Dubbel || Stabilitätsprobleme

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C7.1 Knickung C 45 C C7 Stabilitätsprobleme J. Lackmann, Berlin; J. Villwock, Berlin C7.1 Knickung Schlanke Stäbe oder Stabsysteme gehen unter Druckbean- spruchung bei Erreichen der kritischen Spannung oder Last aus der nicht ausgebogenen (instabilen) Gleichgewichtslage in eine benachbarte gebogene (stabile) Lage über. Weicht der Stab in Richtung einer Symmetrieachse aus, so liegt (Biege-) knicken vor, andernfalls handelt es sich um Biegedrillknicken (s. C 7.1.6). C7.1.1 Knicken im elastischen (Euler-)Bereich Betrachtet man die verformte Gleichgewichtslage des Stabs nach Bild 1, so lautet die Differentialgleichung für Knickung um die Querschnittshauptachse y (mit I y als kleinerem Flä- chenmoment 2. Grades) im Fall kleiner Auslenkungen EI y w 00 .x/ DM b .x/ DFw.x/ bzw. w 00 .x/ C˛ 2 w.x/ D0 mit ˛ D s F EI y (1) und der Lösung w.x/ DC 1 sin ˛x CC 2 cos ˛x: (2) Aus den Randbedingungen w.x D 0/ D 0 und w.x D l/ D 0 folgen C 2 D 0 und sin ˛l D 0 (Eigenwertgleichung) mit den Eigenwerten ˛ K D n =`; n D 1; 2; 3; ::: . Somit ist nach den Gln. (1) und (2) F K D˛ 2 K EI y D n 2  2 EI y l 2 ; w.x/ DC 1 sin n x l : (3) I y DI min Die kleinste (Euler’sche) Knicklast ergibt sich für n D 1 zu F K D 2 EI y =l 2 . Für andere Lagerungsfälle ergeben sich ent- sprechende Eigenwerte, die sich jedoch alle mit der reduzierten oder wirksamen Knicklänge l K (Bild 2) auf die Form ˛ K D n = l K zurückführen lassen. Dann gilt allgemein für die Eu- ler’sche Knicklast F K D  2 EI y l 2 K : (4) Bild 1. Knickung eines Stabs Bild 2. Die vier Euler’schen Knickfälle Bild 3. Knickspannungsdiagramm für S 235. 1 Euler-Hyperbel, 2 Tet- majer-Gerade, 3 Engesser-v. Kármán-Kurve, 4 v. Kármán-Geraden, 5 Traglast-Kurve nach Jäger Tabelle 1. Werte a und b nach Tetmajer Werkstoff E N/mm 2 0 a N/mm 2 b N/mm 2 S235 2;1 10 5 104 310 1,14 E335 2;1 10 5 89 335 0,62 5%-Ni-Stahl 2;1 10 5 86 470 2,30 Grauguss 1;0 10 5 80 K D776 12C0;053 2 Nadelholz 1;0 10 4 100 29,3 0,194 Mit dem Trägheitsradius i y D p I y =A und der Schlankheit D l K =i y folgt als Knickspannung K D F K A D  2 E 2 : (5) Die Funktion K ./ stellt die Euler-Hyperbel dar (Linie 1 auf Bild 3). Diese Gleichungen gelten nur im linearen, elastischen Werk- stoffbereich, also solange K D  2 E l 2 5 P bzw. = s  2 E P ist. Der Übergang aus dem elastischen in den unelastischen (plas- tischen) Bereich findet statt bei der Grenzschlankheit 0 D s  2 E P : (6) Zum Beispiel wird für S 235 mit R e 240 N=mm 2 ; P 0;8R e 192 N=mm 2 und E D2;1 10 5 N=mm 2 die Grenzschlankheit 0 104. Wei- tere Grenzschlankheiten s. Tab. 1. Knicksicherheit S K D F K F vorh bzw. S K D K vorh: (7) Im allgemeinen Maschinenbau ist im elastischen Bereich S K 5:::10, im unelastischen Bereich S K 3:::8. Ausbiegung beim Knicken. Die Lösung der linearisierten Differentialgleichung (1) liefert zwar die Form der Biegeli- nie, Gl. (3), aber nicht die Größe der Auslenkung (Biegepfeil). Setzt man in Gl. (1) an Stelle von w 00 den wirklichen Ausdruck für die Krümmung ein, so erhält man eine nichtlineare Diffe- rentialgleichung. Ihre Näherungslösung liefert als Biegepfeil den Wert [1] f D r 8 Fl 2  2 EI y  2 F ; K.-H. Grote, J. Feldhusen (Hrsg.), Dubbel, 24. Aufl., DOI 10.1007/978-3-642-38891-0_17, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

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C7.1 Knickung C 45

C

C7 Stabilitätsprobleme

J. Lackmann, Berlin; J. Villwock, Berlin

C7.1 Knickung

Schlanke Stäbe oder Stabsysteme gehen unter Druckbean-spruchung bei Erreichen der kritischen Spannung oder Lastaus der nicht ausgebogenen (instabilen) Gleichgewichtslagein eine benachbarte gebogene (stabile) Lage über. Weicht derStab in Richtung einer Symmetrieachse aus, so liegt (Biege-)knicken vor, andernfalls handelt es sich um Biegedrillknicken(s. C 7.1.6).

C7.1.1 Knicken im elastischen (Euler-)Bereich

Betrachtet man die verformte Gleichgewichtslage des Stabsnach Bild 1, so lautet die Differentialgleichung für Knickungum die Querschnittshauptachse y (mit Iy als kleinerem Flä-chenmoment 2. Grades) im Fall kleiner Auslenkungen

EIyw00.x/D�Mb.x/D�F w.x/ bzw.

w00.x/C˛2w.x/D0 mit ˛ Ds

F

EIy

(1)

und der Lösung

w.x/DC1 sin ˛x CC2 cos˛x : (2)

Aus den Randbedingungen w.x D 0/ D 0 und w.x D l/ D 0

folgen C2 D 0 und sin ˛l D 0 (Eigenwertgleichung) mit denEigenwerten ˛K D n =`; n D 1; 2; 3; ::: . Somit ist nach denGln. (1) und (2)

FK D˛2KEIy D n2 2EIy

l2; w.x/DC1 sin

�n x

l

�: (3)�

Iy DImin�

Die kleinste (Euler’sche) Knicklast ergibt sich für n D 1 zuFK D 2EIy=l2 . Für andere Lagerungsfälle ergeben sich ent-sprechende Eigenwerte, die sich jedoch alle mit der reduziertenoder wirksamen Knicklänge lK (Bild 2) auf die Form ˛K Dn =lK zurückführen lassen. Dann gilt allgemein für die Eu-ler’sche Knicklast

FK D  2EIy

l2K

: (4)

Bild 1. Knickung eines Stabs

Bild 2. Die vier Euler’schen Knickfälle

Bild 3. Knickspannungsdiagramm für S 235. 1 Euler-Hyperbel, 2 Tet-majer-Gerade, 3 Engesser-v. Kármán-Kurve, 4 v. Kármán-Geraden,5 Traglast-Kurve nach Jäger

Tabelle 1. Werte a und b nach Tetmajer

Werkstoff EN/mm2

�0 aN/mm2

bN/mm2

S235 2;1 �105 104 310 1,14

E335 2;1 �105 89 335 0,62

5%-Ni-Stahl 2;1 �105 86 470 2,30

Grauguss 1;0 �105 80 �K D776�12�C0;053�2

Nadelholz 1;0 �104 100 29,3 0,194

Mit dem Trägheitsradius iy DpIy=A und der Schlankheit �DlK=iy folgt als Knickspannung

�K D FK

AD  2E

�2: (5)

Die Funktion �K.�/ stellt die Euler-Hyperbel dar (Linie 1 aufBild 3).Diese Gleichungen gelten nur im linearen, elastischen Werk-stoffbereich, also solange

�K D  2E

l25�P bzw. �=

s 2E

�Pist.

Der Übergang aus dem elastischen in den unelastischen (plas-tischen) Bereich findet statt bei der Grenzschlankheit

�0 Ds

 2E

�P: (6)

Zum Beispiel wird für S 235 mit

Re �240 N=mm2; �P �0;8Re �192 N=mm2

und E D2;1�105 N=mm2 die Grenzschlankheit �0 �104. Wei-tere Grenzschlankheiten s. Tab. 1.

Knicksicherheit

SK D FK

Fvorhbzw. SK D �K

�vorh:

(7)

Im allgemeinen Maschinenbau ist im elastischen Bereich SK �5:::10, im unelastischen Bereich SK �3:::8.

Ausbiegung beim Knicken. Die Lösung der linearisiertenDifferentialgleichung (1) liefert zwar die Form der Biegeli-nie, Gl. (3), aber nicht die Größe der Auslenkung (Biegepfeil).Setzt man in Gl. (1) an Stelle von w00 den wirklichen Ausdruckfür die Krümmung ein, so erhält man eine nichtlineare Diffe-rentialgleichung. Ihre Näherungslösung liefert als Biegepfeilden Wert [1]

f Dr

8F l2 � 2EIy

 2F;

K.-H. Grote, J. Feldhusen (Hrsg.), Dubbel, 24. Aufl., DOI 10.1007/978-3-642-38891-0_17, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

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C 46 Festigkeitslehre – C7 Stabilitätsprobleme

d. h. f .F DFK/D0 und f .F D1;01 �FK/�0;09 l ; 1 % Über-schreitung der Knicklast liefert also bereits 9 % der Stablängeals Auslenkung!

C7.1.2 Knicken im unelastischen (Tetmajer-)Bereich

Der Einfluss der Form (Krümmung) der Spannungs-Dehnungs-Linie in diesem Bereich wird nach der Theorievon Engesser und v. Kármán mit der Einführung des Knick-moduls TK <E berücksichtigt:

�K D  2TK

�2; TK D 4TE�p

T CpE�2

(8)

T DT .�/Dd�=d" ist der Tangentenmodul und entspricht demAnstieg der Spannungs-Dehnungs-Linie. TK gilt für Rechteck-querschnitt, kann aber mit geringem Fehler auch für andereQuerschnitte verwendet werden. Vorzugehen ist in der Weise,dass T für verschiedene � aus der Spannungs-Dehnungs-Liniebestimmt und damit TK.�/ und �.�K/ D p

 2TK=�K ge-mäß Gl. (8) berechnet werden. Die Umkehrfunktion �K.�/ istdann die Knickspannungslinie 3 nach Engesser-v. Kármán aufBild 3. Th. v. Kármán ersetzte die Linie durch zwei tangieren-de Geraden, von denen die Horizontale durch die Streckgrenzegeht (Linie 4 auf Bild 3).Shanley [2] hat gezeigt, dass bereits erste Auslenkungen fürden Wert �K D  2T=�2 (1. Engesser-Formel) bei weitererLaststeigerung möglich sind. Dieser Wert stellt somit dieunterste, der Wert nach Gl. (8) die oberste Grenze der Knick-spannungen im unelastischen Bereich dar.Praktische Berechnung nach Tetmajer: Aufgrund von Ver-suchen erfasste Tetmajer die Knickspannungen durch eineGerade, die auch heute noch im Maschinenbau Verwendungfindet (Linie 2 auf Bild 3):

�K Da�b�: (9)

Die Werte a, b für verschiedene Werkstoffe sind Tab. 1 zu ent-nehmen.

Beispiel: Dimensionierung einer Schubstange. Man bestimme den er-forderlichen Durchmesser einer Schubstange aus S 235 der Längel D 2000 mm a) für die Druckkraft F D 96 kN bei einer Knicksicher-heit SK D 8, b) für F D 300 kN bei SK D 5. – Ist die Schubstangebeidseitig gelenkig angeschlossen, so liegt der 2. Euler-Fall vor, d. h.lK D l D 2000 mm. Bei Annahme elastischer Knickung folgt aus denGln. (4) und (7) im Fall a)

erf Iy DFSK l2K =� 2E

�D96 � 103 N � 8 � 20002 mm2=

� 2 � 2;1 � 105N=mm2

�D148;2 � 104 mm4

und mit Iy D d4=64 dann erf d D 4p

64 �148;2 �104 mm4= D74 mm.Mit iy Dp

Iy=ADd=4D18;5 mm wird die Schlankheit

�D lK=iy D2000 mm=18;5 mmD108>104D�0;

so dass die Annahme von elastischer Knickung berechtigt war.Im Fall b) wird unter dieser Annahme

erf Iy DFSKl2K =� 2E

�D289;5 �104 mm4 und erf d D88 mm;

also � D lK=iy D 91 < �0 , d. h. Knickung im unelastischen Bereich.Nach Tetmajer, Gl. (9), wird für diese Schlankheit gemäß Tab. 1

�K D .310�1;14 �91/ N=mm2 D206 N=mm2

und mit

�vorh DF=AD300 �103 N=�  �882=4

�mm2 D49;3 N=mm2

die Knicksicherheit SK D �K=�vorh D 206=49;3 D 4;2 < 5. Für d D95 mm wird � D lK=iy D 84 und �K D a�b� D 214 N=mm2, und mit�vorh DF=. d2=4/D42;3 N=mm2 ist dann SK D�K=�vorh D5;06�5.

Bild 4. Knickung. a Energiemethode; b Kreisringträger; c Rahmen

C7.1.3 Näherungsverfahren zur Knicklastberechnung

Energiemethode: Da im Fall des Ausknickens der Stab einestabile benachbarte Gleichgewichtslage annimmt, muss die äu-ßere Arbeit gleich der Formänderungsarbeit sein (Bild 4 a).Mit C 2 Gl. (37) und C 2 Gl. (32) folgen

W .a/ DFK� DW D 1

2

lZ0

M 2b

dx

EIy

D 1

2

lZ0

EIyw 002dx

und

�DlZ

0

.ds�dx/DlZ

0

�p1Cw 02 �1

�dx � 1

2

lZ0

w 02dx :

(10)

Somit wird der Rayleigh’sche Quotient

FK D 2W

2�DR l

0 EIy .x/w 002.x/dxR l

0w 02.x/dx

: (11)

Mit der exakten Biegelinie w(x) folgt aus dieser Gleichungdie exakte Knickkraft für den elastischen Bereich. Bei Stäbenmit veränderlichem Querschnitt ergibt der Vergleich mit derKnickkraft FK D  2EIy0=l2

K des entsprechenden Eulerfallseines Stabs mit konstantem Querschnitt das Ersatzflächenmo-ment

Iy0 D FKl2K

 2E:

Dieses gilt dann näherungsweise auch für den Knicknachweisim unelastischen Bereich.In Wirklichkeit ist die exakte Biegelinie (Eigenfunktion) desKnickvorgangs unbekannt. In Gl. (11) wird daher nach Ritzeine die geometrischen Randbedingungen befriedigende Ver-gleichsfunktion w.x/ eingesetzt. Für FK ergibt sich ein Nähe-rungswert, der stets größer ist als die exakte Knicklast, da fürdie exakte Eigenfunktion die Formänderungsarbeit zum Mini-mum, für die Vergleichsfunktion also stets etwas zu groß wird.Als Vergleichsfunktionen kommen u. a. die Biegelinien des zu-gehörigen Trägers bei beliebiger Belastung in Betracht.Weitere und verbesserte Näherungsverfahren s. [1–5].

Beispiel: Vergleichsberechnung der Knicklast für einen Stab konstan-ten Querschnitts und Lagerung nach Eulerfall 2 mit der Energiemetho-de. – Als Vergleichsfunktion wird die Biegelinie unter Einzellast gemäßC 2, Tab. 4 a, Fall 1, gewählt: w.x/D c1.3l2x�4x3/ für 0 �x � l=2.Mit w0.x/Dc1.3l2 �12x2/ und w00.x/D�24c1x folgt nach Integra-tion gemäß Gl. (11) 2W D c2

1� 48EIy l3, 2v D c2

1l5 � 4;8 und daraus

FK D10;0EIy= l2. Dieser Wert ist um 1,3 % größer als das exakte Er-gebnis  2EIy= l2.

C7.1.4 Stäbe bei Änderung des Querschnittsbzw. der Längskraft

Ihre Berechnung kann nach C 7.1.3 vorgenommen werden. InDIN 4114 Blatt 2 sind in Tafel 4 die Ersatzflächenmomente Im

für I-Querschnitte, in Tafel 5 die Ersatzknicklängen für linearund parabolisch veränderliche Längskraft angegeben. WeitereFälle s. [4].

Page 3: Dubbel || Stabilitätsprobleme

C7.2 Kugel C 47

C

C7.1.5 Knicken von Ringen, Rahmen und Stabsystemen

Geschlossener Kreisringträger unter Außenbelastung q Dconst (Bild 4 b). Für Knicken in der Belastungsebenegilt [4], wenn die Last stets senkrecht zur Stabachse steht, qK D3EIy=R3, und, wenn die Last ihre ursprüngliche Richtungbeibehält, qK D4EIy=R3. Ausknicken senkrecht zur Trägere-bene erfolgt für

qK D 9EIzGIt

R3.4GIt CEIz /:

Geschlossener Rahmen (Bild 4 c). Für das Ausknicken inder Rahmenebene ergibt sich die kritische Last FK D ˛2EI1

aus der Eigenwertgleichung [4] für ˛:

˛l1

tan.˛l1/� l1

�˛2l2

2 I 21 �36I 2

2

�12l2I1I2

D0:

Weitere Ergebnisse, auch für Stabsysteme, s. [2, 4].

C7.1.6 Biegedrillknicken

Neben dem reinen Biegeknicken kann beim Stab unter Be-lastung von Längskraft (und Torsionsmoment) eine räumlichgekrümmte und tordierte Gleichgewichtslage, das Biegedrill-knicken, eintreten. Auch alleiniges Drillknicken (ohne Ausbie-gungen) infolge Längskraft ist möglich.

Stäbe mit Kreisquerschnitt (Wellen)

Dem Problem zugeordnete Differentialgleichungen s. [3]. Bie-gedrillknicken infolge Torsionsmoments tritt ein für MtK1 D2 EIy=l: Es ist nur von Bedeutung für sehr schlanke Wel-len und Drähte. Wirken Längskraft F und Torsionsmoment Mt

Bild 5. Biegedrillknicken

Bild 6. Kippung eines Trägers. a Eingespannt; b mit Gabellagerung

Bild 7. Beulung einer Rechteckplatte

gemeinsam, so gilt für den beidseitig gelenkig gelagerten Stab

FK D  2EIy

l2

1� M 2

t

M 2tK1

!; MtK DMtK1

s1� F l2

 2EIy

:

Stäbe mit beliebigem Querschnitt unter Längskraft

Doppelt symmetrische Querschnitte. Schubmittelpunktund Schwerpunkt fallen zusammen, und es gelten die drei Dif-ferentialgleichungen

EIyw0000CF w00 D0; EIz� 0000 CF � 00 D0;

ECM'0000C�F i2

p �GIt

�'00 D0:

9=; (12)

Die ersten beiden liefern die bekannten Euler’schen Knicklas-ten; die dritte besagt, dass reines Drillknicken (ohne Durch-biegungen) möglich ist und liefert für beidseitig gelenkigeLagerung aus '.x/ D C sin. x=l/, d. h. bei ' D 0 an den En-den, die Knicklast

FKt D GIt C 2ECM=l2

i2p

: (13)

CM ist der Wölbwiderstand infolge behinderter Verwöl-bung [2], z. B. für einen IPB-Querschnitt ist CM D Izh2=4 (hAbstand der Flanschmitten). Für Vollquerschnitte ist CM � 0.Nur für kleine Knicklängen l kann FKt maßgebend werden. FürI-Normalprofile ist stets Iz , d. h. Knicken in y-Richtung, undnicht Drillknicken maßgebend.

Einfach symmetrische Querschnitte (Bild 5). Ist z dieSymmetrieachse, so treten hier die zweite und dritte derGln. (12) in gekoppelter Form auf [2, 5], d. h., Biegedrillkni-cken ist möglich. Für Knicken um die y-Achse (in z-Richtung)gilt die normale Euler’sche Knicklast FKy D  2EIy=l2. Diebeiden anderen kritischen Lasten folgen für Gabellagerung anden Enden aus

1

FKD 1

2

24 1

FKz

C 1

FKt

˙s�

1

FKz

� 1

FKt

�2

C 4

FKzFKt

�zM

iM

�235 I

FKt nach Gl. (13), FKz D 2EIz=l2, iM polarer Trägheitsradi-us bezüglich Schubmittelpunkt, zM Abstand des Schubmittel-punkts vom Schwerpunkt.

C7.2 Kippen

Schmale hohe Träger nehmen bei Erreichen der kritischenLast eine durch Biegung und Verdrehung gekennzeichnete be-nachbarte Gleichgewichtslage ein (Bild 6 a). Die zugehörige

Page 4: Dubbel || Stabilitätsprobleme

C 48 Festigkeitslehre – C7 Stabilitätsprobleme

Differentialgleichung lautet für doppeltsymmetrische Quer-schnitte

ECM'0000 �GIt'00 ��M 2

y =EIz �M 00y zF

�' D0 I (14)

' Torsionswinkel, zF Höhenlage des Kraftangriffspunkts überdem Schubmittelpunkt (hier Schwerpunkt), CM Wölbwider-stand. Die nichtlineare Differentialgleichung ist i. Allg. nichtgeschlossen lösbar. Näherungslösungen s. [1, 4, 5]. Für Voll-querschnitte ist CM �0.

C7.2.1 Träger mit Rechteckquerschnitt

a) Gabellagerung und Angriff zweier gleich großer Momen-te MK an den Enden (Bild 6 b). Hier geht Gl. (14) über in'00.x/CŒM 2

K=.EIzGIt/� '.x/D0. Mit der die Randbedin-gungen befriedigenden Lösung '.x/ D C sin. x=l/ folgtfür das kritische Kippmoment

MK D  

l

pEIzGIt D  

lK :

Bei Berücksichtigung der Verformungen des Grundzu-stands [4] ergibt sich genauer K DpEIzGIt.Iy �Iz/=Iy :

b) Gabellagerung und Einzelkraft FK in Trägermitte (Lastan-griffspunkt in Höhe zF)

FK D 16;93

l2K

1�zF � 3;48

l

sEIz

GIt

!:

c) Kragträger mit Einzelkraft FK am Ende (Lastangriffspunktin Höhe zF) gemäß Bild 6 a

FK D 4;013

l2K

1� zF

l

sEIz

GIt

!:

C7.2.2 Träger mit I-Querschnitt

Zu berücksichtigen ist der Wölbwiderstand CM � Izh2=4 :

Mit der Abkürzung � D .EIz/=.GIt/ Œh=.2l/�2 gilt für die inC 7.2.1 angeführten Fälle analog (h Abstand der Flanschmit-ten)

a) MK D  l

Kˇ1 ; ˇ1 Dp1C 2�:

b) Bei Lastangriff in Schwerpunkthöhe .zF D0/

FK D 16;93

l2Kˇ1; ˇ1 Dp1C10;2 �I

bei Lastangriff am oberen oder unteren Flansch

FK D 16;93

l2Kˇ1

�q1C3;24 �=ˇ2

1 �1;80

q�=ˇ2

1

�:

c) Bei Lastangriff in Schwerpunkthöhe .zF D0/

FK D 4;013

l2Kˇ1 ; ˇ1 D

�1C1;61

p�

1C0;32p

�2

:

C7.3 Beulung

Platten und Schalen gehen bei Erreichen der kritischen Belas-tung in eine benachbarte (ausgebeulte) stabile Gleichgewichts-lage über.

C7.3.1 Beulen von Platten

Rechteckplatten (Bild 7 a–c). Mit der Plattendicke h undder Plattensteifigkeit N D Eh3=Œ12.1��2/� lautet unter Vor-aussetzung der Gültigkeit des Hooke’schen Gesetzes die Dif-ferentialgleichung des Problems

NwCh

��x

@2w

@x2C�y

@2w

@y2C

@2w

@x @y

�D0: (15)

a) Allseits gelenkig gelagerte Platte unter Längsspannungen�x . Mit dem die Randbedingungen befriedigenden Produk-tansatz

w.x;y/Dcmn sin�m x

a

�sin�n y

b

�folgt durch Einsetzen in die Differentialgleichung (15)

 2N

�m2

a2C n2

b2

�2

D h�x

m2

a2bzw.

�x D  2N

b2h

�m

b

aC n2

m

a

b

�2

:

Hieraus folgen die (minimalen) kritischen Beulspannungen:

Für a<b; mDnD1 W �xK D  2N

b2h

�b

aC a

b

�2

:

Für aDb; mDnD1 W �xK D 4 2N

b2h:

Für a > b: Bei ganzzahligem Seitenverhältnis a=b teilt sichdie Platte durch Knotenlinien in einzelne Quadrate, und esgilt wiederum �xK D 4 2N=.b2h/. Dieser Wert wird auchfür nicht ganzzahlige Seitenverhältnisse verwendet, da diewahren Werte nur geringfügig darüber liegen.

b) Allseits gelenkig gelagerte Platte unter Längsspannungen�x und �y . Mit dem Ansatz wie unter a) folgt

�x D  2N

b2h

�m2b2=a2 Cn2

�2m2b2=a2 Cn2�y=�x

:

Die (ganzzahligen) Werte m und n sind bei gegebenem Sei-tenverhältnis b=a und Spannungsverhältnis �y=�x so zuwählen, dass �x zum Minimum �xK wird.Für den Sonderfall allseitig gleichen Drucks �x D �y D �

folgt

� D  2N

b2h

�m2 b2

a2Cn2

�mit dem Minimum für mDnD1

�K D  2N

b2h

�b2

a2C1

�:

c) Allseitig gelenkig gelagerte Platte unter Schubspannungen.Eine exakte Lösung liegt nicht vor. Mit einem 5gliedrigenRitz-Ansatz erhält man über die Energiemethode, d. h. aus˘ DW �W .a/ DMin, die Näherungsformeln (s. [4,6]):

Für a�b W K D  2N

b2h

�4;00C5;34

b2

a2

�I

für a�b W K D  2N

b2h

�5;34C4;00

b2

a2

�:

d) Unendlich langer, gelenkig gelagerter Plattenstreifen unterEinzellasten (Bild 8).

FK D 8b

 

 2N

b2D 8 N

b

Weitere Ergebnisse für Rechteckplatten s. [4].

Page 5: Dubbel || Stabilitätsprobleme

C7.3 Beulung C 49

C

Kreisplatten (Bild 9 a–c)

a) Kreisplatte mit konstantem Radialdruck � . Dieses Problemlässt sich relativ einfach exakt lösen [1]. Für den Scheiben-spannungszustand gilt nach C 5.2.1 �r D�t D� und rt D0.Damit nimmt die Differentialgleichung (15) die Form

NwCh�w D0 bzw.

.C˛2/w D0; ˛2 D h�

N

an. Sie wird erfüllt, wenn

.C˛2/ w D0 und w D0

bzw. wegen Dd2=dr2 C.1=r/ d=dr , wenn

d2w

dr2C 1

r

dw

drC˛2w D0 und

d2w

dr2C 1

r

dw

drD0:

Die Lösung dieser Gleichungen lautet

w.r/DC1J0.˛r/CC2N0.˛r/CC3 CC4 lnr

(J0 und N0 sind die Bessel’sche und die Neumann’scheFunktion nullter Ordnung). Die Erfüllung der Randbe-dingungen w.R/ D 0 und Mr .R/ D 0 (für die gelenkiggelagerte Platte) bzw. w.R/D0 und w0.R/D0 (für die ein-gespannte Platte) sowie der Zusatzbedingungen w0.0/ D 0

und endliches w.0/ führen auf die Eigenwertgleichungen

˛RJ0.˛R/�.1��/J1.˛R/D0

(gelenkig gelagerte Platte)

undJ1.˛R/D0 (eingespannte Platte) :

Hieraus ergeben sich die Beulspannungen

�K D 4;20 N

R2h.gelenkig gelagerte Platte, � D0;3/

und

�K D 14;67 N

R2h(eingespannte Platte):

b) Kreisringplatte mit konstantem Radialdruck. Die mathe-matische Lösung ist komplizierter als unter a) (s. [3]). Esergeben sich bei freiem Innenrand

�K D c1N

r2a h

.gelenkig gelagerte Platte/ und

�K D c2N

r2a h

.eingespannte Platte/

(Tab. 2).c) Kreisringplatte mit Schubbeanspruchungen. Sind a und

i D ar2a =r2

i die einwirkenden Schubspannungen, so giltfür eingespannte Ränder

aK D c3N

r2a h

:

Für � D 0;3 und ri=ra D 0;1I 0;2I 0;3I 0;4 ist c3 � 17;8I37;0I 61;0I 109;0c3 �17;8I 37;0I 61;0I 109;0.Weitere Ergebnisse für Kreis- und Kreisringplatten s. [4].

Bild 8. Beulen des Plattenstreifens

Bild 9. Beulung von Kreis- und Kreisringplatte

Tabelle 2. Beiwerte c1 und c2 für � D0;3

ri=ra D 0 0,2 0,4 0,6 0,8

c1 4,2 3,6 2,7 1,5 2,0

c2 14,7 13,4 18,1 �40 –

Bild 10. Beulung der Kreiszylinderschale

C7.3.2 Beulen von Schalen

Kugelschale unter konstantem Außendruck p. Die kom-plizierten Differentialgleichungen findet man u. a. in [7]und [8]. Der kleinste kritische Beuldruck (nach dieser Theo-rie als Verzweigungsproblem) ergibt sich zu

pK D 2Eh2

R2p

3.1��2/:

Schalen können jedoch auch durchschlagen, d. h. bei endlichgroßen Formänderungen benachbarte stabile Gleichgewichts-lagen annehmen. Nach [9] gilt dann

pK D0;365Eh2

R2;

d. h. diese Beullast ist nur rund ein Drittel der des Verzwei-gungsproblems!

Kreiszylinderschalen (Bild 10 a–c)a) Unter konstantem radialen Außendruck p. Für die unendlich

lange Schale ergibt sich

pK D0;25Eh3

R3.1��2/:

Ergebnisse für kurze Schalen s. [4].b) Unter axialer Längsspannung � . Herleitung der exakten

Differentialgleichungen s. [8] und [9]. Näherungsweise giltfür die kleinste kritische Längsspannung [9]

�K D Eh

Rp

3.1��2/;

wenn sich eine genügende Anzahl von Biegewellen inLängsrichtung einstellen kann. Dies ist der Fall, wenn l =1;73

phR (für Stoffe mit � D 0;3). Bei geringeren Längen

ist die Schale als am Umfang gelagerter Schalenstreifenauffassbar (Lösung s. unten). Außerdem ist bei Zylinder-schalen auch das Durchschlagproblem zu beachten, das zu

Page 6: Dubbel || Stabilitätsprobleme

C 50 Festigkeitslehre – C7 Stabilitätsprobleme

Bild 11. Beulung des Schalenstreifens

kleineren Beulspannungen führt. Nach [9] gilt hierfür dieNäherungsformel

�K D 0;605C0;000369R=h

1C0;00622R=h� Eh

R:

Ausknicken der Schale als Ganzes, d. h. wie ein Stab großerLänge, tritt ein für �K D 2ER2=.2l2/:

c) Unter Torsionsschubspannungen . Nach [9] gilt für dieBeulspannung K D 0;747 Eh2=l2 � �l=p

Rh�3=2

: DieserWert ist zur Berücksichtigung von Vorbeulen mit dem Fak-tor 0,7 zu multiplizieren.

Zylindrische Schalenstreifen (Bild 11 a, b)

a) Unter Längsspannung � bei gelenkig gelagerten Längsrän-dern.

FürbpRh

53;456 W �K D  2Eh2

3.1��2/b2C Eb2

4 2R2I

fürbpRh

=3;456 W �K D 2Ep12.1��2/

h

R:

b) Unter Schubspannung bei gelenkig gelagerten Längsrän-dern. Die kritischen Schubspannungen ergeben sich aus

K D4;82

�h

b

�2

E4

r1C0;0146

b4

R2h2:

C7.3.3 Beulspannungen im unelastischen (plastischen)Bereich

Die unter C 7.3.1 und C 7.3.2 angegebenen Formeln liefernBeulspannungen unter der Voraussetzung elastischen Materi-alverhaltens. Sie können näherungsweise auch für den unelas-tischen Bereich zugrunde gelegt werden, wenn man sie imselben Verhältnis mindert, wie es sich für Knickspannungenvon Stäben aus der Eulerkurve und der Engesser-v. Kármán-kurve (näherungsweise Tetmajer-Gerade) ergibt. Für S 235 s.hierzu DIN 4114 Blatt 1, Tafel 7.

Literatur

Spezielle Literatur

[1] Szabó, I.: Höhere Technische Mechanik, 6. Aufl. Springer,Berlin (2001) – [2] Kollbrunner, C. F., Meister, M.: Knicken,Biegedrillknicken, Kippen, 2. Aufl. Springer, Berlin (1961) –[3] Biezeno, C., Grammel, R.: Technische Dynamik, 3. Aufl.Springer, Berlin (1990) – [4] Pflüger, A.: Stabilitätsproblemeder Elastostatik, 2 Aufl. Springer, Berlin (1964) – [5] Bür-germeister, G., Steup, H.: Stabilitätstheorie. Akademie-Verlag,Berlin (1963) – [6] Timoshenko, S.: Theory of elastic stability.McGraw-Hill, New York (1961) – [7] Wolmir, A. S.: BiegsamePlatten und Schalen. Berlin: VEB Verlag f. Bauwesen (1962) –[8] Flügge, W.: Statik und Dynamik der Schalen, 3. Aufl. Ber-lin (1962), Reprint (1981) – [9] Schapitz, E.: Festigkeitslehrefür den Leichtbau, 2. Aufl. VDI-Verlag, Düsseldorf (1963)