Dubbel || Elastizitätstheorie
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C3.2 Rotationssymmetrischer Spannungszustand C 33
C
C3 Elastizitätstheorie
J. Lackmann, Berlin; J. Villwock, Berlin
C3.1 Allgemeines
Aufgabe der Elastizitätstheorie ist es, den Spannungs- undVerformungszustand eines Körpers unter Beachtung der gege-benen Randbedingungen zu berechnen, d. h. die Größen �x ,�y , �z , �xy , �xz , �yz , "x , "y , "z , �xy , �xz , �yz , u, � , w zuermitteln. Für diese 15 Unbekannten stehen zunächst die Glei-chungen C 1 Gl. (12) und C 1 Gl. (13) zur Verfügung. Hinzukommen drei Gleichgewichtsbedingungen (Bild 1) mit den Vo-lumenkraftdichten X, Y, Z.
@�x
@xC @�yx
@yC �zx
@zCX D0;
@�xy
@xC @�y
@yC @�zy
@zCY D0;
@�xz
@xC @�yz
@�C @�z
@zCZ D0;
9>>>>>>>=
>>>>>>>;
(1)
sowie für isotrope Körper die sechs verallgemeinerten Hooke’-schen Gesetze
"x D �x ��.�y C�z/
E;
"y D �y ��.�x C�z/
E;
"z D �z ��.�x C�y /
E;
�xy D �xy
G; �xz D �xz
G; �yz D �yz
G:
9>>>>>>>>>>=
>>>>>>>>>>;
(2)
in ihrer dehnungsexpliziten Form
�x D E
1C�
�"x C �
1�2�
�"x C"y C"z
��;
�y D E
1C�
�"y C �
1�2�
�"x C"y C"z
��;
�z D E
1C�
�"z C �
1�2�
�"x C"y C"z
��;
�xy DG�xy ; �xz DG�xz ; �yz DG�yz :
9>>>>>>>>>=
>>>>>>>>>;
(2a)
Damit stehen 15 Gleichungen für 15 Unbekannte zur Verfü-gung. Eliminiert man aus ihnen alle Spannungen, so erhält mandrei partielle Differentialgleichungen für die unbekannten Ver-schiebungen:
G
�
�uC 1
1�2�
@"
@x
�
CX D0;
G
�
�� C 1
1�2�
@"
@y
�
CY D0;
G
�
�wC 1
1�2�
@"
@z
�
CZ D0
9>>>>>>>=
>>>>>>>;
(3)
Bild 1. Gleichgewicht am Element
mit �u D @2u=@x2 C@2u=@y2 C@2u=@z2 usw. und " D "x C"y C"z D@u=@x C@�=@yC@[email protected] Navier’schen Gln. (3) eignen sich zur Lösung von Proble-men, bei denen als Randbedingungen Verschiebungen vorge-geben sind. Eliminiert man aus den zitierten 15 Gleichungenalle Verschiebungen und deren Ableitungen, so bleiben sechsGleichungen für die unbekannten Spannungen:
��x C 1
1C�
@2�
@x2C2
@X
@xC �
1��
�@X
@xC @Y
@yC @Z
@z
�
D0
(4a)(entsprechend für die y- und z-Richtung) und
��xy C 1
1C�
@2�
@x @yC @X
@yC @Y
@xD0 (4b)
(entsprechend für die y- und z-Richtung).Hierbei ist � D �x C �y C �z . Die Beltrami’schen Gln. (4)eignen sich zur Lösung von Problemen, bei denen als Rand-bedingungen Spannungen vorgegeben sind. Bei gemischtenRandbedingungen sind beide Gleichungssysteme zu benutzen.Lösungen der Differentialgleichungen (3) und (4) liegen imWesentlichen für rotationssymmetrische und ebene Problemevor.
C3.2 RotationssymmetrischerSpannungszustand
Setzt man Symmetrie zur z-Achse voraus, so treten lediglichdie Spannungen �r ; �t; �z ; �rz D �zr D � auf (Bild 2). DieGleichgewichtsbedingungen in r- und z-Richtung lauten
@
@r.r�r/C @
@z.r �/��t CrRD0;
@
@r.r �/C @
@z.r�z/CrZ D0:
9>>>=
>>>;
(5)
Die Hooke’schen Gesetze haben die Form
"r D @u
@rD �r ��.�t C�z/
E;
"t D u
rD �t ��.�r C�z /
E;
"z D @w
@zD �z ��.�r C�t/
E;
�rz D @u
@zC @w
@rD �
GD 2.1C�/�
E:
9>>>>>>>>>>>>>=
>>>>>>>>>>>>>;
(6)
Bild 2. Rotationssymmetrischer Spannungszustand
K.-H. Grote, J. Feldhusen (Hrsg.), Dubbel, 24. Aufl., DOI 10.1007/978-3-642-38891-0_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
C 34 Festigkeitslehre – C3 Elastizitätstheorie
Ihre Auflösung nach den Spannungen liefert
�r D2G
�@u
@rC �
1�2�"
�
;
�t D2G
�u
rC �
1�2�"
�
;
�z D2G
�@w
@zC �
1�2�"
�
; � DG
�@u
@zC @w
@r
�
;
9>>>>>>>>=
>>>>>>>>;
(7)
wobei
"D"r C"t C"z D @u
@rC u
rC @w
@z: (8)
Wird die Love’sche Verschiebungsfunktion ˚ eingeführt, somuss sie der Bipotentialgleichung
�@2
@z2C @2
@r2C 1
r
@
@r
��@2˚
@z2C @2˚
@r2C 1
r
@˚
@r
�
D��˚ D0 (9)
genügen. Lösungen der Bipotentialgleichung sind z. B. ˚ Dr2 , lnr , r2 lnr , z, z2 und
pr2 Cz2 sowie Linearkombinatio-
nen hiervon [1,3]. Die Verschiebungen und Spannungen folgendann aus
uD� 1
1�2�
@2˚
@r @z;
w D 2.1��/
1�2��˚ � 1
1�2�
@2˚
@z2;
�r D 2G�
1�2�
@
@z
�
�˚ � 1
�
@2˚
@r2
�
;
�z D 2.2��/G
1�2�
@
@z
�
�˚ � 1
2��
@2˚
@z2
�
;
�t D 2G�
1�2�
@
@z
�
�˚ � 1
�
1
r
@˚
@r
�
;
� D 2.1��/G
1�2�
@
@r
�
�˚ � 1
1��
@2˚
@z2
�
:
9>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>=
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>;
(10)
Beispiel: Einzelkraft auf Halbraum (Formeln von Boussinesq) Bild 3.– Die Randbedingungen lauten
�z .z D0; r ¤0/D0; �.z D0; r ¤0/D0:
Mit dem Ansatz ˚ D C1RCC2z ln.z CR/, wobei R D pr2 Cz2 ist,
folgt aus den Gln. (10)
�z D�2G
��
C1 � 2�
1�2�C2
�z
R3C 3
1�2�.C1 CC2/
z3
R5
und
� D�2G
��
C1� 2�
1�2�C2
�r
R3C 3
1�2�.C1 CC2/
r z2
R5
:
Bild 3. Einzelkraft auf Halbraum
Während die erste Randbedingung automatisch befriedigt ist, folgt ausder zweiten C2 D .1�2�/=.2�/ C1 und damit �z D �C1.3G/=.�Œ1�2��/ � .z3=R5/. Aus F D �R
1
rD0�z2 r dr ergibt sich dann C1 D
F �.1�2�/=.2 G/ und damit aus den Gln. (10)
uD F
4 G
�r z
R3�.1�2�/
r
R.z CR/
;
w D F
4 G
�
2.1��/1
RC z2
R3
;
�z D� 3F
2
z3
R5;
�r D F
2
�
.1�2�/1
R.z CR/�3
zr2
R5
;
�t D F
2 .1�2�/
�z
R3� 1
R.z CR/
;
� D� 3F
2
r z2
R5:
9>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>=
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>;
(11)
Wegen �z=� D z=r lassen sich �z und � zum Spannungsvektor sR Dp�2
z C�2 D 3F z2=.2 R4/ zusammenfassen, der stets in Richtung Rzeigt. Für �r ergeben sich gemäß �r D0 Nullstellen aus sin2 ˇcosˇ.1Ccosˇ/D .1�2�/=3 im Fall � D0;3 zu ˇ1 D15;4ı und ˇ2 D83ı. Zwi-schen den durch 2ˇ1 D30;8ı und 2ˇ2 D166ı bestimmten Kreiskegelnwird �r negativ (Druckspannung), außerhalb ist sie positiv (Zugspan-nung). Aus �t D 0 folgt cos2 ˇ Ccosˇ D 1, d. h. ˇ D 52ı, für ˇ < 52ı
wird �t positiv (Zugspannung), für ˇ >52ı negativ (Druckspannung).
C3.3 Ebener Spannungszustand
Er liegt vor, wenn �z D 0; Z D 0, �xz D �yz D 0, d. h., wennSpannungen nur in der x, y-Ebene auftreten. Die Gleichge-wichtsbedingungen lauten für konstante Volumenkräfte
@�x
@xC @�yx
@yCX0 D0;
@�y
@yC @�xy
@xCY0 D0: (12)
Die Hooke’schen Gesetze haben die Form
"x D �x ���y
E; "y D �y ���x
E; �xy D �xy
G; (13)
und für die Formänderungen gilt
@u
@xD"x ;
@�
@yD"y ;
@u
@yC @�
@xD�xy : (14)
Dies sind acht Gleichungen für acht Unbekannte. Aus Gl. (14)folgt die Kompatibilitätsbedingung
@2"x
@y2C @2"y
@x2D @2�xy
@x @y; (15)
und durch Einsetzen von Gln. (13) in (15) ergibt sich
1
E
�@2�x
@y2��
@2�y
@y2C @2�y
@x2��
@2�x
@x2
�
D 1
G
@2�xy
@x @y: (16)
Werden nun die Gleichgewichtsbedingungen (12) durch Ein-führung der Airy’schen Spannungsfunktion F DF .x;y/ derartbefriedigt, dass
�x D @2F
@y2; �y D @2F
@x2; �xy D @2F
@x @y�X0y�Y0x (17)
ist, so folgt aus Gl. (16) für F(x, y)
@4F
@x4C2
@4F
@x2@y2C @4F
@y4D��F D0; (18)
d. h., die Airy’sche Spannungsfunktion muss der Bipotential-gleichung genügen. Die Bipotentialgleichung hat unendlichviele Lösungen, z. B. F Dx, x2, x3, y, y2 , y3, xy, x2y, x3y,
Literatur C 35
C
xy2, xy3, cosx �coshy, xcosx �coshy usw., ferner bihar-monische Polynome [2] sowie die Real- und Imaginärteile vonanalytischen Funktionen f .z/ D f .x ˙ iy/ usw. [1]. Mit demAnsatz geeigneter Linearkombinationen dieser Lösungen ver-sucht man die gegebenen Randbedingungen zu befriedigen unddamit das ebene Problem zu lösen.
Beispiel: Halbebene unter Einzelkraft. – Zur Lösung werden Polarko-ordinaten verwendet (Bild 4 a). Dann gilt für die Airy’sche Spannungs-funktion
��F D�
@2
@r2C 1
r
@
@rC 1
r2
@2
@'2
��@2F
@r2C 1
r
@F
@rC 1
r2
@2F
@'2
�
D0
und für die Spannungen (mit X DY D0)
�r D 1
r
@F
@rC 1
r2
@2F
@'2; �t D @2F
@r2; �rt D� @
@r
�1
r
@F
@'
�
:
Die Randbedingungen lauten
�t.r; ' D0/D0; �t.r; ' D /D0;
�rt.r; ' D0/D0; �rt.r; ' D /D0:
Mit dem Ansatz F.r;'/DC r' cos' folgt
��F D0; �r D�C2
rsin ' ; �t D0; �rt D0:
Die Lösung erfüllt die Randbedingungen. Mit der Scheibendicke hfolgt die Konstante C aus der Gleichgewichtsbedingung
PFiy D 0 DR
0�r sin' �hr d' CF0 D 0 zu C D F0=. h/. Wegen �rt D 0 sind die
�r und �t Hauptnormalspannungen, d. h., die zugehörigen Trajektoriensind Geraden durch den Nullpunkt bzw. die dazu senkrechten Krei-se um den Nullpunkt (Bild 4 b). Die Hauptschubspannungstrajektorienliegen dazu unter 45° (s. C 1.1.1). Der Verlauf der Spannungen�r ergibt
Bild 4. Halbebene unter Einzelkraft
sich für r DRDconst zu �r D�2F0=. hR/�sin' bzw. für ' D =2 zu�r D�Œ2F0=. h/�=r (Bild 4 c).
Literatur
Spezielle Literatur
[1] Szabó, I.: Höhere Technische Mechanik, 6. Aufl. Springer,Berlin (2001) – [2] Girkmann, K.: Flächentragwerke, 5. Aufl.Springer, Wien (1959) – [3] Timoshenko, S., Goodier, J. N.:Theory of Elasticity, 3rd ed. McGraw-Hill, Singapore (1987)