FOUNDATION FOR SHAMANIC STUDIES INTERNATIONALE FAKULTÄTDr. Michael Harner, Gründer I Dr.in Susan Mokelke, Präsidentin I Dr.in Sandra Harner, Vizepräsidentin
FOUNDATION FOR SHAMANIC STUDIES EUROPÄISCHE FAKULTÄTMag. Roland Urban, Geschäftsführung I DI Michael Hasslinger, Stv. Geschäftsführung I Petya Bachvarova, MA, Guest Faculty I Kerstin Bandmann
Stefan P. Bierbaum I DI Wieland Braun I DI Nello Ceccon I DI Paul David I Nicole Drakulič-Trninić I Ing. Marko Fedor Mag.a Zora Frešová I Dipl.-Biol. Kai Goerlich I Dr.in Katarina Hrčková I Dr. Andreas J. Hirsch I Laurent Huguelit
Sandor Joo I Dr.in Jutta Leskovar, Guest Faculty I Luís Gonçalves Louro I Dr.in Lorenza Menegoni I Dr.in Marta Niccolai, Guest Faculty Dipl.-Inf. Viktorija Orsic Muthig, Guest Faculty I Dr. Omar Osman I Dr. Winfried Picard I Daniela Rupp I Roman Steiner I Ulla Straessle
Alexandra Viverge, Guest Faculty I Dipl.-Soz.Päd. David Vust I Dipl.-Pol. Tanja Woutskowsky
SCHAMANISMUSzeitschrift der foundation for shamanic studies europe I ausgabe SOMMER 2017
SCHAMANISMUS IN EUROPA
SCHAMANISMUS IN EUROPA
30 Jahre Foundation for Shamanic Studies Europe
Seite 2
Veranstaltung 30 Jahre FSSE Film-Vorschau Neue Website
Seite 5
DIE ALTEN GLÄUBIGEN SLOWENIENS
Seite 6
Neues Dreijahres-Programm Tagung in der Schweiz
Impressum Seite 8
SEMINARÜBERSICHT 2017/18
als Beilage zum Entnehmen
The Foundation For Shamanic Studies
SCHAMANISMUS IN EUROPA
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TEXT ROLAND URBAN
„Und das ist der eigentlich wesentliche Punkt:
dass der Schamane eine soziale Funktion hat. Dass er für andere Hilfe sucht, und
weniger für sich selbst.“ [1]
Als Paul Uccusic 1982, damals als Wissenschafts-
journalist für eine große österreichische Zeitung tätig,
im Rahmen eines Kongresses in Alpbach, Tirol, erstmals
auf Michael Harner traf, war er von dem kohärenten und
reproduzierbaren System, das Harner vorstellte, be-
eindruckt. Nach einem 3-stündigen Seminar hatten
von den 50 Anwesenden alle die Grundzüge des
Schamanismus verstanden und 47 ihre erste
schamanische Reise erfolgreich absolviert. Paul Uccusic
lud daraufhin Michael Harner nach Wien ein, wo
1983 das erste europäische Basisseminar in Core-
Schamanismus stattfand.
Als erstes Fortgeschrittenen-Seminar in Europa
wurde 1985 Visionstanz angeboten – vor allem
deswegen, weil die Arbeiten dieses Seminars uns in
die Lage versetzen, mit verlorengegangenem Wissen
bzw. in Vergessenheit geratenen Ritualen wieder in
Kontakt zu kommen. Es ging – und geht auch heute
noch – darum, für uns Menschen in Europa Möglich-
keiten zu schaffen, unsere schamanischen Wurzeln neu
zu entdecken und weiterzuentwickeln.
Paul Uccusic hatte im Auftrag Michael Harners
1986 begonnen, Seminare in Europa anzubieten. Die
Gründung der Foundation for Shamanic Studies Europe
(FSSE) 1987 war ein pragmatischer, wenngleich wichtiger
Schritt, da dadurch eine seriöse Repräsentanz unserer
Arbeit in der alltäglichen Wirklichkeit geschaffen wurde.
Nach nunmehr 30 Jahren folgen wir der gleichen
Maxime wie in den Anfangstagen: Wir missionieren
nicht, sondern handeln nach Bedarf. Wenn man uns ruft,
sind wir gerne bereit, auszuhelfen und dazu beizutragen,
die Verbindungen zwischen Menschen und Geistern
herzustellen oder zu vertiefen.
Die Foundation for Shamanic Studies Europe verfolgt
keine Einzel- oder Eigeninteressen, sondern sieht sich
im Dienste der Gemeinschaft stehend – da diese das
tatsächlich tragende Element ist. Dies wird auf
besondere Weise beim Seminar „Kraft der Berge“
spürbar. Analog einer spirituellen Seilschaft wird diese
Woche im Vertrauen aufeinander, sich gegenseitig
unterstützend und in Gemeinschaft – Menschen wie
Geister umfassend – im wahrsten Sinne des Wortes
„begangen“. Seit 1987, zuerst in Kaprun, seit 2010 am
Fuße des Dachsteins in Österreich, ab 2018 auch in
Bulgarien.
TRADITION UND TRANSFORMATION
Im Rahmen der zweiten Expedition nach Tuwa [2]
1994 gab es ein erstes Treffen mit den Schamanen
und Schamaninnen der Schamanischen Gesellschaft
„Dungur“. „Als wir im Hof von ‚Dungur‘ ankamen, war
dieser so voll mit nach Hilfe suchenden Menschen,
dass wir kaum jemanden begrüßen konnten. Umso
mehr überraschte und berührte uns, dass die
Schamanen sofort einen Kreis formten, den damaligen
Handelsminister (ein großer Förderer des Schamanismus)
mit hinein nahmen und uns erwartungsvoll ansahen.
Natürlich kamen wir dieser Einladung sehr gerne nach.
Es war ein wahrer Brückenschlag, als sie ‚I circle around‘
anstimmten.“ [3]
Die tuwinischen Schamanen und Schamaninnen
sprachen gerne darüber, wie sie 1993 feststellten, welch
große Kraft sich durch diesen Kreis aufbauen lässt –
eine Kraft, die einem allein nicht zugänglich ist.
Schamanismus ist – wie das Leben – ständige Ver-
änderung, fortlaufende Transformation und Evolution.
Im Dreijahresprogramm, welches 2001 das erste Mal in
Europa abgehalten wurde und im Mai 2018 zum elften
Mal in Portugal starten wird, werden diese initiatorischen
Grundbewegungen des Seins auf zutiefst persönliche Art
und Weise erlebt. Die Tiefe der Erfahrungen wirkt
nachhaltig.
Auch in der Geschichte einer Organisation sind es die
Transformationen, die nachhaltig beeinflussen. Die
EDITORIAL
The Foundation For Shamanic Studies
Es gibt – vielleicht mit Ausnahme der Sami im hohen Norden Skandinaviens – keine schamanischen Kulturen in Europa. Die Existenz von Geistern wird nach wie vor von großen Teilen der Bevölkerung bezweifelt. Ist Hilfe nötig, führt der erste Weg der meisten Menschen nicht zum Schamanen oder zur Schamanin, sondern zu ÄrztInnen, PsychologInnen oder anderen therapeutisch bzw. beraterisch Tätigen. Und: die Repräsentanz der Geister im alltäglichen Leben scheint überschaubar.
Gleichzeitig haben in den letzten Jahrzehnten immer mehr Menschen Spiritualität für sich neu entdeckt, so auch den Schamanismus. Ein wesentlicher Grund, warum Schamanismus bis heute überlebt hat, besteht darin, dass er stets weiterentwickelt wurde, an die jeweiligen Lebensbedingungen angepasst, und dadurch in modernem Antlitz seine Wirksamkeit entfalten konnte und kann.
Europa verfügt über eine beeindruckende, reichhaltige Kulturgeschichte, auch in spiritueller Hinsicht. Davon zeugt unter anderem der Artikel von Sara Sajovec über die alten Gläubigen Sloweniens in dieser Ausgabe. In einer globalisierten Welt scheint es an der Zeit zu sein, sich mit dieser Kulturgeschichte fundiert auseinanderzusetzen, eine genuin europäische Form der Spiritualität herauszuarbeiten, basierend auf den Prinzipien des klassischen Schamanismus und unserer wissenschaftlich geprägten Gesellschaften. Nicht um künstlich etwas zu erschaffen, das es nicht gibt. Sondern um die eigene Verwurzelung mit unserer Natur, mit unseren Gemeinschaften, mit unseren Geistern wieder wahrzunehmen und aus der Kraft dieser Verbindung etwas Neues entstehen zu lassen. Etwas, das es uns ermöglicht, Balance in unser aller Leben zu bringen.
Es scheint an der Zeit zu sein, den Brückenschlag zu wagen.
ROLAND URBAN
Geschäftsführer Foundation for Shamanic Studies Europe
DIE SCHAMANISCHEN WURZELN IN EUROPA SIND VERLORENGEGANGEN. ZUMINDEST AUF DEN ERSTEN BLICK.
30 JAHRE FOUNDATION FOR SHAMANIC STUDIES EUROPE DER ERHALTUNG, ERFORSCHUNG UND WEITERGABE SCHAMANISCHEN WISSENS GEWIDMET
FOTO ANDREAS J. HIRSCH
Sami-Trommel
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WIR LADEN ZUR VERANSTALTUNG ANLÄSSLICH 30 JAHRE FOUNDATION FOR SHAMANIC STUDIES EUROPE
SCHAMANISMUS IN EUROPA22. Oktober 2017, 18.30 – 22.00 Uhr Haus der Musik Wien Seilerstätte 30, A-1010 Wien
PROGRAMM
18.30 Willkommen und Begrüßung
18.45 The Way of the Shaman Filmvorführung
19.15 30 Jahre Foundation for Shamanic Studies Europe Mag. Roland Urban, DI Michael Hasslinger
20.00 Europäischer Schamanismus – eine Spurensuche Dr.in Jutta Leskovar
20.45 Die alten Gläubigen Sloweniens Pavel Medvešček
21.30 Podiumsdiskussion
Freier Eintritt, Anmeldung ist erforderlich über FSSE, +43 650 77 00 660 oder [email protected] Wir freuen uns auf einen inspirierenden Abend des Austausches!
FILM The Way of the Shaman: The Life and Work of Michael and Sandra Harner
Dieser Dokumentarfilm spannt einen Bogen von den frühen
Forschungsarbeiten Michael Harners am Oberen Amazonas
über die Etablierung der Foundation for Shamanic Studies bis
hin zur heute weltweit umgesetzten Methodologie des Core-
Schamanismus. Ab Sommer 2017 frei zugänglich über die
Websites der Foundation for Shamanic Studies.
Fakultät der Foundation for Shamanic
Studies Europe – jener Kreis von
Menschen, die über Sprachen und
Kulturen hinweg als Gemeinschaft
arbeiten – ist ein Organismus in sich,
darf immer wieder neue Mitglieder
begrüßen, muss sich aber auch von
manchen verabschieden. Allen voran
von Siegfried Kätsch, verstorben 2011,
und dem Gründungsdirektor der FSSE,
Paul Uccusic, der 2013 von uns ging. Teil
des Kreises bleiben sie.
In einer Tradition werden Werte,
Geschichten, Werkzeuge und Rituale –
kurzum: essentielles Wissen – von einer
Generation an die nächste weitergegeben.
Tradition ist der rote Faden, der
Gemeinschaften am Leben hält und sie in
die Lage versetzt, sich entlang der
verändernden Bedingungen anzupassen
und weiterzuentwickeln. In diesem Sinne
ist auch die FSSE als eine junge, aber
lebendige Tradition zu verstehen. Es ist
ein besonderes Privileg, von Pionieren
und Pionierinnen zu lernen und
gemeinsam mit ihnen, die sie die
Verbindung in die Vergangenheit
aufrechterhalten, die Gegenwart zu
gestalten. Michael Harner, Paul und
Roswitha Uccusic, Michael Hasslinger
und andere mussten von indigenen
Schamanen und Schamaninnen lernen,
um den Weg des Wissens für uns
„westliche“ Menschen wieder zu finden
und aufzunehmen. Die nachfolgende
Generation konnte bereits darauf zu-
rückgreifen und Schamanismus zuhause,
im „nativen“ natürlichen Umfeld, inmitten
der eigenen Kultur und im Kontakt mit
den lokalen Geistern erlernen. Die
Gründer und Gründerinnen haben die
Fundamente gelegt; es liegt an den
Nachfolgenden, darauf aufzubauen und
neue Impulse zu setzen.
2016 wurde, veranstaltet von der FSSE,
an der Johannes-Kepler-Universität Linz,
Österreich, eine internationale Tagung
zum Thema „Schamanismus und
Wissenschaft“ abgehalten. Mehr als 165
Menschen aus über 10 Ländern und
2 Kontinenten haben teilgenommen. Das
daraus entstandene Buch liegt in der
zweiten Auflage vor, konkrete
Projektkooperationen werden vorbe-
reitet. Am 22. Juni 2018 wird in Basel,
Schweiz, eine Tagung zu „Schamanismus
und Ökologie“ stattfinden. Der Anspruch
ist, Themen am Puls der Zeit aufzu-
greifen, interdisziplinär zu betrachten
und an Lösungen für anstehende
Probleme proaktiv mitzuwirken.
ZUR ESSENZ
Ein Jubiläum gibt Anlass, innezuhalten
und sich der Verantwortlichkeiten
bewusst zu werden. Es gilt, sich auf die
wesentlichen Qualitäten, den Kern, zu
besinnen und die daraus ableitende
Qualität und Kraft konsequent
umzusetzen.
Die Foundation for Shamanic Studies
Europe – als einzige in Europa autorisierte
Organisation und mitgestaltende Größe
des Core-Schamanismus – sieht es als ihre
Aufgabe, Menschen den Schamanismus
auf seriöse, sichere, differenzierte und
qualitätsvolle Weise näherzubringen.
Core-Schamanismus bedeutet, den
Kontakt zu den eigenen Geistern
herzustellen, sie zu konsultieren, durch
direkte Erfahrung von ihnen zu lernen,
um jene Kraft und Information zu
erhalten, die benötigt wird.
Aus dieser conditio sine qua non folgt
geradezu zwangsläufig ein Zugang zu
Ausbildung, der geprägt ist von der
Förderung von Mündigkeit, Eigen-
verantwortung und Selbstbestimmung,
in dem Fremdbewertungen und
Diplome widersinnig und absurd er-
scheinen und der sich von jeglicher Art
des Gurutums abgrenzt. Schamanismus
ist die Arbeit mit den Geistern, zum
Wohle der Menschen. Es braucht dazu
Ver-mittlerInnen, nicht weniger, aber
auch nicht mehr.
EINE VERÄNDERTE PERSPEKTIVE
Unsere heutige Zeit ist von Komplexität
und Vielfalt gekennzeichnet. Dies
bedeutet Gestaltungsmöglichkeiten,
aber auch Herausforderungen. Viele
Menschen sehnen sich nach Entlastung,
nach Tiefgang, nach Verwurzelung,
Standfestigkeit und Substanz. Der
drohende Klimawandel erinnert uns
daran, dass Respekt vor der Natur und
vor dem Leben an sich unabdingbar ist,
um überleben zu können. Einschichtige
Ideologien erleben eine (hoffentlich
letzte) Renaissance; simple Lösungs-
ansätze scheinen Konjunktur zu haben,
ohne echten Fortschritt zu initiieren.
Schamanen und Schamaninnen treten
vorübergehend aus der Dynamik und
Sogwirkung der alltäglichen Wirklichkeit
heraus, suchen die Geister auf, und
kehren in ihre Gemeinschaft zurück, um
das Wissen und die Kraft der Geister für
die Menschen verfügbar zu machen. Es
bedarf dieses erweiterten Horizonts,
dieser Eleganz der Problemlösung und
dieser Zeitlosigkeit der Perspektive.
Schamanismus ist prädestiniert dazu,
einen wertvollen Beitrag zum Gedeihen
von Mensch und Natur zu leisten. Es
geht nicht um absolutistische Wahr-
heiten, sondern um plurale Weltsichten,
um Alternativen, um wahrhaftige
Zusammenarbeit.
Aufrichtig danken wir den aber-
tausenden Menschen, die an unseren
Seminaren teilgenommen haben und
teilnehmen, die unsere Aktivitäten
verfolgen und unterstützen, die Core-
Schamanismus im Dienste der
Gemeinschaft praktizieren, die den Weg
zu einem gemeinsamen machen. Wir
bitten sie, uns auch künftig zu begleiten.
Der Schamanismus ist ein Erbe der
Menschheit, dessen Weisheit es zu
bewahren, zu erforschen und weiter-
zugeben gilt – zum Wohle heutiger wie
künftiger Generationen.
QUELLE
[1] Paul Uccusic (2005): persönliches Gespräch.
[2] 1993 wird die erste Expedition nachTuwa durchgeführt. Die folgenden (1994, 1995, 1999, 2003) sowie regelmäßige Besuche werden von der FSSE organisiert, der letztlich eine bedeutende Rolle in der Renaissance des Schamanismus in der autonomen Republik Tuwa zukommt. 1996 präsentiert eine tuwinische Delegation ihre schamanische Tradition im Rahmen des 1. Psychotherapie-Weltkongresses (!) in Wien und wird zum Publikumsmagneten. Aus der jahrzehntelangen Verbindung mit Tuwa entstehen 2011 und 2013 auch zwei Bücher, deutsche Übersetzungen der „Schamanengeschichten“ und der „Schamanengesänge aus Tuwa“, herausgegeben von Paul Uccusic.
[3] Roswitha Uccusic (2017): persönliche Mitteilung.
WEBSITEEs ist uns wichtig, unsere Werte und Haltungen auf allen
Ebenen konsequent umzusetzen, auch was unser öffentliches
Erscheinungsbild anbelangt.
Unsere neu gestaltete Website ist den aktuellen Gegebenheiten
angepasst, ohne inhaltliche Dichte und Substanz einzubüßen.
Zudem sollen Zusatzinformationen und organisatorische
Details noch leichter auffindbar sein.
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bestimmt durch die Triangularität – trocanstvo. Das innere persönliche Dreieck (das „Blutsdreieck“) wurde durch Mutter, Vater und Kind gebildet. Die Häuser wurden inmitten von Dreiecken gebaut oder enthielten Dreiecke in ihren Fundamenten; Obstgärten wurden in Dreiecken angelegt. In der umgebenden Landschaft platzierten die alten Gläubigen schützende Dreiecke aus drei größeren ovalen Steinen – genannt kacje glave („Schlangenköpfe“) –, welche „die dritte Kraft“ beinhalteten und für Gleichgewicht in der betreffenden Region sorgen sollten. Diese ovalen Steine wurden an zwei Stellen durchbohrt, die entstandenen Löcher mit verschiedenen Materialien (z.B. Glas, Metall, Holz, Obstkernen) gefüllt, wodurch ein Schlangenkopf samt Augen repräsentiert wurde. Ein derartiger Schlangenkopf wurde im Rahmen des Rituals ozben durch den dehnar und seine drei vereidigten Assistenten geweiht und mit der Kraft von Nikrmana, der größten der alten Kräfte der Natur, die alles auf Erden kreiert, dirigiert und beeinflusst, aufgeladen. Die Schlangenköpfe wurden schließlich auf Berggipfel oder in Höhlen plaziert – Dreiecke der Kraft formend, die alles und jeden innerhalb dieses Dreiecks beschützt.
Eines der wichtigsten Dreiecke war Veliki beli trocan, das „Große Weiße Dreieck“, welches zwischen der Babja-jama-Höhle (der heiligsten Stätte der alten Gläubigen, die für Rituale des dehnar ebenso genutzt wurde wie für divinatorische und Heilarbeit), dem Jazbenk-Abgrund und dem Kacja-hrupa-Abgrund aufgespannt war. Wie einer der alten Gläubigen, Leopold Žabar, ausführte, war die Höhle Babja jama das irdische Herz von Nikrmana, in ihrem Inneren wohnte und herrschte die große weiße Schlange (S. 428). [1]
Die große weiße Schlange galt als eines der heiligsten Tiere Nikrmanas und stand, gemeinsam mit ihren Geschwistern, dem goldenen Adler und dem schwarzen Wolf, unter dem Einfluss der Mutter Mond (483). Der Mond war von allerhöchster Bedeutung für die alten Gläubigen; sie orientierten ihr alltägliches Leben und ihre gesamte Landwirtschaft am Mond und ihren Phasen.
Nikrmana selbst (auch als Velika Mat oder Velika Baba – „die Große Mutter“ oder „die Große Alte Frau“ bezeichnet) verfügte aus Sicht der alten Gläubigen über keine fixe Gestalt. Vielmehr erschien sie verschiedenen Menschen in unterschiedlicher Form, als Blitzschlag in der Nacht oder als Wolkenwesen im Himmel. Manche sahen sie als Frau,
andere als Pferd, als Stier, als Schlange oder als Einhorn (S. 565).
GEISTER – ZDUHEC UND DIE GEISTER DER NATUR Die alten Gläubigen wussten von der Existenz der Geister. Die Häuser der alten Gläubigen wurden üblicherweise von steinernen Hausgeistern beschützt. In ihren Geschichten sprechen sie von diversen Geistern der Natur, von Wassergeistern, Steingeistern oder Geistern, die an bestimmten Plätzen anzutreffen sind – etwa dem Geist des Jazbenk-Abgrundes, dem Opfergaben dargebracht wurden. In ähnlicher Weise suchten sie die Brücke des Padence-Heiligtums auf, die 15 Meter über der Doblarec-Schlucht liegt: Wenn sie mit einem Wunsch oder der Bitte nach Heilung gekommen waren, richteten sich die Menschen zum Bachlauf hin aus und warfen eine Gabe flussaufwärts in das Wasser; wenn sie gekommen waren, um dem Wassergeist für die Erfüllung des Wunsches oder für Heilung zu danken, taten sie dies in Richtung flussabwärts.
Die alten Gläubigen sprachen von zduhec, dem „kleinen Geist“, was sowohl auf Geister im Allgemeinen als auch den persönlichen Geist, die Seele, verweisen kann. Sie nahmen an, dass jede Person ihren eigenen zduhec besitzt. Dieser beschützt die betreffende Person und kann in Bezug auf jedwede Frage konsultiert werden. Zduhec konnte alternativ den Geist eines/einer Verstorbenen, der/die in einer anderen Form auftritt, meinen. Die alten Gläubigen verstanden, dass der Körper mit dem Tod stirbt, der Geist aber aus dem Körper austritt und in die Überwelt übergeht – oder als Tier, z.B. als Habicht, Schmetterling, Fledermaus oder Libelle, in den irdischen Gefilden weiter existiert.
Jeder und jede konnte mit den Geistern kommunizieren, durch Gedanken, Wünsche oder Träume. Jedoch nur mit jenen Geistern, die man während des physischen Lebens kannte. Wollte man mit weit zurückliegenden Ahnen in Verbindung treten, war dies mit Hilfe eines dehnar oder eines vidon, eines Sehers, möglich. Nur sie waren dazu in der Lage, in die Vergangenheit und in die Zukunft zu sehen (S. 569).
Die Praxis des alten Glaubens gilt heute als verloren, es wird niemand mehr in die Tradition der alten Gläubigen hineingeboren. Es gibt jedoch Kontakte zu einigen Überlebenden, die den alten Glauben bis heute aufrechterhalten und die heiligen Rituale durchführen. Ihre Identität möchten sie nicht offenbaren.
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DIE ALTEN GLÄUBIGEN SLOWENIENS
Im oberen westlichen Teil Sloweniens, verstreut über die hügelige Landschaft des mittleren Isonzo-(Soca)-Flusstales, erhielten sich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein Gemeinschaften von Menschen, die von der sie umgebenden katholischen Mehrheits-bevölkerung staroverci, „die alten Gläubigen“, genannt wurden. Diese Menschen teilten eine Tradition, verankert in einer tiefen, persönlichen Verbindung zur Natur und all ihrer Erscheinungsformen. Sie kannten die Kräfte der Natur und vertrauten auf sie. Sie verehrten natürliche Heiligtümer – Höhlen, Hügel- und Berggipfel, Bäche und Flüsse, Bäume und Felsen –, wohlwissend, dass deren natürliche und spirituelle Kräfte heilend und beschützend wirken.
DEHNAR, DIE KRAFT DES DREIECKS, SCHLANGENKÖPFE UND NIKRMANA Jede dieser Gemeinschaften des alten Glaubens wurde von einem dehnar, einer spirituellen und moralischen Autorität, angeführt. Der dehnar besaß das profundeste Wissen über den alten Glauben, verfügte über ausgeprägte rhetorische Fähigkeiten und fungierte als Vertrauensperson, Schiedsrichter, Vermittler und Übersetzer alle Belange des alten Glaubens betreffend. Ein dehnar wurde als Säugling von Nikrmana dazu auserwählt (S. 563). Um ein wahrer dehnar zu werden, bedurfte es der höchsten ethischen Prinzipien, Gutherzigkeit, Ehrlichkeit und moralischen Sensibilität.
Die alten Gläubigen vertrauten in die Kraft des Dreiecks (trocan). Jeder Aspekt des Lebens war
TEXT SARA SAJOVEC
ÜBERSETZUNG INS DEUTSCHE: ROLAND URBAN
FOTO ROLAND URBAN
QUELLE
Der Artikel basiert auf der Publikation Pavel Medvešcek (2016): Iz nevidne strani neba: razkrite skrivnosti staroverstva. Ljubljana: Založba ZRC, ZRC SAZU. Sämtliche Seitenangaben beziehen sich darauf.
[1] 1903, während der Bahnbauarbeiten entlang desIsonzo-Flusses, wurde ein heiliger Felsen namens Škurblja, der einen Teil des kleineren Dreiecks der Babja-Höhle bildete, zerstört. Die alten Gläubigen berichteten, dass dies die große weiße Schlange dazu veranlasste, die Höhle zu verlassen. Sie floh unterirdisch zum Jazbenk-Abgrund, aus dem sie in Form eines Adlers wieder auftauchte und davonflog.
VON DER ERDE ZUR ÜBERWELT
Die Erde gehört den Menschen, Tieren und Pflanzen, und die Geister überfliegen alles. Der erste große Geist ist der Wind, der sich von der Erde zu den Wolken bewegt.
Über ihm gebietet der Wassergeist, der von Zeit zu Zeit den gesamten Weg zur Erde hinabsteigt. Direkt unterhalb der unsichtbaren Himmelsdecke entfaltet sich die unermessliche Weite von Donner und Blitz. Oberhalb des Himmels befindet sich die dritte Welt, die Heimat
des Mondes, der Sonne und der Sterne. Erst danach kommt die Überwelt, wo Nikrmana regiert und alles unterhalb und oberhalb der Erde beherrscht. Jenseits der Überwelt existiert eine unbekannte Nicht-Welt, die ein ewiges Geheimnis für die Menschen ist und bleiben wird.
Erzählt von: Janez Jug, Široka njiva, 1965 (S. 434)
PAVEL MEDVEŠČEK – DAS ZEUGNIS DES AUSSENSTEHENDEN
In den 1960er- und 1970er-Jahren wurde der Journalist und Künstler Pavel Medvešček von einer staatlichen Agentur damit beauftragt, Informationen über das kulturgeschichtliche Erbe der Gemeinschaften im Soča-Tal Sloweniens zu sammeln und zu sichern.
Medvešček, vorerst als forešt, als Außenstehender, als Fremder wahrgenommen, wurde letztlich in die Weisheit und die Tradition der alten Gläubigen, welche Jahrhunderte lang vor der Außenwelt geheim gehalten worden waren, eingeweiht. Janez Strgar, mit dem Medvešček eine tiefe Freundschaft unterhielt, erklärte dies folgendermaßen: „Du bist nicht einer von uns, aber Du musst der Geist eines von uns sein. Dies ist der Grund, warum ich Dir vertraue.“ (S. 523)
Pavel Medvešček hatte Janez Strgar geschworen, dass er das Wissen über die alten Gläubigen niemandem gegenüber preisgeben würde, bis die Sichel des Mondes sich der Erde zuneigen würde. 2007, 42 Jahre nach dem Eid, war dieser Moment gekommen: Der Mond erschien im Zuge einer Mondfinsternis derart, als würden die Enden seiner Sichel nach unten zeigen. Medvešček hatte Wort gehalten. Erst seit 2007 gibt er seine Erkenntnisse über die alten Gläubigen Sloweniens weiter. Das wichtigste Zeugnis des alten Glaubens stellt das Buch Iz nevidne strani neba („Von der unsichtbaren Seite des Himmels“) dar.
Pavel Medvešček wird als Gast bei der Veranstaltung „Schamanismus in Europa“ am 22. 10. 2017 in Wien über seine Erfahrungen bei den alten Gläubigen sprechen.
„Bucht des Mondes“, Slowenien
Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes: Roland Urban, Untere Reitling 26, 4224 Wartberg ob der Aist, T: +43 650 77 00 660, E: [email protected]
Grafik: Doris Sommavilla, diegestalter.at Titelfoto: Paul Uccusic
Kostenloses Informationsmedium, ohne kommerzielle Einschaltung.
Gezeichnete Artikel geben die Meinung der Autoren wieder; diese muss sich nicht unbedingt mit der der Redaktion decken. www.shamanicstudies.net
The Foundation For Shamanic Studies
Alle Rechte vorbehalten.
Druck: Norbert Werner, 1030 Wien.
Österreichische Post AG. Verlagspostamt 4224 Wartberg ob der Aist. Aufgabepostamt 1230 Wien.
Bei Unzustellbarkeit bitte zurück an: Foundation for Shamanic Studies Europe, Untere Reitling 26, 4224 Wartberg ob der Aist.
IMPRESSUM SCHAMANISMUS SOMMER 2017
Eigentümer, Verleger, Herausgeber: Foundation for Shamanic Studies Europe, Untere Reitling 26, 4224 Wartberg ob der Aist.
NEUES DREIJAHRES-PROGRAMMIm Mai 2018 beginnt das elfte Europäische Dreijahresprogramm in Fortgeschrittenen schamanischen Initiationen und schamanischem Heilen der Foundation for Shamanic Studies.
Dieses schamanische Intensiv-Training ist von Michael Harner in jahrzehntelanger Forschungsarbeit
entwickelt worden und gilt weltweit als einzigartig. Es umfasst persönliche Initiationen sowie selten
gezeigte schamanische Techniken. Dieselbe Gruppe wird sich ein Mal jährlich für eine Woche
treffen, über drei Jahre hinweg. TeilnehmerInnen haben ausdauernd und stabil zu sein; das Gelernte
sollte in der schamanischen Praxis umgesetzt werden. Die Seminare werden in Englisch gehalten,
mit Übersetzung ins Portugiesische.
SEMINARORT Colares, Nähe Lissabon / Portugal.
ZEIT 06. bis 12. Mai 2018 (erstes Treffen)
KOSTEN Kursgebühr jährlich € 990,-. Hinzu kommen Unterkunft und Verpflegung pro Woche ca. € 300,- im Einzelzimmer bzw. ca. € 270,- im Doppelzimmer (Stand Mai 2017).
SEMINARLEITUNG Mag. Roland Urban
VORAUSSETZUNGEN Absolvierung der FSS-Seminare „Basis“, „Schamanische Extraktion“, „Tod und Sterben in schamanischer Sicht“ sowie „(Core-Schamanische) Seelen-Rückholung“.
Sie verpflichten sich für alle drei Jahre – also für 2018, 2019 und 2020 (ein Treffen jährlich zu jeweils sechs Tagen, etwa um die gleiche Jahreszeit und voraussichtlich am selben Ort). Die Gruppe ist als unveränderlich konzipiert.
ANMELDUNG Wenn Sie sich für dieses Programm bewerben möchten, bitten wir um Zusendung folgender Unterlagen:
• Einen ungefähr zwei Seiten langen Brief, in dem Sie sich selbst als Person beschreiben. Dazu ein Passbild. • Eine möglichst genaue Auflistung der von Ihnen bei autorisierten Lehrbeauftragen der Foundation for Shamanic Studies absolvierten Seminare (bei wem, wo, wann).
Bitte übermitteln Sie die Unterlagen per Post oder via E-Mail an die Foundation for Shamanic Studies Europe, Untere Reitling 26, A-4224 Wartberg ob der Aist, oder an [email protected].
Die FSS behält sich das Recht vor, TeilnehmerInnen ohne Angabe von Gründen abzuweisen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
8 Ankündigung | Impressum
In Zeiten der vermeintlichen Relativität von Fakten, bei gleichzeitiger Evidenz des Klimawandels im Erleben vieler Menschen, scheint eine fundierte und kritische Auseinandersetzung mit ökologischen Zusammenhängen sinnvoll und notwendig. Der Schamanismus ist aufgrund seines Weltbildes, seiner Kulturgeschichte und seiner Verankerung im unmittelbaren Leben prädestiniert, zur Lösung der anstehenden Herausforderungen beizutragen.
Detailinformationen auf Anfrage. Zeitgerechte Anmeldung über FSSE (E: [email protected]; T: +43 650 77 00 660) wird empfohlen. Die Veranstaltung ist öffentlich zugänglich; Vorkenntnisse sind nicht nötig.
AM 22. JUNI 2018 WIRD IM NEUEN THEATER BASEL, SCHWEIZ,
DIE TAGUNG „SCHAMANISMUS UND ÖKOLOGIE“ STATTFINDEN.
ORGANISIERT VON DER FOUNDATION FOR SHAMANIC
STUDIES EUROPE DIENT DIESE VERANSTALTUNG DEM
FACHLICHEN AUSTAUSCH UND DER INTERDISZIPLINÄREN
KOOPERATION.
TAGUNG Foundation for Shamanic Studies
Schamanismus und Ökologie
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