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Sonderdruck Beton- und Stahlbetonbau Hospitalhof Stuttgart Über räumliche Tragwerke, BIM und die Chance eines Paradigmenwechsels Dipl.-Ing. Boris Peter Dipl.-Ing. Klaus Pfaff M. Eng. Daniel Sonntag 11 110. Jahrgang November 2015, S. 775-783 ISSN 0005-9900 A 1879

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Sonderdruck

Beton- undStahlbetonbau

Hospitalhof StuttgartÜber räumliche Tragwerke, BIM und die Chance eines Paradigmenwechsels

Dipl.-Ing. Boris PeterDipl.-Ing. Klaus PfaffM. Eng. Daniel Sonntag

11110. JahrgangNovember 2015, S. 775-783ISSN 0005-9900A 1879

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 110 (2015), Heft 11, S. 775-783 3

DOI: 10.1002/best.201500051

BERICH

T REPORT

Boris Peter, Klaus Pfaff, Daniel Sonntag BERICHT

Hospitalhof Stuttgart Über räumliche Tragwerke, BIM und die Chance eines Paradigmenwechsels

1 Einleitung

Das Bildungszentrum des neuen Hospitalhofs (Bild 1) istauf den ersten Blick technisch kein ungewöhnliches Ge-bäude und doch birgt es in seinem Inneren so manchetragwerksplanerische Herausforderung. Neben der Grün-dung auf teilweise bestehenden Fundamenten, der Inte-gration historischer Bausubstanz im Neubau, einer voll-ständig fugenlosen Bauweise und einem stützenfreienSaal für ca. 1000 Personen, war vor allem der räumlicheLastabtrag im Erdbebengebiet eine tragwerksplanerischkomplexe Aufgabe. Um diese zu bewältigen, waren u. a.mehrere Abfangebenen, Zugstützen, weitgespannte wand-artige Träger und leichte Hohlkörperdecken erforderlich.

Die Planung des Tragwerks erfolgte vom Entwurf bis zurAusführungsplanung durchgängig am dreidimensionalenGebäudemodell nach der (Little) BIM-Methode. Dies er-möglichte die vorgegebene baubegleitende Planung deskomplexen Stahlbetontragwerks innerhalb des Kosten-und Terminrahmens.

2 Architektur

Der Wettbewerbsentwurf der Architekten sah den voll-ständigen Abriss der Nachkriegsgebäude vor. Es bliebenlediglich die denkmalgeschützte Hospitalkirche und diesüdliche, ca. 13 m hohe Kirchenseitenwand stehen. Dasneue sechsgeschossige Bürogebäude (Bild 1), das dazurechtwinklig angeordnete neue Bildungszentrum (Saal-

bau) und der historische Bestand orientieren sich dabeiam Umriss des historischen Klosterhofs (Bilder 2 und 3).

„Der neue Hospitalhof greift die inhaltliche und architek-tonische Verbindung von Kirche und Hospitalhof, er-gänzt um das Verwaltungsgebäude wie einst in den Klös-tern das Wirtschaftsgebäude, wieder auf. Mit diesem klös-terlichen Grundriss des Gesamtgebäudes, den die Archi-tekten Lederer Ragnarsdóttir und Oei leicht versetzt indie Fläche des Areals gedreht haben, ist ein Ort neu defi-niert, der im besten Sinne »aus dem Rahmen fällt«.“ [1]

Der neue Hospitalhof in Stuttgart ist als Zentrum für Erwachse-nenbildung, Kunst und Kultur weit über die Stadtgrenzen hi-naus bekannt. Es ist der zentrale Verwaltungs- und Versamm-lungsort der Evangelischen Kirche in der Landeshauptstadtund u. a. Ort der Landessynode. Das Tragwerk des architektoni-schen Entwurfs von Lederer Ragnarsdóttir Oei Architektenwurde von Knippers Helbig Advanced Engineering entworfenund umgesetzt. Die räumlich komplexe Struktur wurde durch-gängig von der Entwurfs- bis in die Ausführungsphase an ei-nem digitalen räumlichen Gebäudemodell entwickelt. Der fol-gende Bericht beschreibt den Umgang mit räumlichen Trag-strukturen im Hochbau und zeigt die Potenziale einer frühzeiti-gen BIM-Planung (BIM: Building Information Modeling,deutsch: Gebäudemodell) anhand konkreter Beispiele und Er-fahrungen auf.

Hospitalhof Stuttgart – about three-dimensional structures,BIM and the chance for a paradigm shiftAs a center of adult education, culture and art, the new Hospi-talhof in Stuttgart is known way beyond the city surrounds. It isthe central administration and meeting place for the ProtestantChurch of the greater Stuttgart Metropolitan Area, as well asthe regional synod. The load-bearing structure of the newbuilding, which has been designed by Lederer RagnarsdóttirOei Architects, has been designed and implemented by Knip-pers Helbig Advanced Engineering. The complex space struc-ture has been completely developed from schematic designthrough construction documents on the basis of a three-dimen-sional digital building model. The following report describesdealing with three-dimensional structures in building construc-tion und shows the potentials of an early BIM-planning (BIM:Building Information Modeling) based on specific examplesand experiences.

Bild 1 Süd-West-Ansicht Neubau South-west view (Copyright ROLAND HALBE)

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Die Flure werden im Erdgeschoß in Erinnerung an dieKlosterkreuzgänge zum Hof orientiert. Im Zentrum desNeubaus befindet sich der quadratische große Saal.„Auch kommt der nahezu quadratische Grundriss demWunsch nach vielfaltiger Nutzung entgegen. Der Saal istsozusagen der Kern der Anlage, um den die anderen Räu-me sich im Grundriss und Schnitt gruppieren“ [1].

3 Tragwerk3.1 Räumliches Tragverhalten Veranstaltungsgebäude

Beim Verwaltungsbau ermöglichte die generell einheitli-che Nutzung einen konventionellen Skelettbau mit Flach-decken auf durchlaufenden Kernen und Stützen. Dieswar beim Veranstaltungsgebäude mit geschossweise sehrunterschiedlichen Nutzungen (großer/kleiner Saal, ver-schiedene Foren, Büros, Café, Tiefgarageneinfahrt undTechnikgeschosse) so nicht mehr möglich (Bild 4). Ent-

sprechend hoch war die Schwierigkeit, ein Tragwerk zuentwickeln, welches diese geschachtelten Nutzungen er-möglicht.

Bei der statischen Berechnung war zu berücksichtigen,dass infolge der räumlichen Tragwirkung eine klassischeBauausführung Geschoss für Geschoss nicht möglichwar. Verschiedene Teilsysteme des Tragwerks waren ohnedie darüberliegenden Geschosse nicht tragfähig (Bild 5).Als Konsequenz musste ein Großteil des Saals im 1. OGin der Bauphase flächig unterstützt und die Lasten bis aufdie Gründung im Untergeschoß geleitet werden. Erstnach Fertigstellung des Rohbaus konnte die Abstützungentfernt werden, sodass alle Tragelemente der verschiede-nen Geschosse gleichzeitig belastet wurden. Infolgedes-sen war es nicht eindeutig vorhersehbar, wie sich die Las-ten bei der räumlichen Tragwirkung am statisch unbe-stimmten System verteilen würden und mit welchen Umlagerungen von Schnittgrößen durch Kriechen undSchwinden zu rechnen war. Konkret bedeutete dies, dassein konventioneller Lastabtrag mit händischem Weiter-verfolgen der Lasten einem räumlichen Lastabtrag am3D-Modell gegenübergestellt wurde. Hierbei wurden

Bild 2 Isometrie Neubau Hospitalhof Isometric view (Copyright Leder Ragnarsdóttir Oei)

Bild 3 Grundriss Erdgeschoss Neubau HospitalhofGround floor (Copyright Lederer Ragnarsdóttir Oei)

Bild 4 Ansicht Verwaltungsbau und Schnitt durch das VeranstaltungsgebäudeCross section of multi-functional building (Copyright Lederer Ragnarsdottir Oei)

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nicht unerhebliche Abweichungen festgestellt, sodass ver-schiedene Lastpfade kombiniert betrachtet wurden undsomit insbesondere in Druckgliedern mit geringen Last-umlagerungsmöglichkeiten eine ausreichende Tragfähig-keit sichergestellt werden konnte.

Auf der nördlichen Fassadenseite des großen Saalsspannt eine vorgehängte Wand mit runden Löchern ca.19 m zwischen zwei Kragscheiben, die vertikal punktuellauf der darunterliegenden Außenwand lagern (Bild 6). Inder südlichen Fassade zum Innenhof spannt ebenfalls einwandartiger Träger im 2. OG zwischen den Stützen imHauptraster des Erdgeschosses. Die relativ schlankenFassadenstützen im darunterliegenden Geschoss hängendie Lasten der Geschossdecke und des Balkons nachoben an diesen Träger (Bild 7). Im Bereich der Tiefgara-gendurchfahrt müssen die Erdgeschossstützen abgefan-gen werden.

Am deutlichsten wird der komplexe Lastabtrag des Ver-anstaltungsbaus im großen Saal, welcher mit Abmessun-

gen von ca. 25 × 25 m2 stützenfrei geplant wurde. Er erin-nert dabei an eine „dreischiffige Kirche“, die ohne Stüt-zen auskommen muss. Dafür wurde der Saal mittig mitzwei großen, wandhohen Stahlbetonträgern überspannt,

Bild 5 Schnittisometrie aus Gebäudemodell mit indirektem Lastabtrag VeranstaltungsbauwerkIsometric section of building model with indirect load transfer (Copyright Knippers Helbig Advanced Engineering)

Bild 6 Lochfassade Südseite des SaalbausPerforated façade of hall (Copyright Knippers Helbig Advanced Engineering)

Bild 8 Stützenfreier Saal im Roh- und Ausbau Column-free hall at different stages (Copyright Knippers Helbig Advanced Engineering)

Bild 7 Indirekter Lastabtrag Hoffassade Indirect load transfer of courtyard façade (Copyright ROLAND HALBE

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an welchen zwei Decken mittels Zugstützen aufgehängtwurden (Bilder 5 und 8). Die Zugstützen wurden ausBrandschutzgründen ebenfalls in Stahlbetonbauweiseausgeführt. Bei der statischen Berechnung von Zugstüt-zen sind regelmäßig die Nachweise im Grenzzustand derGebrauchstauglichkeit (Verformungen, Rissweiten) sowiedie Fragestellung der Lasteinleitung kritisch zu betrach-ten. Die Begrenzung der Stahldehnung und die damit ver-bundene Rissweitenbegrenzung führen in der Regel dazu,dass die Bewehrung im Grenzzustand der Tragfähigkeitnicht voll ausgenutzt werden kann.

Zur Reduktion der Eigenlasten wurden die Decken imBereich der wandartigen Träger mit Hohlkörpern ausge-führt. Die Betonage der Decken musste in zwei Abschnit-ten erfolgen, um ein Aufschwimmen der Hohlkörper zuvermeiden (Bild 9). Teilweise wurden die Hohlkörper -decken noch zusätzlich mit einer Betonkernaktivierungkombiniert (Bild 10). Aufgrund der relativ geringen Ge-

Bild 9 Betonage in zwei Abschnitten Concreting in two phases (Copyright Knippers Helbig Advanced Engineering)

Bild 11 Verlegeplan Hohlkörperdecke Installation plan of voided flat slab (Copyright Cobiax Technologies AG)

Bild 10 Detail Hohlkörperdecke mit Bauteilaktivierung Voided flat slab with concrete core activation (Copyright Cobiax Technologies AG)

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schossdeckendicken wurden teilweise Elemente vom TypSlimline (flache anstatt runde Hohlkörper, Bilder 10 und11) verwendet, für die es zum damaligen Zeitpunkt nochkeine Zulassung gab. Letztendlich wurde die Decke alsRippendecke nachgewiesen, wodurch vermieden werdenkonnte, eine Zustimmung im Einzelfall zu beantragen.

3.2 Erdbebennachweis

Wie zuvor beschrieben, handelt es sich speziell beim Ver-anstaltungsgebäude um ein sowohl im Grundriss als auchim Aufriss unregelmäßiges Gebäude mit einem räumli-chen Tragverhalten. Daher kam eine Nachweisführungmittels dem vereinfachten Antwortspektrenverfahrennicht infrage. Der Erdbebennachweis erfolgte am räumli-chen Finite-Elemente-Modell, das direkt aus dem BIM-Modell generiert werden konnte (Bild 12). Die erste Ei-genform des Gebäudes lag bei 3,6 Hz in x-Richtung bzw.4,7 Hz in y-Richtung. Die hohe erste Eigenform deuteteauf ein relativ steifes Gebäude hin, bei allen Eigenformenliegt daher die zu erwartende Antwort auf dem Plateaudes Antwortspektrums. Die Gesamthorizontallast infolgevon Wind und Abtriebskräften aus ungewollter Schiefstel-lung lag in der Größenordnung von 10 % der Gesamt -horizontallast infolge von Erdbeben, was bei einem Ge-bäude dieser Größenordnung so zu erwarten war. DieEinflüsse der Windlasten wurden zwar in der Folge wei-

ter betrachtet, waren aber in der Regel bei der Bauteil -dimensionierung vernachlässigbar.

4 BIM als Chance

Die Terminplanung sah eine baubegleitende Ausfüh-rungsplanung vor, da der Bauherr zu einem fixen Terminumziehen musste, weil die temporäre Zwischenmiete en-dete. Schon in der Entwurfsplanung wurden deshalb soviel wie möglich Leistungen aus der Ausführungsplanungvorgezogen und ein dreidimensionales Gebäudemodellmit AutoCAD Revit als parameterorientierte BIM-Soft-ware erstellt. Durch die Tätigkeit der Tragwerksplanerauch in den USA war einigen der Mitarbeiter die Planungmit dem Programm bereits vertraut, sodass zunächst teil-weise auf eine langwierige Schulung verzichtet werdenkonnte. Mittlerweile werden alle technischen Mitarbeiter,auch die Ingenieure, in AutoCAD Revit geschult. Inge-nieure und Bauzeichner arbeiten gemeinsam ab der Ent-wurfsplanung am räumlichen Gebäudemodell. Dies ist inder Übergangsphase mit einem nicht unerheblichen Kos-ten- und Zeitaufwand verbunden.

AutoCAD Revit ist ein weltweit sehr verbreitetes Pro-gramm und bei internationaler Ausrichtung besondersgut geeignet. Vorteilhaft war auch, dass die Möglichkeitder Integration der FE-Software Sofistik bereits im Pro-grammcode von AutoCAD Revit vorgesehen ist. Die geo-metrischen Statikmodelle können direkt im Gebäudemo-dell erzeugt und mit Sofistik weiter verarbeitet werden.Es ist aber auch eine Vielzahl von alternativen BIM-fähi-gen Programmen erhältlich.

Die durchgängige Bearbeitung am 3 D-Modell erfolgtebeim Hospitalhof nur bei den Tragwerksplanern als soge-nannte Insellösung (Little BIM). Die Objekt- und Haus-technikplanung plante im herkömmlichen Sinne mithilfevon zweidimensionalen Grundriss- und Schnittzeichnun-gen. Bei der BIM-Methode werden Planungsinhalte undder damit verbundene Aufwand aus späten Planungspha-sen in die Entwurfsphase verlagert (Bild 13). Dies spie-gelt die von Bauherrn regelmäßige geforderte Kostensi-cherheit nach der Entwurfsplanung und den oft engenTerminrahmen wider. Das führt vor allem in Deutsch-land zu einem Vergütungsrisiko bei den Planern, da beieiner üblichen stufenweisen Beauftragung nach HOAIkaum ein Bauherr diese vorgezogenen Planungsleistun-gen schon in der Entwurfsplanung bezahlen möchte.

Bild 12 Dreidimensionale FE-Berechnung beim Erdbebennachweis Three-dimensional FE-analysis of earthquake design (Copyright Knippers Helbig Advanced Engineering)

Bild 13 Gegenüberstellung klassischer Planungsablauf im Vergleich Ablauf BIM Comparison of typical planning to BIM design (Copyright Knippers Helbig Advanced Engineering)

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Auch endet die Planung bei Großprojekten infolge derVergabe an einen Generalübernehmer regelmäßig vorder Ausführungsplanung, sodass für die integrative Pla-nung am Gebäudemodell ein planerischer Zusatzauf-wand entsteht. Die Baufirma könnte dann aber das Ge-bäudemodell direkt in ihre Planung übernehmen und so-mit Zeit für vorbereitende Maßnahmen einsparen. Denk-bar wäre auch, dass eine funktionale Ausschreibungnach der Genehmigungsplanung ausschließlich auf ei-nem räumlichen Gebäudemodell basierend umgesetztwird.

Eine konsequente Umsetzung als „Big Open BIM“-Lö-sung, d. h., die durchgängige Verwendung digitaler Pla-nungswerkzeuge über alle Planungsdisziplinen als digi -tales Abbild eines Bauwerks, das sich nicht auf die geo-metrischen Daten beschränkt, sondern möglichst alle

Informationen eines Bauwerks für die Planung, die Pro-duktion, den Bau und den Betrieb beinhaltet, war bei diesem Projekt nicht vorgesehen. Die beim Hospitalhofvom Architekten geplante Integration von Lampen, Vor-hangschienen und Einbauteilen wurde ebenfalls im räum -lichen Modell erfasst und dann in den Schalplänen detail-liert dargestellt (Bild 14). Die Ermittlung der Bauteilmas-sen, die Kollisionsprüfung und das Änderungsmanage-ment (Bilder 15 und 16) konnten direkt aus demGebäudemodell gewonnen werden.

Mittlerweile haben die Autoren die Erfahrung gemacht,dass durch die Anwendung der bürointernen „LittleBIM“-Methode Projekte, die vorher mit drei bis vier Bau-zeichnern in der Ausführungsplanung geplant werdenmussten, nun mit nur noch einer Person durchgängig vonder Entwurfs- bis in die Ausführungsplanung umgesetzt

Bild 14 Räumliches Rohbaumodell Treppe – im Rohbau – im fertiggestellten Bauwerk Staircase view, 3D-model – structural – finish (Copyright Knippers Helbig Advanced Engineering)

Bild 15 Massenermittlung am räumlichen Rohbaumodell Quantity survey at 3D-model (Copyright Knippers Helbig Advanced Engineering)

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werden können. Dies führte auch dazu, dass die Auslas-tung der Bauzeichner im Vergleich zum klassischen Pla-nungsablauf nun im Jahresverlauf gleichmäßiger ist. Imklassischen Planungsablauf gibt es meist Auslastungsspit-zen in der Ausführungsplanung und Auslastungseinbrü-che danach (Bild 17).

Wendet man die Idee von BIM konsequent an, so mussdies unweigerlich zu einer grundlegenden Veränderungder uns bekannten Planungsabläufe führen. Das setzt dieFähigkeit, aber vor allem die Bereitschaft aller Planungs-beteiligten und Bauherrn, zur Veränderung voraus. Imklassischen Planungsparadigma (Bild 18), wie es beimHospitalhof vorgesehen war, entwirft der Architekt einBauwerk, zeichnet dieses auf und legt Bauherrn und

Fachplanern zweidimensionale Pläne zur Abstimmungvor. Als Ergänzung dazu werden regelmäßig zum besse-ren Verständnis räumliche, physische Gebäudemodelleangefertigt. Häufig werden auch vom Architekten undden Fachplanern die geometrischen Daten in einer Vielzahl separater dreidimensionaler Modelle unabhän-gig voneinander generiert, aber dann zur Kommunika -tion mit den Planungsbeteiligten wieder zweidimensio-nale Pläne erzeugt. Die räumliche Wirklichkeit wird inzweidimensionalen Grundrissen und Schnitten als Remi-niszenz an das Zeichenbrett dargestellt. Die Rück -meldung jedes einzelnen Projektbeteiligten muss vomObjektplaner oft mühsam koordiniert werden undführt dann zur Anpassung der Planung. Im Anschluss erhalten alle Beteiligten die geänderten Planunterlagenerneut zur Prüfung. Dieser Vorgang wiederholt sich,bis die Planungsziele erreicht sind. Der dafür erforder -liche Koordinierungs- und Arbeitsaufwand ist beacht-lich.

Durch die konsequente Anwendung der BIM-Methodekann dieser Prozess, beginnend mit der Entwurfsplanung,signifikant optimiert werden. Änderungen werden dannkonsequenterweise nur noch am digitalen Modell vorge-nommen und sind für alle Projektbeteiligten zu nahezu je-der Zeit als digitales Datenpaket verfügbar (Bild 19). DerAustausch findet mithilfe des programmübergreifendenIFC-Datenformats statt. Konfliktpunkte können automa-tisiert farblich kenntlich gemacht werden (Bild 20 bei-spielsweise mithilfe von Tekla) und in Gesprächsrundendirekt am räumlichen und integrierten Gebäudemodellgelöst werden.

Bild 16 Änderungsmanagement am räumlichen Modell Change management at 3D-model (Copyright Knippers Helbig Advanced Engineering)

Bild 18 Klassischer linearer Planungsprozess Typical linear planning process (Copyright Knippers Helbig Advanced Engineering)

Bild 17 Vergleich Auslastung Bauzeichner bei klassischem Planungsablaufund bei einer durchgängigen Planung mit BIM ab der Entwurfsplanung Draftsman-workload comparison of typical planning to BIM-design(Copyright Knippers Helbig Advanced Engineering)

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Der Planungsprozess findet mehr in integrativen Work-shops unter der Beteiligung aller Fachdisziplinen stattund weniger im eigenen Büro. Entscheidungsprozessekönnen dadurch beschleunigt werden und Konfliktstellenwerden sofort sichtbar. Die Übergabe der Daten an aus-führende Unternehmen erfolgt digital und kann direkt inden Fertigungsprozess übernommen werden.

Die digitale Planungsmethode am Gebäudemodell ersetztdabei aber nicht alle gewohnten analogen Arbeitsweisen,wie beispielsweise Skizzen und physische Gebäudemo-delle. Auch werden 2D-Pläne weiterhin zur Dokumentati-on einzelner Leistungsphasen aus dem räumlichen Mo-dell erzeugt werden müssen. In den Konzeptphasen biszum Entwurf sind Skizzen und physische Modelle weiter-

Bild 19 Vergleich Informationsaustausch traditioneller Ablauf und BIM-Projektablauf Information-flow comparison of typical planning process to BIM-process (Quelle Knippers Helbig Advanced Engineering)

Bild 20 Konfliktanzeige mit Tekla BIMsight Conflict management with Tekla BIMsight (Quelle Internet)

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hin das Hauptarbeitsmittel, wenn auch mittlerweile diedigitalen Visualisierungen schon im Zuge der Varianten-untersuchungen (vor allem von jüngeren Architektur -büros) erfolgreich eingesetzt werden.

5 Zusammenfassung

Der Neubau des Veranstaltungsgebäudes des Hospitalhofsstellte aufgrund seines komplexen räumlichen Lastabtragssehr hohe Anforderungen an die Tragwerksplanung. DiePlanung des Tragwerks erfolgte durchgängig von der Ent-wurfs- bis in die Ausführungsplanung an einem digitalenräumlichen Modell nach der Little-BIM-Methode, also alsInsellösung innerhalb des Büros Knippers Helbig Advan-ced Engineering. Schon durch die interne Anwendung las-sen sich nennenswerte Effizienzsteigerungen erzielen undAuslastungsspitzen bei Bauzeichnern glätten.

Der individuelle geistige Schaffensprozess kann durch diekonsequente Anwendung der Big-Open-BIM-Methodesehr effektiv unterstützt werden. Die Anforderungen heu-

tiger Bauherrn an eine frühe Kostensicherheit durch einefrühzeitige Ausschreibung sowie komprimierte Planungs-und Ausführungszeiträume erfordern neue Planungsab-läufe und -methoden. Leistungsbilder und Planungspro-zesse müssen an die Anforderungen des Marktes ange-passt werden. Bei einer konsequenten Umsetzung führtdies zu einem Paradigmenwechsel im Bauwesen – den dieAutoren als Chance empfinden.

Tab. 1 ProjektbeteiligteParticipants

Bauherr: Evangelische Gesamtkirchengemeinde Stuttgart

Architekt: Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart

Tragwerk: Knippers Helbig Advanced Engineering, Stuttgart – New York – BerlinTeam: BORIS PETER, KLAUS PFAFF, DANIEL SONNTAG, JOACHIM VÖHRINGER, REMBERT ANTON, MATTHEW OWENS

Rohbaufirma: Baresel GmbH, Stuttgart

Literatur

[1] MONIKA RENNINGER (Redaktion); ROLF AHLRICHS (Redak-tion): Der neue Hospitalhof. Stuttgart 2014.

[2] BORIS PETER; FLORIAN SCHEIBLE; MATTHIAS OPPE: BIMals Chance für einen Paradigmenwechsel. Umrisse, Aus -gabe 2/3 2015.

Autoren

Dipl.-Ing. Boris PeterKnippers Helbig GmbHTübinger Straße 12–1670178 [email protected]

Dipl.-Ing. (FH) Klaus PfaffKnippers Helbig GmbHTübinger Straße 12–1670178 Stuttgart

M. Eng. Daniel SonntagKnippers Helbig GmbHTübinger Straße 12–1670178 Stuttgart

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