Dubbel || Numerische Methoden
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A 4 Mathematik – A3 Numerische Methoden
A3 Numerische Methoden
P. Ruge, Dresden; N. Wagner, Stuttgart
A3.1 Numerische – Analytische Lösung
Von allen Teildisziplinen der Mathematik hatte in den letzten30 Jahren die numerische Mathematik mit ihrer Realisierungauf programmierbaren Rechnern den mit Abstand größtenEinfluß auf die Ingenieurwissenschaften. Universelle Lösungs-strategien wie die Finite Element Methode und hocheffektiveAlgorithmen erlauben die Behandlung von Problemen mit Mil-lionen Freiheitsgraden. Analytische Verfahren treten dabei fastganz in den Hintergrund und doch haben sie eine wesent-liche Funktion bei der Kontrolle von Näherungsergebnissen.So können die Biegeeigenfrequenzen f [Hz] eines beidseitigfrei drehbar unverschieblich gelagerten Bernoullibalkens nachBild 1 als analytische Funktion der Ordnungszahl k angegebenwerden.
f D k2�
2
sEI
l3�AlI k D1;:::;1: (3)
EI: Biegesteifigkeitl: Balkenlänge�: Spezifische Masse pro VolumenA: Querschnittsfläche
A3.2 Standardaufgabe der linearen Algebra
Zwei Standardaufgaben beherrschen die lineare Algebra unddamit die Diskretisierung von Ingenieurproblemen: Das Glei-chungssystem und das Eigenwertproblem:
Ax Dr I A;r gegeben; x gesucht.
Ax D� BxI A;B gegeben; �;x gesucht.
Um das reichlich vorhandene Softwareangebot hinsichtlichseiner Leistungsfähigkeit und insbesondere Zuverlässigkeit zubeurteilen, empfiehlt sich die Eingabe von Testaufgaben, derenLösungen mit Hilfe nicht numerischer Methoden vollkom-men unabhängig dargestellt werden können. Beispiele hierfürzeigt die Grundlagen-Hütte im Mathematikteil. Selbst eine sovermeintlich elementare Aufgabe wie die Lösung eines Glei-chungssystems mit reeller symmetrischer KoeffizientenmatrixA bedarf klärender Hinweise. Das Verfahren der Wahl ist dievorweggezogene Choleskyzerlegung von A mit ADCC T.Dabei ist C oberhalb der Hauptdiagonalen mit den ElementenCjj von vorne herein nur mit Nullen belegt. Diese ElementeCjj ergeben sich typischerweise als Wurzeln Cjj Dp
R, wo-bei der Radikand R negativ sein kann und damit Cjj imaginär;eine Eigenschaft, die dem reellen Problem nicht angemessenist. Folgerichtig reagieren manche Softwarepakete mit einerFehlermeldung und brechen ab. Konzipiert man hingegen die
Zerlegung mit vorgegebenen Elementen CjjŠD 1 und einer
zwischengeschalteten Diagonalmatrix D,
A DCDC T; CjjŠD1; D Ddiagfd1;:::;dng; (4)
Bild 1. Bernoullibalken
Bild 2. Schleifender Schnitt der inneren Geraden
ist das Wurzelproblem beseitigt, wie folgendes Beispiel zeigt.
A D
264
1 2 3
2 3 5
3 5 10
375; C D
264
1 0 0
2 1 0
3 1 1
375; D D
264
1 0 0
0 �1 0
0 0 2
375:
Die Lösung eines Gleichungssystems Ax = r über die Invertie-rung der Matrix A mit x D A�1r ist absolut ungeeignet; we-gen des unnötig hohen Rechenaufwandes und der Zerstörungder gerade bei Ingenieurproblemen vorhandenen Bandstrukturvon A.Gleichungssysteme Ax = r mit regulärer, aber unsymmetri-scher Koeffizientenmatrix A ¤ AT werden im Rahmen desGaußschen Algorithmus durch die Produktzerlegung A = LRin eine Linksdreiecksmatrix L und eine RechtsdreiecksmatrixR gelöst.Formal kann ein Gleichungssystem mit unsymmetrischem Adurch Multiplikation von links mit AT in ein System mit sym-metrischer Matrix ATA überführt werden.
Ax Dr mit A ¤AT:!�ATA
�x DATr: (5)
Damit erschließen sich zwar alle Methoden für symmetrischeMatrizen – neben der Choleskyzerlegung gibt es das Vorge-hen über die Minimierung zugeordneter quadratischer Formen– doch ist bereits der Aufwand zur Ausführung des ProduktesATA unsinnig hoch und zudem sind die Lösungseigenschaftender quasi „quadrierten“ Matrix ausgesprochen schlecht. Reinanschaulich wird dies offenbar bei der Berechnung des Schnitt-punktes zweier Geraden �xC20y D20 und �xC10y D9 wieim Bild 2 skizziert. Das zugeordnete Gleichungssystem ist un-symmetrisch.
Ax Dr W"
�1 20
�1 10
#"x
y
#D
"20
9
#!
"x
y
#D
"2;0
1;1
#:
Das entsprechende System mit symmetrischer Matrix liefertdieselbe Lösung,
ATAx DATr W"
2 �30
�30 500
#"x
y
#D
"�29
490
#!
"x
y
#D
"2;0
1;1
#;
doch stellt sich der Lösungspunkt als Schnittpunkt der beideninneren Geraden jetzt als „schleifender Schnitt“ heraus, wasauch der numerischen Lösungsdarstellung abträglich ist.Die Berechnung der Eigenwerte � und Eigenvektoren x desalgebraischen Eigenwertproblems
Ax D�Bx (6)
ist ungleich aufwendiger als die Lösung eines Gleichungssys-tems, so daß hier nur auf die Literatur verwiesen werden kann.
K.-H. Grote, J. Feldhusen (Hrsg.), Dubbel, 24. Aufl., DOI 10.1007/978-3-642-38891-0_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
A3.3 Interpolation, Integration A 5
ANotwendige Bedingung für nichttriviale Lösungen x der Auf-gabe (6) ist das Verschwinden der Koeffizientendeterminante,
det.A��B/ŠD0I (7)
doch ist diese Bedingung in keiner Weise geeigneter An-satzpunkt für eine numerische Berechnung. Mittel der Wahlsind entweder Vektoriterationsverfahren oder sukzessive Um-formungen von A und B zu Matrizen LAR, LBR einfachererStruktur.
Ax D�Bx
x DRy !LARy D�LBRy(8)
Die Eigenwerte � bleiben dabei unverändert.Der häufige Sonderfall symmetrischer Matrizen A DAT;B DBT führt nicht zwangsläufig zu reellen Eigenwerten und-vektoren.Bedingung für reelle Eigenwerte bei symmetrischen Matrizenist die Definitheit wenigstens einer der beteiligten MatrizenA oder B. Definitheit liegt dann vor, wenn die Elemente Djj
der Matrix D der Choleskyzerlegung ADCDC T alle gleichesVorzeichen haben.Viele Eigenwertlöser fordern bei symmetrischem Paar A, B un-abhängig von A eine positiv definite Matrix B. Leistet B diesesnicht, wohl aber die Matrix A, hilft ein Austausch der Matrizenmit einem Hilfseigenwert �:
Ax D�Bx !Bx D�Ax; �D 1
�: (9)
Bei singulärer Matrix B ist diese Maßnahme ebenso hilfreich.Ist nur eine der beteiligten Matrizen unsymmetrisch, sindgrundsätzlich nur solche Eigenwertlöser geeignet, die im Kom-plexen arbeiten.Neben dem in � linearen algebraischen EigenwertproblemAx D�Bx gibt es das in � nichtlineare Eigenwertproblem,
P.�/x D0;P.�/DA0 C�A1 C�2A2 C:::C�pAp ; (10)
mit einer Polynommatrix P. Durch die Einführung zusätzlicherUnbekannter,
x1 D�x0 mit x0 Dx;
x2 D�x1 ;
:::
xp�1 D�xp�2 ;
(11)
gelingt eine formale Darstellung als lineares Eigenwertpro-blem und damit die Nutzung von Standardsoftware; z. B. fürp = 4:2
66640 1 0 0
0 0 1 0
0 0 0 1
A0 A1 A2 A3
37775
26664
x
x1
x2
x3
37775D�
26664
1 0 0 0
0 1 0 0
0 0 1 0
0 0 0 �A4
37775
26664
x
x1
x2
x3
37775:
(12)Ist P in (10) nicht wie dort algebraisch, sondern eine Matrixmit transzendenten Elementen wie Pij D sin2�, sind verall-gemeinerte Taylorentwicklungen heranzuziehen, wie z. B. inFalk/Zurmühl beschrieben. Transzendente Eigenwertproblemetreten u. a. bei der Stabilitätsuntersuchung von Totzeitsystemenauf.
Mehrgitterverfahren
Im Rahmen der iterativen Lösung von Gleichungssystemenund Eigenwertproblemen über zugeordnete quadratische For-men hat das Mehrgitterverfahren (Multigrid Method) einegewisse Bedeutung erlangt. Dabei werden Diskretisierungenmit verschiedenen finiten Elementnetzen so miteinander ver-quickt, daß der Fehler auf dem groben Gitter berechnet wird,die entsprechende Verbesserung der aktuellen Näherung hin-gegen auf dem feinen Gitter stattfindet.
Tabelle 1. Padé-Entwicklungen Ppq(x) für exp(x)
p = 1 p = 2
q = 11C 1
2x
1� 12
x
1C 23
xC 16
x2
1� 13
x
q = 21C 1
3x
1� 23
xC 16
x2
1C 12
xC 112
x2
1� 12
xC 112
x2
A3.3 Interpolation, Integration
Bei der Interpolation wird eine Menge von k = 1 bis n diskretenWerten fk.xk/ an Stützstellen xk auf einen kontinuierlichenBereich abgebildet; dadurch ist man in der Lage, zu differen-zieren, zu integrieren und beliebige Zwischenwerte f (x) in derZeit oder im Raum zu berechnen.Zur Interpolation nichtperiodischer Punktmengen eignen sichinsbesondere Polynome. Daneben sind gebrochen rationaleFunktionen
fpq .x/D a0 Ca1x C:::Capxp
b0 Cb1x C:::Cbqxq(13)
besonders geeignet, Polstellen und asymptotisches Verhaltenwiederzugeben.
limx!1fpq D
8̂<:̂
0 falls p <q
ap=bq falls p Dq:
1 falls p >q
(14)
So gibt es für die Exponentialfunktion f (x) = exp (x) verschie-dene sogenannte Padé-Entwicklungen Ppq .x/ mit globalenEigenschaften nach (14), die in Tab. 1 angegeben sind.Für periodische Punktmengen ist die globale Fourierinterpola-tion das klassische numerische Werkzeug.Die Interpolation dient nicht nur zur Verstetigung diskreterPunktmengen, sondern auch zur Abbildung komplizierter In-tegranden f (x) auf einfach zu integrierende Ersatzfunktionen;vorzugsweise Polynome. Man spricht auch von „interpola-torischer Quadratur“. Alle numerischen Integrationsverfahrenbasieren auf einer linearen Entwicklung des Integranden in denFunktionswerten f k = f (xk) an gewissen Stützstellen xk . Gibtman diese Stützstellen vor, z. B. an den Stellen x1 = �h; x2 = 0;x3 = +h eines Integrationsintervalls [�h, h],
I DhZ
�h
f .x/ dx; (15)
mit den Funktionswerten f 1, f 2, f 3, so wird dadurch eine qua-dratische Interpolation mit dem Integralwert
I D 2h
6.f1 C4f2 Cf3/ (16)
begründet; das ist die Simpsonregel. Allgemein formuliert, ge-hen die Funktionswerte f k mit gewissen Wichtungsfaktoren wk
in den Wert des Integrals ein:
I DnX
kD1
2h wk fk : (17)
Der entscheidende Aufwand steckt in der Berechnung der nFunktionswerte f k ; bei n vorgegebenen Stützstellen xkwird derIntegrand durch ein Polynom (n � 1). Grades interpoliert.Läßt man hingegen die nStützstellen zunächst frei, so lassen siesich aus der Forderung bestimmen, daß ein Polynom (2n � 1).Grades exakt integriert wird. Dieses Vorgehen geht auf Gauß
A 6 Mathematik – A3 Numerische Methoden
Tabelle 2. Stützstellen x1 bis xn der Gaußintegration.
I DhR
�h
f .x/ dx �2hnP
kD1
wkf .xk /
n 2n � 1 xk=h wk
1 1 0 1
2 3 ˙p3=3 1=2
3 5 ˙p0;6I 0 5=18; 8=18
zurück und kann als optimal bezeichnet werden. Stützstellensind in Tab. 2 aufgelistet.Ein einfaches Beispiel verdeutlicht die Qualität der Gaußinte-gration gegenüber der Simpsonformel mit jeweils n = 2 Stütz-stellen und h = 1.Exakt:
I D1Z
�1
x2.x2 �1/.x C2/ dx D� 8
15:
Simpson:
I � 2
6Œ1 �0C4 �0C1 �0�D0:
Gauß (n = 2):
I �2j 5
18�0;6.0;6�1/
��
p0;6C2
�C 8
18�0
C 5
18�0;6 .0;6�1/
�C
p0;6C2
�kD� 8
15:
A3.4 Rand- und Anfangswertprobleme
Anfangswertprobleme in der Regel im Zeitbereich,
Pz.t/Df .z;t /; z0 Dz.t0/ vorgegeben, (18)
zeichnen sich durch vorgegebene Anfangswerte z0 im An-fangszeitpunkt t0 aus. Eine numerische Lösung im Zeitintervalltk � t � tk + h mit Approximationen Zk für zk gelingt durch nu-merische Integration der rechten Seite f in (18).
zkC1 �zk DtkChZtk
f .z;t / dt:!ZkC1 DZk Ch
mXjD1
wj fj I
fj Df�tk C�j h;Zj
�; Zj DZ
�th C�j h
�I 0��j �1:
(19)Die Stützstellen � j und die Wichtungsfaktoren wj werden füreine konkrete Entwicklungsstufe so berechnet, daß der lokaleFehler im Zeitschritt h möglichst klein wird. Entwicklungender Art (19) nennt man pauschal Runge-Kutta-Verfahren. ImZusammenhang mit linearisierten Anfangswertproblemen
Pz.t/DSz.t/; z0 Dz.t0/ vorgegeben, (20)
definieren die Eigenwerte � des zugeordneten Eigenwertpro-blems (S � � 1)x = 0 die Steifheit S.
S D j�jmax
j�jmin: (21)
Für große Werte von S spricht man von steifen Differential-gleichungen; hierfür eignen sich nur implizite Runge-Kutta-Verfahren. Bewährt haben sich für lineare Probleme (20)
Padédarstellungen Ppq der Exponentiallösung nach (13) mitTab. 1.
Pz DSz !z.t/Dexp.St/z0:
z1 Dz.t Dh/Dexp.Sh/z0:(22)
Bei gleichen Potenzen p = q, z. B. p = q = 1, ist die Stabilität derÜbertragungsgleichung�
1� h
2S
�z1 D
�1C h
2S
�z0 (23)
a priori gesichert.Randwertprobleme in der Regel im Ortsbereich werden durchVorgaben an allen Rändern des Problemfeldes charakterisiert.Für Näherungslösungen eignen sich insbesondere lokale An-sätze mit normierten Ansatzfunktionen; dies sind die FiniteElement Methoden, kurz FEM.Im Rahmen des Konzeptes gewichteter Residuen kann es durchdie Wahl geeigneter Wichtungs- oder Projektionsfunktionengelingen, die Integraldarstellung des Problems ausschließlichauf den Problemrand zu reduzieren: dieses Vorgehen begründetdie Randelementmethode oder kurz BEM: Boundary ElementMethod.
A3.5 Optimierungsprobleme
Optimierungsprobleme lassen sich vielfach durch ein Mini-mierungsproblem
minf .x/gj .x/�0; jD1;2;:::;m
hj .x/D0; jD1;2;:::;r
(24)
mit Nebenbedingungen in Form von Gleichungen h(x) und Un-gleichungen g(x) beschreiben. Die skalare Zielfunktion f (x)hängt von sogenannten Designvariablen x ab. Zur Lösungsolcher Aufgaben existieren inzwischen leistungsfähige Pro-gramme. Entscheidungshilfen zur Auswahl eines geeignetenLösers bieten die beiden Internetseiten zum NEOS-Server(http://www.neos-server.org/neos/) und die von Mittelmanngepflegte Übersicht http://plato.asu.edu/guide.html. Recht neuund frei verfügbar ist http://openopt.org/Welcome.Eigenwerte sind bekanntlich stationäre Werte des Rayleigh-Quotienten
R.x/D xTKx
xTMxx ¤0 (25)
mit der symmetrisch positiv definiten Massenmatrix M und dersymmetrisch positiv semidefiniten Steifigkeitsmatrix K. Durchdie Schrankeneigenschaften von R(x)
�1 �R.x/��n (26)
ist der kleinste Eigenwert das absolute Minimum und der größ-te Eigenwert das absolute Maximum. Die Zielfunktion zurBestimmung des größten Eigenwerts � n lautet
P.x/D 1
4
�xTMx
�2 � 1
2xTKx (27)
mit dem Gradienten
grad P.x/D�xTMx
�Mx�Kx: (28)
Der gesuchte Eigenwert � n folgt aus der Lösung des unrestrin-gierten Optimierungsproblems
minP.x/D� 1
4�2
n: (29)
A3.5 Optimierungsprobleme A 7
A105
103
101
10–1
10–3
10–5
10–7
10–9
10–11
8070605040302010 90Anzahl der Iterationen
0
Differe
nz |λ
n–λ n|
Bild 3. Verlauf der Iteration
Bild 3 zeigt den Verlauf der Differenzˇ̌�n � N�n
ˇ̌zwischen exak-
tem Eigenwert � nund aktueller Näherung über der Anzahl derIterationsschritte für ein Paar von Testmatrizen aus der Samm-lung http://math.nist.gov/MatrixMarket/data/Harwell-Boeing/bcsstruc2/bcsstruc2.html