Optische Sensorik Volume 477 || Photometrie

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70 Teil I: Grundlagen 9 Photometrie Zum Abschluss des Grundlagenteils in diesem Buch wird noch ein Thema angesprochen, das früher in der Physik galant ignoriert wurde und auch heute noch oft in physikalischen Lehrbü- chern fehlt. Licht und Beleuchtung sind aber allgegenwärtig in unserer Welt, deshalb darf man die Photometrie bei der technischen Betrachtung von Licht und dem Einsatz von Lichtquellen in optischen Sensoren nicht unter den Tisch fallen lassen. Sie behandelt nicht mehr und nicht weniger als die Messung von Licht unter Berücksichtigung der menschlichen Wahrnehmung mit den Augen und dem Gehirn. Im ersten Teil des Kapitels werden einige Vorbetrachtungen zur Unterscheidung von Energie und Licht, zum Raumwinkel, sowie zu den Begriffen Strom, Dichte und Stromdichte ange- stellt. Im zweiten Teil dann werden die lichttechnischen Größen mit ihren Namen, Definitionen und Einheiten eingeführt, außerdem wird der Zusammenhang zwischen lichttechnischen und strahlungsphysikalischen Größen hergestellt. 9.1 Vorbetrachtungen In der Photometrie werden die Begriffe Energie und Strahlung synonym verwendet. Mit Ener- gie oder Strahlung wird dabei die abgestrahlte Größe einer Lichtquelle bezeichnet, die Einheit ist 1 J (Joule). Den für das menschliche Auge sichtbaren Anteil der Energie einer elektromag- netischen Welle bezeichnet man auch in der Photometrie als Licht (Wellenlängenbereich von 380 nm bis 780 nm). In der DIN 5031 werden unter anderem verschiedene Begriffspaare zur Unterscheidung zwischen dem gesamten und dem sichtbaren Anteil des elektromagnetischen Spektrums festgelegt, siehe Tabelle 9-1. Tabelle 9-1 Begriffspaare in der Photometrie Energie/Strahlung Licht objektiv Subjektiv strahlungsphysikalisch lichttechnisch energetisch e visuell v Diese Begrifflichkeiten werden wir auch bei der Namensgebung der Größen finden, die im nächsten Unterkapitel eingeführt werden. Als zweite Vorbetrachtung beschäftigen wir uns kurz mit dem Raumwinkel. Zum einfacheren Verständnis beginnen wir zunächst mit einem Winkel in der Ebene, siehe Bild 9-1. Bild 9-1 Bezeichnungen zum Winkel in der Ebene M. Löfer-Mang, Optische Sensorik, DOI 10.1007/978-3-8348-8308-7_9, © Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

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70 Teil I: Grundlagen

9 Photometrie

Zum Abschluss des Grundlagenteils in diesem Buch wird noch ein Thema angesprochen, das früher in der Physik galant ignoriert wurde und auch heute noch oft in physikalischen Lehrbü-chern fehlt. Licht und Beleuchtung sind aber allgegenwärtig in unserer Welt, deshalb darf man die Photometrie bei der technischen Betrachtung von Licht und dem Einsatz von Lichtquellen in optischen Sensoren nicht unter den Tisch fallen lassen. Sie behandelt nicht mehr und nicht weniger als die Messung von Licht unter Berücksichtigung der menschlichen Wahrnehmung mit den Augen und dem Gehirn. Im ersten Teil des Kapitels werden einige Vorbetrachtungen zur Unterscheidung von Energie und Licht, zum Raumwinkel, sowie zu den Begriffen Strom, Dichte und Stromdichte ange-stellt. Im zweiten Teil dann werden die lichttechnischen Größen mit ihren Namen, Definitionen und Einheiten eingeführt, außerdem wird der Zusammenhang zwischen lichttechnischen und strahlungsphysikalischen Größen hergestellt.

9.1 Vorbetrachtungen In der Photometrie werden die Begriffe Energie und Strahlung synonym verwendet. Mit Ener-gie oder Strahlung wird dabei die abgestrahlte Größe einer Lichtquelle bezeichnet, die Einheit ist 1 J (Joule). Den für das menschliche Auge sichtbaren Anteil der Energie einer elektromag-netischen Welle bezeichnet man auch in der Photometrie als Licht (Wellenlängenbereich von 380 nm bis 780 nm). In der DIN 5031 werden unter anderem verschiedene Begriffspaare zur Unterscheidung zwischen dem gesamten und dem sichtbaren Anteil des elektromagnetischen Spektrums festgelegt, siehe Tabelle 9-1.

Tabelle 9-1 Begriffspaare in der Photometrie

Energie/Strahlung Licht

objektiv Subjektiv

strahlungsphysikalisch lichttechnisch

energetisch e visuell v

Diese Begrifflichkeiten werden wir auch bei der Namensgebung der Größen finden, die im nächsten Unterkapitel eingeführt werden. Als zweite Vorbetrachtung beschäftigen wir uns kurz mit dem Raumwinkel. Zum einfacheren Verständnis beginnen wir zunächst mit einem Winkel in der Ebene, siehe Bild 9-1.

Bild 9-1 Bezeichnungen zum Winkel in der Ebene

M. Löffl er-Mang, Optische Sensorik, DOI 10.1007/978-3-8348-8308-7_9,© Vieweg+Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

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Der Winkel ist hier gegeben aus dem Verhältnis von Bogenlänge l und Radius r: lr

(9-1)

Betrachtet man einen vollständigen Kreis, dann wird der Bogen l zum Umfang des Kreises und der Winkel ergibt sich zu:

2 = 2 (rad)rr

(9-2)

Die Abkürzung rad für radiant schreibt man manchmal dazu, um klarzustellen, dass der Winkel in Bogenmaß angegeben ist. Es handelt sich bei rad aber nicht um eine Einheit, wie z. B. kg oder s! Nun erweitern wir die Betrachtung von der Ebene in drei Dimensionen und stellen einen Win-kel im Raum dar, siehe Bild 9-2.

Bild 9-2 Bezeichnungen zum dreidimensionalen Raumwinkel

Der Raumwinkel ist gegeben aus dem Verhältnis von Fläche A und Radius zum Quadrat r2:

2Ar

(9-3)

Betrachten wir hier nun eine vollständige Kugel, dann wird die Fläche A zur Oberfläche der Kugel und für den Raumwinkel erhält man:

2

24 4 (sr)r

r (9-4)

Analog zur Abkürzung rad findet sich hier häufig die Abkürzung sr für steradiant, um klarzu-stellen, dass es sich um einen Raumwinkel handelt. Auch das sr ist keine Einheit, sondern nur ein Hilfsmittel. Da erfahrungsgemäß kein großes Gefühl für Zahlenwerte beim Raumwinkel existiert, folgen hier noch ein paar quantitative Angaben. Für den Halbraum ist der Raumwinkel = 2 = 6,28 sr und für einen Radius r = 1 m erhält man bei einem Ausschnitt von 1 m2 aus der Kugel-fläche einen Raumwinkel = 1 sr. In der Tabelle 9-2 sind drei Raumwinkel mit den zuge-hörigen Kegelöffnungswinkeln zusammengestellt.

Tabelle 9-2 Raumwinkel und zugehöriger Kegelöffnungswinkel

1 sr 65,5°

0,1 sr 20,5°

0,01 sr 6,5°

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Der dritte Abschnitt der Vorbetrachtungen beschäftigt sich mit mengenartigen Größen und ihren Strömen, er geht zurück auf Überlegungen von Falk und Hermann (Universität Karlsru-he, Fakultät für Physik) in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Ändert sich eine beliebige mengenartige Größe (z. B. Masse, Impuls, Ladung, Energie) mit der Zeit, dann gibt es einen Strom dieser Größe. Für den elektrischen Strom ist uns das vertraut:

elQit

(Ladung Q pro Zeit t) (9-5)

und auch für den Energiestrom ist es nicht fremd:

EEit

(Energie E pro Zeit t) (9-6)

Für den Energiestrom ergibt sich die Einheit 1 J/s = 1 W. Betrachten wir nun eine mengenartige Größe, die sich in einem Volumen befindet, dann erhal-ten wir ihre Dichte . Das ist uns vertraut z. B. für die Massendichte:

mmV

(Masse m pro Volumen V) (9-7)

und für die Energiedichte ergibt sich:

EEV

(Energie E pro Volumen V) (9-8)

mit der Einheit 1 J/m3. Schließlich kombinieren wir die beiden Betrachtungen und lassen eine mengenartige Größe durch eine Fläche strömen, dann erhalten wir eine Stromdichte. Für die Energie ist das:

EEjAt

(Energie E pro Fläche A und pro Zeit t) (9-9)

mit der Einheit 1 J/m2s = 1 W/m2. Diese Energiestromdichte wird bei elektromagnetischer Strahlung und speziell bei Licht normalerweise Intensität genannt.

9.2 Lumen, Lux und Candela In der Einleitung dieses Kapitels war bereits angedeutet worden, dass die Photometrie von der menschlichen Wahrnehmung des Lichts handelt. Allen Überlegungen liegt deshalb die Emp-findlichkeitskurve eines durchschnittlichen menschlichen Auges zugrunde. Eigentlich muss man zwischen Tages- und Nachtsehen unterscheiden, wir verzichten der Einfachheit halber aber auf das Nachtsehen. Bei Tag liegt die maximale Augenempfindlichkeit bei 555 nm im grünen Wellenlängenbereich und nimmt zu den Rändern bei 380 nm (violett) bzw. bei 780 nm (dunkelrot) um mehrere Zehnerpotenzen ab. Bei Nacht liegt diese Kurve grob betrachtet um 30 bis 50 nm zu kürzeren Wellenlängen verschoben, die Grenzen aber nicht. In Bild 9-3 ist die Hellempfindlichkeit V( ) des menschlichen Auges graphisch dargestellt. V( ) ist dazu loga-rithmisch über der Wellenlänge aufgetragen. Im Maximum hat V durch Normierung den Wert 1, zu den Rändern der Sichtbarkeit fällt es auf Werte unter 3*10–5.

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Bild 9-3 Normierte spektrale Augenempfindlichkeit für Tagessehen

Wir werden auf diese Empfindlichkeitskurve des menschlichen Auges gleich nochmals zu-rückkommen, wenn wir am Ende des Kapitels Strahlung und Licht ineinander umrechnen. Zuvor beschäftigen wir uns aber noch mit den ungewohnten lichttechnischen Größen, ihren Definitionen, ihren Einheiten und ihren strahlungsphysikalisch äquivalenten Größen. Um eine gewisse Ordnung herzustellen, orientieren wir uns hierbei am letzten Abschnitt der Vorbe-trachtungen, speziell am Energiestrom und der Energiestromdichte.

I. Energiestrom: Strahlungsphysikalisch (objektiv) heißt der Energiestrom Strahlungsfluss oder Strahlungsleis-tung, wird mit e abgekürzt und hat die Einheit 1 W. Das lichttechnische (subjektive) Äquiva-lent ist der Lichtstrom mit der Abkürzung v und der Einheit 1 lm (Lumen), siehe Tabelle 9-3.

Tabelle 9-3 Strahlungsphysikalischer Strahlungsfluss und Lichtstrom als lichttechnisches Äquivalent

Strahlungsfluss Lichtstrom

e in [W] v in [lm] Zahlenbeispiel: Der Lichtstrom ausgewählter Lichtquellen ist in Tabelle 9-4 zusammenge-stellt.

74 Teil I: Grundlagen

Tabelle 9-4 Typischer Lichtstrom einiger Lichtquellen

Lichtquelle Lichtstrom v

Standard LED 10–20 mlm

LED-Taschenlampe, normal 10 lm

LED-Taschenlampe, sehr hell 180 lm

Glühlampe 230 V, 60 W 750 lm

Leuchtstoffröhre 230 V, 40 W 2.300 lm

Hg-Strahler 230 V, 2000 W 120.000 lm

II. Energiestrom in einen Raumwinkel: Strahlungsphysikalisch ist der Energiestrom in einen Raumwinkel die Strahlstärke Ie, die ge-bildet wird aus dem Strahlungsfluss d e pro Raumwinkel d mit der resultierenden Einheit 1 W/sr. Das lichttechnische Äquivalent heißt Lichtstärke Iv und wird gebildet aus dem Licht-strom d v pro Raumwinkel d . Iv hat die Einheit 1 lm/sr = 1 cd (Candela), siehe Tabelle 9-5.

Tabelle 9-5 Strahlungsphysikalische Strahlstärke und Lichtstärke als lichttechnisches Äquivalent

Strahlstärke Lichtstärke

ee

dId

in [W/sr] vv

dId

in [lm/sr = cd]

Integriert man die Lichtstärke über den Raumwinkel auf, dann erhält man den gesamten Licht-strom:

v v vd I d (9-10)

Das gleiche gilt natürlich auch für Strahlstärke und Strahlungsfluss.

III. Energiestrom auf Detektorfläche: Das ist die Energiestromdichte oder Intensität, sie wird strahlungsphysikalisch bezeichnet als Bestrahlungsstärke Ee. Die Bestrahlungsstärke wird berechnet aus dem Strahlungsfluss d e pro Fläche dA und hat die Einheit 1 W/m2. Die lichttechnisch äquivalente Beleuchtungsstärke Ev wird entsprechend berechnet aus dem Lichtstrom d v pro Fläche dA und hat die Einheit 1 lm/m2 = 1 lx (Lux), siehe Tabelle 9-6.

Tabelle 9-6 Strahlungsphysikalische Bestrahlungsstärke und Beleuchtungsstärke als lichttechnisches Äquivalent

Bestrahlungsstärke Beleuchtungsstärke

ee

dEdA

in [W/m2] vv

dEdA

in [lm/m2 = lx]

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Analog zur Integration der Lichtstärke über den Raumwinkel erhält man aus der Integration der Beleuchtungsstärke über die Fläche wieder den gesamten Lichtstrom:

v v vd E dA (9-11)

und entsprechend für Bestrahlungsstärke und Strahlungsfluss.

Zahlenbeispiel: Die Beleuchtungsstärke ausgewählter Situationen ist in Tabelle 9-7 zusam-mengestellt.

Tabelle 9-7 Beleuchtungsstärke ausgewählter Situationen

Situation Beleuchtungsstärke Ev

Sommersonne 70.000 lx

Wintersonne 6.000 lx

Vollmond 0,3 lx

Grenze Farbwahrnehmung 3 lx

Gute Arbeitsplatzbeleuchtung 1.000 lx

Wohnbeleuchtung 100–150 lx

Abschließend bleibt für dieses Unterkapitel die quantitative Verknüpfung der lichttechnischen mit den strahlungsphysikalischen Größen. Für eine monochromatische Lichtquelle gilt:

( )v m eK V (9-12)

Der Lichtstrom v ergibt sich also aus dem Strahlungsfluss (der Strahlungsleistung) e durch Multiplikation mit der normierten Hellempfindlichkeit V( ) des menschlichen Auges (siehe Bild 9-3) und mit dem photometrischen Strahlungsäquivalent Km = 683 lm/W für Tagessehen bzw. K m = 1699 lm/W für Nachtsehen. Der Zahlenwert für Km ist historisch bedingt und ergibt eine Lichtstärke von ca. 1 cd im Abstand 1 m von einer Standardkerze. Das Candela ist die SI-Basiseinheit der lichttechnischen Größen und heute so definiert, dass es die Lichtstärke 1 cd ergibt für eine monochromatische Lichtquelle ( = 555 nm) mit einer Strahlstärke von Ie = 1/683 W/sr. Ist die Lichtquelle nicht monochromatisch, sondern polychrom, wird die Betrachtung etwas komplizierter. Zunächst einmal müssen spektrale Größen eingeführt werden. So muss z. B. der Strahlungsfluss e durch einen spektralen Strahlungsfluss e, ersetzt werden mit dem Zu-sammenhang:

,e

edd

(9-13)

Daran anschließend kann die quantitative Verknüpfung durch Integration über das sichtbare Spektrum erfolgen:

780

,380

( )nm

v m enm

K V d (9-14)

Mit analogen Gleichungen können alle lichttechnischen und strahlungsphysikalischen Größen jeweils paarweise verknüpft werden, und zwar sowohl monochromatisch wie auch polychrom.

76 Teil I: Grundlagen

Zahlenbeispiel: Eine grüne LED ( = 555 nm) und eine rote LED ( = 650 nm) strahlen beide eine Leistung von 0,1 mW ab. Wie groß sind die Lichtströme der beiden LEDs? Wir verwenden Gleichung (9-12):

( )v m eK V

und brauchen dafür die Hellempfindlichkeiten V(555 nm) und V(650 nm), die wir aus Bild 9-3 abschätzen:

V(555 nm) = 1 V(650 nm) = 0,1

Mit Km = 683 lm/W können wir dann direkt die Lichtströme berechnen:

, 683 lm/W 0,1 mW 1 68,3 mlmv grün

, 683 lm/W 0,1 mW 0,1 6,83 mlmv rot

Bei gleicher abgestrahlter Leistung erscheint uns also die grüne LED zehnmal heller als die rote LED!