Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer...

37
© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute Februar 2019 __________________________________________________________________ Herausgeber: Dr. Hansjörg Leichsenring Heideweg 37d D-22952 Lütjensee www.Der-Bank-Blog.de T. +49 (4154) 98 96 28 M. +49 (151) 121 06 760 E-Mail: [email protected] Disclaimer Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detail- lierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen Umständen des Einzel-falls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens Der Bank Blog oder Dr. Hansjörg Leichsenring wird ausgeschlossen.

Transcript of Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer...

Page 1: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog

Auswirkungen digitaler Technologietrends

auf Finanzinstitute

Februar 2019

__________________________________________________________________

Herausgeber: Dr. Hansjörg Leichsenring

Heideweg 37d

D-22952 Lütjensee

www.Der-Bank-Blog.de

T. +49 (4154) 98 96 28

M. +49 (151) 121 06 760

E-Mail: [email protected]

Disclaimer

Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detail-lierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen Umständen des Einzel-falls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens Der Bank Blog oder Dr. Hansjörg Leichsenring wird ausgeschlossen.

Page 2: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 2

Herausforderungen durch digitale Technologien

Dr. Hansjörg Leichsenring

In den vergangenen Jahren hatte es die Finanzbranche mit einer Vielzahl von The-men und Einflüssen zu tun, darunter

Die noch immer spürbaren Folgen der Finanzkrise.

Die anhaltende Niedrigzinsphase.

Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO.

Der Zustrom traditioneller und nicht traditioneller Wettbewerber in den Markt für Finanzdienstleistungen, wie Neobanken, FinTechs und BigTechs und der damit einhergehende Preis- und Margendruck,

Zudem haben neue Technologien und die damit verbundene Digitalisierung Einzug in den Finanzsektor gehalten und begonnen, diesen nachhaltig zu verändern. Digitale Technologien und Trends spielen damit eine wichtige Rolle für die Zukunft der Finan-zinstitute. Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen sich Banken und Sparkassen den Herausforderungen stellen.

Doch welche Trends sind für die Zukunft relevant und was genau sind die Auswir-kungen auf die einzelnen Bereiche einer Bank?

Diese und weitere Fragen werden nachfolgend von erfahrenden Experten aus ver-schiedenen Beratungsunternehmen für ausgewählte Technologien berantwortet. Ziel der Beiträge ist es, möglichst konkret darzustellen, welche (direkten und indirekten) Auswirkungen einzelne Technologien bzw. Technologietrends auf die verschiedenen Bereiche eines Kreditinstituts haben.

Herausgekommen ist eine spannende Mischung. Einige der behandelten Themen halten bereits Einzug in den Bankalltag, andere liegen noch in der Zukunft. In jedem Fall sollten sich die Institute mit den Auswirkungen, Chancen und Risiken befassen. Zum einen gilt es, vorhandene Vorteile schnell und konsequent zu nutzen, zum an-deren gilt es, nicht den Anschluss an wichtige Trends zu verpassen.

Viel Freude beim Lesen. Bleiben Sie dem Bank Blog treu und empfehlen Sie ihn wei-ter. Herzlichen Dank

Page 3: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 3

Inhaltsverzeichnis

Herausforderungen durch digitale Technologien ........................................................ 2

Dr. Hansjörg Leichsenring

Schluss mit Terminator-Szenarien - Hot Topic Machine Learning im Banking ........... 5

Deniz Arslan, Sascha Bauer, Nicole Tranker

Science-Fiction oder Realität? Was kann das maschinelle Lernen, das dabei ist, unsere Welt zu

verändern?........................................................................................................................................... 5

What’s all the Buzz about? Drei Mythen rund um Machine Learning ................................................. 5

Machine Learning front-to-end – eine Reise durch die Wertschöpfungskette .................................... 6

Quo vadis Machine Learning? Trends für das Technologiejahr 2019 ................................................ 7

Banking in der Cloud: Chance oder Risiko? - Einstieg und Strategien ....................... 8

Andreas Klöber

Großteil der Banken sieht Vorteile der Cloud ...................................................................................... 8

Einstieg in die Cloud ............................................................................................................................ 8

Phasen einer Cloud-Einführung .......................................................................................................... 9

Alternative Cloud-Strategien ................................................................................................................ 9

Regulatorische Risiken der Cloud ..................................................................................................... 10

Sicherheitsbedenken ausräumen ...................................................................................................... 10

Zukunft Cloud .................................................................................................................................... 11

Intelligente Software-Roboter entlasten Bankmitarbeiter - Robotics: Herausforderungen und Potenziale für die Finanzbranche ...................................... 12

Ulrich Trinkaus, Sebastian Schäfer, Witold Palenga

Atomisierung manueller Prozessketten als Ziel ................................................................................ 12

Was leisten Software-Roboter und wie lassen sich Vorteile unmittelbar nutzen? ............................ 12

Zwei Anwendungsbeispiele für den Einsatz von Software-Robotern ............................................... 13

Banken auf dem Weg zu kooperativem Cyber Risk Management - Bankenübergreifende Zusammenarbeit als Antwort auf steigende Cyber Risiken ... 16

Dr. Claus Herbolzheimer, Dr. Thilo Grunwald-Henrich

Zunehmende Herausforderungen für Cyber Security ....................................................................... 16

Kooperatives Cyber Risk Management bietet Banken große Vorteile .............................................. 17

Cyber Risk Management im Einklang mit Geschäftsstrategie .......................................................... 19

Die Daten der Banken: Ein Schatz, den es zu nutzen gilt - Data Analytics ist Basis für den zukünftigen Erfolg der Finanzbranche ............................................................... 20

Michael Hilbert, Dr. Daniel Hildebrand, Dr. Curt Cramer

Entwicklung einer Strategie für Data Analytics .................................................................................. 20

Entscheidend ist das Zielbild ............................................................................................................. 20

Auswirkungen auf die Kundensegmente ........................................................................................... 21

Fazit: Wer Veränderungen aktiv angeht, gewinnt ............................................................................. 23

Page 4: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 4

Fingerabdruck, FaceID und Voice verändern das Bankgeschäft - Biometrie als Technologie der Zukunft in der Finanzbranche ........................................................ 24

Nicole Tranker, Sahar Khaksar, Jurek Malinowski

Die Top 5 Technologien aus dem Bereich Biometrie ........................................................................ 24

Alle Kundensegmente profitieren ...................................................................................................... 25

Biometrische Identifikationsdaten bieten weitere Chancen und Vorteile .......................................... 26

So „sprachfähig“ sind Bots in Deutschland - Bank-Beratung mit Künstlicher Intelligenz ................................................................................................................................. 27

Robert Gatzemann

Das Misstrauen in die Technik .......................................................................................................... 27

Interne Automatisierung als Eisbrecher ............................................................................................ 28

Sorgenkind Sprachsynthese .............................................................................................................. 28

Banking per Bot wird sich bald etablieren ......................................................................................... 29

Autonomes Fahren als Herausforderung für Finanzinstitute - Die mobile Revolution als Game-Changer für das klassische Bankgeschäft? ............................................. 30

Tamara Bührle, Björn Wenninger

Nur noch eine Frage der Zeit ............................................................................................................. 30

Fünf Stufen auf dem Weg zur Autonomie ......................................................................................... 30

Autonomes Fahren als Katalysator für Mobilitätskonzepte der Zukunft ............................................ 31

Risiken, aber auch Chancen für Banken und Sparkassen ................................................................ 31

Autoversicherern steht Umbruch bevor ............................................................................................. 32

Die mobile Bankfiliale ........................................................................................................................ 32

Kein Game-Changer für das klassische Banking .............................................................................. 33

Smart Cities verändern das Banking - Die Rolle von Finanzinstituten in einem vernetzten Ökosystem .............................................................................................. 34

Jürgen Stetter, Gökhan Öztürk

Smart City als Stadt der Zukunft........................................................................................................ 34

Die Rolle des Bankings und mögliche Auswirkungen ....................................................................... 34

Empfehlungen an die Banking Industrie ............................................................................................ 36

Page 5: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 5

Schluss mit Terminator-Szenarien

-

Hot Topic Machine Learning im Banking

Deniz Arslan, Sascha Bauer, Nicole Tranker

Technologien aus dem Bereich Künstliche Intelligenz und ihr Nutzen für den Bereich Finanzdienstleistung werden intensiv diskutiert. Vor allem Machine Learning verspricht für das Banking der Zukunft enorme Möglichkeiten, die es zu nutzen gilt.

KI, AI oder Machine Learning – außerordentlich gehyped, doch wissen viele gar nicht, wie ein Algorithmus funktioniert. Wie kann ein Computer, der auf Basis von Binärcodes arbeitet, eigenständig Entscheidungen treffen und wo steht der technolo-gische Fortschritt in der Bankenindustrie? Es ist Zeit, 2018 dem Realitätscheck zu unterziehen sowie für das kommende Technologiejahr einen Blick in die Glaskugel zu werfen.

Science-Fiction oder Realität? Was kann das maschinelle Lernen, das dabei ist,

unsere Welt zu verändern?

2018 entwickelte sich das maschinelle Lernen zu einer wesentlichen Schlüsseltech-nologie, die auch die Bankenbranche zunehmend umkrempelt. In Deutschland wird bis 2020 sogar eine Verdopplung der Implementierungen sowie Pilot-Projekte erwar-tet. Machine Learning (ML) „bezeichnet die Fähigkeit von Computersystemen, die ihre Leistung eigenständig durch gezielte Analyse von Daten verbessern, ohne dabei explizit programmierten Anweisungen folgen zu müssen.“

Als ein Teilgebiet der künstlichen Intelligenz beruht das Prinzip auf den folgenden Lernmethoden

1. Beim überwachten Lernen (supervised learning) werden Funktionen auf Ba-sis von Trainingsdaten ermittelt, deren Output bekannt ist (Klassifikation und Regression).

2. Beim unüberwachten Lernen (unsupervised learning) werden aus unbekann-ten Datensets Muster erkannt und daraus Regeln abgeleitet (Clustering als ei-ne der Hauptformen).

3. Beim reinforcement learning bekommt der Algorithmus Parameter, die er kontrollieren und variieren kann und er optimiert auf dieses Ziel hin selbst-ständig durch Simulationen.

Eine weitere Technik ist das Deep Learning – ein an das menschliche Gehirn ange-lehntes System von künstlichen Software-Neuronen, die miteinander kommunizieren und aus Daten selbstständig lernen.

What’s all the Buzz about? Drei Mythen rund um Machine Learning

Rund um die Themen Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen sind zahlreiche Mythen im Umlauf. Die folgenden drei wollen wir näher beleuchten:

1. Die AI-Apokalypse naht – Machine Learning wird Bank-Mitarbeiter vollständig ersetzen.

2. Finanzdienstleister werden die AI-Revolution anführen. 3. Maschinelles Lernen ist für Banken zu riskant, komplex und zeitaufwendig in

der Umsetzung.

Mythos 1: Die AI-Apokalypse naht – Machine Learning wird Bank-Mitarbeiter vollständig ersetzen

Mythen entstehen, weil viele von uns denken, dass AI künstliche Menschen kreiert. Dies hat zweierlei Auswirkungen: Die Menschheit verfällt entweder in Panik oder sie

Page 6: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 6

ist enttäuscht darüber, dass Algorithmen mit unserem gesunden Menschenverstand nicht mithalten können.

Die Technologie ist derzeit weit davon entfernt, auf Augenhöhe mit uns Menschen zu interagieren. In einigen Fällen sind die Maschinen zwar in der Lage, die besten Champions im Go zu schlagen, dennoch gibt es laut Yann LeCun, Head of Facebook Artificial Intelligence Research, derzeit keine Systeme, die annähernd „so intelligent wären wie Ratten“. Schließlich sind die Systeme immer nur in einem Gebiet extrem spezialisiert, weil sie auf Basis riesiger Datenmengen darauf trainiert wurden. Die Angst vor der Apokalypse ist demnach vollkommen unbegründet.

Mythos 2: Finanzdienstleister werden die AI-Revolution anführen

Man könnte meinen, dass Banken, die einen Zugang zu großen Kundenstämmen sowie riesigen Datenmengen haben, einen Wettbewerbsvorteil im AI-Wettlauf hätten. Doch oft stehen sich Banken aufgrund ihrer Risikoaversität und Skepsis selbst im Weg. Häufig können sie mit existierenden Daten nicht viel anfangen, da sie über Tausende von Datenbanken verfügen, die unabhängig voneinander aufgebaut und in einem Patchwork von Systemen verschmolzen wurden. Nichtsdestotrotz, kann die Branche es sich nicht leisten, stillzustehen.

Mythos 3: Maschinelles Lernen ist für Banken zu riskant, komplex und zeitaufwendig in der Umsetzung

Machine Learning – eine obskure Technologie, die nur Experten verstehen? In Wirk-lichkeit ist sie sehr simpel in der Anwendung und basiert auf einem weitgehend auto-nomen Prozess, der seine Algorithmen – also die Parameter in mathematischen Formeln – im Laufe der Zeit optimiert, da zunehmend mehr Daten verwendet werden. Zu denken, dass maschinelles Lernen ein zu hohes Risiko darstellt, ist an sich ris-kant. Bei Themen rund um die Kreditrisikomodellierung oder bei der Betrugsbekämp-fung steht für Banken schließlich viel auf dem Spiel.

Machine Learning front-to-end – eine Reise durch die Wertschöpfungskette

Von digitalen Agenten im Kundenservice, über Real-Time-Risikomanagement bis hin zu Fraud Analytics – das Spektrum an Applikationsmöglichkeiten entlang der Wert-schöpfungskette ist sehr vielfältig. Milan Sallaba, Deloitte Partner und Leiter des Technology Sector, identifiziert hierbei die nachfolgenden Kernbereiche.

Im Front-Office beginnend ist der Einsatz von virtuellen Agenten im Kundenservice inzwischen kaum wegzudenken. Digitale Assistenten, Chatbots oder Sprachsys-teme schlüpfen in die Rolle eines Kundendienst- oder Vertriebsmitarbeiters, um den Dialog im Kundenservice zu automatisieren. Facebook-Chatbots ermöglichen es ih-ren Kunden, Geld zu überweisen oder navigieren sie durch Produktdetails. Sie unter-stützen im Prozess des Online-Kreditantrags oder auf der Suche nach Filialen und Devisenkursen. Neben Chat-Bots findet die Technologie auch bei Robo-Advisory Anwendung, z.B. im Portfoliomanagement, der Wertpapierberatung oder dem Aktien- und Anleihenhandel.

Darüber hinaus können durch die Automatisierung der Geschäftsprozesse Kosten reduziert und Mitarbeiter in Routineaufgaben unterstützt werden, wodurch sie sich strategischen und analytischen Themen widmen können. So kann unsupervised learning im Bereich Regulatory Reporting helfen, beispielsweise Datenqualitäts-probleme in AnaCredit-Datensets zu identifizieren und minimieren, indem der Algo-rithmus Root-Cause-Analysen durchführt. Durch ein ganzheitlicheres Bild der Kun-den- und Transaktionsaktivitäten auf Basis von Deep Learning wird das Datenma-nagement optimiert.

Durch die tiefgreifende Datenanalyse können Banken reichhaltigere Erkenntnisse aus ihren Geschäftsprozessen generieren, die wiederum die Entscheidungsfindung verbessern und beschleunigen. Machine Learning wird beispielsweise im Risikoma-

Page 7: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 7

nagement bei der Kreditwürdigkeitsprüfung genutzt. Des Weiteren können maschi-nelle Lernmodelle bei der Betrugsbekämpfung Risiken identifizieren und reduzie-ren. Mithilfe von überwachtem und unüberwachtem Lernen werden Warnmeldungen im Kundenverhalten untersucht und die Wahrscheinlichkeit von Unternehmensinsol-venzen so vorhergesagt. Deloitte entwickelte BEAT (Behavioural Analytics Tool), ein integriertes Sprach- und Interaktionsüberwachungstool, das Kundeninteraktionen über eine Vielzahl von Risikofaktoren hinweg untersuchen kann.

Und der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt: So können durch Social Media Ana-lytics Social-Media-Daten als Quelle auch für Krisenprognosen genutzt werden.

Quo vadis Machine Learning? Trends für das Technologiejahr 2019

Fakt ist: Machine Learning ist auf dem Vormarsch. Umfangreichere Bewertungen von Risikoprofilen sowie dem Kundenverhalten werden zu innovativeren, personalisierten und flexibleren Produkten führen. Die Verbreitung intelligenter Monitoring- und Screening-Software wird dazu beitragen die Kostenbelastung deutlich zu reduzieren sowie risikobehaftete Aktivitäten auf mögliche Incompliance zu überwachen.

Kreditinstitute, die in der Lage sind, diese Chance für sich zu nutzen, werden nicht nur das Potenzial für Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen haben, sondern auch sicherstellen können, dass sie auch in Zukunft relevant am Markt bleiben. Deloitte Prognosen zufolge werden zukünftig 70 Prozent der Unternehmen ihre Technologie aus der Cloud beziehen. Es stehen immer mehr Anwendungen in der Cloud zur Ver-fügung, was die Entwicklung und Ausbreitung von AI beschleunigen wird. 2019 steht demnach ganz im Zeichen cloud-basierter AI.

Da sich viele Unternehmen bereits Gedanken zur „AI-Strategie" gemacht haben, er-warten wir für das Jahr 2019, dass Banken nicht nur über den Hype reden, sondern der Fokus sich hin zu AI-getriebenen Ergebnissen und Umsetzungen verlagern wird.

Autoren

Deniz Arslan ist Beraterin im Bereich Financial Services bei Deloitte und Expertin für künstliche Intelligenz. Sie ist Teil des FSI R&CA Teams in Deutschland. Ihre mehr-jährige Bankingexpertise erstreckt sich über komplexe nationale sowie internationale Transformations-, Sanierungs- und Abwicklungsprojekte.

Sascha Bauer ist langjähriger Berater im Bereich Financial Services und Co-Founder des .AI Hubs bei Deloitte. Neben ganz klassischen Finance- und Risk-Themen konzentriert er sich schwerpunktmäßig auf die Beratung in den Bereichen Data Science/künstliche Intelligenz und Big Data.

Nicole Tranker ist Senior Managerin im Bereich Financial Services bei Deloitte und verantwortet das FSI R&CA Team in Deutschland. Sie verfügt über mehrjährige Er-fahrung im Management von Optimierungs- und Transformationsprojekten und ist spezialisiert auf die Umsetzung von Digitalisierungslösungen in Banking & Insurance.

Page 8: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 8

Banking in der Cloud: Chance oder Risiko?

-

Einstieg und Strategien

Andreas Klöber

Der Einsatz von Cloud-Technologien ist mittlerweile auch in der Finanzindust-rie angekommen. Nutzer profitieren von höherer Effizienz sowie Ressourcen-flexibilität und verfolgen daher klare Wachstumspläne im Cloud-Segment.

Die Finanzbranche steht raschen und kaum absehbaren Veränderungen gegenüber. Vor allem das Kreditwesen muss sich in der unternehmerischen Praxis mit Anpas-sungen auf allen Ebenen beschäftigen – von Geschäftsmodell und Strategie bis hin zu Prozessen, Organisation und moderner IT mit ihrer steigenden Bedeutung. The-men wie „innovative Technologien“ und „Digitalisierung“ bestimmen die Wettbe-werbsfähigkeit eines Finanzinstituts immer stärker.

FinTechs und neue digitale Finanzprodukte steigern die Erwartungshaltung der Kun-den. Der höhere Innovationsdruck bei gleichzeitiger Gewährleistung stabiler betriebli-cher Prozesse und der Absicherung hoher Investitionskosten machen Projekte im Bereich Digitalisierung zu einer komplexen Managementaufgabe. Die Finanzbranche ist im Wandel und muss sich intensiv mit Themen wie „Cloudification“ beschäftigen.

Großteil der Banken sieht Vorteile der Cloud

Eine globale Studie der GFT Technologies SE, die von Oktober 2017 bis März 2018 durchgeführt wurde, zeigt, dass ein Großteil der internationalen Banken von den Vor-teilen der Cloud überzeugt ist. Bei aller Euphorie gibt es jedoch auch Bedenken. Das Sicherheitsniveau des Cloud-Service-Anbieters sowie die Unklarheit über Erfüllung regulatorischer Anforderungen sind die größten Risikofaktoren.

Oben auf der Agenda stehen nicht nur Kosteneinsparungen: Höhere Agilität und Fle-xibilität sind ebenfalls wichtige Treiber für die Entscheider. Durch schnelles, flexibles und automatisierbares Skalieren von Rechenkapazitäten können Banken dynamisch auf ein stetig wechselndes Volumen im Tagesgeschäft reagieren und sind nicht mehr von starren IT-Strukturen abhängig.

Außerdem gestaltet sich die Einführung neuer Dienstleistungen und Anwendungen sehr viel effizienter, da Entwickler ihre Applikationen auf standardisierte Cloud-Plattformen ausrichten können und diese dadurch nicht kostenaufwendig an die indi-viduellen IT-Infrastrukturen der Kunden angepasst werden müssen.

Einstieg in die Cloud

Die Migration in die Cloud beginnt typischerweise mit der Definition der Ziele und der Wahl des Cloud-Modells. Hierbei werden die Motivation und die Anforderungen des Unternehmens genau formuliert: Hoher Kostendruck, unnötige Engpässe von Rech-nerkapazitäten oder die Verlagerung des Rechenzentrums aufgrund fehlender Kern-kompetenz können mögliche Gründe für eine Transformation sein. Weiterhin sollten Anwender gründlich darüber nachdenken, welche Cloud-Modelle zu ihren Zielen passen.

Zu den üblichen Cloud-Modellen gehören:

Public Cloud,

Private Cloud und

Hybrid Cloud.

Public Cloud

In der Public Cloud mieten Anwender IT-Infrastruktur von Cloud-Anbietern auf einer flexiblen Basis. Kunden müssen kein Kapital in physische Datenzentrumsinfrastruktu-

Page 9: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 9

ren investieren und können Serverkapazitäten dynamisch ihrem eigenen Tagesge-schäft anpassen.

Private Cloud

Die Private Cloud steht einem einzelnen Kunden exklusiv zur Verfügung. Das Hosten und Verwalten erfolgt intern über eigene Rechenzentren oder durch entsprechend qualifizierte Dienstleister. Gegenüber der Public Cloud bietet dies dem Kunden mehr Gestaltungsspielraum.

Hybrid Cloud

Die Hybrid Cloud ist eine Mischform, die IT-Infrastrukturen aus den Bereichen der Public Cloud und Private Cloud bündelt, um die Vorteile der beiden Ansätze zu kom-binieren – je nach Anforderungen der einzelnen Applikationen.

Phasen einer Cloud-Einführung

Im Anschluss folgt die IST-Analyse: Das Architektur-Management des Unternehmens aktualisiert den bisherigen IT-Bebauungsplan, um daraufhin die Applikationen nach ihrer Technologie, ihren Organisationseinheiten und ihrer Stellung innerhalb der Ge-schäftsprozesse zu clustern. Damit gibt diese Analyse Aufschluss darüber, welche Applikationen bestimmte Geschäftsbereiche und Prozesse des Unternehmens abde-cken und es werden bereits vorhandene IT-Anwendungen dokumentiert. Das Ergeb-nis dieser Phase ist ein Plan der vollständigen Anwendungslandschaft, der die Basis für die nachfolgenden Schritte bildet.

In der Designphase geht es um die Definition des Migrationsprozesses. Erkenntnisse aus der Analyse fließen in eine Roadmap und ggf. auch einen Proof of Concept (PoC) ein. Im Rahmen eines Pilots sollten anschließend exemplarisch eine oder mehrere Anwendungen testweise in die Cloud überführt werden, um zu verifizieren, ob die Strategie aus der Analysephase funktioniert.

Alternative Cloud-Strategien

Ein erfolgreicher Pilot legt den Grundstein für das weitere Vorgehen. Aus den Er-kenntnissen des Pilotbetriebs sollten noch etwaige Feinjustierungen am Migrations-plan vorgenommen werden. Die komplette Migration in die Cloud (Full Scale Com-missioning) sollte idealerweise inkrementell erfolgen: Pro Anwendung, die in die Cloud migriert wird, sollte eine eigene Strategie erarbeitet werden. Erfahrungen aus bereits durchgeführten Migrationen sollten in die weitere Planung einfließen. Typisch sind:

Re-Hosting,

Re-Platform,

Re-Tire und

Re-Architecting.

Re-Hosting

Beim Re-Hosting werden physische oder virtuelle Server in eine Cloud-Umgebung, die auf einem Infrastructure-as-a-Service (IaaS) Modell basiert, verschoben (auch als Lift and Shift bezeichnet). Der Hauptvorteil besteht darin, dass die zu migrierend An-wendung ohne große Änderungen an ihrer Architektur überführt werden kann. Für „Cloud-Einsteiger“ ist dies der geläufigste und unkomplizierteste Ansatz.

Re-Platform

Hierbei werden kleinere Modifikationen an der Anwendung vorgenommen, um diese für den Einsatz in der Cloud zu optimieren. Auf tiefgreifende Veränderungen in der Architektur wird verzichtet. Ein Beispiel ist die Umstellung der Anwendung auf eine vollständig verwaltete Persistenz-Plattform, wodurch der Aufwand für das Verwalten dedizierter Datenbankinstanzen eliminiert wird.

Page 10: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 10

Re-Tire

Sollte die Analysephase zeigen, dass bestimmte Anwendungen nicht mehr benötigt werden oder eine Migration in die Cloud zu aufwendig ist, so ist auch deren Deakti-vierung eine zu berücksichtigende Option. Die so freigegebenen Ressourcen lassen sich dann besser in die Weiterentwicklung anderer Prozesse investieren.

Re-Architecting

Beim Re-Architecting oder Refactoring handelt es sich um die aufwendigste und kos-tenintensivste Migrationsart. Hier wird in die Kernarchitektur einer Anwendung einge-griffen, um diese gezielt für den Betrieb in einer Cloud zu optimieren.

Rollout der Cloud

Nach der Wahl der passenden Strategie folgt der sukzessive Rollout. Über die Inbe-triebnahme hinaus sollten Weiterentwicklung und Optimierung ebenfalls bedacht werden, um die Vorteile der Cloud auch in der Zukunft weiter auszubauen. Dieser Schritt ist wichtig, da sich viele Anwendungen im Laufe ihres Lebenszyklus verän-dern; andere kommen hinzu oder müssen angepasst werden. Sollten Unternehmen nicht über die entsprechenden personellen Kapazitäten verfügen, bieten sich für die Wartung und Weiterentwicklung externe Fachkräfte an.

Regulatorische Risiken der Cloud

Gerade in einer so datensensiblen Branche wie der Finanzindustrie gibt es Beden-ken im Bereich des Regulierungsrechts. Auch der Datenschutz gilt als Haupthürde – getrieben durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Exemplarisch sei hier auch auf die Mindestanforderungen an das Risikomanagement an Kreditinstitute (MaRisk) verwiesen, die die Sicherstellung von Integrität, Authenti-zität und Vertraulichkeit durch die IT-Systeme fordern (Punkt 7.2). Aufgrund von Un-sicherheiten bei der Auslegung dieser Anforderungen geht die Migration hin zu Cloud-Plattformen im Finanzbereich stellenweise sehr langsam voran, obwohl gera-de jetzt Banken verstärkt auf die Digitalisierung ihrer Prozesse und Infrastrukturen angewiesen sind.

Sicherheitsbedenken ausräumen

Bei der Wahl des passenden Cloud-Anbieters sollten Finanzinstitute vor allem fol-gende Faktoren auf den Prüfstand stellen:

Auswertung der eigenen IT-Landschaft.

Sicherheitsprüfung des Cloud-Anbieters.

Zugriffsmöglichkeiten auf die eigenen Daten.

Auswertung der eigenen IT-Landschaft

Vor der Migration in die Cloud steht die Frage, welche Anwendungen eine Bank überhaupt in die Cloud verlagern sollte – und darf. Viele Anwendungen müssen auf-grund von Compliance-Vorgaben und datenschutzrechtlichen Gründen weiterhin im eigenen Rechenzentrum betrieben werden. Zusätzlich sollten die eigenen Sicher-heitsstandards auch als Messlatte für die Sicherheit des externen Providers dienen.

Sicherheitsprüfung des Cloud-Anbieters

Die Prüfung der Security-Kompetenzen des entsprechenden Cloud-Providers erfolgt über die Ausarbeitung eines Kriterienkatalogs. Dieser muss Punkte wie Rechtema-nagement, Incident Management und Sicherheitsüberprüfungen berücksichtigen.

Weiterhin sollte der Provider folgende Zertifizierungen erfüllen: SAS70, SSAE16 (diese Zertifizierungen belegen, dass alle Anforderungen an Datensicherheit, Risi-komanagement und interne Kontrollsysteme erfüllt werden), ISO 27001 (Anforderun-gen an die Bereitstellung und den Betrieb eines Informationssicherheitssystems),

Page 11: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 11

ISO 27002 (Empfehlungen für Kontrollmechanismen für die Informationssicherheit). Zusätzlich muss der Provider die Einhaltung der im Bundesdatenschutz geregelten Bestimmungen gewährleisten.

Zugriffsmöglichkeiten auf die eigenen Daten

Eine Anforderung, die viele Anwender vielleicht für selbstverständlich halten, welche aber von einigen Anbietern nicht erfüllt wird: Banken (und natürlich auch andere An-wender), die Anwendungen in die Cloud migrieren möchten, müssen laut DSGVO über das Recht verfügen, Zugang zu den Servern mit ihren Daten zu erlangen (DSGVO, Art. 28, Absatz 3, Unterabsatz h).

Es empfehlen sich daher ausschließlich Anbieter, die ihren Kunden diesen Zugriff gewähren. Ein ebenso zentraler Aspekt ist der physische Standort der Provider-Server – je nach Hoheitsgebiet gelten unterschiedlich hohe Sicherheitsanforderun-gen. Empfehlenswert sind Standorte in Deutschland oder anderen EU-Ländern.

Zukunft Cloud

Trotz der Sicherheitsbedenken und Einstiegshürden stehen die Zeichen auf Wachs-tum. Laut Studie werden innerhalb der kommenden fünf Jahre vor allem Tier 2 Ban-ken (mittelgroße, regionale oder multinationale Banken mit entsprechendem Kapital-marktgeschäft) ihre Zurückhaltung gegenüber Cloud-Migrationen ablegen und klare Wachstumspläne fokussieren. Diese Banken sind in der Lage sehr viel flexibler zu agieren als Tier 1 Banken (globale Handelsbanken), da sie weniger komplexe Le-gacy-Systeme im Einsatz haben. Folglich sind ihre Technologiebarrieren sehr viel geringer.

Viele Banken haben das Potenzial von Cloud-Lösungen erkannt und verfolgen eine entsprechende Migrationsstrategie. Nur so können sie die steigenden Bedürfnisse ihrer Kundschaft auch weiterhin erfüllen um so ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern.

Autor

Andreas Klöber ist bei GFT Technologies SE als IT-Architect tätig und verantwortet dort Konzeption und Umsetzung komplexer Individualsoftwarelösungen im Java-Umfeld, sowie die Realisierung moderner Web-Applikationen. Zuvor war er bei Cap-gemini tätig und hat Informatik an der Universität Koblenz studiert.

Page 12: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 12

Intelligente Software-Roboter entlasten Bankmitarbeiter

-

Robotics: Herausforderungen und Potenziale für die Finanzbranche

Ulrich Trinkaus, Sebastian Schäfer, Witold Palenga

Automatisierte, intelligente Software-Roboter können Finanzinstituten helfen, externen Herausforderungen durch Effizienz- und Qualitätssteigerungen in ih-rer Prozesslandschaft zu begegnen. Zwei Use Cases zeigen die Möglichkeiten der Optimierung.

Für traditionelle Banken wird es in zunehmendem Maße schwierig, adäquate Erträge zu erzielen. Dies gilt insbesondere für Kreditinstitute, deren Geschäftsmodelle auf das klassische Einlagen- und Kreditgeschäft ausgelegt sind. Gründe dafür gibt es einige, wie etwa die immer noch anhaltenden Niedrigzinsen sowie ein hoher Kosten-druck. Dieser wiederum wird durch gestiegene regulatorische Anforderungen und einen starken Wettbewerb durch schlank organisierte Direktbanken sowie junge Fin-Tech- Unternehmen verursacht. Eine EY-Studie zeigt, dass bereits jeder dritte deut-sche Bankkunde Finanzdienstleistungen von einer Nicht-Bank bezieht.

Automatisierte, intelligente Software-Roboter können Banken und Sparkassen hel-fen, diesen externen Herausforderungen durch Effizienz- und Qualitätssteigerungen in ihrer Prozesslandschaft zu begegnen.

Atomisierung manueller Prozessketten als Ziel

In fast allen Unternehmen der Finanzbranche gibt es eine Vielzahl manueller Tätig-keiten, die auf heterogene Systemlandschaften, unterschiedliche Schnittstellen, un-zureichende Systemunterstützung sowie daraus resultierende „Workarounds“ zu-rückzuführen sind. Diese Abläufe führen häufig zu kostenintensiven und zeitkriti-schen Engpässen im operativen Geschäft. Ein besonderer Wettbewerbsnachteil ent-steht, wenn die Prozesse zu Verzögerungen und Fehlern in der Interaktion mit Kun-den führen.

Um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten sich Banken mit den Möglichkei-ten der Automatisierung durch Software-Roboter und deren Einbindung in den Be-trieb auseinandersetzen. In einem Umfeld stetig steigender Kundenanforderungen, bei gleichzeitig enormem Kostendruck, können Software-Roboter qualitativ hochwer-tige Arbeitsergebnisse zeitlich flexibel liefern. Daher sollte die roboterunterstützte Prozessautomatisierung fester Bestandteil der Digitalisierungsstrategie von Banken sein.

Was leisten Software-Roboter und wie lassen sich Vorteile unmittelbar nutzen?

Der Begriff Robotic Process Automation (RPA) bezeichnet Software und Algorith-men, die es erlauben, repetitive, regelbasierte Prozesse und Aktivitäten mit geringem Aufwand zu automatisieren, um damit sowohl Effizienz als auch Qualitätssteigerung von Arbeitsabläufen innerhalb eines sehr kurzen Zeitrahmens voranzutreiben. Die Software-Roboter stellen dabei virtuelle Arbeitskräfte dar und emulieren die Aktivitä-ten eines menschlichen Mitarbeiters am PC über die ausschließliche Nutzung von bestehenden User-Interfaces und existierenden Log-in-Systematiken. Da weder die zugrunde liegenden Systeme noch die vorhandene Infrastruktur oder bereits existie-rende Prozesse angepasst werden müssen, sind die Einführungszeiten kurz und es lässt sich ein unmittelbarer Nutzen erzielen.

Besonders geeignet für die Automatisierung sind manuelle, repetitive Aktivitäten, die mit Hilfe von Software-Robotern deutlich schneller, kostengünstiger und mit einer zu vernachlässigenden Fehlerquote durchgeführt werden können. Als Beispiele können neben manuellen Eingaben, die Integration, Prüfung, Aufbereitung und Zusammen-führung von Daten aus verschiedenen Systemen oder auch die Änderung von Daten

Page 13: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 13

über verschiedene Systeme hinweg genannt werden. Darüber hinaus können Soft-ware-Roboter auch regelbasierte Entscheidungen treffen und Arbeitsergebnisse aus-steuern.

Zwei Anwendungsbeispiele für den Einsatz von Software-Robotern

Im Folgenden werden die Nutzenpotenziale des Einsatzes von Software-Robotern anhand von zwei Use Cases dargestellt:

1. Corporate und 2. Private Banking.

Use Case 1: Corporate Banking

Das wichtigste Investitionsziel des deutschen Mittelstands bei Investitionen in digitale Technologien liegt in der Steigerung der Flexibilität („Industrie 4.0 im deutschen Mit-telstand, EY 2018). Das Firmenkundengeschäft als Mittelstandsfinanzierer sollte ent-sprechend seinen Beitrag zur Flexibilisierung leisten und die Interaktionsgeschwin-digkeit in Prozessabläufen steigern.

Für das Beispiel schauen wir uns die Arbeitsschritte bei der Eröffnung neuer Kreditli-nien eines Back-Office-Mitarbeiters an, mit der Annahme, dass diese zu 75 Prozent außerhalb des Kreditbearbeitungssystems durchgeführt werden. (Quelle: EY Rese-arch).

Dabei beträgt die Durchlaufzeit pro Kreditantrag etwa 45 Minuten, wobei der größte Anteil auf manuelle Korrekturen und Validierung fällt. Dadurch ist das kreative und konzeptionelle Potenzial des Mitarbeiters deutlich eingeschränkt.

RPA kann hier helfen und manuelle Arbeitsschritte außerhalb der Funktionalität des Kernbankensystems - basierend auf definierten Regeln - automatisieren. Mit der Im-plementierung eines Software-Roboters, hat sich der Arbeitsablauf der Back-Office Arbeitskraft von sechs manuellen Arbeitsschritten auf einen, das Starten des Soft-ware Roboters nach Erhalt der Kreditunterlagen, verringert.

Page 14: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 14

Statt den 45 Minuten benötigt die Arbeitskraft nur noch einen Bruchteil der Zeit pro Kreditantrag bei vollständig vorliegenden Daten. Dies schafft nicht nur operationelle Effizienz, da der Prozess keine menschlichen Ressourcen bindet, sondern bietet dem Mitarbeiter vielmehr die Möglichkeit, sich auf wesentliche und komplexere Auf-gaben zu fokussieren.

Use Case 2 Private Banking

In wohl keinem anderen Bankengeschäftsbereich sind die Anforderungen an die Neukunden- sowie KYC-Prozesse so anspruchsvoll wie im (grenzübergreifenden) Privatbankengeschäft. Dieser Geschäftsbereich ist insbesondere durch einen hohen Prozentsatz des Kundenstamms von komplexen Kundenstrukturen gekennzeichnet, wie zum Beispiel, Stiftungen und „Private Investment Companies“, kurz PICs, oder gar „Politically Exposed Persons“ (kurz PEPs), welche einer gesteigerten Due Dili-gence Prüfung unterliegen.

Daher ist der Einsatz von intelligenten RPA Tools sowie Artificial Intelligence (AI) in diesem Bereich besonders interessant. Denn diese Werkzeuge unterstützen die menschliche Arbeitskraft, zum Beispiel durch Ablösung von manuellen Prozessen sowie der Verarbeitung größerer Datenmengen. Somit beschleunigen sie den Ge-samtprozess und können gleichzeitig die Bank schützen, da Fehlerquoten reduziert werden.

So können AI Technologien den Neukundenprozess, zum Beispiel durch „Machine Learning (ML)“, „Natural Language Understanding (NLU)“ und „Natural Language Processing (NLP)“ unterstützen, indem sie Kundendokumente analysieren und aus-werten, Recherchen in den benötigten Tools durchführen oder sogar umfangreichere Hintergrundanalysen im World-Wide-Web sowie Sozialen Netzwerken vornehmen, welche die menschliche Analyse signifikant erleichtern bzw. besser fokussieren.

Zusätzlich ermöglichen Technologien wie zum Beispiel „real-time Optical Character Recognition (OCR)“ das Auslesen von Pässen oder Personalausweisen. Eine intelli-gente Gesichtserkennung vergleicht nicht nur Bilder, sondern führt auch noch einen „Lebendigkeits-Test“ durch und AI-unterstütze digitale Assistenten führen durch den Neukundenprozess. Diese Technologien unterstützen die Bank nicht nur auf Ihrem Weg in eine papierlose Zukunft, sondern sind 24/7 verfügbar und ermöglichen eine sofortige Auswertung und Weiterverarbeitung der erfassten Daten.

Neben den Möglichkeiten des beispiellosen technologischen Fortschritts im Bereich der digitalen Neukundenprozesse sollte jedoch nicht vergessen werden, dass gerade

Page 15: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 15

in diesen Prozessen eine Vielzahl von Regularien Anwendung finden, wie zum Bei-spiel:

Datenschutzgesetze

EU-Richtlinien, wie z.B. MiFID 2, EMIR oder Geldwäscherichtlinien

Sanktionen oder

KYC-Anforderungen,

so dass diese frühzeitig in einer etwaigen Einführungsphase berücksichtigt werden müssen, um langwierige und kostspielige Nacharbeiten zu vermeiden.

Fazit: intelligente Software-Robotern bieten neue Möglichkeiten

Der Einsatz von intelligenten Software-Robotern eröffnet Banken verschiedener Sek-toren Möglichkeiten, um einfache, manuelle, repetitive Prozesse, mit hoher Ressour-cenbindung zu automatisieren, ohne dabei eine kosten- und zeitintensive IT-Transformation zu beginnen. In Kombination mit der neuen Generation lernfähiger Technologien mit menschlichen Fähigkeiten, wie etwa dem Erkennen von Hand-schriften ist „Robotic Process Automation" eine Option, jenseits aufwendiger Sys-temanpassungen und teurer Workflowsysteme, um über Prozessdesign und -management nachzudenken und Verbesserungen zu erreichen.

„Intelligente“ Automatisierung kommt daher auch bei Aktivitäten zum Einsatz, die kei-nem einfachen Regelwerk mit hohem Standardisierungsgrad folgen. Wie im zweiten Use Case beschrieben, nutzen Banken bereits intelligente Automatisierung, um regu-latorische Prozesse in der Compliance Funktion zu verbessern.

„Intelligente“ Software Roboter als virtuelle Arbeitskräfte werden die Aufbau- und Ab-lauforganisation vieler Unternehmen nachhaltig verändern und ein Teil dieser Orga-nisationen werden Hand-in-Hand mit Menschen arbeiten.

Autoren

Ulrich Trinkaus ist als Partner bei EY im Bereich Banken und Finanzdienstleistun-gen tätig. Sein Fokus sind das Retail, Corporate und Private Banking sowie das Wealth Management und die Digitalisierung dieser Geschäftsfelder. Er verantwortet seit mehreren Jahren EY’s „Global Consumer Banking Survey“ in Deutschland und ist unter anderem Mitautor von EY’s „German FinTech landscape: „Opportunity for Rhein-Main-Neckar“ (2016). Bevor er zu EY stieß, war Ulrich Trinkaus bei Booz & Company, BearingPoint und KPMG Consulting beschäftigt.

Sebastian Schäfer ist und als Director bei EY im Bereich Banken und Finanzdienst-leistungen tätig. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Transformation und Optimierung von Geschäftsprozessen durch Digitalisierung, intelligente Automatisie-rung, sowie der effizienten Implementierung von regulatorischen Anforderungen. Fo-kus sind hierbei Retailbanken, sowie das Private Banking inklusive Wealth Manage-ment.

Witold Palenga, ist als Manager bei EY in der Beratung von Banken und Finanz-dienstleistungen tätig. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Transformation, Optimierung und Digitalisierung von Geschäftsprozessen im Retail und Private Ban-king, sowie im Wealth Management. Zuvor war er bei Accenture beschäftigt.

Page 16: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 16

Banken auf dem Weg zu kooperativem Cyber Risk Management

-

Bankenübergreifende Zusammenarbeit als Antwort auf steigende Cyber

Risiken

Dr. Claus Herbolzheimer, Dr. Thilo Grunwald-Henrich

Für Banken wird es zunehmend schwieriger als Einzelkämpfer im Bereich Cy-ber Security erfolgreich zu sein. Eine unternehmens- und industrieübergreifen-de Strategie, die auf eine Kooperation mit Aufsichtsbehörden und anderen Un-ternehmen setzt, kann die Lösung sein.

Als hoch technologisierte Unternehmen setzen sich Banken schon lange mit dem Thema Cyber Security auseinander. Dennoch wird es für einzelne Institute zuneh-mend schwieriger, mit den aktuellen Entwicklungen Schritt zu halten. Die Herausfor-derungen für das Management von Cyber Risiken werden immer komplexer.

Zunehmende Herausforderungen für Cyber Security

Das liegt einerseits an der steigenden Intensität von Cyberattacken, etwa durch die explosionsartige Vervielfachung der Angriffe, z.B. durch (automatisierte) Kombinatio-nen und Abwandlungen bisheriger Angriffsmuster, die teils sogar im Darknet als ferti-ge “Crimeware-as-a-service”-Angebote verkauft werden. Andererseits nimmt auch der Grad an Komplexität und Spezialisierung der Angriffe immer weiter zu. Befeuert wird diese Entwicklung u.a. durch den teils massiven Ressourceneinsatz professio-neller krimineller Organisationen, von regierungsnahen Angreifern gar nicht zu spre-chen.

Zudem wachsen die digitalen Angriffsflächen der Banken stetig. Der Einsatz von Cloud Computing, die fortschreitende Verwendung mobiler Endgeräte, die steigende globale Vernetzung, die immer stärkere Digitalisierung der Kundenschnittstelle (z.B. über Chatbots) – all diese Aspekte spielen hierbei eine Rolle.

Page 17: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 17

Darüber hinaus sehen sich Banken mit stetig strengeren – und nicht immer wider-spruchsfreien – Anforderungen diverser Aufsichtsbehörden (und auch Eigentümern) konfrontiert. Dabei ist Cyber Security kein „Zusatzthema“, sondern vielmehr grundle-gende Voraussetzung auch zur Erfüllung anderer Auflagen, z.B. zum Datenschutz (DSGVO) oder für Zahlungsdienstleistungen (PSD2).

Und zu guter Letzt sind Experten auf dem Gebiet Cyber Security ein rares Gut: bis 2021 wird die Anzahl unbesetzter Stellen weltweit auf mehr als 3 Millionen geschätzt. Der Kampf um Nachwuchstalente wird in den kommenden Jahren noch intensiver werden, zumal Fachkräfte in diesem Bereich oft branchenübergreifend umworben werden.

Kooperatives Cyber Risk Management bietet Banken große Vorteile

Die Bankenindustrie hat begonnen auf diese Entwicklung zu reagieren – teils durch explizite Aufforderung der Aufsichtsbehörden, inzwischen aber vermehrt auch basie-rend auf Eigeninitiative. Das Resultat sind Kooperationen beim Cyber Risk Manage-ment, d.h. die Kooperation mit anderen Banken, regierungsnahen Organisationen und anderen Unternehmen (z.B. aus dem High-Tech Bereich) auf dem Gebiet der Cyber Security.

Zusammenarbeit beim Cyber Risk Management hat verschiedene Ausprägungen. Da ist zum einen der regelmäßige Austausch mit anderen Marktteilnehmern und privaten wie auch öffentlichen auf Cyber Security spezialisierten Organisationen. Der Fokus liegt dabei auf dem Informationsaustausch bzgl. Trends bei Cyber Angriffen, Best Practices zu deren Abwehr (inkl. dem Aufbau von Krisenmanagementstrukturen, der Durchführung von Notfall- und Krisenübungen etc.) sowie der Umsetzung regulatori-scher Anforderungen (inkl. perspektivisch der Quantifizierung des eigenen Cyber Ri-sikos).

Beispiele für solche Cyber Security Foren mit Bezug zur deutschen Bankenindustrie sind das europäische FI-SAC (Financial Institutes – Information Sharing and Analysis Centre) unter Beteiligung von ENISA (European Union Agency for Network and In-formation Security), Europol, der EZB, dem EPC (European Payments Council) etc. oder das deutsche UP KRITIS zum industrieübergreifenden Schutz kritischer Infor-mationsinfrastrukturen unter Beteiligung des BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) und BBK (Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe).

Page 18: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 18

Teilweise geht die Interaktion zwischen Mitgliedern solcher Foren, und damit auch der Grad an Kooperation beim Cyber Risk Management, über einen allgemeinen Austausch zu Cyber Security hinaus. So werden beispielsweise unternehmenseigene Daten zu vergangenen, aktuellen und auch simulierten Cyber Angriffen ausge-tauscht. Auf diese Art können Angriffe schneller (und besser) analysiert werden und auch die koordinierte Krisenreaktion und -bewältigung zwischen betroffenen Banken wird erleichtert.

Eine solch enge Zusammenarbeit und die damit verbundene Transparenz erfordert allerdings Vertrauen zwischen den Teilnehmern. Geeignete organisatorische Struktu-ren der betreffenden Foren, z.B. die Aufteilung der Teilnehmer in kleinere Untergrup-pen oder abgestufte Formen des Datenaustausches (etwa auf Basis einer Unter-scheidung zwischen aktiven „Daten-Bereitstellern“ und passiven „Daten-Konsumenten“) können dafür eine Grundlage schaffen.

Zum anderen kann kooperatives Cyber Risk Management im Ressourcenaustausch sowie -Pooling zur Erforschung von ausgewählten Cyber Security Themen bestehen. Die Themenvielfalt reicht dabei von Untersuchungen der Blockchain über neue Be-zahl- und Authentifizierungsmethoden, Verschlüsselung (z.B. zu „Data in motion enc-ryption”) bis hin zum Einsatz künstlicher Intelligenz und Machine Learning zur auto-matisierten Gefahrenerkennung und -bekämpfung. Die Vorteile gegenüber parallelen und konkurrierenden Forschungsaktivitäten durch einzelne Marktteilnehmer liegen auf der Hand: die eigenen Investitionsmittel werden geschont, das hausinterne Ex-pertenwissen wird multipliziert. Auch das gemeinsame Investment in FinTech Start-ups sowie die Zusammenarbeit mit öffentlichen wie auch privaten Forschungseinrich-tungen spielen hierbei eine Rolle.

Darüber hinaus kann kooperatives Cyber Risk Management auch die Zusammenar-beit der eigenen Cyber Security-Funktionen mit denen anderer Banken und Unter-nehmen bedeuten. Es bedarf dabei nicht zwangsweise einer gemeinsamen IT, damit Banken gemeinschaftlich Cyber-Security-Funktionen betreiben. Auch vornehmlich organisatorische Maßnahmen sind möglich, z.B. die Zusammenlegung sogenannter

Page 19: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 19

CERTs (Computer emergency response Teams) sowie Trainings- und Ausbildungs-zentren zu Cyber Security etc.

Cyber Risk Management im Einklang mit Geschäftsstrategie

Kooperatives Cyber Risk Management bietet Banken in vielerlei Hinsicht Vorteile, und so muss jede Bank im Einklang mit der eigenen Geschäftsstrategie und der ei-genen Risikobereitschaft entscheiden, welche Form der Kooperation sich am besten für sie eignet. Denn eines ist sicher: Einzelkämpfer werden es im Kampf gegen Cy-ber Security wesentlich schwieriger haben.

Autoren

Dr. Claus Herbolzheimer ist Leiter der Digital, Technology & Analytics-Praxisgruppe von Oliver Wyman für die DACH-Region und begleitet seit vielen Jahren Kunden un-terschiedlicher Industrien hinsichtlich Informationssicherheits- und Cyber-Risikomanagement.

Dr. Thilo Grunwald-Henrich ist Projektleiter in der Digital, Technology & Analytics-Praxisgruppe von Oliver Wyman. Sein Spezialgebiet sind Technologie- Transformati-onen quer über die Industrien hinweg unter Beachtung von Cyber Security Stan-dards.

Page 20: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 20

Die Daten der Banken: Ein Schatz, den es zu nutzen gilt

-

Data Analytics ist Basis für den zukünftigen Erfolg der Finanzbranche

Michael Hilbert, Dr. Daniel Hildebrand, Dr. Curt Cramer

Die traditionelle Finanzbranche arbeitet schon immer auf Basis verschiedens-ter Informationen und verfügt daher über einen großen Datenschatz. Doch bei dessen Nutzung mittels neuer Analysemethoden hinkt sie hinterher. Dabei ist das Potenzial groß – wenn man die richtige Strategie hat.

In vielen Banken herrscht große Verunsicherung darüber, wie weit die Macht von Daten in Zukunft reichen wird und wie man den Schatz, der sich in ihnen verbirgt, optimal nutzt. Denn das Thema ist vielschichtig und kompliziert: Herausfordernd sind nicht nur technische Fragen, sondern auch Risiko- und Datenschutzaspekte, gleich-zeitig muss der Kundennutzen im Fokus bleiben, die eigene Reputation darf nicht gefährdet werden.

Entwicklung einer Strategie für Data Analytics

Bei der Entwicklung einer Strategie für Data Analytics sollten daher Kreditinstitute folgende Fragen beantworten:

1. Wie weit wollen wir mit der Nutzung der eigenen und externen Daten gehen?

2. Wie kann ich auf den Datenschatz bestmöglich zugreifen? Dabei geht es nicht nur um Technik, sondern auch um die Governance, vor allem in global aufge-stellten Unternehmen kein trivialer Punkt.

3. Welche organisatorische Aufstellung und welche spezialisierten Ressourcen sind nötig, um den Datenschatz zu heben und gleichzeitig einen Wissens-transfer innerhalb des Hauses sicherzustellen?

4. Welche Qualifikationen brauchen die Mitarbeiter? Wo braucht man "Data Sci-entists" und wie viele? Welche Spezialisierung müssen sie haben? Mit wel-chen Ressourcen entwickelt man eine Datenplattform? Welche Anforderungen müssen Management und Fachbereiche erfüllen?

5. Welche Architektur muss die Datenplattform haben, um den gesamten Le-benszyklus von Modellierung bis Betrieb abzubilden? Ist eine Cloud- oder On-Premise-Infrastruktur besser?

Aktuell versuchen die Banken in unterschiedlicher Weise, diese Fragen zu adressie-ren. Der häufig gewählte Weg, einfach einen großen Datenpool aufzubauen, ohne vorher den Zweck zu definieren, ist aber wenig zielführend. Zudem wird meist die massive Veränderung unterschätzt, die nötig ist, damit ein Finanzinstitut wahrlich "datengetrieben" wird.

Denn schon die Frage nach der „strategischen Komponente" von Daten ist falsch. Es geht nicht nur um eine Komponente, vielmehr definieren Daten die zukünftige Strate-gie. Das bedingt einen kompletten Wechsel der Perspektive und hat in letzter Konse-quenz auch große Auswirkungen auf die bestehenden Strukturen und Abläufe.

Entscheidend ist das Zielbild

Vor dem Losgehen empfiehlt es sich zu wissen, wohin man möchte. Doch das ist keine leichte Frage in einer Branche, die sich zunehmend verändert. Da hilft es, an-hand von Entwicklungsstufen zunächst den eigenen Reifegrad zu bestimmen und auf dieser Basis das Zielbild zu definieren.

Page 21: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 21

Damit Finanzinstitute von datenbegründeten Entscheidungen zu einer datengetrie-benen Entscheidungsfindung gelangen, empfiehlt sich der folgende dreistufige Transformationspfad:

Startpunkt: Entscheidungen auf Basis historischer Daten: Auf diesem Stand arbeiten nach unserer Erkenntnis derzeit die meisten Finanzinstitute in Deutschland, Österreich und Schweiz. Der "Blick durch den Rückspiegel" be-kräftigt das Management in der wahrgenommenen Korrektheit der eigenen Entscheidungen.

Stufe 1: Die ersten Schritte hinsichtlich der Erarbeitung und Verprobung von Use Cases werden unternommen. Allerdings sehr heterogen und oft auch oh-ne klare strategische Zielsetzung

Stufe 2: Der erste wesentliche Schritt der Weiterentwicklung ist es, die Ver-fügbarkeit der Daten sicherzustellen und ihre Analyse zu ermöglichen. Dafür ist es nötig, sich organisatorisch neu aufzustellen, die notwendigen Rollenpro-file zu definieren (z. B. Data Analyst, Data Engineer, etc.) sowie die Mitarbeiter umfassend zu schulen. Aktuell sind nur sehr wenige Finanzinstitute schon so weit, die damit verbundenen organisatorischen Konsequenzen zu erkennen und umzusetzen.

Stufe 3: Das "Gipfelziel" ist erreicht, wenn es aufbauend auf den vorangegan-genen Stufen möglich ist, vollautomatisiert rein datengetriebene Entscheidun-gen zu treffen. Als Konsequenz daraus gibt es keinen "Durchschnittskunden" mehr. Vielmehr wird jeder Kunde auf Basis von Daten individuell behandelt – und es werden sämtliche Möglichkeiten von datengetriebenen Geschäftsmo-dellen erkannt, genutzt und umgesetzt, einschließlich individualisierter Produk-te.

Auswirkungen auf die Kundensegmente

Retail Banking

Retail Banking ist ist der Bereich, in dem es aktuell die meisten Anwendungsbeispie-le für datengetriebene Entscheidungen gibt. Das liegt vor allem daran, dass hier gro-

Page 22: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 22

ße Datenmengen vorliegen, die zum Trainieren von Algorithmen genutzt werden können und statistisch valide Aussagen erlauben.

Im Geschäftsmodell Retail Banking erwarten wir, dass Datenanalysen ihre Wirkung vor allem bei der zielgerichteten Kundenansprache (CRM-Systeme) und beim Pro-duktverkauf entfalten werden. Auch bei der Erfüllung regulatorischer Vorgaben sowie der Betrugs- und Geldwäschebekämpfung bieten sie hohes Effizienzpotenzial. Gleichzeitig verändern die gewonnenen Daten den Zugang zu und die Bewertung von Risiken. Interessant dürfte werden, inwieweit die jeweiligen Aufsichtsbehörden mit den Entwicklungen mithalten und datengetriebene Entscheidungen akzeptieren.

Private Banking

Das Thema „Robo Advisors" wird in der Finanzbranche schon länger diskutiert. Ak-tuell zeigt sich zwar, dass die Algorithmen noch einiges lernen müssen, um treffsi-cher zu werden. Doch angesichts der Verfügbarkeit großer Mengen hochwertiger Daten ist damit zu rechnen, dass die Qualität der Vorhersagen sehr schnell steigen wird.

Das grundlegende Geschäftsmodell des Private Banking wird sich insbesondere im persönlichen Kundenkontakt nicht verändern. Allerdings ändert sich die Art und Wei-se, wie die Kundenansprache erfolgt und wie Dienstleistungen sowie maßgeschnei-derte Bankprodukte angeboten werden.

Corporate Banking

Bei der Betreuung von Firmenkunden stellt der Einsatz von Data Analytics schon aufgrund vergleichsweise beschränkter Datenmengen eine große Herausforderung dar. Ähnlich wie im Private Banking wird auch im Corporate Banking zunehmend wichtig, ein umfassendes Verständnis für die Kundenbedürfnisse zu entwickeln. Da-bei werden Daten, deren Verknüpfung und Anwendung in der Produktentwicklung zukünftig zu wesentlichen Erfolgsfaktoren.

Back Office

Im Back Office werden die Entwicklungen in zwei Richtungen gehen:

Page 23: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 23

1. Bei den klassischen Back-Office-Aufgaben werden wir zunehmend Automati-sierung und maschinelle Verarbeitung sehen. Das betrifft vor allem alle Berei-che des Finanz- und Risikocontrollings, des Meldewesens sowie den Bereich der Buchhaltung.

2. Gleichzeit wird der Bedarf an qualifiziertem Personal wachsen, das in der La-ge ist, mit Algorithmen zu arbeiten, diese weiterzuentwickeln, das Know-how in allen Geschäftsbereichen sicherzustellen, sowie die nötige IT-Infrastruktur vorzuhalten.

Fazit: Wer Veränderungen aktiv angeht, gewinnt

Von den „alten" Industrien verfügt kaum eine über einen derart großen Datenschatz wie die Finanzindustrie. Die aktuellen Strukturen und Organisationsformen lassen allerdings eine effiziente Nutzung dieses Schatzes nur in den seltensten Fällen zu. Daher ist der Druck zur Veränderung in allen Bereichen der Finanzinstitute erheblich.

In den kommenden Jahren werden wir tiefgreifende Veränderungen im Betriebs- und Geschäftsmodell sehen. Wer die Herausforderungen annimmt, den Wandel voran-treibt und lernt, den Datenschatz zu heben, wird auch in Zukunft vorne mitspielen können.

Autoren

Michael Hilbert ist bei Roland Berger im Competence Center Financial Services für Österreich und Zentraleuropa verantwortlich. In seiner über 20-jährigen Karriere hat er sich auf Beratungsthemen wie Business Development, digitale Geschäftsmodelle, Regulierungsanforderungen, Bezahlmodelle sowie Post-Merger-Integration fokus-siert.

Dr. Daniel Hildebrand ist ist Partner im Competence Center Financial Services von Roland Berger in München und berät seit mehr als 10 Jahren Unternehmen und Fi-nanzinstitute im Bereich Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle, Wachstumsstra-tegien sowie Unternehmenstransformationen.

Dr. Curt Cramer ist Senior Project Manager im Competence Center Digital bei Ro-land Berger in Frankfurt und berät seit 9 Jahren Unternehmen aus verschiedenen Branchen zu IT-Strategien, Digitalisierung und Analytics / Machine Learning.

Page 24: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 24

Fingerabdruck, FaceID und Voice verändern das Bankgeschäft

-

Biometrie als Technologie der Zukunft in der Finanzbranche

Nicole Tranker, Sahar Khaksar, Jurek Malinowski

Biometrische Daten werden die Zukunft neugestalten? Falsch, sie sind schon überall vorhanden und an vielen Stellen auch im Einsatz. Auch für Banken und Sparkassen eröffnen sie eine Vielzahl von Möglichkeiten, von denen Finanzin-stitute und Kunden profitieren.

Für viele Menschen ist die Anwendung der biometrischen Daten selbstverständlich und aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. So nutzt beinahe jeder Smartphone-Nutzer bereits seinen Fingerabdruck oder Gesichtserkennung um sich einzuloggen, man tätigt Einkäufe oder öffnet sogar seine Wohnungstür mit Biometrics. Windows Hello ist beispielweise eine Authentifizierungsmethode bei Windows, um sich per Fingerabdruck-, Gesichts- oder Iriserkennung bei Windows 10-Geräten anzumelden. Nicht nur der Faktor Convenience kann dadurch erhöht werden, sondern auch die Sicherheitsmechanismen – wesentlich im Banking – können erweitert und optimiert werden.

Die Customer Experience hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung ge-wonnen und stellt hohe Anforderungen an die Einfachheit, Bequemlichkeit und Mobi-lität von Services. Banken sind traditionell keine Vorreiter bei neuen Technologien.

Die Top 5 Technologien aus dem Bereich Biometrie

Biometrics hat einiges an Potential, nicht nur im Banking. Im folgenden stellen wir Ihnen einige Beispiele für erfolgreiche Anwendungen vor. Unsere Top 5 Anwen-dungsgebiete sind.

Stimme,

Fingerabdruck,

Iris,

Gesicht und

Verhalten.

Biometrics #1 – Stimme

Insbesondere im Bereich der Authentifizierung bieten biometrische Daten einen gro-ßen Vorteil. So kann ein Service Agent im Telefongespräch mit einem Kunden bei-spielweise einfach über seine Stimme (Sprachbiometrie) authentifizieren. Dadurch wird das Merken von Passwörtern, PINs oder anderen Legitimationsdaten überflüssig und Call Zeiten z.B. im Service Center können deutlich reduziert werden. So konnte die slowakische Privatbank Tatra durch die Nutzung von Sprachbiometrie die Identifi-kationszeit des Kunden während des Identifikationsprozesses um 66Prozent reduzie-ren. Barclays hat bereits 2013 die Sprachbiometrie im Telefon-Banking für die Wealth und Investment Management Kunden eingeführt – auch hier authentifizieren sich Kunden allein durch ihre Stimme. Lloyds Bank, Wells Fargo und ANZ Bank nutzen diese Systeme ebenfalls. Neben der reinen Authentifizierung können zusätzlich Standardanfragen oder auch Transaktionen über einen sogenannten Voice Bot ohne Involvierung eines menschlichen Mitarbeiters direkt beantwortet bzw. angestoßen werden. Kunden verbringen weniger Zeit mit dem Warten auf einen freien Agenten und erhalten konsistente, qualitative hochwertige Antworten und „ersparen“ sich mo-notone Ansagen, die man von IVRs kennt.

Biometrics #2 – Fingerabdruck

Die Identifizierung an Geldautomaten über den klassischen vierstelligen PIN wird immer wieder als nicht zeitgemäß und unsichere Methode kritisiert. Wir erwarten,

Page 25: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 25

dass deutsche Banken internationalen Beispielen folgen und eine Umrüstung der über 50.000 Geldautomaten in Deutschland durchführen werden. Die gewohnte Nut-zung von Karten und dazugehörigen PINs wird überflüssig werden und durch eine Authentifizierung mittels biometrischer Daten, wie beispielsweise Fingerabdruck oder Iris-Erkennung, abgelöst werden. Es gibt aber auch Ansätze: so bietet die puertori-kanische Bank Popular Bank bereits karten- und PIN-loses Geldabheben am Geldau-tomaten mithilfe des Smartphones an. Ein einfaches Einloggen in die App per Fin-gerabdruck und anschließendes Scannen eines QR-Codes reicht zum Abheben an Geldautomaten aus. Auch Barclays arbeitet u.a. testweise mit Geldautomaten, bei denen man sich per Fingervenenmuster identifizieren kann.

Biometrics #3 – Iris

Die koreanische KB Kookmin Bank war eine der ersten Banken, die den Iris-Scans auf mobilen Endgeräten von Samsung genutzt hat, um Kunden zu authentifizieren. Die Nutzung der Iris ist ebenfalls eine weitere Option für Geldautomaten. Die Jordan Commercial Bank nutzt Iris-Scans auch in Filialen und ermöglicht es Kunden jegliche Transaktionen ohne Personalausweis oder sonstige Zusatzkennung durchzuführen. In Indien finden sich mehrere Banken – insbesondere auf Basis von Aadhaar, einer zentralen Datenbank, in der neben einer persönlichen Identifikationsnummer mehre-re biometrische Informationen gespeichert werden, die biometrische Daten für Au-thentifizierungen nutzen.

Biometrics #4 – Gesicht

MasterCard beispielsweise bietet auch das Log-In per Gesichtserkennung oder Fin-gerabdruck über das Smartphone an.

ING, HSBC und die Erste Bank haben Face IDs ebenfalls in die Mobile Banking App integriert. Papierhafte TAN-Blöcke oder lästiges Merken eines Passworts hören somit der Vergangenheit an. Sie müssen hier auch keine Angst haben, dass jemand ein-fach ein Foto vor die Linse halten kann, denn moderne Technologien können ganz klar zwischen Foto und Wirklichkeit unterscheiden.

Biometrics #5 – Verhalten

Royal Bank of Scotland, Bank Leumi und NatWest nutzen Behavioral Biometrics Lö-sungen. Hierbei werden mehrere Hundert Parameter (physische Merkmale und Ges-ten) erfasst, um ein persönliches Profil herzustellen und für nachfolgende Transakti-onen zu nutzen. Dazu zählen beispielsweise Fingergröße, Druck beim Tippen, Rhythmus beim Tippen, Bewegungen des Handys etc. Der Vorteil ist, dass dies so-wohl in Verbindung mit einem Smartphone, als auch mit einem Computer funktio-niert.

Alle Kundensegmente profitieren

Die Beispiele belegen, dass Biometrics eine weitverbreitete Lösung im Banking ist. Die meisten Häuser nutzen mehrere Merkmale und kombinieren unterschiedlichste IDs, um sichere und gleichzeitig komfortable Services anbieten zu können.

Ein großer Vorteil dieser Identifizierungsmethoden für die Banken ist, dass dies für jede Kundengruppe angeboten werden kann und für verschiede Kundentypen Vortei-le hervorbringt. So kann bei einem digitalaffinen Privatkunden die Customer Experi-ence durch ein erweitertes komfortables Angebot der Bank erhöht werden. Ein viel-beschäftigter Geschäftskunde benötigt auf Reisen nicht ständig seine Legitimations-kennnummern (PIN oder TAN), um einen Auftrag auszuführen, sondern kann sich ganz bequem während einer Bahnfahrt oder Autofahrt mittels Freisprecheinrichtung legitimieren.

Page 26: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 26

Biometrische Identifikationsdaten bieten weitere Chancen und Vorteile

Biometrische Identifikationsdaten bieten noch weitere Chancen und Vorteile. So wird damit eine erhöhte Sicherheit für den Kunden geschaffen, da dieser sich mit seinen einzigartigen biometrischen Merkmalen identifizieren kann. Für die Bank bedeutet das im Gegenzug eine Reduzierung von Betrugsfällen, aber auch starke Effizienzvor-teile. Durch Wegfall der Legitimation mit veralteten PIN-TAN-Verfahren können ad-ministrative Aufwände deutlich reduziert werden.

Der Einsatz von Biometrics wird in den nächsten Jahren rasant ansteigen und in der Filiale, im Mobile und im Online Banking nicht mehr wegzudenken sein.

Autoren

Nicole Tranker ist Senior Managerin im Bereich Financial Services bei Deloitte und verantwortet das FSI R&CA Team in Deutschland. Sie verfügt über mehrjährige Er-fahrung im Management von Optimierungs- und Transformationsprojekten und ist spezialisiert auf die Umsetzung von Digitalisierungslösungen in Banking & Insurance.

Sahar Khaksar ist Beraterin im Financial Services Bereich bei Deloitte und Teil des FSI R&CA Teams in Deutschland. Zu ihren Schwerpunkten gehören Asset Manage-ment und Digitalisierung.

Jurek Malinowski ist Berater im Financial Services Bereich bei Deloitte. Sein Bera-tungsschwerpunkt liegt in der Digitalen Transformation und im Prozessmanagement, insbesondere in der Prozessdigitalisierung und automatisierung. Er ist Teil des FSI R&CA Teams in Deutschland.

Page 27: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 27

So „sprachfähig“ sind Bots in Deutschland

-

Bank-Beratung mit Künstlicher Intelligenz

Robert Gatzemann

Verstehen, Interpretieren und Nutzen von natürlicher Sprache sind wichtige Teile Künstlicher Intelligenz. Doch sprachgesteuerte Robo Advisor und Service Bots sind bei deutschen Banken und Sparkassen eine Seltenheit. Das hat ver-schiedene Gründe.

Eine Kerndisziplin künstlicher Intelligenz ist das Übersetzen und Nachahmen menschlicher Denkprozesse. Dabei spielt das Verstehen und Interpretieren von Sprache eine wesentliche Rolle. Seit der Einführung von Apples Smartphone-Stimme Siri 2011 ist die sprachgesteuerte Interaktion mit dem Handy zur Normalität gewor-den. Dialoge mit der Stimme auf dem Smartphone beschränken sich allerdings meist auf den gelegentlichen Wettercheck und die spontane Klärung einer Begriffsdefiniti-on. Viele Schnittstellenfunktionen, die bereits heute über das Handy verfügbar sind, werden dagegen kaum genutzt.

Dabei gäbe es auch bei der Kommunikation mit der Hausbank oder dem Anlagebera-ter zahlreiche Prozesse des täglichen Lebens, die sich mit dem Einsatz von Sprache sehr viel schneller und effizienter erledigen ließen. Offensichtlich herrscht noch im-mer eine gewisse Grundskepsis gegenüber der Technologie. Sie lässt die meisten Nutzer davor zurückschrecken, sich sprachgesteuert von einer Stimme im Handy in Finanzfragen beraten zu lassen.

Das Misstrauen in die Technik

Eine der größten Sorgen der Nutzer ist, dass die Maschine etwas falsch verstehen könnte. Sie könnte beispielsweise mehr Geld überweisen als gewünscht, oder die Technik geht Verträge ein und vereinbart von sich aus Termine, ohne dass der Kun-de das explizit verlangt.

Diese Ängste stammen vor allem aus Erfahrungen im Umgang mit den sogenannten Smart-Home-Assistenten. Die auf Smalltalk getrimmten Bots versuchen, auf mög-lichst viele Fragen eine Antwort zu finden. Die Folge: Sie liegen häufiger mal dane-ben. Als jemand der sich tagtäglich mit der Entwicklung von Sprachassistenten be-schäftigt, kann ich versichern: Professionelle Beratungs-Bots für Banken funktionie-ren nicht nach demselben Verfahren wie die weitläufig bekannten Smart-Home-Assistenten à la Alexa, Siri und Cortana. Während ein herkömmlicher digitaler Assis-tent versucht, zwischen tausenden Themen zu jonglieren und möglichst selten den Satz „Wie bitte?“ verlauten lassen soll, geht das sprachgesteuerte Pendent in einer Banking App weit über die reine Themenerkennung hinaus.

Für den Prozess „Überweisung tätigen“ oder „Karte sperren“ wird neben der The-menerkennung, die das Vorhaben identifiziert, eine Reihe obligatorischer Parameter abgefragt. Ohne die Informationen, was gesperrt werden soll, z.B. eine Girokarte, und zu welchem Zeitpunkt, z.B. sofort, wird keine Sperrung einer Karte ausgelöst.

Dazu kommen generelle Sicherheitsbedenken, wie sie bei IT-gestützten Abläufen immer auftreten. Je vernetzter die Welt wird, desto größer ist auch die Befürchtung, dass Daten ungewollt an Dritte gelangen. Kunden, die sich um Hacking-Angriffe und Datensicherheit sorgen, lässt sich versichern, dass Sprache lokal, das heißt auf dem Endgerät des Nutzers, transkribiert werden kann. Die Stimme gelangt also nicht als Audio-Datei in die Cloud. Es ist sogar möglich, die eigene Sprache als biometrischen Schlüssel zu verwenden, sodass der Service in den Händen einer fremd klingenden Person gänzlich unbrauchbar ist.

Page 28: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 28

Interne Automatisierung als Eisbrecher

Banken haben somit bei Kunden noch ein Stück Überzeugungsarbeit vor sich. Das bedeutet nicht, dass die Technologie so lange brachliegt. Die technologischen Rah-menbedingungen haben sich in den letzten zwei Jahren insbesondere im deutsch-sprachigen Raum massiv verbessert. Heute können sehr viel mehr Schnittstellen be-denkenlos sprachgesteuert verwendet werden. Das kann nicht nur in Privathaushal-ten, sondern auch bei unternehmensinternen Prozessen zu großen Effizienzsteige-rungen führen. In erster Linie sind dabei Prozesse betroffen, die klassischerweise über das Telefon bedient werden.

Praktische Anwendungsfälle gibt es reichlich: In Banken kommt es zuhauf vor, dass ein vergessenes Passwort zurückgesetzt werden muss, die Tastatur am Arbeitsplatz nicht mehr funktioniert, eine Software freigeschaltet werden muss oder der Status eines IT-Support-Tickets erfragt wird. Personalabteilungen erhalten zudem immer wieder die Frage, wie viele Urlaubstage im aktuellen Jahr noch zur Verfügung ste-hen.

Problemstellungen wie diese fallen in deutschen Finanzinstituten tausendfach an und werden meist an externe Callcenter oder interne First-Level IT-Support Center wei-tergeleitet. Bis zu 90 Prozent der eingehenden Anfragen fallen dabei täglich wieder-holt an und werden durch simple Prozesse gelöst, die problemlos automatisiert wer-den können. Der Mitarbeiter muss dafür nicht einmal seine Gewohnheiten umstellen, da die Probleme zukünftig mit einem Anruf unter derselben Telefonnummer bearbei-tet werden können – nur, dass dann ein Bot auf Basis von Robotic Process Automa-tion (RPA) und Künstlicher Intelligenz (KI) den Anruf entgegennimmt und bearbeitet.

Es ist zu erwarten, dass in den kommenden zwei Jahren ein Großteil der deutschen Finanzinstitute den digitalen Umschwung zu automatisierten Systemen dieser Art in Angriff nimmt. Die vollständige Etablierung von sprachgesteuerten Banking Services für den Privatkunden wird sich dem mit leichter Verzögerung anschließen.

Sorgenkind Sprachsynthese

Um das Skillset des virtuellen Bankberaters zu vervollständigen, fehlt noch eine maßgebliche Komponente: eine menschlich wirkende Sprachausgabe. Auch wenn dieser Part oft als reines Marketing-Tool und Showeffekt abgetan wird, ist die soge-nannte Sprachsynthese (Text-to-Speech) ein essentieller Bestandteil vieler Anwen-dungen. In dem genannten Beispiel des automatisierten Helpdesks ist eine klare Aussprache unabdingbar, da sonst das neue Passwort oder der Name des gesuch-ten Ansprechpartners nicht verstanden wird. In längeren Prozessen kommt hinzu, dass eine sehr monoton klingende Stimme oftmals zum vorzeitigen Abbruch des Prozesses führt. Exakt dieser Punkt ist es, der uns neidisch in die USA blicken lässt, wenn namenhafte Tech-Unternehmen wie Google ihre Sprachausgaben demonstrie-ren, die kaum noch von einer menschlichen Stimme zu unterscheiden sind.

Für die Klassifizierung von Texten nach Thema und Sprache haben sich seit einigen Jahren Deep-Learning-Ansätze als das beste Verfahren durchgesetzt. Somit wurde nahezu jede Sprache der Welt interpretierbar gemacht. Der Prozess der Sprachaus-gabe ist dagegen weiterhin stark von der regelbasierten Aneinanderreihung soge-nannter Phoneme geprägt. Gemeint sind in großen Datenbanken hinterlegte Laute bestimmter Buchstabenreihungen und Übergängen von Silben. Die gesammelten Informationen dieser Audiodaten und die dahinterliegende Technik der Verkettung der einzelnen Segmente, die beim Vorlesen eines Textes verwendet werden, sind wertvolle Datenschätze der Unternehmen und von außen kaum zugänglich. Der deutsche Markt versucht hier seit Jahren aufzuholen, ist allerdings noch immer weit hinter dem englischsprachigen Stand der Technik.

Page 29: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 29

Banking per Bot wird sich bald etablieren

Wenn sich die Technik im aktuellen Tempo weiter verbessert, werden wir dennoch bis 2020 deutsche Sprachausgaben vorfinden, die einen ausreichenden Grad an Realismus vermitteln, um den Anforderungen jeder sprachgesteuerten Banking App zu genügen. Auch wenn Sprachsynthese oft als Kenngröße für den aktuellen Ent-wicklungsstand der sogenannten Conversational AI verwendet wird, ist sie bei wei-tem nicht der ausschlaggebende Faktor für den Erfolg. Aktuell werden Bots meist für sehr spezifische Anwendungsfälle entwickelt.

Um den aus Nutzersicht attraktivsten Kanal bereitzustellen – einen gesamtheitlichen Banking Bot, der auf allen relevanten Themengebieten sprachfähig ist – benötigt es noch deutliche Verbesserungen in der Performance der Themenerkennung und der kontinuierlichen Verschmelzung mit verschiedenen Bereichen des Natural Language Processing (NLP). Von den Erfolgen auf diesem Forschungsgebiet werden Relevanz und Akzeptanz sprachgesteuerter Systeme maßgeblich abhängen.

Autor

Robert Gatzmenann ist Berater im Bereich Banking bei Sopra Steria Consulting. Er ist Experte für Künstliche Intelligenz und beschäftigt sich speziell mit den Einsatz-möglichkeiten digitaler Assistenten.

Page 30: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 30

Autonomes Fahren als Herausforderung für Finanzinstitute

-

Die mobile Revolution als Game-Changer für das klassische Bankgeschäft?

Tamara Bührle, Björn Wenninger

Der Zusammenhang zwischen Banking und autonomem Fahren liegt sicher nicht für jeden Betrachter sofort auf der Hand. Auf den zweiten Blick stellt sich dann jedoch schnell heraus, dass sich einige Auswirkungen dieses Mobilitäts-trends auf das Bankgeschäft bereits heute abzeichnen.

E-Mobility, Carsharing, Mobility as a Service: Wir stehen vor einem neuen, spannen-den Zeitalter der Mobilität. Das autonome Fahren stellt in diesem Kontext einen Me-gatrend mit disruptivem Potenzial dar. Bereits im Jahr 2015 kündigte der ewige Technikoptimist Elon Musk die Markteinführung der ersten vollautonomen Tesla-Modelle für 2018 an. Dieses Versprechen konnte er nicht halten. Fraglich ist auch, ob Musks Prognose aus dem Jahr 2017 eintritt. Damals prophezeite er, das autonome Fahren werde sich spätestens bis 2032 vollständig durchgesetzt haben. Diese Ein-schätzung teilt der renommierte Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer nicht. „Das autonome Auto als individuelles Massenverkehrsmittel wird sich in Europa nicht vor 2050 durchsetzen.“

Nur noch eine Frage der Zeit

Das Wann ist also noch strittig, das Ob jedoch nicht mehr: Das autonom fahrende Fahrzeug kommt – davon zeugen nicht zuletzt die ersten erfolgreichen Gehversuche aus den Häusern Waymo/Google, General Motors und Tesla. „Wer dabei nur an die Technik denkt, hat noch nicht erkannt, wie das autonome Fahren unsere Gesell-schaft verändern wird“, mahnt Daimler-Vorstandsvorsitzender Dieter Zetsche. Aus-gehend von dieser These sollte sich also auch der weitsichtige Banker einmal mit der Frage nach möglichen Auswirkungen auf sein Geschäft auseinandersetzen.

Fünf Stufen auf dem Weg zur Autonomie

Page 31: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 31

Experten definieren fünf Stufen auf dem Weg zum autonomen Fahren. Fahrzeuge der Stufe 2 sind auf unseren Straßen bereits häufig zu finden. So zählen dynamische Abstandsregelung, Spurhalte- und Stauassistenten sowie automatische Einparkhilfen in der automobilen Oberklasse heute schon zum Mainstream. Pkw der Stufe 3 sitzen – zumindest aus technischer Sicht – in den Startlöchern. Lücken im rechtlichen Rahmen und die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz stehen einer kurzfristigen Markteinführung jedoch noch im Wege. Bei Fahrzeugen der Stufe 5 ist ein Fahrer gänzlich obsolet. Das wird langfristig enorme Auswirkungen haben.

Autonomes Fahren als Katalysator für Mobilitätskonzepte der Zukunft

Die unmittelbaren Auswirkungen des autonomen Fahrens liegen auf der Hand: Auf dem Weg ins neue Zeitalter sind andere technische Kompetenzen gefragt als bis-lang. Hersteller werden sich voraussichtlich zu Mobilitätsdienstleistern weiterentwi-ckeln (müssen). Daher sind strukturelle Änderungen auf dem Pkw-Markt mehr als wahrscheinlich. Die Karten werden neu gemischt. Nicht zuletzt ist davon auszuge-hen, dass der anstehende Paradigmenwechsel neuen Playern das Feld für einen Angriff auf etablierte Hersteller und Zulieferer ebnen wird. Angrenzende Branchen wie das Taxigewerbe stehen mit der flächendeckenden Einführung des autonomen Fahrens gar vor der vollständigen Disruption.

Unstrittig ist, dass autonom fahrende Fahrzeuge die Sicherheit im Straßenverkehr positiv beeinflussen werden. So rechnen Experten in einem System, in dem aus-schließlich Fahrzeuge der Stufe 5 auf den Straßen unterwegs sein werden, mit einem Rückgang der Unfallzahlen um mehr als 90 Prozent im Vergleich zum Status quo.

Gleichzeitig wirkt sich das autonome Fahren auch verstärkend auf zukünftige Mobili-tätskonzepte und aktuelle Trends wie Carsharing aus: Zumindest in Großstädten zeichnet sich bereits eine klare Tendenz weg vom Besitzen und hin zum Teilen ab, wie die Vielfalt an Car- und Bikesharing-Anbietern eindrücklich belegt. Mobilität wird zunehmend als Commodity betrachtet. Die Besitzstrukturen verlagern sich von Pri-vatpersonen zu kommerziellen Anbietern. Dieser Trend wird mit dem Einzug auto-nom fahrender Fahrzeuge noch einmal einen Schub bekommen. Heutige Verkaufs-argumente wie Prestige und Fahrspaß werden dann nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Von noch größerer Bedeutung wird aber die steigende Wirtschaftlich-keit von Car- und Bikesharing-Angeboten sein. Autonom fahrende Fahrzeuge ermög-lichen eine dramatisch verbesserte Auslastung der vorhandenen Fahrzeugflotte. In der Konsequenz ergibt sich daraus trotz eines erwarteten Anstiegs der Mobilitäts-nachfrage ein drastischer Rückgang des Pkw-Bedarfs.

Risiken, aber auch Chancen für Banken und Sparkassen

Die beschriebenen Implikationen werden nicht spurlos an den Finanzinstituten vor-beifahren. Dabei zeichnen sich einige Entwicklungen bereits heute recht deutlich ab. Andere wiederum werden sich erst mit fortschreitender Zeit herauskristallisieren. Vor diesem Hintergrund kommt dem professionellen Monitoring von Marktentwicklungen und technologischen Trends auch für Banken eine zunehmend größere Bedeutung zu.

Der mit der flächendeckenden Einführung des autonomen Fahrens und der Auswei-tung des Carsharing-Trends einhergehende Absatzrückgang bei Pkw wird sich stark negativ auf das Geschäft mit Kfz-Finanzierungen auswirken. Der zu erwartende Mengeneffekt wird dabei maximal anteilig durch einen positiven Preiseffekt kompen-siert werden können. Besonders hart wird sich diese Entwicklung im Privatkunden-segment niederschlagen, da der Besitz eines eigenen Autos im autonomen Zeitalter mutmaßlich eher die Ausnahme als die Regel darstellen wird. Auf diese Entwicklun-gen sollten sich weitsichtige Institute rechtzeitig einstellen. Der bevorstehende Um-bruch in der Automobilbranche wird nur mit umfangreichen Investitionen in neue

Page 32: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 32

Technologien und die erforderliche Infrastruktur zu stemmen sein. Hier bieten sich erhebliche Ertragschancen für Kreditinstitute, die sich in diesem Kontext unter ande-rem mit eigenen Kompetenzzentren rund um die Mobilität der Zukunft einen Wettbe-werbsvorteil verschaffen können.

Das disruptive Potenzial der Technologie wird ferner auch Anpassungen an der Ver-gabepraxis von gewerblichen Finanzierungen erforderlich machen, möchte der Kre-ditgeber die Gefahr von „Stranded Assets“ minimieren. Galten Investitionen in Park-häuser in der Vergangenheit zum Beispiel überwiegend als sichere Finanzierungsob-jekte, könnten sie sich mit der Ausbreitung autonom fahrender Autos schnell als Mil-lionengräber erweisen.

Bei der Bonitätsermittlung sind disruptive Risiken zukünftig gegebenenfalls stärker als heute zu berücksichtigen. So könnte es erforderlich werden, die langfristige Trag-fähigkeit des Geschäftsmodells im Zuge des Ratings noch intensiver in Augenschein zu nehmen.

Spannend für Banken und Sparkassen ist mit Sicherheit auch die Zahlungsabwick-lung von Services im Ökosystem des autonom fahrenden Fahrzeugs. So wird es neue Formen der Gebührenerhebung und Rechnungsstellung geben müssen, wenn sich das Fahrzeug beispielsweise selbständig auflädt oder ohne den Besitzer eine Werkstatt aufsucht. Aufgrund veränderter Eigentümerstrukturen und Nutzungskon-zepte ist es sehr wahrscheinlich, dass Bezahlvorgänge zukünftig gebündelt abge-rechnet werden. Zusätzlich ist bereits heute zu beobachten, dass immer mehr inno-vative Anbieter von Payment-Solutions in den Markt drängen. Folglich ist davon aus-zugehen, dass die Erträge im Zahlungsverkehr weiter unter Druck geraten.

Autoversicherern steht Umbruch bevor

Für Kfz-Versicherer bedeutet das autonome Fahren eine Zeitenwende. So stellt sich bei Fahrzeugen der Stufen 3 und 4 die Frage nach der Verantwortung des Fahrers im Schadensfall. Anders als heute ist der dann nämlich nicht mehr automatisch auch als Unfallverursacher haftbar zu machen. Neue Produkte und Tarife müssen also entwickelt werden. Spätestens bei Fahrzeugen der Stufe 5 liegt die Verantwortung vermutlich gänzlich bei den Herstellern. Ob diese potenzielle Unfallrisiken selbst tra-gen oder auf Versicherungsanbieter auslagern, wird sich zeigen. Spätestens dann, wenn nur noch autonome Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind, könnte das letzte Stündchen der klassischen Kfz-Versicherung geschlagen haben. Banken und Sparkassen als ein wichtiger Vertriebskanal der Versicherungswirtschaft müssen sich also voraussichtlich auf einen Rückgang der Provisionserträge in diesem Produktfeld einstellen.

Gleichzeitig bietet das autonome Fahren für die Versicherungswirtschaft auch erheb-liche Chancen. Experten rechnen mit einem zusätzlichen Umsatzpotenzial in Höhe von knapp 90 Milliarden Euro pro Jahr durch neue Versicherungsangebote rund um Themen wie Cyber Security und Data Privacy allein in Europa. Dabei handelt es sich zu einem Großteil zwar um Angebote für gewerbliche Kunden wie OEMs oder Car-sharing-Anbieter, die ihre Policen in der Regel ohne den Umweg über einen Vermitt-ler direkt bei den jeweiligen Versicherungsunternehmen abschließen dürften. Den-noch bieten sich bei cleverer Positionierung hier durchaus auch für Finanzinstitute attraktive Chancen.

Die mobile Bankfiliale

Die Fahrt in einem autonomen Fahrzeug kann anders als heute produktiv genutzt werden. Daher wäre es eine denkbare Option, Bankberater wieder stärker als derzeit raus zu ihren Kunden zu schicken. Die professionelle Gesprächsvor- und Nachberei-tung könnte multimedial unterstützt effizient von unterwegs erfolgen. Umgekehrt wäre es auch denkbar, dass die Kunden den Weg in die Filiale unter den dann gegebenen

Page 33: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 33

Umständen wieder häufiger suchen werden. Sogar gemeinsame Fahrten von Kunde und Berater könnten in der autonomen Zukunft eine sinnvolle Möglichkeit für eine kundenbedarfsgerechte Beratung darstellen. Inwieweit diese persönliche Form der Kontaktpflege im betrachteten Zeithorizont bis zum Jahr 2050 noch eine Rolle spie-len wird, wagen die Autoren jedoch nicht abzuschätzen.

Unstrittig ist aber, dass autonom fahrende Fahrzeuge mit umfangreicher Multimedia-technik ausgestattet sein werden, die hervorragend für Videoberatung oder Mobile Banking genutzt werden kann. So wird im Prinzip jedes autonom fahrende Fahrzeug zu einer kleinen, mobilen Bankfiliale.

Kein Game-Changer für das klassische Banking

Die revolutionäre Wirkung, die das autonome Fahren im Mobilitätssektor zweifelsfrei entfalten wird, bleibt bezogen auf die Bankenbranche voraussichtlich aus. Dafür spricht insbesondere die Tatsache, dass die typischen Ankerprodukte – Giro für Pri-vatkunden und Finanzierungsangebote für Firmenkunden – von diesem Megatrend und seinen indirekten Auswirkungen gar nicht oder nur dem Umfang nach betroffen sein werden. Vielmehr wird es darum gehen, sich kapazitäts- und produktseitig rechtzeitig auf die sich schrittweise verändernde Nachfragesituation einzustellen und der Beobachtung technologischer Trends und deren Folgeabschätzung eine noch größere Bedeutung als zurzeit beizumessen. Dann kann auch der vorausschauende Banker die Fahrt in (s)einem autonomen Fahrzeug unbeschwert genießen und die gewonnene Zeit vielleicht sogar dazu nutzen, um kreative Ideen für neue Finanzpro-dukte rund um die Mobilität der Zukunft zu ersinnen.

Autoren

Tamara Bührle ist Managerin bei der Strategieberatung Berg Lund & Company (BLC). Sie begleitet Finanzinstitute vornehmlich in der Restrukturierung sowie im Change Management. Mit ihrem Hintergrund als Wirtschaftsingenieurin und Erfah-rungen im Industrieumfeld befasst sie sich zudem mit den Auswirkungen technologi-scher Trends auf die Bankenbranche.

Björn Wenninger ist ist Manager bei BLC mit Fokus auf den Themenkomplexen Ge-schäftsmodellentwicklung, IT-Strategie und digitale Transformation sowie vertriebs-strategischen Fragestellungen im Corporate und Consumer Banking.

Page 34: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 34

Smart Cities verändern das Banking

-

Die Rolle von Finanzinstituten in einem vernetzten Ökosystem

Jürgen Stetter, Gökhan Öztürk

Gegenstände und Personen vernetzen sich untereinander immer stärker. Städ-te entwickeln sich zu Smart Cities. Banken könnten in diesem Ökosystem die Rolle des sicheren und verlässlichen Zahlungsabwicklers oder aber die Rolle einer Art „Daten-Safe“ einnehmen.

Städte entwickeln sich immer mehr zu vernetzten Städten, wir nennen sie auch „Smart Cities“. Was sie ausmacht, wird anschaulich, wenn wir uns einen Ausschnitt aus dem Alltag der dann schätzungsweise 2,5 Milliarden Stadtbewohner im Jahr 2050 vorstellen…

Lea nutzt ihren Arbeitsweg in einem elektrisch betriebenen autonomen Flugtaxi für eine Videokonferenz mit Kollegen. Sie entscheidet sich dabei für die kostenlose Va-riante und erklärt sich dafür bereit, einen ein-minütigen und individuell auf sie zuge-schnittenen Hologramm-Werbeblock eingespielt zu bekommen. Das Flugtaxi hat derweil eine zwei-minütige Wartezeit für induktives Laden genutzt und Energie aus den energiespeichernden Fliesen des Landeplatzes gezogen. Die Bezahlung des Fluges geht automatisch, da alle Flugtaxis eindeutig identifizierbare „digitale Geld-börsen“ darstellen…

Smart City als Stadt der Zukunft

So oder so ähnlich könnte die Stadt der Zukunft aussehen. Alle Gegenstände und Personen sind miteinander vernetzt. Leistungen werden gegenseitig erbracht und in Echtzeit automatisiert abgerechnet. In dieser urbanisierten und komplett vernetzten Welt finden unendlich viele Finanztransaktionen, teils mit kleinsten Beträgen, statt. Banken könnten in diesem Ökosystem die Rolle des sicheren und verlässlichen Zah-lungsabwicklers übernehmen. Zudem wird der Bedarf an einer sicheren Verwahrung von persönlichen Daten weiterhin steigen. Auch diese Rolle könnten Banken mit ei-ner Art „Daten-Safe“ einnehmen. Diese und weitere Aspekte wollen wir im Detail be-leuchten.

Die Rolle des Bankings und mögliche Auswirkungen

In der Zukunft der Smart Cities sind unterschiedliche Rollen für Banken und ihre Leis-tungen denkbar. Dazu gehören:

Banking als Vorreiter der digitalen Geldbörse

Banking als bevorzugter Zahlungsintermediär

Banking als Datentreuhänder, -verarbeiter und –lieferant

Banking als konventionelle Finanzierungsrolle für Smart Cities

Nachfolgend werden sie näher beschrieben.

Banking als Vorreiter der digitalen Geldbörse

Tiefe Marktdurchdringung von sogenannten Digital Wallets (deutsch: digitalen Geld-börsen) – in der solitären Verwendung durch Mensch, Infrastruktur und Maschinen sowie deren Fähigkeit, unterschiedliche Systeme miteinander zu verbinden – wird sich zu einem Schlüsselfaktor für die Funktionalität von Smart Cities entwickeln.

Als Evolution des „klassischen“ Mobile Bankings bietet das Smartphone-basierte Di-gital Wallet dem Endkonsumenten eine Plattform für mobile Echtzeit-Bezahlungen und verbindet unterschiedliche Akteure – sei es an der Supermarktkasse oder dem Parkautomaten. Aktuelle Studien belegen, dass jeder dritte Konsument in den USA in den letzten sechs Monaten zumindest eine Zahlung mit dem Smartphone getätigt

Page 35: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 35

hat, Asien weist bereits höhere Sättigungsgrade auf. Durch die global steigende Tendenz dringen zahlreiche Anbieter mit Digitalexpertise und Finanzkraft in den Markt, von ApplePay bis Alipay.

Jedoch halten Retail-Banken zwei Asse für einen erfolgreichen Markteintritt im Ärmel: Erstens verfügen sie über eine etablierte Kundenbasis, die sich ohne zusätzliche Anwerbung zu Nutzern von Digital Wallets transformieren lässt. Zweitens befriedigen glaubwürdige Bankinstitute das Konsumentenbedürfnis nach Sicherheit und Schutz vor Betrug.

Analog zur Anwendung durch Endkonsumenten fungiert das Digital Wallet als Zah-lungspool von Infrastrukturanwendungen und beweglichen/unbeweglichen Maschi-nen. Ein Anwendungsszenario bildet sich in der automatisierten Ladung eines Elekt-rofahrzeugs an einer öffentlichen Ladestation ab, wobei beide Akteure über ein eige-nes Digital Wallet verfügen.

Banking als bevorzugter Zahlungsintermediär

Banken werden eines ihrer Kerngeschäfte, die Abwicklung von Zahlungsströmen, in den Aufbau von Smart Cities einbringen. Jedoch werden diese stärker integriert, ver-netzt und mit neuen Technologien auftreten.

Die Modalität von Zahlungsströmen wird sich innerhalb von Smart Cities signifikant verändern – weg von einer kleinen Anzahl an hohen Summen hin zu Transaktionen mit äußerst hoher Frequenz und jeweils niedrigen Beträgen („Micro-Payments“). Als Beispiel könnte die induktive Aufladung eines an der Ampel wartenden Elektrofahr-zeugs mit sofortiger Zahlungsabwicklung sein.

Damit einher gehen hohe Anforderungen an Zahlungsintermediäre, sowohl in Bezug auf Prozesssteuerung/-intensität und Identifikation als auch mit Blick auf (Daten-)Sicherheit. Außerdem gilt es Transaktionskosten auf ein Minimum zu reduzieren, um der hohen Anzahl an individuellen Zahlungsströmen zu begegnen. Als technische Komponente bietet sich in der Lösung beschriebener Anforderungen die Blockchain-Technologie mit hohem Reifegrad an – laut einer Erhebung der World Bank verwen-deten Mitte 2017 bereits 73 Prozent aller Banken Blockchains mit unterschiedlichen Anwendungsbeispielen, Tendenz steigend.

Banking als Datentreuhänder, -verarbeiter und -lieferant

Smart Cities sowie deren Nutzer, von Mensch bis Maschinen, benötigen und generie-ren unbeschreiblich hohe Mengen an Daten, die entsprechend verarbeitet, gespei-chert und nutzbar gemacht werden müssen. Analog zu ihrer Rolle im Geldmarkt bie-ten sich Banken als vertrauensvoller Schlüsselspieler im Datenmanagement an.

Der Umgang mit Daten ist konträren Interessen ausgesetzt, die in Einklang gebracht werden wollen. Einerseits brauchen Akteure eine kritische Masse an zugänglichen persönlichen Daten, um daraus eigenen Mehrwert zu generieren – z.B. die Standort-lokalisation für die Bereitstellung von Car-Sharing Angeboten. Andererseits wird der Umgang insbesondere mit persönlichen Daten zunehmend restriktiver, getrieben durch Konsumenten selbst sowie Regulatoren.

Die Überwachung von Banken aus Finanzmarktsicht sowie durch datenschutzrechtli-che Vorgaben (DSGVO) dient als Chance, um sich als streng überwachte Anlaufstel-le für Datenmanagement zu positionieren.

Aus Konsumentensicht tragen Banken Verantwortung als „Treuhänder“ z.B. Verwah-rer von persönlichen Daten, wobei insbesondere der Zugriff und die Kontrolle durch Nutzer über die eigenen Daten ausschlaggebend sein wird. Trotz hoher Konkurrenz, u.a. durch Cloud Anbieter wie Amazon Web Services, obliegt Banken ein gewisser Vertrauensvorschuss, auf dem sinnhaft aufgesetzt werden sollte.

Page 36: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 36

Aus Sicht anderer Akteure, insbesondere Unternehmen, stellen Banken Datenliefe-ranten dar, die eine Verschränkung aus datenschutzrechtlicher Konformität und Be-reitstellung aussagekräftiger, ggf. anonymisierter Daten meistern.

Sowohl Konsumenten als auch anderen Akteuren dienen bisherige Funktionalitäten in Verbindung mit Technologien wie Künstlicher Intelligenz als Datenprozessor zur Gewinnung zusätzlicher Erkenntnisse. So liefert z.B. die App-Weiterentwicklung von konventionellen Finanzmanagern hin zu einem komplexen, integrierten LifeCoach Mehrwert für den Konsumenten, indem Funktionen wie Lebensmitteleinkäufe oder Gesundheitsempfehlungen in eine Anwendung integriert werden.

Banking als konventionelle Finanzierungsrolle für Smart Cities

er Ausbau von Smart Cities erfordert hohe Investitionen, insbesondere in technologi-sche Investitionsgüter; der flächendeckende Einsatz des 5G-Netzwerks sowie WLANs, Infrastrukturlösungen wie diverse Sensorik, E-Ladestationen, Touchscreens, virtuelle Funktionalitäten, Lösungen für erneuerbare Energien oder mobile Zahlungs-services, um einige Beispiele zu nennen. Banken können sich dafür als dezidierter Finanzierungsanbieter oder sogar als Investor selbst platzieren – hierbei wird es be-sonders darauf ankommen, dass Banken zielgerichtet Kapital zur Verfügung stellen und solche Investitionen forcieren.

Empfehlungen an die Banking Industrie

Smart Cities stellen ohne Zweifel die Zukunft des urbanen Lebens dar, getrieben durch zahlreiche Faktoren wie zunehmende Digitalisierung, Datengenerierung, de-mographischen Wandel oder Mobilitätsentwicklungen. Das Banking kann hierin eine Schlüsselrolle besetzen, sofern rasch entsprechende Maßnahmen gesetzt werden.

In der Gesamtsicht wird es für jede Bank entscheidend sein, dass hohe Investitionen in den Aufbau von Datenmanagement-Funktionalitäten getätigt werden – dies bein-haltet insbesondere die Implementierung von neuen Technologien wie z.B. Block-chain oder Künstliche Intelligenz, aber auch deren Weiterentwicklung und Schaffung neuer Funktionalitäten. Außerdem sollte die Zusammenarbeit zwischen eigenem In-

Page 37: Auswirkungen digitaler Technologietrends auf Finanzinstitute · 2019-03-01 · Die Vielzahl neuer Regulierungen wie z.B. Basel III, MiFID II, PSD2 oder DSGVO. Der Zustrom traditioneller

© 2019 Dr. Hansjörg Leichsenring / Der Bank Blog Seite 37

novationsmanagement und anderen Akteuren, z.B. Entscheidungsträgern in der Stadtplanung, GAFA (Google, Apple, Facebook, Amazon) oder Energieversorgern, forciert werden.

Retail- und Private Banking müssen in jedem Fall ihr eigenes Digitalangebot weiter-entwickeln und Partnerschaften mit anderen Akteuren wie z.B. Infrastrukturanbietern anstreben, um sich bei Konsumenten als führender Anbieter von Digital Wallet-Lösungen durchzusetzen. Der Einsatz neuer Technologien wie Blockchain wird einen Durchbruch in der hochfrequenten Zahlungsabwicklung zur Folge haben, wobei etab-lierte Banken versuchen sollten, eine Vorreiterrolle einzunehmen und somit junge Unternehmen aus dem Markt zu drängen. Außerdem wird die Bewerbung der Integri-tät, Sicherheit und Legalität des Retail Bankings dazu führen, dass seine Rolle als Datenmanager akzeptiert und respektiert wird.

Im Vergleich zum Retail Geschäft deckt das Corporate Banking vorwiegend die In-vestitionsfinanzierung notwendiger Ressourcen von Smart Cities ab, was in entspre-chenden Finanzierungsstrategien erkennbar sein muss. Als Verlängerung der Funk-tion als Datenmanager wird es dem Corporate Banking gelingen, eine valide und rechtlich konforme Datenquelle für andere Akteure innerhalb von Smart Cities, insbe-sondere Unternehmen, zu repräsentieren.

Autoren

Jürgen Stetter ist Partner bei Oliver Wyman. Dort berät er als Energy- & Digital, Technology & Analytics (DTA)-Experte Kunden insbesondere im Themenfeld „neue digitale Geschäftsmodelle”. Zuvor war er bei führenden Energieunternehmen u.a. als Executive Leader für Digital Transformation & Innovation tätig.

Gökhan Öztürk ist Partner bei Oliver Wyman im Bereich Financial Services und Lei-ter des Frankfurter Büros. Seine Expertise liegt im Bereich Retail & Corporate Ban-king sowie Versicherung in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Großbritannien, Italien, der Türkei, Südafrika, Singapur und den USA.