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Geert Lovink: Critical Internet Culture Quelle: http://www.hva.nl/lectoraten/ol09-050224-lovink.pdf Rafael Capurro Vorlesung Information und Gesellschaft Sommersemester 2006

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Rafael CapurroVorlesung Information und GesellschaftSommersemester 2006

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1. „Multitude“, Netzwerke und Kultur

Kultur als eine Ressource: Kultur kann gesellschaftliche Kräfte

mobilisieren Vielfalt fördern

Kultur als eine Ware („commodity“): dotcom, Wert in ‚page per views‘ Kommerziell orientiert Monopole

„Culture Inc. is not working

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1. „Multitude“…

Internet-Kultur verändert sich ständig (‚Kulturierung‘ des Internet): Niedergang des Englisch und Aufstieg

von chinesischen, japanischen,… ‚Intranets‘

Wikis, P2P, weblogs ‚communities of difference‘

(demokratische Bewegungen: Einschluß statt Ausschluß)

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1. „Multitude“… Aufstieg des multimedia Design Mobile Geräte Entstehung von Netzkulturen: jenseits

der Dichotomie zwischen Nutzern (Mikroebene) und Gesellschaft (Makroebene)

Der Begriff „Multitude“ dient als Alternative zu „the people“ (bzw. „das Volk“ = staatlich bezogen) und besagt auch, dass die ‚consumers‘ jetzt ‚prosumers‘ (bzw. ‚aktiv‘) geworden sind

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1. „Multitude“… Der Begriff „multitude“ stammt von Michael

Hardt & Antonio Negri (2004): Multitude: War and Democracy in the Age of Empire Beschreibung von gesellschaftlichen Gruppen in

einer globalisierten Welt früher: „Proletarier“ als ‚homogener‘ Begriff. ‚multitude‘ als ein offener und expansives

Netzwerk, in dem Unterschiede sich frei äußern können.

Fortsetzung des „guerrilla“-Kampfes ‚libertäre‘ Werte: Kreativität, Selbstorganisation,

Kooperation, Unterminierung von Autorität

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1. „Multitude“… ‚Virtuelle Intellektuelle‘: wie weit nehmen

sie die Debatte um Freie Software, Copyright, Suchmaschinen,… wahr?

Ambivalenz der Netzwerke: ideale Kontrollmaschinen im Alltag Die gegenwärtige Netzwerke arbeiten mit

Problemen („notworking“): Viren, SPAM, Identitätsraub…

Netzwerke eignen sich weniger als die Massenmedien für die Verteilung von ‚Massenbotschaften‘

Was geschieht mit den Ausgeschlossenen? ‚Post-humane‘ Qualität: techno-sozialer Komplex

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2. Theorie der freien Kooperation

Das Internet definiert sich nicht primär als Medium zur Verbreitung

von Information (neben Büchern…), sondern durch seine soziale Architektur:

was zählt ist lebendige Interaktion, nicht ‚storage & retrieval‘

Wie läßt sich Freiheit erweitern im Kontext von Netzwerk-Kooperation? Vgl. nettime.org

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2. Theorie… Christoph Spehr: „Gleicher als

andere“: „Freie Kooperation“ (Verhandeln mit staatl. Monstern, Unabhängigkeit, Weigerung…): jeder sollte die Freiheit haben, die Kooperation (in Netzwerken) (jederzeit) zu kündigen: „notworking“ ist das Freiheitsprinzip („if you do not know how to log out, you‘re locked in.“)

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2. Theorie…

„Multitude“ und Zusammenarbeit Natur der heutigen Produktion Was bedeutet Zusammenarbeit wenn wir

Leben auf Arbeit reduzieren? „Notworking“ ist eine Option nicht das

Ziel (da sonst enden wir im individuellen Anarchismus)

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2. Theorie… Paolo Virno: A Grammar of the Multitude,

Cambridge 2004; Grammatik der Multitude 2005: Die ‚multitude‘ als die heutige

herrschende (ambivalente) Seinsweise der Gesellschaft produziert Ausbruchsversuche wie z.B. Opportunismus, Zynismus, soziale Angepasstheit, Selbstverleugnung, heitere Resignation…

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2. Theorie… „Freie Kooperation“ entsteht als Krise des

Fordismus Was geschieht mit der Politik nach der

Dezentralisierung? Der Begriff der „multitude“ drückt das

Problem der „Fragmentarisierung“ der heutigen „networked condition“ aus

Für Virno ist der Unterschied zwischen „Arbeitszeit“ (labour time) und „Freizeit“ (non-labour time) problematisch geworden

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2. Theorie… Auch die Unterscheidung zwischen

‚collaboration‘ und ‚non-collaboration‘ ist schwieriger geworden.

Worauf es heute ankommt, ist die Art und Weise wie ‚negotiations‘ stattfinden.

Zusammenarbeit ist keine Tugend mehr, wenn wir uns immer mehr von einer „Herdementalität“ bestimmen

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2. Theorie…

Es ist schwierig zu unterscheiden zwischen der Notwendigkeit in Gruppen zu arbeiten und dem Wunsch, Isolierung zu überwinden, wenn man allein arbeitet: „Ökonomie der Anerkennung“, Gruppenname…

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2. Theorie…

Interne Gruppendynamik: Zusammenarbeit erzeugt Voyeurismus.

„Bilwet“: Foundation for the Advancement of Illegal Knowledge;

Nettime project

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2. Theorie…

Arbeiten im ‚wirklichen Leben‘ ist ein Luxus und macht Spaß aber je mehr Menschen vernetzt sind, umso unwahrscheinlicher wird es sein, dass man Leute in der Nachbarschaft findet, mit denen man zusammenarbeitet.

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2. Theorie… Deshalb ist das Verständnis der

techno-soziale Strukturen der Arbeit besonders wichtig. Dazu zählen: ‚Gender-machine‘ Fragen (m/m, m/f, f/f

Zusammenarbeit): Dreieick: male/female/Machine Aufstieg der ‚cultural economy‘ und

‚creative industries‘ Anerkennung von Group work Literatur,

Künste und Wissenschaft

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2. Theorie…

Unterschied: ‚organized networks‘ vs. ‚networked organization‘

Es ist schwer online zusammenzuarbeiten, wenn man sich nicht in ‚real life‘ getroffen hat, aber dies ist weniger entscheidend, wenn man mit Leuten in der ganzen Welt arbeitet.

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3. Morgenröte von organisierten Netzwerken

‚Organisierte Netzwerke‘: ein Oxymoron?

Netzwerkbeziehungen sind nie statisch, und sie sind ephemer

Organisierte Netzwerke hat es ‚immer‘ gegeben

Sie sind heute unsichtbar für die alten Medien und für p-in-p (people in power)

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3. Morgenröte…

Netzwerke sind innerhalb der Gesellschaft

Netzwerke unterminieren Macht (Michel Foucault)

Netzwerke erzeugen Differenzen Netzwerke sind erfinderisch

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3. Morgenröte…

Mitglieder von Netzwerken sehen sich nicht als Sekte

Sie sind ‚users‘ bzw. ‚consumers‘ (Ontologie des Kapitals) aber es gibt Aufbruchmöglichkeiten, um sich eine ‚ethisch-ästhetische Existenz‘ zu schaffen

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3. Morgenröte… Der Begriff „organized networks“ als

Nachfolger des Begriffs „virtual community“ Dadurch soll die Frage der internen

Machtbeziehungen in den Vordergrund treten.

„Community“ (Gemeinschaft) ist ein idealistischer Konstrukt (Harmonie etc.), ähnlich wie der Ruf nach „Vertrauen“ (‚trust‘) nach 9-11.

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3. Morgenröte…

Netzwerke erzeugen Differenzen und Konflikte

‚default condition‘ des Netzlebens: browsing, beobachten, lesen, warten, denken, löschen, chatten, surfen…

Totales Onlineleben ist Wahnsinn Die Potentialität muß nicht

ausgeschöpft werden

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3. Morgenröte… Innerhalb von Netzwerken ist viel Zeit

für ‚Interpassivität‘ Netzwerke sind hedonistische

Maschinen für promiskuitäre Kontakte Organisierte Netzwerke emergieren

als Artikulation von ‚info-war‘: neoliberale Regierungen und Institutionen möchten sich von der Verantwortung stehlen

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3. Morgenröte...

Organisierte Netzwerke müssen in Zukunft die folgenden drei Aspekte beachten: Accountability

(Zurechenbarkeit/Verantwortung) Sustainability (Nachhaltigkeit) Scalability (Messbarkeit)

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3. Morgenröte…

‚Nachhaltigkeit‘-Modelle jenseits politischer Pläne

Organisierte Netzwerke konkurriren mit etablierten Institutionen als Orte der Wissensentwicklung

Organisierte Netzwerke sind hybrid: teils taktische Medien teils Institutionen

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3. Morgenröte…

Organisierte Netzwerke werden sich schließlich mit den vernetzten Organisationen messen (lassen) aber es wird keine Synthese geben (zwischen ‚formal‘ und ‚informal‘)

Dieser Prozeß ist aber alles andere als harmonisch

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3. Morgenröte… Organisierte Netzweke sind keine

Institutionen der repräsentativen Demokratie: Suche nach ‚post-demokratische‘ Modellen von Entscheidungprozessen

Organisierte Netzwerke befassen sich mit ihrer eigenen Nachhaltigkeit (sie sind fragil). Sie stehen in der Gefahr der „Getthoisierung“, daher die Bedeutung von Zurrechenbarkeit, Verantwortbarkeit und Transparenz. Sie müssen auch ‚messbar‘ sein („scalability“)

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3. Morgenröte… Ökonomische Aspekte:

Strategisch wichtig: non-profit provider nutzen da Yahoo!Groups, Hotmail, Geocities oder Google nicht verlässlich (reliable) sind. Auf die Kosten achten!

Netzwerke sind nie 100% virtuell Je mehr online-Aktivitäten sich entfalten, umso

notwendig ein Netzwerk-Administrator Ideale Größe: zwischen 50 und 500 Teilnehmer