Sortiertes Rauschen - HIRSCHTEC · systematische Wissensmanagement ist zu starr, wir brauchen etwas...

7
managerSeminare | Heft 197 | August 2014 58 | development Sortiertes Rauschen SOZIALES WISSENSMANAGEMENT Foto: stm/photocase.de

Transcript of Sortiertes Rauschen - HIRSCHTEC · systematische Wissensmanagement ist zu starr, wir brauchen etwas...

Page 1: Sortiertes Rauschen - HIRSCHTEC · systematische Wissensmanagement ist zu starr, wir brauchen etwas fluideres“, bestätigt Richter. Dessen Kernfunktion ist nicht mehr das Speichern

managerSeminare | Heft 197 | August 2014

58 | development

Sortiertes Rauschen SoziAleS WiSSenSmAnAgement

Foto

: stm

/pho

toca

se.d

e

Page 2: Sortiertes Rauschen - HIRSCHTEC · systematische Wissensmanagement ist zu starr, wir brauchen etwas fluideres“, bestätigt Richter. Dessen Kernfunktion ist nicht mehr das Speichern

managerSeminare | Heft 197 | August 2014

development | 59

Kopfmonopole aufbrechen, das ist das ziel eines neuen Wissens-managements, das mithilfe von sozialen medien das verteilte Wis-sen aller mitarbeiter bündeln will. Damit in den netzwerken nicht nur kommunikatives Rauschen entsteht, sondern effizient informati-onen ausgetauscht werden, müssen sich die Unternehmen ändern – und räumen zahlreiche Barrieren der Wissensteilung aus dem Weg.

Preview: AiDatenbank-Desaster und Wiki-Wüsten: Was Wissensmanagement in vielen Unternehmen zum no-go-thema gemacht hat AiAustausch statt Ablage: Wie ein neues Wissensmanagement ausse-hen könnte, das die verteilten Kenntnisse der mit-arbeiter nutzt AiKonstruktives Chaos: Warum Social Software das Wissensmanagement fundamental ver-bessern könnte, in der Praxis aber häufig scheitert AiSocial intranets: Wie eine neue Art von Kollaborati-onssoftware zwei Paradigmen des Wissensmanage-ments verbindet Aierlauben und Belohnen: Warum die größten Wissenbarrieren zwischen den Köpfen liegen – und wie Führungkräfte sie ausräumen

C Wenn in Unternehmen Wörter wie „Wis-sensmanagement“ oder „Wiki“ fallen, ist das Gespräch mitunter schnell beendet. „Je nach-dem, mit wem man spricht, sind das schlicht verbrannte Begriffe“, berichtet Alexander Richter. Der Leiter der Forschungsgruppe Kooperationssysteme an der Bundeswehr-Uni in München hat schon viele Unternehmen bei der Einführung von Kommunikations- und Kollaborationssytemen begleitet, große

Konzerne wie Bosch, Siemens, Allianz zählen dazu. Er weiß daher sehr gut, was für ein heikles Thema Wissensmanagement sein kann. Zu hoch sind die Hoffnungen, die sich mit der Möglichkeit verbinden, das gesamte Wissen eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter zu bündeln, zu sortieren und zu systematisieren. Und zu schlecht sind die Erfahrungen, die dabei gemacht wurden.

Angefangen hat es in den 90er-Jahren, damals wollten Unternehmen mittels Intranet und Dokumentenverwaltungssystem dafür sorgen, dass jeder weiß, was alle wissen. Geklappt hat das nur selten: Die zentralen Informationsspeicher wurden zu digitalen Staubfängern, die aufwendig gepflegten Intranets wurden allenfalls nach dem Kanti-nenmenü befragt, wenn überhaupt. „Später kamen die Wikis, an denen sich jedoch auch kaum jemand beteiligt hat“, erzählt Lutz Hirsch von der auf Unternehmensportale und Intranets spezialisierten Agentur Hirschtec die glanzlose Geschichte des Wissensmanage-ments weiter. Das ursprüngliche Problem

blieb ungelöst: Das Wissen der Unternehmen steckt weiterhin verteilt in den Köpfen der einzelnen Mitarbeiter, unerfasst, ungenutzt und unsicher, denn es verschwindet, wenn sein Besitzer das Unternehmen verlässt. Unternehmen wissen also nicht, was sie wissen, sie verschwenden ihr Know-how und die Ideen, die sich daraus ergeben könnten. „Das klassische Wissensmanagement“, so Hirschs Resümee, „ist gescheitert.“

Wissen durch Austausch fluide machen

Die Gründe dafür sind vielfältig: Fehler in der Umsetzung, technische Mängel, nicht vorhandene Einbindung in Prozesse. Hirsch glaubt, dass schon das Prinzip falsch ist. Denn Wissensmanagement bedeutete bis-her: speichern, sortieren, ablegen und zwar zentralisiert und kontrolliert. „Bürokratisch“, nennt Hirsch diesen ingenieurartigen Ansatz, der meistens eher einer Systemlogik folgte als einem konkreten Anwendungsfall, und der von der rapide sinkenden Halbwertszeit

Page 3: Sortiertes Rauschen - HIRSCHTEC · systematische Wissensmanagement ist zu starr, wir brauchen etwas fluideres“, bestätigt Richter. Dessen Kernfunktion ist nicht mehr das Speichern

managerSeminare | Heft 197 | August 2014

60 | development

von Wissen ad absurdum geführt wird. „Das systematische Wissensmanagement ist zu starr, wir brauchen etwas fluideres“, bestätigt Richter. Dessen Kernfunktion ist nicht mehr das Speichern von Information, sondern der spontane Austausch. Der Umgang mit Wissen muss neu gedacht werden: nicht als Akten-schrank, sondern als Netz, das Mitarbeiter miteinander verknüpft und Kopfmonopole aufbricht.

Statt Wissen vom Menschen loslösen zu wollen, macht so ein fluides – genauer gesagt: soziales – Wissensmanagement den Menschen zur wichtigsten Ressource. „Es ist wie ein magisches Orakel: Wer Hilfe oder neue Ideen braucht, fragt einfach“, erklärt Matthias Görtz vom Beratungsunternehmen Accenture, das für seine 270.000 Mitarbeiter massiv auf soziales Wissensmanagement setzt. „Die Kollegen haben vielleicht schon dasselbe versucht und dabei unerwartete Komplikationen erlebt oder eine besonders erfolgreiche Vorgehensweise entdeckt“, so Görtz weiter. So muss nicht jeder bei seiner Recherche bei null anfangen, sondern kann vom Wissen und den Erfahrungen anderer profitieren.

Konstruktives Chaos

Die Vorteile eines solchen Wissensmanage-ments sind, zumindest potenziell, gewaltig: „Besonders die Projektarbeit und die Einar-beitung in Themen können durch den Erfah-

rungsabgleich effizienter werden“, sagt Hirsch. Zudem macht es Spaß, weil es den Kontakt mit Menschen fördert und Weitergabe von Wissen mit sozialer Anerkennung belohnt. Doch der Performance-Schub hat seinen Preis: Unternehmen müssen die Kontrolle über ihr Wissen aufgeben, besser gesagt: in die Hände ihrer Mitarbeiter legen, denen sie zugleich große Freiheiten einräumen müssen. Für viele Unternehmen bedeutet das einen fundamentalen Wandel, der Auswirkungen auf die Hierarchie und die Kultur der Orga-nisation hat. Hinzu kommt, dass sie sich mit Social Software befassen müssen – ein Thema, auf das viele Unternehmen nicht gut zu sprechen sind.

Für Birgit Gebhardt führt trotzdem kein Weg daran vorbei. Die Trendforscherin hat sich intensiv mit 2.0-Technologien und ihren Auswirkungen auf Arbeitsprozesse befasst. Ihr Fazit ist eindeutig: „Unternehmen müssen ‚social‘ werden, um das Wissen der Mitar-beiter besser zu nutzen, sonst verlieren sie den Anschluss.“ Demnach verbinden Social Media nicht nur Menschen, so die Trendfor-scherin, sondern sind auch als Datenbanken herkömmlichen Verfahren des Sammelns und Ordnens überlegen – nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer tendenziell chaotischen Struktur. Gebhardt sieht darin eine äußerst effiziente Form, Wissen zu organisieren: „Niemand muss sich mehr mit einer Struktur abmühen, die selbst zur Wissensbarriere wird, wenn man sie nicht kennt“, so Gebhardt. „Es

gibt keine umständlichen Verfahren, kein Suchen in der falschen Schublade. Stattdessen wirken Zeit, Suchwörter oder Kommentare als semantische Filter, Engagement dient als Indikator für Relevanz.“

Soziale Hemmschuhe

So groß das Potenzial sozialer Netwerke auch sein mag – als Alternative für bisherige Formen des Wissensmanagements konnten sie sich bisher nicht etablieren. Vor allem im Mittelstand herrscht noch immer eine große Zurückhaltung bei der Nutzung von Social Media, insbesondere von Kommunikations-portalen, die nach dem Facebook-Muster funktionieren, den sogenannten Enterprise Social Networks (ESN, s. Kasten S. 61). Die Studie „Vernetzte Organisation 2013“ der Forschungsgruppe Kooperationssysteme machte im Oktober des vergangenen Jahres eine deutliche „Mittelstandsdelle“ aus: Nur jeder dritte Betrieb mit 51 bis 500 Mitarbei-tern setzt demnach ESN ein, Dokumenten-managementsysteme sind fast überall noch die Nummer eins im Wissensmanagement.

Aber auch die Konzerne, von denen immerhin vier Fünftel ESN einsetzen, können sie laut Studie mehrheitlich nicht optimal nutzen, sei es aufgrund von Problemen bei der Integration in bestehende Prozesse oder mangelnder Unterstützung durch das Management. Ein weiterer Grund ist die geringe Akzeptanz der Nutzer, die darin oft nur einen weiteren Kanal sehen, den es zusätzlich zu bearbeiten gilt, einen Zeitfresser, bei dem Nützliches von uninteressantem Gelaber überlagert wird – eine Erfahrung, die auch Hirsch in Social-Software-Projekten immer wieder gemacht hat. Seiner Mei-nung nach wollen Mitarbeiter zwar gerne „social“ sein, aber selbst Heavy User nicht unbegrenzt – ein großer Unterschied zur privaten Nutzung von Facebook und Co.: „Leute wollen etwas über Veränderungen bei Kunden oder Produkten erfahren, aber keine Urlaubsfotos sehen.“

Social Intranets: Zwei Paradigmen vereint

Eine neue Art von Kommunikationssoftware soll nun ein soziales Wissensmanagement ermöglichen und gleichzeitig die Nachteile von ESN ausgleichen. Wie das aussieht, zeigt die interne Kollaborationsplattform des Software-Anbieters SAP: Auf „SAP Jam“ können Mitarbeiter sowohl auf systematisches Wissen in Form von Dokumentenvorlagen und digitale Lernangebote zugreifen als auch auf die Kenntnisse der Kollegen, erklärt Thomas Jenewein, Learning Principal für Education Tools bei SAP. In thematisch

Service

LiteraturtippsAFrank Wolf: Social Intranet. Kommunikation fördern, Wissen teilen, effizient zusammenarbei-ten. Hanser, münchen 2011, 39,90 euro.Das klassische intranet zeigt sich meistens als unübersichtlicher Ablageplatz für alles und nichts, mögliche Vorteile wie transparenz, Schnelligkeit, ideengenierung und mitarbeiterzufriedenheit bleiben ungenutzt. Das Buch zeigt anhand vieler Beispiele, wie um soziale Funktionen erweiterte intranets diese Potenziale erschließen und zu einer vielfältigen Kommunikations- und Kollaborationsplattform entwickelt werden kön-nen.AConstantin Gillies: Führung 2.0 – Die Facebookisierung der Firmen. www.managerseminare.de/mS166AR02Früher hörten viele Führungskräfte nur einmal im Jahr von den Beschäftigten: nach der mitarbeiterbefra-gung. Künftig ist mitarbeiterbefragung Dauerzustand. Denn immer mehr Firmen nutzen Wikis, soziale netz-werke und microblogging, um Arbeitsabläufe zu verbessern. mit den Werkzeugen des Web 2.0 ziehen auch dessen Regeln in die Unternehmen ein – und verändern die Ansprüche an Führung.ASascha Reimann: Enterprise 2.0 – Unternehmen, öffne Dich. www.managerseminare.de/mS164AR06enterprise 2.0 klingt nach Social media, nach flachen Hierarchien, nach neuer zusammenarbeit. Und nach ganz viel heißer luft. Konjunktive, Wunschvorstellungen und Halbwahrheiten prägen die Debatte. Doch jenseits von Hype und Visionen zeichnet sich eine handfeste Strategie ab, wie sich Arbeit neu organisieren lässt.

Page 4: Sortiertes Rauschen - HIRSCHTEC · systematische Wissensmanagement ist zu starr, wir brauchen etwas fluideres“, bestätigt Richter. Dessen Kernfunktion ist nicht mehr das Speichern

managerSeminare | Heft 197 | August 2014

development | 61

Wenn vom einsatz sozialer netzwerker in Unternehmen die Rede ist, gehen die Begriffe leicht durcheinander, auch weil viele tools sich nicht eindeutig klassifizieren lassen. zur Klärung werden im Folgenden vier bekannte enterprise Social networks vorgestellt, die in erster linie Vernetzungsplattformen nach dem Facebook-muster darstellen, sowie die am meisten verbreiteten Social intranets, die die eigenschaften klassischer intranets mit denen sozialer medien vereinen.

Firmennetze im Vergleich

Quelle: lutz Hirsch, Hirschtec, Hamburg.

IBM Connections: Die umfangreiche Social-networking-Plattform bietet zahl-reiche Komponenten (zum Beispiel: Personenprofile, Communitys, Blogs und Wikis), die die Vernetzung und Wissensarbeit der mitarbeiter unterstützen. Vorteile:AUmfangreiche Funktionen mit dem Fokus auf interner Vernetzung AUmfassende integrationsmöglichkeiten in bestehende Prozesse AHohe interoperabilität mit Drittanbieter-Produkten

Yammer: Das 2012 durch microsoft übernommene soziale netzwerk für Unter-nehmen fokussiert sich auf die Unterstützung von Kommunikationsabläufen und den Ad-hoc-Austausch (mail-ersatz). Vorteile:Aintuitive nutzung Azielgerichtete Kommunikation (one-to-one, one-to-many, oder Direktnachricht)

Jive: mit der Social Collaboration Plattform lassen sich mehrere netzwerke paral-lel aufbauen: innerhalb eines Unternehmens oder extern mit Kunden, Partnern oder lieferanten. Vorteile:Agranulare Rechte- und Rollenverwaltung Aleistungsstarke lösung von der StangeAmöglichkeit des Social media monitoring

Communote: Der microblogging-Dienst bietet eine schnelle Kommunikationslö-sung für projekt- und teamorientierte Unternehmen, mit der sich das e-mail-Auf-kommen reduzieren und die transparenz erhöhen lässt. Vorteile:Aintegration mit gängiger Unternehmenssoftware wie microsoft Sharepoint, Atlassian Confluence und Content management Systemen möglich ASchnelle einrichtung ADeutscher Anbieter

Enterprise Social Networks (ESN) Social Intranet

Microsoft SharePoint: Die Plattform bietet neben den typischen intranet-Funktionen umfangreiche optionen für Kollaboration, die Abbildung von Work-flows und die Umsetzung komplexer Business-Szenarien. Vorteile:Anahtlose integration und nutzungsmöglichkeiten der office-Produkte von microsoftAUmfangreicher Funktionsumfang

Bitrix24: zusammen mit den Funktionen einer Social intranet Software bietet Bitrix24 eine All-in-one-lösung mit fertigen modulen, z.B. für Projektmanagement, CRm, Dokumentenmanagement- und Dokumentenbearbeitung, an. Vorteile:AAls Cloud und Self-Hosted-Version verfügbar AUmfangreiche Funktionen zu einem guten Preis-/leistungsverhältnis AVoller Funktionsumfang auch auf Apps für Andoid und ioS

xelos.net: Die modulare Plattform der blueend web:applications Ag bietet eine komplette Architektur mit Redaktionswerkzeugen, CRm, Dokumentenma-nagement, Wikis, Blogs und Communitys an. Vorteile:Anahtlose integration von microsoft office AFlexibel erweiterbare grundarchitektur ADeutscher Anbieter mit in Deutschland entwickelter Software und in Deutschland betriebener Cloud (Datensicherheit)

Drupal: Auf open Source basierendes Content management System, das durch eine Vielzahl von erweiterungen zu einem Social intranet ausgebaut werden kann. Vorteile:Agroße Developer Community AUmfangreiche Werkzeuge für das Web Content management

Page 5: Sortiertes Rauschen - HIRSCHTEC · systematische Wissensmanagement ist zu starr, wir brauchen etwas fluideres“, bestätigt Richter. Dessen Kernfunktion ist nicht mehr das Speichern

managerSeminare | Heft 197 | August 2014

62 | development

mythen über Social Software

ein soziales Wissensmanagement ist weniger eine Frage von tools als von einstellungen und Verfahren. trotzdem bildet oft Social Software den Kern der unternehmerischen Bemühungen, die Köpfe der mitarbeiter miteinander zu verbinden. Dabei kur-sieren eine Reihe von mythen, die einführung und erfolg der kollaborativen Plattformen torpedieren können.

AMan muss die Führungskräfte mitnehmen: Wenn die Führungskräfte nicht mitziehen, haben Social-Software-Projekte keine Chance. Allerdings sollte man nicht versuchen, Führungs-kräfte zu nutzern zu machen, das passt nicht zu ihrem Jobprofil. ihre Rolle besteht eher im ermuntern, Bewerten und Abschöp-fen.

ATools ändern Kultur: Dass man nur die richtigen tools hin-stellen muss und sich der Rest von selbst erledigt, ist derselbe irrtum, der schon beim systematischen Wissensmanagement begangen wurde. Das gegenteil ist der Fall: erst wenn eine Kul-tur der offenheit, des Vertrauens und des teilens besteht, kann Social Software ihr Potenzial entfalten.

ASocial Software ist für junge Mitarbeiter: in der tat erwartet die generation Y, dass sie soziale Plattformen nutzen darf. Die dienen aber nicht der Befriedigung von medialen Vor-lieben, sondern der erfüllung konkreter Use Cases, etwa der Koordination von Projektarbeit. ist ein mehrwert gegeben, ist die teilhabe keine Frage des Alters.

AEin Tool für jeden Bedarf: Social intranets bieten viele opti-onen: Blogs, Wikis, Kalender, Aufgabenmanagement, virtuelle Arbeitsräume und mehr. experten empfehlen jedoch, die Funk-tionen wohlüberlegt und schrittweise einzuführen, um die mitar-beiter nicht zu überfordern und die interaktionen nicht auf zu viele Kanäle zu verteilen.

ATools verbinden Menschen: Die existenz eines sozialen Kommunikationskanals bedeutet nicht, dass er genutzt wird. zahlreiche Barrieren können eine Wissensteilung verhindern, allen voran eine Führungskultur, die Angst vor Fehlern schürt und zeitverschwendung hinter allem wittert, was nicht mit dem Abarbeiten von Aufgaben zu tun hat.

AWissensaustausch geschieht nebenbei: Die Weitergabe von Wissen braucht zeit – pauschale empfehlungen liegen bei etwa zehn Prozent der Arbeitszeit – und muss entsprechend eingeplant werden. Dass mitarbeiter möglichst aktiv sind, kön-nen Führungskräfte durch Feedback, Belohnung und Berück-sichtigung bei der mitarbeiterbeurteilung fördern.

ADas Netzwerk reguliert sich selbst: eine soziale Plattform ist kein Selbstläufer. Schon bei der einführung braucht es in jeder nutzergruppe einen Botschafter oder moderator, der sich um das netzwerk und die User kümmert. Auch für die einzelnen themen muss jemand verantwortlich sein, sonst versanden sie leicht.

Quelle: lutz Hirsch und Recherchen von managerSeminare.

„Unternehmen müssen ‚social’ werden, um das Wissen der Mitarbeiter zu aktivieren.“Birgit gebhardt, trendexpertin, Hamburg. Kon-takt: [email protected]

Kultur vor Tools

Dass das funktioniert, ist aber auch mit einem perfekt zugeschnittenen Social Intranet kein Selbstläufer. Ein Wissensmanagement, das zu einem guten Teil darauf basiert, dass Mitar-beiter ihre Zeit und ihr Wissen einsetzen, um anderen zu helfen, etabliert sich nicht auf Knopfdruck. „Wir erleben trotzdem immer wieder, dass sich Unternehmen einfach ein Tool hinstellen und glauben, dass es dann läuft“, berichtet Accenture-Berater Görtz aus leidvoller Erfahrung. Sie wiederholen damit den Fehler, der auch beim systematischen Wissensmanagement gemacht wurde und es zum No-Go-Thema gemacht hat.

Damit das nicht passiert, müssen die passenden Voraussetzungen für ein soziales Wissensmanagement geschaffen werden, erklärt Jochen Günther, der am Fraunhofer Institut Arbeitswirtschaft und Organisation zum Thema Kollaboration forscht und berät. Er unterscheidet vier Ebenen: „Neben der Ausgestaltung der eingesetzten Tools sind das die Ebenen der Organisation, der Gruppen und der Mitarbeiter“, so Günther (Kasten S. 63). Auf all diesen Ebenen exis-tieren Barrieren für den Wissensaustausch, die es zu senken gilt, bevor an ein soziales Wissensmanagement überhaupt zu denken ist. Auf der organisationalen Ebene sind das zum Beispiel ein ausgeprägtes hierarchisches Denken, ein Klima der Angst und des Behar-rens, die Mitarbeiter abschrecken, sich in einem Social Intranet oder einer anderen teil-öffentlichen Kommunikationsplattform zu betätigen. Auf der Gruppenebene kann ein Mangel an Beziehungsarbeit den Austausch von Wissen stören: „Kollegen sind eben nicht nur Informationsquellen, sondern Menschen“, so Günther. Das wiederum macht emotionale, persönliche Kommuni-kation notwendig, die über das Berufliche hinausgeht. „Die muss zugelassen werden, weil sonst die Interaktion auf Dauer nicht funktioniert“, betont Günther.

sortierten Gesprächsgruppen und Communitys tauschen sich Kollegen über Produkte, Kunden und Erfahrungen beim Projekt-management aus, die Beiträge erscheinen in einer Timeline und können von allen Usern kommen-tiert werden. Soziales Wissen wird auch wieder in systematisches überführt: Per „Harvesting“ (was auf deutsch so viel wie Ernte heißt) werden besonders relevante Informationen, die sich in den Diskussionen ergeben, identi-fiziert und in einem „Häufige Fragen“-Dokument zusammen-gefasst, so Jenewein.

Die Plattform gehört zur Gruppe der Social Intranets (s. Kasten S. 61). Anders als ESN sind sie keine reine Vernetzungs-plattformen, sondern eher eine Art digitales Dach, unter dem alle Kanäle zusammengeführt werden, erklärt Hirsch: ein zentral verwalteter Teil mit gesicherten Unternehmensinformationen, dazu Blogs, Wikis, Dokumen-tenvorlagen, Abteilungsprofile, virtuelle Arbeitsräume, Task Manager und ein sozialer News Stream – wobei Zuschnitt und Interaktionsspielräume nach Bedarf variieren können. Das Soziale findet statt, steht aber nicht im Vordergrund, die Rat-schläge der Kollegen werden durch gesicherte Informati-onen ergänzt. „Social Intranets vereinen so die Vorteile von systematischem und sozialem Wissensmanagement“, glaubt der Berater. „Sie liefern das Rauschen des Netzes, bedienen aber auch das Bedürfnis nach sortiertem, verlässlichem Wissen.“

Page 6: Sortiertes Rauschen - HIRSCHTEC · systematische Wissensmanagement ist zu starr, wir brauchen etwas fluideres“, bestätigt Richter. Dessen Kernfunktion ist nicht mehr das Speichern

managerSeminare | Heft 197 | August 2014

development | 63

4-ebenen-modell

Soziales Wissensmanagement erfordert, dass mitarbeiter ihre zeit und ihr Wissen einsetzen, um anderen zu helfen. Damit das passiert, müssen laut Jochen günther vom Fraunhofer institut für Arbeit und organisation auf vier ebenen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden.

1. Organisationale EbeneDamit ein soziales Wissensmanagement stattfin-den kann, darf der Austausch nicht durch eine allzu hierarchische Struktur blockiert werden. Die mitarbeiter müssen über Spielräume verfügen und die ziele des Unternehmens gut genug ken-nen, um selbstständig zu entscheiden, welches Wissen sie teilen können und welches nicht. ins-gesamt muss eine Kultur der offenheit und trans-parenz vorherrschen, die es möglich macht, neues Wissen auf- und anzunehmen.

2. GruppenebeneAuf der gruppen- bzw. teamebene geht es vor allem um Beziehungsarbeit, um die persönlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass sich die mitar-beiter gerne und effektiv unterstützen. geschieht die Kommunikation vor allem per Social media, gehören zur Beziehungsarbeit etwa regelmäßige physische treffen und eine Kommunikationsform, die Raum für Stimmungen lässt, etwa in Form von privaten inhalten oder der Verwendung von Smileys.

3. Mitarbeiter-EbeneDas Funktionieren eines sozialen Wissensma-nagements hängt neben dem Fachwissen und dem Sozialverhalten vor allem von der medien-kompetenz der mitarbeiter ab. Sie müssen infor-mationen aufnehmen, darstellen, bewerten und über den geeigneten Kanal entscheiden, über den sie die informationen erhalten oder weiterleiten können. Und sie müssen die grenzen in Bezug auf inhalte, Frequenz und Reichweite kennen, um ihre Beiträge richtig zu dosieren.

4. Gestaltungsebene Bei konkreter Ausgestaltung des sozialen Wissens-managements ist der nutzen der entscheidende Faktor. Was ist der Use Case – diese Frage muss klar beantwortet werden, bevor man sich an die einführung von sozialen Kommunikations- und Kol-laborationsplattformen machen kann. Dabei emp-fiehlt es sich, die angepeilten nutzer so früh wie möglich und gezielt einzubinden. ein solcher Pro-zess kann nicht „top-down“ stattfinden und ebenso wenig als it-Projekt, sondern als Change-Projekt mit Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen.

Quelle: Jochen günther, Fraunhofer iAo, Stuttgart.

Auch auf der vierten Ebene, bei den Mitar-beitern selbst, sind oft eher Bremsen als Treiber des neuen Miteinanders zu finden. Ein Irrtum, der in der ersten 2.0-Euphorie oft begangen wurde, war zu glauben, dass Mitarbeiter nur darauf warten, von der kommunikativen Kette gelassen zu werden, sagt Hirsch. Viele sind es aber gar nicht gewohnt, ihr Wissen zu teilen. Andere wollen es nicht, weil sie die Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben brauchen. Und wieder andere fürchten Repressalien, wenn sich ihre Tipps als falsch erweisen.

Die Bretter zwischen den Köpfen

Die größte Barriere für den Austausch via Social Intranet liegt jedoch im Unwissen, wozu das gut sein soll: „Mitarbeiter brauchen einen Grund, warum sie sich damit beschäftigen sollen, sie müssen erfahren, welcher Mehrwert für sie dadurch entstehen kann“, erklärt Philipp Trunk. „Begriffe wie ‚Social‘ oder ‚Wissensma-nagement‘ sind für sie zweitrangig, sie wollen keine Tools, sondern Lösungen für konkrete Probleme.“ Als Projektleiter bei infoNetwork, der Produktionsfirma der Mediengruppe RTL Deutschland, die unter anderem zahlreiche News- und Magazinformate für RTL oder Vox herstellt, begleitet Trunk zurzeit die Einführung einer Zusammenarbeitsplattform. Der kon-krete Anwendungsfall liegt in der verbesserten Zusammenarbeit zwischen den Redaktionen und Abteilungen: Praktisch sieht das so aus, dass alle Teams eigene Teamsites haben, auf denen sich jederzeit jeder informieren oder selber äußern kann, auch aus anderen Redaktionen. „Teamübergreifende Projekte wie Sondersendungen oder Thementage kön-nen so besser koordiniert werden, Meetings werden effizienter, das E-Mail-Aufkommen sinkt“, nennt Trunk die Vorteile, die jedem einleuchten, weswegen das System auch immer besser angenommen wird.

Social Leadership

Eine besondere Rolle kommt den Führungs-kräften zu, wenn es darum geht, ein soziales

„Den Reifegrad für ein soziales Wissensmanagement haben viele Unternehmen noch nicht erreicht.“matthias görtz, Accenture Strategy | talent & organization, Kronberg im taunus. Kontakt: [email protected]

Wissensmanagement in Gang zu bringen, so Hirsch. „Führungskräfte müssen verstehen und vermitteln, dass das Posten und Lesen im Social Intranet keine Zeitverschwendung, sondern Teil der Wissensarbeit und damit der Wertschöpfung ist“, so der Berater. Denn sie müssen ihren Mitarbeitern den Nutzen nahebringen und ihnen das Vertrauen und die Zeit gewähren, die nötig sind, um sich beim Austausch wohlzufühlen. Sonst kommt kein Austausch von Wissen zustande. Der Berater sieht ihre Rolle nicht primär darin, selbst beim Wissensaustausch mitzuwirken, dazu haben sie oft keine Zeit. Ihre Funktion besteht vielmehr darin, die Mitarbeiter zur Mitwirkung zu ermuntern und das entste-hende Wissen abzuschöpfen.

„Führungskräfte müssen vor allem dafür sorgen, dass es Mitarbeitern leicht gemacht wird, ihr Wissen zu teilen“, sagt Accenture-Consultant Görtz. Dazu gehört seiner Ansicht nach auch unbedingt die Incentivierung: „Wer anderen mit seiner Zeit und seinem Wissen hilft, muss dafür belohnt werden“, sagt Görtz. Bei Accenture fließen der Aufbau und das Teilen von Wissen daher standardmäßig in die Mitarbeiterbewertung ein, bei IBM bemisst sich sogar das Gehalt zum Teil nach Zahl und Qualität der Beiträge im Social Intranet. Wichtiger noch als monetäre Vergütung ist Görtz zufolge jedoch die Anerkennung, die sich damit verbindet.

Soziales Wissensmanagement, so lässt sich zusammenfassen, kann sein volles Potenzial nur durch Vertrauen und Freiheiten, durch Anerkennung und klare Anwendungsfälle entfalten. „Diesen Reifegrad haben allerdings viele Unternehmen noch nicht erreicht“, schränkt Görtz ein. Unternehmen und vor allem die Art der Führung müssen sich ändern, wenn die Firmen das Wissen ihrer Mitarbeiter optimal nutzen wollen. Und sie müssen lernen, mit dem Widerspruch zu leben, dass sie die Kontrolle über das Wissen aufgeben müssen, um mehr davon zu haben.

Sascha Reimann C

Page 7: Sortiertes Rauschen - HIRSCHTEC · systematische Wissensmanagement ist zu starr, wir brauchen etwas fluideres“, bestätigt Richter. Dessen Kernfunktion ist nicht mehr das Speichern

G 11503 | Heft 180 | März 2013 | € 12,80 | sfr 22,50 | www.managerSeminare.de

A Warum das Selbstbild fast immer verzerrt istA Wie Selbstkenntnis die Führungskompetenz steigertA Erkenntnispfad: Fünf Schritte zum Selbst

Lernprojekt Selbsterkenntnis:Wer bin ich? Wie bin ich? Was will ich?

Wertvolle Wut: Warum Aggressivität eine Managementkompetenz istKollegencoaching: Wie die Beratung von Führungskraft zu Führungskraft funktioniertGehirnjogging: Welche Methoden tatsächlich Nutzen bringenSeminarmarkt: Aktuelle Weiterbildungen für Mitarbeiter und Führungskräfte

managerSeminareDAS WEITERBILDUNGSMAGAZIN

man

ager

Sem

inar

e | H

eft 1

80 |

Mär

z 20

13Se

lbst

erke

nntn

is |

Aggr

essi

vität

im M

anag

emen

t | O

nlin

e-Ei

nflu

ss |

Gehi

rnjo

ggin

g | K

olle

genc

oach

ing

| Inn

ovat

ive P

erso

nalb

erat

ung

| Inn

ovat

ions

man

ager

| So

lutio

n To

ols

4191150312801 03

eigen (Sie) was Sie könnenibo-Zertifikate

wir können. sympathisch anders.

30 Jahre

TrainingTrainingBeratung und Training

ibo Beratung und Training GmbH | Im Westpark 8 | D-35435 Wettenberg | T: +49 641 98210-300 | [email protected] | www.ibo.de

ThemaChange Management - Integriert statt isoliert

ibo Trendforum 09. April 2013, FrankfurtLernen Sie von und diskutieren Sie mit Experten und Praktikern.

Ihre Gastgeberin: Dr. Jutta Chalupsky, Produktmanagerinibo Beratung und Training GmbH

Vorträge• Erfolgreiches Change Management: Lektionen aus heutiger Sicht

Karl-Heinz Große Peclum, BHF-Bank AG

• Den Wandel umsetzen: Strukturelle und personelle VeränderungenSven Albert und Ralf Baumann, BBBank Karlsruhe

• Change Marketing: Veränderungen gut vermarkten Helmuth Braun, ibo Beratung und Training GmbH

• Länger leben. Länger arbeiten. Länger lernen. Dr. rer. soc. Josephine Hofmann, Fraunhofer Institut für Arbeitswissenschaften und Organisation IAO

• Change: Keine Frage des Alters Uwe Ross, B. Braun Melsungen AG

Info und Anmeldung unter www.ibo.de/ibo-trendforum

Change Management-Berater mit ibo-ZertifikatOffene Ausbildungsreihe mit 5 Modulen (13 Tage)TermineReihe 1: 15.04. - 05.11.2013 in Marburg HessenReihe 2: 28.10. - 29.042013 in Bad Nauheim Hessen

Kostenfreie Infoveranstaltung am 19.03. und 01.10.2013

Change Management Kompetenz für HR Inhouse-Kompaktseminar individuell für Ihr Haus (3 Tage)Stärken Sie die Rolle(n) der HR-Mitarbeiter in Veränderungspro-zessen und -projekten durch Change Management Kompetenz.

Christian EichhornKey Account Manager [email protected]: +49 641 98210-347

Claudia WeißKey Account Manager Chemie/[email protected]: +49 641 98210-385

Info und Anmeldungwww.ibo.de/training/change-management

Wir beraten Sie. Nehmen Sie Kontakt auf!

ms180-titel.indd 1 14.02.13 14:34

Abonnent zu sein lohnt sich:

A vollständiger Zugriff auf 20 Jahre Artikelarchiv und ...A alle Themendossiers gratis

A 50 Euro Rabatt beim Kauf von Führungstrainings auf CD-ROM

A bis zu 100 Euro Rabatt bei den Petersberger Trainertagen

A Motivationsposter zum Sonderpreis

A kostenfreie Messekarten, z.B. für die Zukunft Personal

A digitale Ausgabe inklusive

A Gratis-Prämie bei Bestellung

Einfach bestellen unter

www.managerSeminare.de/abo