Überwerfungsbauwerke VleuGel, Utrecht

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bautechnik 90 (2013), Heft 3 179

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Klaus Breuer

Überwerfungsbauwerke VleuGel, Utrecht

1 Einleitung

Die Region Utrecht ist in den Niederlanden der wichtigs-te Knotenpunkt der Eisenbahn. Aus allen Himmelsrich-tungen des Landes kommen Gleisstrecken zusammenund treffen sich im Hauptbahnhof „Utrecht Centraal.”ProRail, der Verwalter des Gleisnetzes in den Niederlan-den, hat für die Region Utrecht folgende Zielvorgaben be-stimmt:

– mehr Kapazität auf der Strecke (für Güter- und Perso-nenverkehr),

– bessere Durchlässigkeit für die Züge,– bessere Verkehrslage der Region und der Stadt Ut-

recht.

Durch ProRail ist beschlossen worden, die Anzahl derGleise von zwei auf vier Gleise zu verdoppeln, sodassmehr Kapazität erreicht wird. Ein schneller unabhängigerZugverkehr wird durch Überwerfungsbauwerke realisiert.Mit einer Kapazität von vier Gleisen ist es auch möglich,mehr Regionalzüge auf den Verbindungen zuzulassenund diese öfter halten zu lassen, „randstadspoor“ ge-nannt. Hierfür werden neue Haltepunkte längs der vielbe-fahrenen „Pendlerstrecke“ aus der Umgebung UtrechtRichtung Stadt hergestellt. Das Projekt wurde in verschie-dene Unterprojekte unterteilt (Bild 1). Dieser Beitrag be-richtet über das Projekt VleuGel, dessen Name für dieGleisstrecke Vleuten – Geldermalsen steht.

Durch ProRail ist der Vertrag als Fragenkatalog vorberei-tet worden, mit dem Ziel, einen Design & Construct-Ver-trag abzuschließen. Die Vergabe basierte nicht auf einemvollständig ausgearbeiteten Entwurf, sondern auf einemFragenkatalog mit den Vergabekriterien:

– Behinderungen für den Zugverkehr,– Risiken für die Arbeiten längs der befahrenen Gleis-

strecke,– Preis.

2 Diveunders

2.1 Ausführung

Mit dem Zusammentreffen der Gleise aus Richtung Arn-heim und Hertogenbosch müssen Überwerfungsbauwer-ke realisiert werden. Erforderlich sind zwei einspurigeTrogbauwerke mit jeweils 750 m Länge, von denen 160 müberdacht wurden (Bild 2). Die Längen der beiden Bau-werke sind der begrenzten Längsneigung geschuldet. DieTunnel wurden in offener Bauweise hergestellt. Die Aus-führung erfolgte als Schlitzwand mit Unterwasserbeton -sohle. Gründe hierfür waren die begrenzten Platzverhält-nisse, minimale Behinderungen, die Ausführung nebendem laufenden Bahnbetrieb und wirtschaftliche Abwä-gungen.

DOI: 10.1002 / bate.201320027

Die Eisenbahnstrecken in den Niederlanden gehören zu denam stärksten belasteten Strecken der Welt. Mit dem Projekt„VleuGel“ bei Utrecht wird durch die Gleiserweiterung deutlichmehr Streckenkapazität geschaffen. Technisch anspruchsvollsind insbesondere drei Bauwerke: „Diveunders“, „ViaduktA27“ und “Unterführung Fortweg“. Für die „Diveunders“ benö-tigt man 31 650 m2 dauerhafte Schlitzwände für ein neues Über-werfungsbauwerk. Die Herstellung erfolgte bei laufendemGleisbetrieb zwischen den Bahngleisen und der angrenzendenBebauung. An die sichtbaren Schlitzwände wurden hohe An-forderungen hinsichtlich Betonqualität, Wasserdichtigkeit undMaßgenauigkeit gestellt. Heijmans Civiel (Rosmalen, NL) erhieltden Auftrag von ProRail für die komplette Baumaßnahme undbeauftragte die Franki Grundbau mit der Ausführung derSchlitzwandarbeiten.

Keywords Infrastruktur; Brücken; Schlitzwände

Crossing construction, VleuGel, UtrechtThe railway lines in the Netherlands are among the busiest inthe world. The „VleuGel“ project near Utrecht will create sig-nificantly more rail capacity by providing more track. Threestructures are particularly technically demanding: “Dive un-ders”, “Viaduct A27” and “Fortweg Underpass”. For the “Diveunders” 31 650 m2 of permanent diaphragm wall were neededfor the construction of the crossing. The construction was car-ried out between the rail tracks and the adjoining develop-ments under continuing rail traffic. High demands were madeon the visible diaphragm walls in regard to quality of the con-crete, watertightness and dimensional accuracy. ProRailawarded the contract for the complete building construction toHeijmans Civiel (Rosmalen, NL), who contracted Franki Grund-bau with the construction of the diaphragm walls.

Keywords Infrastructure; bridges; diaphragm walls

BERICHT

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Die Schlitzwände bleiben sichtbar und haben dauerhafteFunktion. Es findet, trotz der geforderten Lebenszeit von100 Jahren, keine Nachbearbeitung der Wände statt. Esergibt sich ein funktioneller Entwurf, indem keine ästheti-schen Forderungen gestellt werden. Zur horizontalen Ab-dichtung der Baugrube wurde vor der Herstellung derdauerhaften Konstruktionssohle eine Unterwasserbeton -sohle ausgeführt. Der Vorteil ist, dass die Unterwasserbe-tonsohle zugleich als zeitliche Aussteifung fungiert. Die

geringe Breite des Trogs hätte für eine unverankerte Un-terwasserbetonsohle genutzt werden können. In diesemFall hätten die Gewölbedruckspannungen der Sohle überReibung auf die Schlitzwände übertragen werden müs-sen. Da die Oberfläche der Schlitzwand nur unter Wasserbearbeitet werden konnte, wurde auf diese Ausführungs-variante verzichtet und die Auftriebssicherheit über verti-kale Zuganker sicher gestellt. Aufgrund der geringen Brei-te ist der Trog relativ verformungsarm, sodass große An-kerquerschnitte eingesetzt werden mussten, um dieerforderlichen Kräfte schon bei geringen Verformungenzu erzielen und so einer Rissbildung entgegen zu wirken(Bild 3).

2.2 Dilatationsproblematik

Die „diveunders“, beide 750 m lang, wurden nur für einenkleinen Teil mit einem Deckel versehen. Der übrige Teilder Konstruktion stellt einen offenen Trog dar, der stän-dig Temperaturschwankungen unterworfen ist. In situhergestellte Betontrogkonstruktionen werden in derRegel auf 25 m unterteilt, um das Dehnen und Schrump-fen der Konstruktion zu beherrschen. In Schlitzwändenist die Verwendung von Dehnungsfugen nicht gebräuch-lich, aber entwurfsmäßig hier sehr wohl notwendig. Eskönnten unbeherrschbare, sich regelmäßig wiederholen-de Rissbilder entstehen, welche für eine dauerhafte Be-

Bild 1 Eisenbahnverbindungen im Raum UtrechtRail links around Utrecht

Bild 2 Fertiggestellte diveunders“ (Simulation)Completed “dive unders” (simulation)

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tonwand nicht akzeptabel sind. Gesucht wurde nacheiner praktischen und beständigen Lösung. Diese ist letzt-endlich mit der Verwendung einer vorproduzierten Be-tonfugenkonstruktion, die in den Bewehrungskorb ge-baut wurde, gefunden worden (Bild 4). Der Anschlusszwischen Fertigbetonfuge und Schlitzwandbeton wirdwie eine Flachfuge betrachtet und ebenfalls mit Flachfu-genbändern versehen. Durch die Verwendung der Dilata-tionsfugenkonstruktion in beiden gegenüberliegendenWänden kann die Fuge in der Sohle durchgängig verbun-den werden und so einen wasserdichten ‚U-Trog‘ bilden(Wände und Sohle).

2.3 Arbeiten unter beschränkter Höhe

Im Bereich einer vorhandenen Brücke ist die Arbeitshöheauf 5,50 m beschränkt, sodass hier mit Voraushub, kleine-

ren Lamellen, speziellem Ausleger und Greifer gearbeitetwerden musste (Bild 5). Auch der Korbeinbau konnte nurin begrenzten Längen mit maßgenau vorgefertigten Kör-ben in drei Teilen erfolgen.

2.4 Düker

Die beiden „diveunders“ kreuzen auf halbem Weg einebestehende Wasserverbindung, die in Betrieb gehaltenwerden muss. Entschieden wurde, die Verbindung mittelseines Dükers unter dem Trog herzustellen. Ausgeführtwurde dies mit einer tiefen Hydroschildbohrung, Durch-messer 1 900 mm. Da die Bohrung sehr tief unter der Un-terkante der Schlitzwände angebracht werden sollte, isteine Alternative zum Einsatz gekommen, bei der die Boh-rung nicht unter, sondern durch die Schlitzwand unter-halb der Konstruktionssohle geführt wurde (Bild 6).

Bild 3 Prinzip Schnitt „diveunders“Principle cross section of “dive unders”

Bild 4 Fugenkonstruktion im BewehrungskorbJoint construction in reinforcement cage

Bild 5 Arbeiten unter beschränkter HöheWorking under height restrictions

Bild 6 Bohrung durch die SchlitzwandDrilling through the diaphragm wall

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2.5 Schlitzwände entlang der befahrenden Gleistrasse

Einer der wichtigsten Prozesse in Bezug auf die Sicher-heit bei der Herstellung der „diveunders“ ist die Herstel-lung der dicht an den Gleisen angrenzenden Schlitzwän-de während des laufenden Bahnbetriebes (Bild 7). In denBauablaufplänen hat man sich entschieden, diese Arbei-ten auf ein Minimum zu reduzieren. Trotzdem war es un-vermeidlich, Schlitzwände mit einem Abstand von ca.4 m zu den Gleisen auszuführen. In den Schlitzstabilitäts-berechnungen ist für die dynamische Belastung aus demGleisbetrieb ein Sicherheitsfaktor von 1,3 berücksichtigtworden. Bei der Ausführung wurden zusätzliche Vorkeh-rungen getroffen.

3 Viadukt über die A27

Bei Utrecht Lünetten kreuzen die Gleise Utrecht – Herto-genbosch die A27 über ein Überwerfungsbauwerk. Nebendem bestehenden Gleisviadukt wurde bereits 1980 einViadukt gebaut, das zurzeit für den lokalen Straßenver-kehr genutzt wird. Im Zuge der jetzigen Arbeiten erfolgtder Umbau für den Schienenverkehr. Für den Straßenver-kehr wird ein neues Viadukt errichtet. Dies augenschein-lich einfache Bauwerk zeigt aber einige baugrundbeding-te Schwierigkeiten. Die A27 in der Nähe von Lünetten,auch „Amelisweerdtracé“ genannt, ist als künstliche Pol-derkonstruktion hergestellt worden. Diese Polderkon-struktion ist mittels Folie, ca. 5 m unter der Fahrbahn,realisiert worden, die gegen das Grundwasser abdichtet.Das Anfüllmaterial über der Folie sollte aus Sand beste-hen und würde eine Flachgründung erlauben, da auchder ursprüngliche Boden unter der Folie bis in größereTiefen aus Sand besteht. Umfassende geotechnische Bo-denuntersuchungen in Form von Sondierungen und Boh-rungen haben jedoch gezeigt, dass der Bodenaufbau sehrwechselnd ist (Sand, Klei, Torf). Dies bedeutet, dass daszu realisierende Verkehrsviadukt nicht ohne zusätzlicheMaßnahmen flach gegründet werden kann.

Weil die Auftriebssicherheit der Polderkonstruktion nurmit einer geringen Sicherheit entworfen wurde, könnenkeine Bodenaustauschmaßnahmen erfolgen. Aufgrundder Folienkonstruktion ist aber auch eine Gründung aufPfählen nicht möglich, sodass eine alternative Grün-dungsvariante gesucht werden musste. Angesicht dieserRandbedingung ist eine Analyse über Bodenverbesse-rungstechniken ohne Ausschachtungen erstellt und dieBrückenkonstruktion so leicht wie möglich entworfenworden.

Zur Anwendung kam das HDI-Verfahren, welches hierdie beste Möglichkeit darstellte (Bild 8). Ein Unsicher-heitsfaktor blieb allerdings noch die unterste Lage überder Folie (ca. 1 bis 1,5 m). Aufgrund der Gefahr, die Foliezu beschädigen, lagen keine Sondierungs- oder Bohrauf-schlüsse vor. Die Lage der Folie war annäherungsweiseaus den Bestandsplänen bekannt, doch Erfahrungen zei-gen, dass sich Abweichungen ergeben können. Der Aus-hub der Folienkonstruktion ist damals mittels ‚cuttern‘ausgeführt worden. Hier ist erfahrungsgemäß, bei diesemBodenaufbau, eine Toleranz von ca. 0,3 bis 0,4 m üblich.Da die Qualität des untersten Meters der HDI-Säule überder Folie ebenfalls für das Gründungssystem sicherge-stellt werden muss, wurden zusätzliche Bodenuntersu-chungen bis in diese Tiefe (über der theoretischen Sicher-heitszone von 1 m) durchgeführt.

Der Schutz der vorhandenen Folie stand bei der Ausfüh-rung an erster Stelle. Bei einer Undichtigkeit könnte dieStabilität des Baugrundes und der Straßenkonstruktionnicht mehr gewährleistet werden, wodurch es zur Sper-rung der A27 kommen würde. Insbesondere bei den Wi-derlagern ergaben sich, aufgrund der Böschung der Pol-derkonstruktion, große Unterschiede in der Höhenlageder Folie. Die Unterkante des HDI-Blockes muss bis 1 man die Folie heranreichen. Hierdurch hat jede Säule eineandere Länge. Während der Ausführung wurden ständigTiefenmessungen durchgeführt. Sollte die Folie dennochbeschädigt werden, ist ein „Notfallcontainer“ vorhanden,um schnellstens Abdichtungen ausführen zu können. Esist allerdings die Frage, ob eine erfolgreiche Reparatur derFolie überhaupt ausführbar ist, allenfalls kann vielleichteine Begrenzung der Wasserdurchlässigkeit erreicht wer-den. Vermeidung war also oberste Devise.

Bild 7 Arbeiten entlang der befahrenen GleistrasseWorking alongside rail lines in operation

Bild 8 Prinzip Schnitt Gründung mittels HDI-Fundamenten oberhalb derFolie und leichte BrückenkonstruktionPrinciple cross section foundation with HDI foundations above thesheet membrane and lightweight bridge construction

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Die letztlich hergestellte Brücke (Bild 9) ist eine statischunbestimmte Konstruktion, über drei Pfeiler mit einerSpannweite von je 70 m. Die Gesamtlänge beträgt 140 m.Aufgrund der Gründungsproblematik sollte möglichsteine leichte Konstruktion entworfen werden. Sie sollte

aber trotzdem für schweren Straßenverkehr, Radfahrerund Fußgänger geeignet sein. Die Lösung bestand ineiner stählenden Fachwerkbrücke mit einem Composite-Straßenbelag, einer hybriden Brückenkonstruktion. Ein-zigartig an dieser Konstruktion ist die Compositesohle.Diese besteht aus zwei Platten; Glasfasern und Kunst-stoff-Polyesterharzen als Sandwichkonstruktion. DieSohle ist für die Aufnahme der gesamten Verkehrsbelas-tung geeignet.

Literatur

[1] BREUER, K.; VAN DER SLOOT, R.: ÜberwerfungsbauwerkeVleuGel, Utrecht. Vorträge 32. Baugrundtagung 2012,Mainz.

AutorDipl.-Ing. Klaus [email protected] Grundbau GmbH & Co.KGHittfelder Kirchweg 24–28D-21220 Seevetal

Bild 9 Einfahren der BrückeMoving the bridge in