronealsehnenimpingement zumsog. Abutment kommt, d. h. zumknöchernen Aufeinanderreiben vonAußenknöchelspitze und dem fehlver-heilten posterioren Facettenfragment.Dieses Phänomen erklärt auch, warummanche Patienten nach subtalarer Ar-throdese wegen fehlverheilter Kalka-neusfraktur nicht beschwerdefrei wer-den, wenn dieses Abutment nicht be-seitigt wird.
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BEHANDLUNGSVERFAHREN
Trauma Berufskrankh (2000) 2 [Suppl 1] : S129–S132 © Springer-Verlag 2000
Calcaneus fracture.Is osteosynthesis beneficial?
H. Zwipp, S. Rammelt, J. M. Gavlik, R. Grass
Abstract
Compared to nonoperative methods,the advantages of open reduction andinternal fixation of calcaneus frac-tures using an extensive lateral ap-proach and stable plate osteosynthe-sis are undisputed in the current liter-ature. Improved functional results,patients’ faster return to work, lowerdisability ratings, and especially theconsiderably lower chance of havingto perform secondary subtalar ar-throdeses (3–5% vs. 28%) are strongarguments for operative treatment. Aprospective randomized trial con-ducted in 1996 clearly demonstratedthe significant advantages of primaryoperative treatment with plate os-teosynthesis over conservative pro-cedures. Additionally, our own expe-rience shows that intraoperativearthroscopic control of subtalar jointcongruity is safer than intraoperativeBrodén views, which finding should
result in further improvement of op-erative results: all authors reported onthe demanding surgical techniquesand proportionately higher complica-tion rates connected with the so-called learning curve, making theseprocedures best reserved for very ex-perienced surgeons. In the absence ofcontraindications, patients with intra-articular fractures should be trans-ferred quickly to the nearest traumacenter. In the eyes of all active au-thors, second and third degree openfractures remain the most complicat-ed calcaneus fracture cases. Accord-ing to our experience, very early andfree flap coverage is needed to makethese fractures suited to internallystable osteosynthesis.
Key words
Calcaneus · Fracture · Nonoperativetreatment · Subtalar arthroscopy ·Open fractures
Erfahrungsgemäß ist bei fehlver-heilten Kalkaneusfrakturen nach pri-mär funktioneller Behandlung einereorientierende Rückfußarthrodese mitkortikospongiösen Blöcken notwen-dig, d. h. Höhenausgleich des Rück-fußes mit Anhebung des Talus zur Aus-richtung der Talo-Metatarsal-Achse,Varus- bzw. Valguskorrektur, indirek-ten Beseitigung des Abutments undAbtragung eines lateralseitigen Fer-senbeinbuckels zur Elimination desPeronealsehnenimpingements.
Dynamisch-funktionelle Probleme
Da das Fersenbein bei der Kraftübertra-gung vom Bein zum Fuß als zwi-schengeschalteter Knochen von M. tri-ceps surae und Plantaraponeurose fun-giert, kann jede Veränderung der Mus-kelansätze zur Imbalance vorwiegendim oberen Sprunggelenk führen. Als to-nischer Muskel neigt der M. triceps su-rae zur Verkürzung und kann bei höhergetretenem Tuber calcanei (das gilt auchfür den extraartikulären Entenschnabel-bruch) nicht mehr als vollwertiger An-tagonist zum M. tibialis anterior ange-sehen werden, wenngleich dieser beimKollabieren des gesamten Längsfußge-wölbes ebenfalls geschwächt wird. Ne-ben der Störung der Riegelfunktion derPlantaraponeurose und einer Schwä-chung der Peronealsehnen durch mögli-ches Impingement kann es außerdem zuIrritationen der Sehnen der Mm. tibialisposterior, flexor hallucis longus undflexor digitorum longus kommen. Dar-über hinaus kann ein frakturbedingtes,nicht rechtzeitig entlastetes Kompart-mentsyndrom des Fußes zu Muskelnar-ben mit der Ausbildung von Hammer-zehen führen.
Probleme der semioperativen Therapie
Wenngleich Böhler [3] mit derWesthues-Methode und später Forgonu. Zadravecz [5] über nur geringe In-fektionsprobleme bei dieser perkuta-nen, minimalinvasiven Methode be-richteten, so konnten Börner et al. [4]insbesondere bei der Verwendung vonDrahtextensionen und Steinmann-Nä-geln eine Fersenbeinosteomyelitis in32 von 161 operierten Fällen beobach-ten. Diese hohe Rate einer Fersenbein-
osteomyelitis von 20% ist nach denAutoren z.T. dadurch erklärt worden,daß 42,5% eine primär offene Frakturhatten.
Probleme und Vorteile der primär offenen, übungsstabilen Plättchenosteosynthese
Die Komplikationen, die sich durch dasoffen operative Vorgehen ergeben, sindim wesentlichen durch den Zugangselbst, d. h. durch Weichteilproblemegegeben. So werden bei Anwendungdes ausgedehnt lateralen Zugangsoberflächliche Wundrandnekrosen ingroßen operativen Serien von Tscherneu. Zwipp [12] in 8,5%, von Benirsch-ke et al. [1] in 10% der Fälle angege-ben. Während Tscherne u. Zwipp [12]in 157 kontrollierten Fällen keine Neu-rinome im Verlauf des N. suralis sahen,beobachteten Benirschke et al. [1]3,8% und Sanders et al. [10] nach Ein-führung des ausgedehnt lateral Zu-gangs keine solche Komplikationmehr. Revisionspflichtige Hämatomewurden von Tscherne u. Zwipp [12]mit 2,6% angegeben. Weichteil- undKnocheninfektionen werden nach derneueren Literatur in 2–6% der Fälle [1,2, 9, 10, 12] gesehen, dies fast aus-schließlich bei primär zweit- und dritt-gradig offenen Frakturen. Die Ent-wicklung von postoperativen Pseudar-throsen wurde mit 0,7–1,6% [9, 12] angegeben. Eine sekundär notwendi-ge Unterschenkelamputation wegenschwerer septischer Komplikationenwurde nur von Sanders et al. [10] in 2 von 60 Fällen erwähnt.
Die Vorteile des offen operativenVorgehens mit primär übungsstabilerOsteosynthese sehen alle Autoren inder Wiederherstellung der Rückfuß-biomechanik, des funktionellen Ge-winns und der geringen Rate der se-kundär notwendigen subtalaren Ar-throdese in nur 2,3–3,7% der Fälle [1,9, 12, 14] bei einem Nachbeobach-tungszeitraum von 2–4 Jahren. Von al-len Autoren wird hervorgehoben, daßselbst bei einer höheren Arthrodesera-te nach 10jährigem Verlauf eine sub-talare Arthrodese an einem gut rekon-struierten Rückfuß zusätzliche Vortei-le gegenüber dem primär funktionel-len Vorgehen beinhaltet.
Eigene, jüngere Untersuchungen[9] deuten darauf hin, daß bei BG-lichVersicherten und gutachterlich gut do-kumentierten Fällen die mittlere MdE-Rate bei nur 18,6% liegt.
Diskussion
Da die in der Literatur angegebenenErgebnisse zum primär funktionellen,semioperativen oder primär offen ope-rativen Vorgehen retrospektiven, allen-falls prospektiven Studien zuzuordnensind und zahlreiche Autoren völlig un-vergleichbare Bewertungs-Scores zurBeurteilung der Ergebnisse verwen-den, kann im Streitgespräch zur Frageoperativ vs. konservativ nur eine pro-spektiv-randomisierte Studie verläßli-che Werte liefern. Eine solche wurdevon Thordarson u. Krieger 1996 [11]an 30 Patienten durchgeführt. Mit einerstatistischen Signifikanz von < 0,01stehen 7 sehr gute, 5 gute, 2 befriedi-gende und 1 schlechtes Resultat in deroperativen Gruppe 1 sehr guten, 3 gu-ten, 1 befriedigenden und 6 schlechtenErgebnissen gegenüber. Bei vergleich-baren Frakturtypen (Sanders-Typ II/III) und bei Anwendung des internatio-nal anerkannten AOFAS-Scores ist da-mit ein wissenschaftlicher Beweis er-bracht, der ganz klar die Vorteile desprimär operativen Vorgehens bestätigt.Diese Aussage wird nicht geschwächt,sondern hinsichtlich der früheren Ar-beitsfähigkeit von Autoren [7] gestützt,die zwar größere Kollektive über einenlängeren Zeitraum, aber nicht prospek-tiv-randomisiert untersuchten.
Literatur
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