Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

73
Technische Mechanik 1 V1: Das Fach Technische Mechanik, Hilfsmittel Vektorrechnung V2: Vektorrechnung V3: Kraftsysteme V4: Schwerpunkt V5: Schwerpunkt V6: Statik, Schnittprinzip V7: Statische Bestimmtheit, Fachwerke V8: Fachwerke ff, Ritterschnitt V9: Räumliches Fachwerk, Schnittlasten an Linientragwerken V10: Fragestunde V11: Beispiele zu Schnittgrößen an Balken V12: Streckenlasten V13: Zusammenhang von Schnittgrößen 1 V14: Zusammenhang von Schnittgrößen 2 V15: Tipps und Tricks V16: Haftreibung, V17: Haftreibung, Seilreibung V18: Dynamik der Punktmasse V19: Geführte gerade Bewegung V20: Arbeit, Energie, Leistung V21: Beispiele Energiesatz, Arbeitssatz V22: Fragestunde V23: Der Ein-Massen-Schwinger V24: Gedämpfte Schwingung V25: Gedämpfte Schwingung ff V26: Fremderregte Schwingung V27: Periodisch fremderregte Schwingung V28: Punktkinematik auf gekrümmten Bahnen Anhang A: Mathematische Grundlagen Anhang B: Formelsammlung Prof L. Schreiber Institut für Mechanik Maschinenbau - UniK WS 04/05

Transcript of Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Page 1: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Technische Mechanik 1

V1: Das Fach Technische Mechanik, Hilfsmittel Vektorrechnung

V2: Vektorrechnung

V3: Kraftsysteme

V4: Schwerpunkt

V5: Schwerpunkt

V6: Statik, Schnittprinzip

V7: Statische Bestimmtheit, Fachwerke

V8: Fachwerke ff, Ritterschnitt

V9: Räumliches Fachwerk, Schnittlasten an Linientragwerken

V10: Fragestunde

V11: Beispiele zu Schnittgrößen an Balken

V12: Streckenlasten

V13: Zusammenhang von Schnittgrößen 1

V14: Zusammenhang von Schnittgrößen 2

V15: Tipps und Tricks

V16: Haftreibung,

V17: Haftreibung, Seilreibung

V18: Dynamik der Punktmasse

V19: Geführte gerade Bewegung

V20: Arbeit, Energie, Leistung

V21: Beispiele Energiesatz, Arbeitssatz

V22: Fragestunde

V23: Der Ein-Massen-Schwinger

V24: Gedämpfte Schwingung

V25: Gedämpfte Schwingung ff

V26: Fremderregte Schwingung

V27: Periodisch fremderregte Schwingung

V28: Punktkinematik auf gekrümmten Bahnen

Anhang A: Mathematische Grundlagen Anhang B: Formelsammlung Prof L. Schreiber Institut für Mechanik Maschinenbau - UniK WS 04/05

Page 2: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

1 Einleitung

Mechanik bedeutet zwar, wortwortlich genommen,”(die Kunst), Maschinen zu

bauen (griechisch)“, bezeichnet aber im heutigen Sprachgebrauch ein Teilgebietder Physik, das sich mit den Kraften und den durch sie verursachten Bewegun-gen, d.h. auch Verformungen der Korper beschaftigt. (Korper sind mit Materiegefullte Gebiete.)

Die Mechanik deckt ein so großes Gebiet ab, dass sich verschiedene Unterteilun-gen eingeburgert haben. Die Gebiete, die die

”Technische Mechanik“ beruhren,

sind unterstrichen.

• nach dem Aggregatzustand der Korper:

– Gasdynamik

– Stromungsmechanik (Flussigkeiten)

– Festkorpermechanik

• Die Festkorpermechanik teilt sich nach Art der Probleme in

– Kinematik (Geometrie der Bewegung)

– Dynamik (Lehre von den Kraften)

∗ Statik (ruhende Korper)

· Stereostatik (starre Korper)

· Elastostatik (reversibel nachgiebige Korper)

· Plastostatik (irreversibel nachgiebige Korper)

∗ Kinetik (bewegte Korper)

• nach der Berucksichtigung von Materialeigenschaften:

– Starrkorpermechanik (Stereostatik, Mehr-Korper-Probleme, Fahrzeugdy-namik)

– Kontinuumsmechanik (idealisierte, homogene Materialeigenschaften)

∗ Elastizitatstheorie

11

1 Einleitung

∗ Viskoelastizitat

∗ (Visko)-Plastizitat

Die Arbeitsweise der Mechanik reicht von der Naturbeobachtung uber das ge-zielte Experiment, die Abschatzung der beobachteten Phanomene hinsichtlichihrer Wichtigkeit bzw. ihrer Vernachlassigbarkeit, uber die Entwicklung einerTheorie mit Hilfe von idealisierenden Modellen und anderen Abstraktionen bishin zur mathematischen Formulierungen von Gesetzen. Sie spannt damit denBogen von der Physik bis zur Mathematik.

1.1 Das Maßsystem, die Basiseinheiten

Um die Bewegungen eines Korpers im Raum beschreiben zu konnen, muss manzumindest den Ort angeben konnen. Dazu dienen Langenangaben in verschie-denen Richtungen, deren Grundeinheit

die Strecke ist, die das Licht im Vakuum in der Zeit von 1

299 792 458

Sekunde durchlauft (vgl. Meyers Großes Taschenlexikon). Kurz: DerMeter (Zeichen: m)

Zu den Bewegungen gehoren auch die Geschwindigkeiten, die eine Ortsverande-rung pro Zeiteinheit angeben. Um die Zeit messen zu konnen, bedient man sichder Grundeinheit, die

das 9 192 631 770fache der Periodendauer der dem Ubergang zwi-schen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes vonAtomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung ist, genauer ge-sagt: die Sekunde (Zeichen s)

Es gibt allerdings nicht nur geradlinige Bewegungen, so dass Strecke pro Zeitnicht die einzige Moglichkeit ist, Geschwindigkeit zu definieren. Der andere Spe-zialfall ist die Drehung, die eine Winkelanderung gegenuber gewahlten Bezugs-richtungen ist. Die praktische Maßeinheit fur Winkel, neben Definitionen wieAltgrad und Neugrad ist das Bogenmaß des Winkels,

das ist die Bogenlange eines Kreissegments mit dem Radius 1, dasden Winkel einschließt.

12

Page 3: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

1.1 Das Maßsystem, die Basiseinheiten

Korper haben Masse, die in der Grundeinheit Kilogramm (Zeichen: kg) gemessenwird. Diese Definition ist noch die einfachste:

1 kg ist die Masse des internationalen Kilogrammprototyps (eines inSevres bei Paris aufbewahrten Platin-Iridium-Korpers).

Eine aus den Grundeinheiten abgeleitete Große ist das, was Newton quantitas

motus, also Bewegungsgroße nannte. Sie ist das Produkt aus Masse und Ge-schwindigkeit eines Korpers und hat heute den Namen Impuls. Die Einheit, inder der Impuls gemessen wird, ist folglich kgms−1 .

Ob und wie sich der Impuls eines Korpers im Lauf der Zeit andert, hangt nachNewton von den auf den Korper wirkenden Kraften ab. Wirken keine Krafte,bleibt der Impuls erhalten.

13

2 Krafte

Der Mensch hat außer seinem Tastsinn und seinen schmerzempfindlichen Nervenkein Sinnesorgan, mit dem er Krafte wahrnehmen kann, trotzdem

”weiß“ er, dass

es Krafte gibt. Sie setzen Massen in Bewegung (Kugelstoß) oder deformierenKorper (Expander). Krafte lassen sich nicht direkt messen, sondern nur uberdie Beobachtung ihrer Wirkung.

2.1 Der Kraftbegriff in der Mechanik

Die Mechanik unterteilt die Kraftwirkungen in solche, die einen Korper in einegeradlinige Bewegung versetzen (die Krafte), und solche, die ihn in Drehungversetzen (die Momente). Die Krafte misst man in Newton (Zeichen: N), waseine aus den oben angebenen Grundeinheiten abgeleitete Einheit ist:

1 N ist die Kraft, die einer Masse von 1 kg die Beschleunigung 1m/s2 verleiht.

N = kgm s−2

Die Momente misst man in Newton Meter (Zeichen: Nm), was darauf hindeutet,dass jedes Moment durch die Wirkung einer Kraft an einem Hebelarm erzeugtwerden kann. Auch das gehort zum Erfahrungsschatz des Menschen.

Man unterscheidet je nach Ursache verschiedene Krafte.

• Volumenkrafte, Feldkrafte

– Gewichtskrafte

– Elektrische Krafte (aneinander haftende Folien)

– Magnetische Krafte

• Oberflachenkrafte

– Kontaktkrafte (Krafte zwischen zwei Korpern)

14

Page 4: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

2.2 Idealisierung und Modellbildung

– Druckkrafte (hydraulisch, pneumatisch = Kontakt zwischen Korperund Fluid)

2.2 Idealisierung und Modellbildung

Man kann sich vorstellen, dass volumenhaft verteilt wirkende Krafte, aber be-sonders Oberflachenkrafte unter Umstanden sehr komplizierte Verteilungen ha-ben konnen, z.B. die Druckverteilung, die eine Hand auf die Wand ausubt, ander sie sich abstutzt. Hier pflegt die Mechanik stark zu idealisieren: Sie fuhrt dieEinzelkraft ein, indem sie in Gedanken einige Schritte zurucktritt. Damit wirddie Flache, uber die die Hand mit der Wand Kontakt halt, zu einem kleinenPunkt und die Einzelkraft reprasentiert die Gesamtwirkung der Druckvertei-lung an diesem Punkt.

Eine andere Idealisierung ist die Linienlast.

Eine Kraft ist gekennzeichnet durch

• ihren Betrag,

• ihre Richtung und

• ihren Angriffspunkt.

Entsprechendes gilt fur ein Moment. Die Richtung eines Momentes geht entlangder Achse, um die das Moment dreht. Vorwarts ist, wohin das Moment eineRechtsschraube bewegen wurde.

Das oben Beschriebene ist nicht die einzige Vereinfachung, die die Mechanikmit der realen Welt anstellt. Da sie nach guter Ingenieurtradition versucht,die Probleme schnell in den Griff zu bekommen, unterscheidet sie die an einemProblem beteiligten Phanomene in wichtige und weniger wichtige, wobei die we-niger wichtigen als ’Effekte 2. Ordnung’ sofort unter den Tisch fallen. Die ubrigbleibenden Phanomene 1. Ordnung sind schon schwierig genug zu bewaltigen.

Diese Vorgehensweise nennt man Modellbildung. Sie hat den Vorteil, Problemelosbar zu machen, aber auch den Nachteil, dass die gefundenen Losungen immernur so gut sind, wie die Modelle die Realitat wiedergeben.

Eine in der Technischen Mechanik immer wieder verwendete ’Modellierung’ istdie Annahme, dass sich Korper nicht verformen, wenn Krafte auf sie wirken.Genauer gesagt heißt das, sie verformen sich (unter ’normalen’ Belastungen) so

15

2 Krafte

geringfugig, dass man die Verformungen nicht sieht: Also vernachlassigt mansie. Das ist fur ein Metallregal akzeptabel (bis zu gewissen Grenzen), fur einBungee-Seil bestimmt nicht.

2.3 Hilfsmittel Vektorrechnung

Das geeignete mathematische Hilfsmittel zur Beschreibungvon Kraften und Momenten und Orten im Raum ist dieVektorrechnung im dreidimensionalen euklidischen Raum,denn ein Vektor, genauer ein Pfeilvektor oder geometrischer

Vektor ist eine gerichtete Große mit bestimmten Betrag undOrientierung.

z

y

x

a

Ubliche Bezeichnungen fur Vektoren in der Literatur sind

• Fettdruck: v, a, b, c . . . (hier verwendet)

• ubergesetzter Pfeil: ~v,~a,~b,~c . . .

• Unterstreichung: v, a, b, c . . . (im Tafelbild)

Die Lange eines Vektors bezeichnet man als Betrag und symbolisiert ihn mit

”Betragstrichen“ | v |.

Ein Vektor mit dem Betrag 0 ist ein Sonderfall, da er keine Orientierung hat.Er heißt Nullvektor und wird durch das Symbol 0 bezeichnet. Einen Vektor derLange 1 nennt man Einheitsvektor und bezeichnet ihn durch e.

Vektoraddition, Vektorsubtraktion Die Vektoraddition

a

b

c

c = a + b (2.1) ist

kommutativ

a + b = b + a

und assoziativ

(a + b) + c = a + (b + c)

16

Page 5: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

2.3 Hilfsmittel Vektorrechnung

Es gibt das neutrale Element der Addition 0 , so dass gilt:

a + 0 = a

und zu jedem Vektor a gibt es das inverse Element der Addition (−a) (das istein Vektor mit demselben Betrag und derselben Richtung, nur mit umgekehrterOrientierung), mit dem gilt:

a + (−a) = 0

womit die Subtraktion eingefuhrt ist.

a + (−b) = a − b (2.2)

Multiplikation mit einem Skalar Die Multiplikation eines Vektors mit einemSkalar

c = λa (2.3)

ist kommutativλa = aλ

Der Betrag von λa ist das λ-fache des Betrages von a

| λa |=| λ || a |

Die Multiplikation mit einem Skalar ist assoziativ

λ(µa) = (λµ)a

Es gibt das neutrale Element 1, fur das gilt:

1a = a

und die Multiplikation ist distributiv bezuglich jedes ihrer Elemente

λ(a + b) = λa + λb

(λ + µ)a = λa + µa

Komponentendarstellung, Basissystem Jeder Vektor v lasst sich aus n Kom-ponenten der Form αivi zusammensetzen.

v = α1v1 + α2v2 + · · · + αnvn

Er ist damit eine Linearkombination der Vektoren v1 . . . vn. Die n Vektoren vi

sind linear unabhangig, wenn die Summe v nur dann zum Nullvektor wird, wennalle αi verschwinden. Anderenfalls sind die Vektoren linear abhangig.

17

2 Krafte

α1v1

α2v2

α3v3

α4v4

α5v5

α2v2α1v1

0

= 0 ?

Die maximale Zahl linear unabhangiger Vektoren in einem Vektorraum ist dieDimension des Vektorraums, d.h. im 3-dimensionalen Raum gibt es drei linearunabhangige Vektoren, die nicht in einer Ebene liegen und nicht den Betrag 0haben, und alle anderen Vektoren lassen sich als Linearkombination dieser dreidarstellen.

v = α1b1 + α2b2 + α3b3

w = β1b1 + β2b2 + β3b3

v ± w = (α1 ± β1)b1 + (α2 ± β2)b2 + (α3 ± β3)b3 (2.4)

λv = (λα1)b1 + (λα2)b2 + (λα3)b3 (2.5)

(2.4) und (2.5) sind die Rechenregeln zur Ausfuhrung der bisher erst geometrischeingefuhrten Vektoraddition (-subtraktion) (2.1,2.2) und der Multiplikation miteinem Skalar (2.3).

Solche drei Vektoren b1, b2, b3 nennt man Basisvektoren. Sie bilden zusammendie Basis des 3-dimensionalen Vektorraums. In der Technischen Mechanik istes ublich, nicht drei beliebige linear unabhangige Vektoren als Basis zu wahlen,sondern drei aufeinander senkrecht stehende Einheitsvektoren e1, e2, e3, unddiese auch nicht beliebig einander zugeordnet, sondern als Rechts-System (imGegensatz zu einem Linkssystem). D.h. die drei Vektoren stehen so zueinander,dass eine Drehung von e1 auf dem kurzesten Weg gegen e2 eine Rechtsschraubein Richtung e3 bewegt (1 → 2 → 3). Dasselbe gilt fur (2 → 3 → 1) und(3 → 1 → 2). Man nennt das ein orthonormales Basissystem.

Die Darstellung von Vektoren mit Hilfe eines Basissystems nennt man Kompo-

nentendarstellung. Ublich sind die Schreibweisen:

v = v1e1 + v2e2 + v3e3 = (v1, v2, v3) =

v1

v2

v3

= vxex + vyey + vzez = (vx, vy, vz) =

vx

vy

vz

18

Page 6: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

2.3 Hilfsmittel Vektorrechnung

Die Faktoren, die vor den Basisvektoren stehen, sind man die Koordinaten

bezuglich des Koordinatensystems, das aus dem Ursprung O und den Basisvek-toren besteht. Ist die Basis orthonormal, handelt es sich um ein ’kartesisches’Koordinatensystem.

Skalarprodukt (Inneres Produkt) Das Skalarprodukt zweier Vektoren a undb ergibt eine Zahl (Skalar). Ihr Wert ist das Produkt der beiden Vektorlangenmit dem Kosinus (s. Kap. A.1.1) des eingeschlossenen Winkels.

c = a · b = |a||b| cosα ; α : Winkel zwischen a und b (2.6)

kommutativ

a · b = b · a

und distributiv

(a + b) · c = a · c + b · c

Ein Skalarprodukt eines Vektors mit sich selbst fuhrt zu einer Berechnungsvor-schrift fur den Betrag des Vektors

a · a = |a||a|

=1

︷︸︸︷

cos 0 → |a| =√

a · a (2.7)

Das Skalarprodukt zweier senkrecht aufeinander stehender Vektoren ist 0.

In einem orthonormalen Basissystem gilt die Rechenvorschrift:

a · b = (a1e1 + a2e2 + a3e3) · (b1e1 + b2e2 + b3e3)

= a1b1e1 · e1 + a1b2e1 · e2 + a1b3e1 · e3 +

a2b1e2 · e1 + a2b2e2 · e2 + a2b3e2 · e3 +

a3b1e3 · e1 + a3b2e3 · e2 + a3b3e3 · e3 +

= a1b1 + a2b2 + a3b3 (2.8)

weil die Skalarprodukte der Einheitsvektoren ei · ek entweder 0 (i 6= k) oder 1sind (i = k).

Wendet man das letzte Ergebnis auf die Berechnungsvorschrift des Betrages(2.7) an, gelangt man zu der bekannten pythagoraischen Formel fur die Langeder Raumdiagonalen eines Quaders.

19

2 Krafte

a1a2

a3

a

|a| =√

a2

1+ a2

2+ a2

3(2.9)

Das Skalarprodukt (2.6) eignet sich, die Lange der Projektion eines Vektors aufeine im Winkel α abweichende Richtung zu berechnen, wenn man den Einheits-vektor in dieser Richtung kennt.

vproj = v · e = |v| 1 cosα (2.10)

vproj

e

|v|

vproj

αv

Der projizierte Vektor ist wiederum: vproj = vproje

Das bedeutet angewandt fur die drei Richtungen eines orthonormalen Basissy-stems, aber auch nur da:

v1 = v · e1

v2 = v · e2

v3 = v · e3

v = (v · e1) e1 + (v · e2) e2 + (v · e3) e3

D.h. die projizierten Vektoren sind gleichzeitig die Komponenten des Vektors,eben weil die Basisvektoren senkrecht aufeinander stehen, und die Zahlenwer-te der Projektionen sind gleichzeitig die Koordinaten, weil die BasisvektorenEinheitsvektoren sind. Bei allen anderen Basissystemen ist das nicht so ein-fach, sondern man muss die Koordinaten als drei Unbekannte aus ebenso vielenGleichungen berechnen.

20

Page 7: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

2.3 Hilfsmittel Vektorrechnung

Vektorprodukt (Außeres oder Kreuzprodukt) Das Ergebnis desKreuzproduktes zweier Vektoren ist ein Vektor

c = a × b (2.11)

der senkrecht auf beiden beteiligten Vektoren steht und dessen Betrag derFlacheninhalt des Parallelogramms ist, das von den beiden Vektoren a undb aufgespannt wird.

|c| = | sinα||a||b| α : Winkel zwischen a und b (2.12)

(Zum Sinus vgl. Kap. A.1.1.)

a, b und c bilden ein Rechts-System. Das Kreuzprodukt ist antikommutativ

a × b = −b × a

distributiv(a + b) × c = a × c + b × c

und assoziativ bei der Multiplikation mit einem Skalar

λ(a × b) = (λa) × b = a × (λb)

Das Kreuzprodukt zwischen zwei parallelen Vektoren ist 0 , und das Kreuz-produkt zwischen zwei senkrecht aufeinander stehenden Einheitsvektoren einesorthonormalen Basissystems je nach Reihenfolge des Produktes der positiveoder negative dritte Einheitsvektor. Damit lasst sich eine Rechenvorschrift furdas Kreuzprodukt in einem orthonormalen Basissystem ableiten:

a × b = (a1e1 + a2e2 + a3e3) × (b1e1 + b2e2 + b3e3)

= a1b1e1 × e1 + a1b2e1 × e2 + a1b3e1 × e3 +

a2b1e2 × e1 + a2b2e2 × e2 + a2b3e2 × e3 +

a3b1e3 × e1 + a3b2e3 × e2 + a3b3e3 × e3

= a1b10 + a1b2e3 − a1b3e2 −

a2b1e3 + a2b20 + a2b3e1 +

a3b1e2 − a3b2e1 + a3b30

= (a2b3 − a3b2)e1 − (a1b3 − a3b1)e2 + (a1b2 − a2b1)e3

Die Form des letzten Ergebnisses bietet eine Merkregel fur die Rechenvorschriftdes Kreuzproduktes in einem orthonormalen Basissystem an, weil sie formal mit

21

2 Krafte

der Determinante einer (3×3)-Matrix ubereinstimmt (s. A.2).

a × b =

∣∣∣∣∣∣

e1 e2 e3

a1 a2 a3

b1 b2 b3

∣∣∣∣∣∣

(2.13)

Spatprodukt Das Spatprodukt dreier Vektoren u, v und w ist die Verknupfungder beiden zuvor erklarten Multiplikationen. Sein Ergebnis ist ein Skalar,

c = [u, v, w] = u · (v × w) (2.14)

dessen Betrag das Volumen des von den drei Vektoren aufgespannten Parallel-epipeds (Spat) angibt, das sich bekannterweise aus dem Produkt von Grund-flache mal Hohe ergibt, also z.B. aus:

Grundflache G︷ ︸︸ ︷

|v × w|(

Hohe h︷ ︸︸ ︷

u ·v × w

|v × w|︸ ︷︷ ︸

n

)

= u · (v × w) (s.o.), n : Einheitsvektor ⊥ G

Das Spatprodukt ist positiv, wenn u, v und w ein Rechts-System bilden. Beizyklischer Vertauschung der beteiligten Vektoren bleibt der Wert erhalten, beiantizyklischer Vertauschung dreht sich das Vorzeichen um.

[u, v, w] = [v, w, u] = [w, u, v]

[u, v, w] = −[v, u, w]

Bei einer orthonormalen Basis gilt als Rechenvorschrift

[u, v, w] = det

∣∣∣∣∣∣

u1 u2 u3

v1 v2 v3

w1 w2 w3

∣∣∣∣∣∣

(2.15)

Ein Teilvolumen des Spats ist das Tetraeder (Pyramide aus Dreiecksflachen),das von u, v und w aufgespannt wird. Seine Grundflache ist halb so groß wiedie des Spats, und das Volumen einer Pyramide ist 1/3 von Grundflache malHohe, so dass gilt:

VTetra =1

6|[u, v, w]|

22

Page 8: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

2.3 Hilfsmittel Vektorrechnung

Punkte, Geraden, Ebenen und Abstande Bisher zeichnet sich ein Vektor nurdurch seine Lange und durch seine Richtung aus. Damit ist jeder Vektor Stell-vertreter einer unendlichen Menge gleich langer und gleichgerichteter Vektoren,weil es unendlich viele Punkte gibt, an denen der Vektor anfangen kann.

• Punkt im Raum: Indem man den Anfangspunkt O vorschreibt, definiertman den sogenannten Ortsvektor, der eindeutig einen bestimmten Punktim Raum beschreibt, denn von O zu einem beliebigen Punkt P im Raumzeigt nur ein bestimmter Vektor p.

• Gerade: Die Summe von zwei Vektoren, einem Ortsvektor (Aufpunkt) unddem Vielfachen eines Richtungsvektors,

g(λ) = p + λr

ist wieder ein Ortsvektor, der alle Punkte einer Geraden beschreibt, wennλ ∈ [−∞, +∞].

• Abstand Punkt - Gerade: Der senkrechte Abstand d eines Punktes K (ge-geben durch den Ortsvektor k) von der Geraden g ist der Betrag desVektors, der ubrig bleibt, wenn man vom Differenzvektor (q = k−p) sei-ne Projektion auf g abzieht. (Fur die Projektion (s. (2.10)) braucht manden Einheitsvektor in Richtung r. Das ist r/|r|.

p

r

qproj

k

q K

O

dd =

∣∣∣∣q −

(

q ·r

|r|

)r

|r|

∣∣∣∣

(2.16)

Das ist zwar etwas umstandlich, aber anschaulich. Ein kurzerer Weg zueinem einfacheren Ergebnis fuhrt uber den Flacheninhalt des Parallelo-gramms, das q und r aufspannen.

|q × r| = F = d|r| → d =|q × r|

|r|

Zwei Geraden g1

und g2

konnen miteinander identisch sein, parallel sein, sichschneiden (in diesen Fallen liegen sie in einer gemeinsamen Ebene) oder sie sindzueindander ’windschief’. In diesem Fall ist der kurzesten Abstand zwischenihnen großer als 0.

23

2 Krafte

• Abstand zwischen windschiefen Geraden: (Paralle Geraden s. AbstandPunkt - Gerade) Der kurzeste Abstand misst sich entlang der Strecke,die auf beiden Geraden senkrecht steht. Gleichzeitig ist diese Strecke derAbstand zwischen zwei parallelen Ebenen, in denen jeweils eine der Gera-den verlauft. Also liegt auch jeweils ein Aufpunkt in jeder Ebene.

O

r2

r1

p1

p2

Blickrichtung

p2

p1

q

r1

r2

Der gesuchte Abstand ist damit die Lange der Projektion des Differenzvek-tors zwischen den Aufpunkten (q = p

2− p

1) auf die Senkrechte zwischen

den Geraden (Ebenen).

Ein Vektor, der gerade diese Richtung hat, ist das Kreuzprodukt aus bei-den Richtungsvektoren n = r1 × r2.

d = q ·n

|n|= (p

2− p

1) ·

r1 × r2

|r1 × r2|(2.17)

• Ebene: Ein Ortsvektor p und zwei voneinander linear unabhangige Rich-tungsvektoren r und s spannen eine Ebene auf.

f(λ, µ) = p + λr + µs

• Abstand Punkt - Ebene: Der Abstand eines Punktes K (Ortsvektor k) vonder Ebene ist mit ahnlicher Argumentation wie gerade zuvor

d = (p − k) ·r × s

|r × s|(2.18)

2.4 Aquivalente Kraftsysteme

r

P

F

Eine Einzelkraft ist durch zwei Vektoren vollstandigbeschrieben: (F , r) Kraftvektor und Ortsvektor desKraftangriffspunktes P. Die Gerade durch P entlangF heißt Wirkungslinie von F .

24

Page 9: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Moment einer Kraft

Mehrere Krafte F i mit den Kraftangriffspunkten ri bilden eine Kraftegruppe

bzw. ein Kraftsystem. Darstellung:

(F 1, F 2, . . . , F n; r1, r2, . . . , rn)

Fr

c

αr − c

Eine Kraft (F , r) hat bezuglich eines weiteren Raum-punktes C (Ortsvektor c) das Moment (Drehmoment)M c

M c = (r − c) × F (2.19)

Aus der Definition des Kreuzproduktes (2.12) folgt

|M c| = | sin α||r − c||F |

was bedeutet, dass man den Kraftvektor entlang seiner Wirkungslinie verschie-ben kann, ohne das Moment zu andern, weil sin α|r − c| das Lot vom Punkt c

auf die Wirkungslinie von F ist.

Beispiel Moment einer Kraft

In der (x, z)-Ebene greift eine Kraft F = (fx, 0, fz) am Punkt mit demOrtsvektor r = (rx, 0, rz) an. Das Moment von F bezuglich des Koordi-natenursprungs ist mit (2.13)

M0 = r × F

=

∣∣∣∣∣∣

ex ey ez

rx 0 rz

fx 0 fz

∣∣∣∣∣∣

= −(rxfz − rzfx) ey

= (0, rzfx − rxfz, 0)

Das Ergebnis ist ein Vektor, der senkrecht zur (x, z)-Ebene steht, und des-sen einzige Komponente sich aus den Produkten der Komponenten vonOrtsvektor und Kraftvektor zusammensetzt, die jeweils senkrecht aufein-ander stehen.

Bei einer Gruppe von Kraften (F 1, F 2, . . . , F n; r1, r2, . . . , rn) heißen

F =n∑

k=1

F k (2.20)

25

2 Krafte

und

M c =

n∑

k=1

(rk − c) × F k (2.21)

resultierende Kraft (2.20) und resultierendes Moment bezuglich c (2.21). c istein weiterer Punkt im Raum. Von seiner Wahl hangt M c ab.

Beispiel Resultierende Momente

Gegeben sind ein Kraftsystem

(F 1, F 2, . . . , F n; r1, r2, . . . , rn)

und zwei Bezugspunkte a und b. Die jeweils resultierenden Momente sind:

Ma =

n∑

k=1

(rk − a) × F k und M b =

n∑

k=1

(rk − b) × F k

Die Differenz der beiden Momente ist

M b − Ma =

n∑

k=1

(rk × F k − b × F k − rk × F k + a × F k)

= (a − b) ×

n∑

k=1

F k = (a − b) × F (2.22)

Man bezeichnet zwei Kraftsysteme

(F 1, F 2, . . . , F n; r1, r2, . . . , rn)

und

(K1, K2, . . . , Km; p1, p

2, . . . , pm)

als gleichwertig oder aquivalent, wenn sie dieselbe resultierende Kraft

F =

n∑

k=1

F k =

m∑

j=1

Kj = K (2.23)

26

Page 10: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Aquivalentes Kraftsystem

und dasselbe resultierende Moment haben:

MFc =n∑

k=1

(rk − c) × F k =m∑

j=1

(pj − c) × Kk = MKc (2.24)

Sind zwei Kraftsysteme F und K gegenuber einem Raumpunkt a aquivalent, d.h.F = K und MFa = MKa, dann sind sie es auch gegenuber jedem beliebigenzweiten Raumpunkt b.

(2.22) → MFb = MFa + (a − b) × F

MKb = MKa + (a − b) × K

→ MFb = MKb

D.h. man ist in der Wahl eines geeigneten Bezugspunktes vollig frei.

Die physikalische Wirkung von aquivalenten Kraftsystemen auf einen Korperist: Sie haben dieselbe Anderung des Geschwindigkeitszustands zur Folge. Inanderen Worten, die spater genauer erklart werden:

Aquivalente Kraftsysteme bewirken jeweils dieselben Anderungenvon Impuls und des Drehimpuls.

Beispiel Aquivalentes Kraftsystem

Gegeben sind die drei Krafte F 1 = (1, 2, 3), F 2 = (3,−1, 0) und F 3 =(0, 8, 15) in einem Orthonormal-System jeweils in kN gemessen. Die Kraft-angriffspunkte sind r1 = (3,−1, 5), r2 = (0, 4, 0) und r3 = (10, 0,−1), alleAngaben in m. Wie groß sind die resultierende Kraft und das resultierendeMoment bezuglich des Koordinatenursprungs?

R =

3∑

i=1

F i =

123

+

3−10

+

0815

kN =

4918

kN

M0 =

3∑

i=1

ri × F i =

3−15

×

123

kNm +

040

×

3−10

kNm

+

100−1

×

0815

kNm =

det

∣∣∣∣∣∣

ex ey ez

3 −1 51 2 3

∣∣∣∣∣∣

+

27

2 Krafte

+ det

∣∣∣∣∣∣

ex ey ez

0 4 03 −1 0

∣∣∣∣∣∣

+ det

∣∣∣∣∣∣

ex ey ez

10 0 −10 8 15

∣∣∣∣∣∣

kNm

=

−13−47

+

00

−12

+

8−15080

kNm =

−5−15475

kNm

2.5 Besondere Kraftsysteme

Gleichgewichtssysteme Ein Kraftsystem, dessen resultierende Kraft und re-sultierendes Moment bezuglich eines Punktes verschwinden, heißt Gleichge-

wichtssystem. Ein solches System andert am Geschwindigkeitszustand des Korpers,an dem es angreift, nichts. Daher der Name.

n∑

k=1

F k = 0 ⇔ F = 0 (2.25)

undn∑

k=1

(rk − c) × F k = 0 ⇔ M c = 0 (2.26)

Die beiden letzten Gleichungen (2.25,2.26) nennt man Gleichgewichtsbedingun-

gen. Sie sind notwendige und hinreichende Bedingungen, wenn ein starrer Korperunter Einwirkung eines Kraftsystems fur alle Zeit in Ruhe bleiben soll.

In vielen Fallen ist es angebracht, die Gleichgewichtsbedingungen komponen-

tenweise zu betrachten. Die i-te Kraft F i und der i-te Kraftangriffspunkt ri

eines Gleichgewichtssystems seien:

F i = (Fix, Fiy, Fiz)

ri = (rix, riy, riz)

und der Ortsvektor des Bezugspunktes c sei:

c = (cx, cy, cz)

28

Page 11: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

2.5 Besondere Kraftsysteme

dann ist Gleichung (2.25) erfullt, wenn gilt

n∑

i=1

Fix = 0 ,

n∑

i=1

Fiy = 0 und

n∑

i=1

Fiz = 0 (2.27)

Die Komponenten des resultierenden Momentes, die ebenfalls verschwinden mussen,berechnen sich mit (2.13)

(Mcx, Mcy, Mcz) =n∑

i=1

∣∣∣∣∣∣

ex ey ez

rix − cx riy − cy riz − cz

Fix Fiy Fiz

∣∣∣∣∣∣

= (0, 0, 0)

im Einzelnen

Mcx =

n∑

i=1

(riy − cy)Fiz − (riz − cz)Fiy = 0 (2.28)

Mcy =

n∑

i=1

(riz − cz)Fix − (rix − cx)Fiz = 0 (2.29)

Mcz =

n∑

i=1

(rix − cx)Fiy − (riy − cy)Fix = 0 (2.30)

Da an die Auswahl des Bezugspunktes c keine Bedingung geknupft ist, kanner so gewahlt werden, dass er moglichst viele Terme in den obigen Gleichungenverschwinden lasst.

Oftmals konnen Probleme auf eine Ebene beschrankt werden. Hier vereinfachensich die Gleichgewichtsbedingungen. Z.B. fur

F i = (Fix, 0, Fiz)

ri = (rix, 0, riz)

c = (cx, 0, cz)

bleibt ubrig als Kraftegleichgewicht:

n∑

i=1

Fix = 0 und

n∑

i=1

Fiz = 0

und als Momentengleichgewicht:

Mcy =

n∑

i=1

(riz − cz)Fix − (rix − cx)Fiz = 0

29

2 Krafte

Zentrales Kraftsystem Ein Kraftsystem, dessen Krafte einen gemeinsamenAngriffspunkt haben, nennt man ein zentrales Kraftsystem. Fur ein solches Sy-stem

(F 1, F 2, . . . , F n; ri = r)

gilt

F =

n∑

i=1

F i

und

M c =

n∑

i=1

(ri − c) × F i = (r − c) ×

n∑

i=1

F i = (r − c) × F

Kraftepaar Zwei entgegengesetzt gleich große Krafte an unterschiedlichen An-griffspunkten

(K,−K; r1, r2)

nennt man ein Kraftepaar. Seine resultierende Kraft verschwindet, das resultie-rende Moment aber nicht. Z.B. fur c = r1 ergibt sich:

M c = (r1 − c) × K + (r2 − c) × (−K) = (r1 − r2) × K

Ein Kraftepaar ist kein Gleichgewichtssystem.

2.6 Schwerpunkt, Massenmittelpunkt

Die Anziehungskraft zwischen zwei materiellen Korpern der Massen m1 und m2

im Abstand r gibt das Newtonsche Gravitationsgesetz an.

F = |F | = Γm1m2

r2(2.31)

Γ : universelle Gravitationskonstante = 6.672 10−11m3

kg s2

Als Abstand gilt hier die Entfernung der beiden Massenmittelpunkte (s. nachsteSeite). Die Wirkungslinie der Krafte ist die Gerade durch beide Massenmittel-punkte.

Bei sehr unterschiedlich großen Korpern, z.B. Erdkugel (Masse Me, Radius Re)und beliebiger Gegenstand (Masse m Me) im Abstand h Re von der

30

Page 12: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

2.6 Schwerpunkt, Massenmittelpunkt

Erdoberflache, ist die Anziehungskraft die Gewichtskraft der Masse m.

G = |G| = ΓMem

(Re + h)2≈

ΓMe

R2e

︸ ︷︷ ︸

g

m

Da h gegenuber Re vernachlassigbar ist, konnen die Konstanten Γ, Me und R2

e

zusammengefasst werden zur Erdbeschleunigung g.(Laut DIN g = 9.80665 m

s2≈ 9.81 m

s2).

In einem orthonormalen Koordinatensystem (ez Richtung Erdmittelpunkt) istdie Gewichtskraft eines materiellen Korpers (Masse m)

G = (0, 0, G) ; G = mg

Sie ist die Resultierende eines volumenhaft verteilten Kraftsystems.Nimmt man an, dass im Innern des Korpers ein Teilvolumen 4V klein genug ist,um in ihm die Masse als homogen verteilt anzusehen, dann ist die Gewichtskraftdieses Teilkorpers

4G = (0, 0,4G) ; 4G = g4m

Die homogen verteilte Masse 4m ist proportional zum Volumen 4V ; der Pro-portionalitatsfaktor ist die Massendichte ρ, ublicherweise aber auch falschlicher-weise spezifisches Gewicht genannt, da es eigentlich die spezifische Masse ist.

4G = gρ4V ; ρ = lim4V →0

4m

4V

Die Resultierende aller Teilgewichtskrafte ist die Summe uber alle Teilvolumina,die jeweils unterschiedliche Massendichten ρi haben konnen, oder im Grenzuber-gang, wenn die Massendichte eine Funktion des Ortes r ist (ρ = ρ(r)), dasVolumenintegral.

G =

n∑

i=1

4G =

n∑

i=1

gρi4Vi bzw. G =

∫∫∫

V

dG =

∫∫∫

V

gρ(r) dV

Der Schwerpunkt Ein Kraftsystem (G; s) ist dem Kraftsystem aller volumen-

haft verteilten Gewichtskraftanteile des Korpers aquivalent, wenn die Bedingun-gen (2.23,2.24) erfullt sind.

G =

∫∫∫

V

dG

31

2 Krafte

(s − c) × G =

∫∫∫

V

(r − c) × dG =

∫∫∫

V

r × dG − c ×

∫∫∫

V

dG

→ s × G =

∫∫∫

V

r × dG

Die erste Gleichung ist a priori erfullt. Die dritte Gleichung lasst sich in eineBestimmungsgleichung fur s verwandeln. Dazu nutzt man aus, dass die resul-tierende Gewichtskraft in Richtung der Erdbeschleunigung zeigt.

G = Geg ; eg : Einheitsvektor Richtung g

(sG −

∫∫∫

V

r dG) × eg = 0

→ s =1

G

∫∫∫

V

r dG (2.32)

Den Punkt, den der Ortsvektor s beschreibt, nennt man den Schwerpunkt desKorpers.

Im Allgemeinen sind die betrachteten Korper nicht so groß, dass innerhalb ihresVolumens die Erdbeschleunigung verschiedene Werte annimmt, d.h. g 6= g(r).

s =1

m

∫∫∫

V

r dm ; m =

∫∫∫

V

dm (2.33)

Das ist die Definition fur den Massenmittelpunkt eines Korpers, die hier nach-gereicht wird. Er ist unter der angegebenen Voraussetzung mit dem Schwer-punkt identisch ist. Oft genug ist auch die Massenbelegung des Korpers homo-

gen, d.h. gleichmaßig verteilt oder mathematisch ausgedruckt ρ 6= ρ(r). Dannkann auch die spezifische Masse ρ als Konstante aus dem Integral herausgezogenund gekurzt werden.

s =1

V

∫∫∫

V

r dV (2.34)

Die letzte Gleichung definiert den Volumenschwerpunkt.

Die Gleichungen (2.32), (2.33), (2.34) werden komponentenweise ausgewertet,z.B.

s = (sx, sy, sz)

(2.35)

sx =1

V

∫∫∫

V

rx dV sy =1

V

∫∫∫

V

ry dV sz =1

V

∫∫∫

V

rz dV

32

Page 13: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Schwerpunkt Quader

Beispiel Schwerpunkt Quader

Ein Quader (Kantenlangen a, b, c in Richtung x, y, z) hat den Volumen-schwerpunkt s:

mit dV = dx dy dz und r = (x, y, z)

(2.35a) → sx =1

abc

a∫

0

b∫

0

c∫

0

x dx dy dz

=1

abc

a2

2bc =

a

2

entsprechend sy =b

2, sz =

c

2

Wie erwartet liegt der Volumenschwerpunkt in der Mitte.

Weitere Vereinfachungen sind moglich, wenn die Geometrie des Korpers einfachist. Z.B., wenn der Korper in einer Koordinatenrichtung (z) gleichmaßig dickist.

mit dV = h dA und V = hA

(2.34) → s =1

hA

∫∫

a

rh dA =1

A

∫∫

a

r dA (2.36)

Bei der letzten Definition (2.36) spricht man vom Flachenschwerpunkt. Entspre-chend gibt es einen Linienschwerpunkt, wenn ein Korper in zwei Richtungen sehrviel kleiner als in der dritten ist, also einen kleinen Querschnitt A gegenuberseiner Lange S hat. Dann gilt mit

dV = A ds und V = AS (2.34) → s =1

AS

S

rA ds =1

S

S

r ds (2.37)

33

Page 14: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

2 Krafte

Beispiel Flachenschwerpunkt Dreieck

Ein Dreieck hat die Basis B und die Hohe H .

Als infinitesimales Flachenelement wird

dA = b(y) dy; b(y) = b0 +b1y gewahlt,

mit b(0) = B → b0 = B

und b(H) = 0 → b1 = −B/H .

→ b(y) = B −b

Hy B

Hdy

b(y) x

y

sy =1

A

∫∫

A

y dA =2

BH

H∫

0

yb(y) dy =2

BH

H∫

0

(By −b

Hy2) dy

=2

BH

[

By2

2−

b

H

y3

3

]H

0

=H

3

Beispiel Linienschwerpunkt

Ein Draht mit dem Querschnitt A ist zu einem Halbkreis (Radius R)gebogen, der im Koordinatensystem (x, y) bei (R, 0) beginnt und bei(−R, 0) endet. Als infintesimales Linienelement wird ds = R dφ gewahlt.Dabei ist φ eine Hilfskoordinate, die fur einen Punkt des Halbkreisesr = (R cosφ, R sinφ) den Winkel zwischen Ortsvektor und positiver x-Achse angibt. Die Lange S des Halbkreises ist πR.

φ

R

y

dφx

R dφsy =

1

S

S

ry ds

=1

πR

π∫

0

R sin φ R dφ =R

π[− cosφ]π0 =

2

πR

34

Beispiel Linienschwerpunkt

Allgemeine Aussagen zum Schwerpunkt

Ausnutzen der Symmetrie Hat ein Korper eine Symmetrie-Ebene, dann liegtder Schwerpunkt eben darauf. Z.B. sei die yz-Ebene die Symmetrie-Ebene einesKorpers, der in der z-Richtung die großte Ausdehnung H hat.

B(z)

t(y, z)

Schnitt Z-Z

Z

Z

x

z

x

y

H

An einer Stelle z ∈ [0, H ] wiederum kann die großte Ausdehnung in y-Richtungals die Funktion B(z) angegeben werden, und entlang dieser Strecke die Um-randung einer Schnittflache senkrecht zu z durch eine Funktion ±t(y, z) (Sym-metrie). Daraus ergibt sich die Lage des Schwerpunktes in x-Richtung:

mit r = (x, y, z)

sx =1

V

∫∫∫

V

x dV

=1

V

H

B(z)

t(z,y)∫

−t(z,y)

x dx

dy

dz

Es gilt fur n ∈ IN

a∫

−a

x2n−1 dx =

[1

2nx2n

]a

−a

= 0

→ sx = 0

D.h. Der Schwerpunkt liegt auf der Symmetrie-Ebene.

Bei zweidimensionalen Problemen (z.B. Flachenschwerpunkt) gibt es keine Sym-metrieebenen, sondern allenfalls Symmetrielinien: Wenn, dann liegt der Schwer-punkt auf diesen.

Komplizierte Geometrien Die Formen im Ingenieurwesen sind oft kompliziert,haben aber generell (Ausnahme Freiformflachen) die Eigenschaft, dass sie sich

35

Page 15: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

2 Krafte

aus einfachen Teilvolumen zusammensetzen. Das kann man sich zu Nutze ma-chen, weil es sich gut mit einer Eigenschaft der bestimmten Integrale trifft. Esgilt:

∫∫∫

V

f(r) dV =

n∑

i=1

∫∫∫

Vi

f(r) dV

wobei Vi Teilvolumina des Gesamtvolumens V sind, mit∑

Vi = V . Die Funktionf(r) steht fur jede beliebige Funktion des Ortes. Fur den Volumenschwerpunktfolgt damit:

s =

∫∫∫

Vr dV

V=

i

∫∫∫

Vi

r dV∑

i Vi

mit

rsi =

∫∫∫

Vi

r dV

Vi

∫∫∫

Vi

r dV = rsiVi

(rsi : Teilschwerpunkte)

→ s =

i rsiVi∑

i Vi

(2.38)

Fur Flachen- und Linienschwerpunkte gilt Entsprechendes.

Fehlgebiete Nun setzen sich Gebiete manchmal nicht nur additiv aus Teilge-bieten zusammen: Manchmal gibt’s auch Locher.

Z.B. ist aus einer Gesamtflache C das Loch B aus-gestanzt: Es existiere nur die Restflache A. Dann er-gibt sich der Schwerpunkt der ’ungelochten’ FlacheC nach der obigen Regel als

sC =1

C(sAA + sBB)

BA

Das kann man einfach umstellen nach dem gesuchten Schwerpunkt sA der ge-lochten Flache.

sAA = sCC − sBB → sA =sCC − sBB

C − B, (Anm. : C − B = A)

Das gilt fur eine wie fur viele Fehlflachen und fur Volumen entsprechend.

36

Beispiel Fehlflachen

Beispiel Fehlflachen

Aus einem Viereck (3a×4a) fehlt an der rechten oberen Ecke ein Quadrat(a×a). Bezogen auf ein Koordinatensystem (x, y) in der Mitte des großenVierecks liegen die Teilschwerpunkte bei (0,0) und (a, 3

2a). Die Teilflachen

sind A1 = 12a2 und A2 = −a2. Die Schwerpunktskoordinaten sind:

x

y

2a

2a

1.5a 1.5a

xs =0 · 12a2 − a · a2

12a2 − a2= −

1

11a

ys =0 · 12a2 − 3

2a · a2

12a2 − a2= −

3

22a

Beispiel Zusammengesetzte Flache

Wo liegt der Flachenschwerpunkt einer Flache, die sich aus einem Quadratund einer Halbkreisflache zusammensetzt?

φ

y

dφx

a

r

dA

a

2a S

Die Flache ist symmetrisch, also liegtder Schwerpunkt auf der Symmetrielinie.Teilflache (4a2) und Teilschwerpunkt (Mitte)des Quadrats sind bekannt. Die Halbkreis-flache ist 1

2πa2. Es fehlt nur der Teilschwer-

punkt der Halbkreisflache.

Der Bezugspunkt sei der Schnittpunkt derSymmetrielinie mit der gemeinsamen Kante.

Als Hilfsmittel zur Beschreibung eines Ortes soll ein Polarkoordiantensy-stem (r, φ) dienen, das seinen Ursprung im Bezugspunkt hat. D.h., einPunkt in der Halbkreisflache, dessen Lage durch r und φ bezeichnet ist,hat die y-Koordinate r sin φ.

37

Page 16: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

2 Krafte

Teilschwerpunkt Halbkreisflache:

ys =

∫∫

A

y dA

∫∫

A

dA

mit y = r sin φ, dA = r dφ dr

=

π∫

0

a∫

0

r2 sin φ dφ dr

1

2πa2

=2

πa2

π∫

0

r3

3

∣∣∣∣

a

0

sin φ dφ =2a3

3πa2(− cosφ)

∣∣π

0=

4

3

a

π

Fur die Berechnung des Gesamtschwerpunktes wird das kartesische Be-zugssystem beibehalten. Fur die Berechnung selbst eignet sich die Tabel-lenform.

i Ai ysi ysiAi

1 4a2 −a −4a3

2 12πa2 4

3aπ

23a3

∑(4 + π

2 )a2 −103 a3

→ ys = −

10

3a3

(4 +π

2)a2

= −10

12 +3

a

38

Page 17: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

3 Statik

Die Statik untersucht die Bedingungen, unter denen ein Korper im Gleichge-wicht ist; d.h. alle Krafte, die an dem Korper angreifen, bilden ein Gleich-gewichtssystem (2.25,2.26). Dabei unterliegt der Korper nicht nur den einge-

pragten Kraften (Gewicht, Belastung) sondern auch geometrischen Zwangsbe-

dingungen, die fur bestimmte Punkte des Korpers vorgeschrieben sind. Dassind die Stellen, an denen der Korper in einem Kontakt mit seiner Umweltsteht, den man nicht vernachlassigen darf. Z.B. die ein Gebaude umgebendeLuft kann man in den meisten Fallen vernachlassigen, das Fundament, auf demes steht, nicht. An den Kontaktstellen entstehen durch Anwendung des Schnitt-prinzips die Zwangskrafte oder Reaktionskrafte, die das am Korper angreifendeKraftsystem vervollstandigen.

3.1 Das Schnittprinzip

Die Krafte sind der mechanische Einfluss der Umgebung auf einen materiellenKorper (materielles System). Sobald der Gegenstand der Untersuchung genaudefiniert ist, also seine Systemgrenzen festgelegt sind, kann er in Gedankenaus seiner Umgebung herausgelost werden. Das nennt man Freischneiden undder Grundsatz, den Einfluss der weggeschnittenen Umgebung an der Schnitt-stelle durch ein Kraftsystem zu ersetzen, heißt Schnittprinzip. Je nach Pro-blem konnen das sehr komplizierte Kraftsysteme sein (z.B. oberflachenverteilteKrafte, die der Wasserdruck auf eine Staumauer ausubt), in vielen Fallen kommtman aber mit der Idealvorstellung von Einzelkraften aus.

Die oben erwahnten Kraftsysteme, die den Einfluss der Umgebung wiederge-ben, sind die sogenannten außeren Krafte. Wenn man das Schnittprinzip wei-tertreibt, das betrachtete System also in Teilsysteme zerlegt, entstehen die inne-

ren Krafte. Ab hier muss man berucksichtigen, dass ein Schnitt zwei Schnittuferhat: Oberflachenhaft verteilte Schnittkrafte, die durch den Schnitt erst

”sicht-

bar“ werden, sind am gegenuberliegenden Schnittufer umgekehrt gleich großvorhanden. Dieses Reaktionsprinzip (

”actio gleich reactio“, Newton) leitet sich

aus der Impulsbilanz ab (s. spatere Kapitel).

39

3 Statik

3.2 Lager

Die Kontaktstellen zur Umgebung, bzw. bei einem mehrgliedrigen Korper dieKontaktstellen zwischen den einzelnen Teilkorpern heißen Lager bzw. Verbin-

dungselemente. Fur sie gibt es idealisierende Modellvorstellungen, deren Sym-bole ungefahr an die technisch realisierbaren Konstruktionen angepasst sind.Die unten angegebenen Symbole werden bei ebenen Problemen verwendet. Beiebenen Problemen hat die resultierende Kraft hochstens zwei Komponenten (inder Ebene) und das resultierende Moment nur eine Komponente (senkrecht zurEbene).

Lager Verbindungselement

Die einzelnen Symbole sind folgendermaßen zu lesen: Ein Kreis oder eine Drei-eckspitze ist ein Gelenk, das kein Moment aufnehmen kann. Zwei parallele Lini-en lassen eine Bewegung in Richtung der Parallelen zu. Folglich kann in dieserRichtung keine Kraft ubertragen werden. Dementsprechend konnen die Lagerbzw. Verbindungselemente in der obersten Zeile der Tabelle nur eine Kraft undin der dritten Zeile nur ein Moment, aber keine Kraft ubertragen. Man sprichtvon einwertigen Lagern. Gebrauchlich ist auch die Bezeichnung horizontales

oder vertikales Gleitlager.

Die Elemente der zweiten und vierten Zeile sind zweiwertige Lager oder Ver-bindungselemente. Sie ubertragen zwei Krafte oder eine Kraft und ein Moment.

40

Page 18: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Balken auf zwei Stutzen

Die Elemente der letzten Zeile ubertragen alle Kraft- und Momentenkompo-nenten, die im ebenen Fall moglich sind, namlich drei, also: dreiwertiges Lager.Gebrauchliche Bezeichnung: feste Einspannung.

Fur raumliche Probleme gibt es entsprechende Symbole, die wesentlich kompli-zierter sind, weil diese ja bis zu 6wertig sein konnen. (vgl. P. Haupt: Einfuhrung

in die Mechanik, Technische Mechanik I/II, IfM GhK, 1990, S. 90)

Beispiel Balken auf zwei Stutzen

Ein Balken der Lange l ist an beiden Enden gelagert und durch sein Ei-gengewicht G und eine zusatzliche Kraft F belastet (s. Skizze). Wie großsind die Auflagerkrafte?

System unter Belastung freigeschnitten

l2

l4

l4

45A B

GF

GF

A

B C

Die Summe der Krafte und die Summe aller Momente um einen beliebigenBezugspunkt muss jeweils Null ergeben. In diesem Fall wurde das linkeAuflager (A) gewahlt.

i

Fix = 0 = A − F1

2

√2 → A =

√2

2F

i

Fiz = 0 = B + C − G − F1

2

√2 (3.1)

i

MiA = 0 = Cl − Gl

2− F

1

2

√23

4l

→ C =G

2+

3√

2

8F (3.2)

(3.2) → (3.1) → B =G

2+

√2

8F (3.3)

41

Page 19: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

3 Statik

3.3 Statische Bestimmtheit

In dem oben angefuhrten Beispiel entsprach die Anzahl der Unbekannten (A,B, C) der Anzahl der Gleichungen, die aus den Gleichgewichtsbedingungenfolgen. Damit war die Losung eindeutig bestimmbar. Ein System, das dieseEigenschaft hat, nennt man statisch bestimmt. Wenn mehr oder weniger Unbe-kannte zu bestimmen sind, als Gleichungen formuliert werden konnen, sprichtman von statischer Unbestimmtheit. Die ware im obigen Beispiel gegeben, wennauch das rechte Auflager zweiwertig ware (statisch uberbestimmt), oder das linkeeinwertig (statisch unterbestimmt). Den letzten Fall nennt man auch kinema-

tisch unbestimmt, weil der Balken nicht eindeutig im Raum fixiert ist und beimleisesten Anstoß seitwarts wegrutschen wurde.

Besteht der Korper aus mehreren Teilkorpern, dann wird an geeigneten Verbin-dungselementen das Schnittprinzip angewandt, und die entsprechenden Reak-

tionskrafte werden eingefuhrt. Dadurch erhoht sich die Zahl der Unbekanntenauf a + z (a: Anzahl der Auflagerreaktionen, z: Anzahl der Reaktionen in denVerbindungselementen). Dem stehen im ebenen Fall pro Teilkorper 3 Gleichge-

wichtsbedingungen gegenuber. Notwendige, nicht(!) hinreichende Bedingung zurstatischen Bestimmtheit ist folglich:

a + z = 3n (n : Anzahl der Teilkorper) (3.4)

Im raumlichen Fall gilt die Uberlegung entsprechend, nur gibt es hier 6 Gleich-gewichtsbedingungen, wenn man die resultierende Kraft und das resultierendeMoment komponentenweise ausrechnet (2.27), (2.28), (2.29), (2.30).

a + z = 6n (3.5)

Beispiel Ebenes System aus zwei Teilkorpern

System unter Belastung freigeschnitten

K

G G

K

G

GF

E

C

D

C

A

B

xx

zh

l l

z

42

Beispiel Ebenes System aus zwei Teilkorpern

Eine symmetrische Gelenkbrucke (s. Skizze) wird durch das Gewicht G

ihrer Teilkorper und eine Einzelkraft K an der Stelle x belastet. DerSchwerpunkt der Teilkorper liege bei 1

3l vom Auflager her. Stellen Sie

die Auflagerreaktionen als Funktion von x dar.

Notwendige Bedingung fur die statische Bestimmtheit:

Auflagerreaktionen: A, B, E, F → a = 4

Verbindungsreaktionen: C, D → z = 2

Teilkorper: → n = 2 4 + 2 = 2 · 3

Die Auflager und das Gelenk konnen jeweils nur zwei Kraftkomponentenubertragen. Die entsprechenden Reaktionen (A . . . F ) werden eingefuhrt.Fur jeden Teilkorper konnen drei Gleichgewichtsbedingungen eingefuhrtwerden. Als Bezugspunkt fur die Momentengleichgewichte wird das Ge-lenk gewahlt.

Linker Teilkorper

i

Fix = 0 = A − D (3.6)

i

Fiz = 0 = B − G − K − C (3.7)

i

MyG = 0 = K(l − x) + G2

3l − Bl + Ah (3.8)

Rechter Teilkorper

i

Fix = 0 = D − F (3.9)

i

Fiz = 0 = C − G + E (3.10)

i

MyG = 0 = G2

3l − El + Fh → E −

h

lF =

2

3G (3.11)

Auswertung

(3.9) → (3.6) → A = F (3.12)

(3.10) → (3.7) → B = 2G + K − E (3.13)

(3.12, 3.13) →1

l(3.8) → 2G − E − F

h

l=

2

3G −

x

lK (3.14)

43

Page 20: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

3 Statik

(3.14) + (3.11) → F = Gl

h+ K

x

2h= A = D

(3.14) − (3.11) → E = G + Kx

l(3.15)

(3.15) → (3.13) → B = G + K(1 −x

l)

(3.15) → (3.10) → C = −Kx

l

3.4 Fachwerke

Fachwerke sind besondere Vielkorpersysteme, deren Teilkorper alle gerade Stabe

sind, an denen keine Krafte angreifen. Die einzelnen Stabe sind uber Gelenkemiteinander verbunden, die im Fachwerk Knoten genannt werden. Alle vorhan-denen Lasten greifen an Knoten an. Das fuhrt dazu, dass ein Stab in einemFachwerk nur Krafte in Richtung des Stabes ubertragen kann. Einen solchenStab nennt man Pendelstutze.

Ein statisch bestimmt gelagerter Stab, der mit zwei anderen Staben ein Dreieckbildet, ist das einfachste ebene, statisch bestimmte Fachwerk. Jede Erweiterungmit zwei Staben, die mit einem vorhandenen wieder ein Dreieck bilden, ist sta-tisch bestimmt. D.h., ein Fachwerk, das sich nur aus Dreiecken zusammensetzt,ist indexstatisch!bestimmtstatisch bestimmt. Bei raumlichen Fachwerken gilt dieentsprechend Regel, wenn sich das Fachwerk aus Tetraedern aufbauen lasst.

Die einfachste Moglichkeit, die Stabkrafte eines Fachwerks zu berechnen, liefertdie Vektorrechnung, da man sehr einfach die Einheitsvektoren bilden kann, dievom Knoten weg in Richtung eines Stabes zeigen.

Die beiden Endpunkte PA, PB eines Stabes i seien durch die Ortsvektoren rA

und rB beschrieben. Dann ist der Vektor der von PA nach PB zeigt

ri = rB − rA

und der Einheitsvektor derselben Richtung ist:

ei =1

|ri|ri

44

Beispiel Ebenes Fachwerk (vektoriell)

Damit ist der Kraftvektor Si, der durch den Stab am Knoten PA eingeleitetwird, durch seine Lange Si und Richtungsvektor ei darstellbar.

Si = Siei

Am anderen Endpunkt PB wirkt dieselbe Kraft mit umgekehrten Vorzeichenoder, in anderen Worten, in derselben Große mit umgekehrtem Einheitsvektor.

Die Konvention, alle Stabkrafte so einzufuhren, dass sie vom Knoten weg zei-gen, kommt aus dem Stahlbau. Sie erzeugt einen einfachen Indikator fur dieNotwendigkeit weiterer Untersuchungen: Sind die Ergebnisse positiv, dann sinddie Stabkrafte Zugkrafte und somit unproblematisch. Sie die Ergebnisse negativ,dann handelt es sich um Druckkrafte. In diesem Fall muss die Knickstabilitatnachgewiesen werden.

Die Auswertung erfolgt Knoten fur Knoten, indem die Summe aller am Knotenangreifenden Stabkrafte (z.B. Si, Sj , Sk) und außeren Krafte (z.B. A) gebildetwird. Diese Resultierende muss verschwinden.

Siei + Sjej + Skek = −A (3.16)

komponentenweise: Sieix + Sjejx + Skekx = −Ax

Sieiy + Sjejy + Skeky = −Ay

Sieiz + Sjejz + Skekz = −Az

Dieses Verfahren wird fur jeden Knoten durchgefuhrt. Dadurch entsteht ein u.U.sehr großes Gleichungssystem, das entweder einem Gleichungsloser uberlassenwird, oder mit mehr oder weniger Geschick nacheinander gelost wird.

Beispiel Ebenes Fachwerk (vektoriell)

F F

4 5

7

A C

DE

B

3 6

1 2A

CB frei geschnitten

alle StabeLange l

45

Page 21: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

3 Statik

Auflager:

Fih = 0 = A

MiA = 0 = 2lC −l

2F → C =

F

4∑

Fiv = 0 = B + C − F → B = F − C =3

4F

Stabkrafte:

A: −

(A

B

)

= S3eAE + S1eAB = S3

(1

21

2

√3

)

+ S1

(10

)

bzw. A = 0 =1

2S3 + S1

−B = −3

4F =

1

2

√3S3 → S3 = −

√3

2F → S1 =

√3

4F

C: −

(0C

)

= S2eCB + S6eCD = S2

(−10

)

+ S6

(− 1

21

2

√3

)

bzw. 0 = −S2 −1

2S6

−C = −F

4=

1

2

√3S6 → S6 = −

√3

6F → S2 =

√3

12F

E: −

(0

−F

)

=

bekannt︷ ︸︸ ︷

S3eEA +S4eEB + S7eED

(0F

)

= −

√3

2F

(− 1

2

− 1

2

√3

)

+ S4

(1

2

− 1

2

√3

)

+ S7

(10

)

bzw. −

√3

4F =

1

2S4 + S7

1

4F = −

1

2

√3S4 → S4 = −

√3

6F → S7 = −

√3

6F

D:

(00

)

= S5eDB +

bekannt︷ ︸︸ ︷

S6eDC +

bekannt︷ ︸︸ ︷

S7eDE

= S5

(− 1

2

− 1

2

√3

)

√3

6F

(1

2

− 1

2

√3

)

√3

6F

(−10

)

bzw.1

2

√3S5 =

1

4F S5 =

√3

6F

46

Beispiel Ebenes Fachwerk (skalar)

Die nicht verwendete Gleichung von Knoten D und die beiden, die sich anKnoten B ergeben wurden, konnen zur Kontrolle verwendet werden. Sieliefern keine neue Aussage.

Bei raumlichen Fachwerken ist es auf jeden Fall ratsam, die Losung mit Hilfeder Vektorrechnung zu suchen, wie es im vorangegangenen Beispiel vorgefuhrtwurde. Bei ebenen Aufgabenstellungen (das Beispiel ist eines) kann man dasProblem auch anschaulicher losen, indem man jeden Knoten frei schneidet, alleunbekannten Stabkrafte als Zugkrafte und alle Lasten und Reaktionskrafte soeinzeichnet, wie sie wirken. Auf diese Art kann man die skalaren Gleichungenin horizontaler und vertikaler Richtung sofort ablesen.

Beispiel Ebenes Fachwerk (skalar)

Dasselbe Fachwerk, dieselbe Belastung d.h. dieselben Auflagerkrafte. Nach

wie vor: sin 30 = cos 60 = 1

2, sin 60 = cos 30 =

√3

2,

34F

S1

S3

Knoten A:∑

Fiv = 0 =

√3

2S3 +

3

4F → S3 = −

√3

2F

Fih = 0 = S1 +1

2S3 → S1 =

√3

4F

S7

S4√3

2 F

F Knoten E:∑

Fiv = 0 =

√3

2S4 + F −

√3

2F

√3

2→ S4 = −

√3

6F

Fih = 0 = S7 +1

2S4 +

√3

2F

1

2→ S7 = −

√3

6F

S6

S2

14F

Knoten C:∑

Fiv = 0 =1

2

√3S6 +

1

4F → S6 = −

√3

6F

Fih = 0 = S2 +1

2S6 → S2 =

√3

12F

√3

6 F

√3

6 F

S5

Knoten D:∑

Fiv = 0 =

√3

2S5 +

√3

6F

√3

2→ S5 =

√3

6F

47

Page 22: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

3 Statik

3.4.1 Der Ritterschnitt

Manchmal geht es darum, nur in bestimmten Staben eines Fachwerks die Stab-krafte zu ermitteln; z.B. wenn die Vermutung besteht, dass sie uberflussig, weilNullstabe sind. Dann hilft ein Schnitt durch das Fachwerk, der drei Stabe teilt.Die freigelegten Schnittkrafte mussen mehr als einen Schnittpunkt haben. Soein Schnitt heißt Ritterschnitt und die Schnittpunkte Ritterpunkte. Nimmt mannacheinander die Ritterpunkte als Bezugspunkte fur Momentengleichgewichte,entstehen Bestimmungsgleichungen fur die unbekannten Stabkrafte.

Beispiel Ritterschnitt

l2

√3

S7

F

3

4F

1

4F

B

l1

4F

Wie groß ist die Stabkraft im Obergurt des dargestellten Fachwerks?

MiB =l

2

√3S7 +

F

4= 0 → S7 = −

√3

6F

3.4.2 Raumliche Fachwerke

Bei raumlichen Fachwerken sind die notigen Einheitsvektoren in Richtung derStabe nicht so einfach zu bestimmen wie bei ebenen Fachwerken, z.B. als Kosinusund Sinus von gegebenen Winkeln. Hier bieten sich die Fachwerk-Knoten an,deren Ortsvektoren bezuglich eines gewahlten Koordinatensystem eindeutig ausder Aufgabenstellung bekannt sind. Die Differenzvektoren von einem Knotenzum nachsten gehen entlang der Stabe, haben also die richtige Richtung: Sie

48

Page 23: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Raumliches Fachwerk (vektoriell)

mussen nur noch in Einheitsvektoren verwandelt werden, indem man sie durchihre Lange teilt.

eAB =dAB

|dAB|, dAB = rB − rA

An jedem einzelnen Knoten muss das Gleichgewicht der Krafte (3.16) erfulltsein. Diese Vektorgleichungen werden anschließend komponentenweise ausge-wertet.

Beispiel Raumliches Fachwerk (vektoriell)

x

x

z

y

22

21

1 2

6

Ein Dreibein steht auf den Punkten r1 = (−1,−1,−4),r2 = (2, 0,−6) und r3 = (−1, 2,−2) (s. Seitenansichtund Draufsicht in der Skizze). Alle Langen messen sichin [m] und beziehen sich auf ein kartesisches Koordina-tensystem an der Spitze des Dreibeins.

Das Dreibein tragt das Gewicht G = (0, 0,−G). Wiegroß sind die Stabkrafte in den drei Beinen?

S1 + S2 + S3 + G = 0 → S1e1 + S2e2 + S3e3 =

00G

e1 =r1

|r1|=

1√

1 + 1 + 16

−1−1−4

=

√2

6

−1−1−4

e2 =r2

|r2|=

1√

4 + 0 + 36

20−6

=

√10

20

20−6

e3 =r3

|r3|=

1√

1 + 4 + 4

−12−2

=1

3

−12−2

→ S1

√2

6

−1−1−4

+ S2

√10

20

20−6

+ S3

1

3

−12−2

=

00G

49

3 Statik

bzw. −

√2

6S1 +

√10

10S2 −

1

3S3 = 0 (G1)

√2

6S1 + 0 +

2

3S3 = 0 (G2)

− 2

√2

3S1 − 3

√10

10S2 −

2

3S3 = G (G3)

2(G1) + (G2) : −

√2

2S1 +

√10

5S2 = 0 (G4)

(G2) + (G3) : −5

√2

6S1 − 3

√10

10S2 = G (G5)

3(G4) + 2(G5) : S1 = − 6

19

√2G (G6)

(G6) → (G4) : S2 = − 3

19

√10G , (G6) → (G2) : S3 = − 3

19G

3.5 Schnittlasten in Linientragwerken

Das am haufigsten verwendete Modell, mit dem man in der Mechanik realeKorper idealisiert, ist der Balken, der in den meisten Fallen gerade ist und sichvor allem in einer Richtung wesentlich weiter ausdehnt als in den Richtungenquer dazu. Andere linienhafte Modellkorper sind Stab, Seil und Bogen. Einenaus solchen linienhaften Teilen zusammengesetzten Korper nennt man ein Li-

nientragwerk.

Andere Modelle, die in diesem Rahmen nicht behandelt werden, sind Flachen-

tragwerke, deren Teilkorper sich, wie der Name schon andeutet, in zwei Rich-tungen, also flachig sehr viel weiter ausbreiten, als in der dritten. Je nach Formund Belastung unterscheidet man hier Membran, Scheibe, Platte und Schale.

3.5.1 Vereinbarungen zu Balken, Staben und Bogen

Ein Balken wird beschrieben durch die Geometrie seiner Mittellinie s und denVerlauf seines Querschnitts A(s) entlang der Mittellinie, die bei geraden Balkenauch Balkenachse heißt.

50

Page 24: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Exzenterwelle

Die Mittellinie ist definiert als die Verbindung aller Flachenschwerpunkte; s isteine Koordinate, die die Mittellinie entlanglauft. Im Fall eines geraden Balkensstimmt sie mit der x-Koordinate eines orthonormalen Koordinatensystems uber-ein, das fur jeden Balkenabschnitt eingefuhrt wird.

Beispiel Exzenterwelle

x3

z3

x2

z2

x1

z1

d1

d2

Der Balken hat zwei Bereiche, in denen der Querschnitt A1 = πd2

1/4 und

A2 = πd2

2/4 ist.

Die Balkenachse macht zwei Sprunge. Damit wird es notwendig, dreiAbschnitte zu definieren und dafur geeignete Koordinatensysteme ein-zufuhren. Das kann in jeden Abschnitt eine neues sein, oder man nimmteine fortlaufende x-Koordinate und fur jeden Abschnitt eine unterschied-liche z-Koordinate. Eine durchlaufende x-Koordinate kann manchmal re-chentechnische Vorteile bringen.

3.5.2 Schnittkrafte und Schnittmomente

Wendet man das Schnittprinzip auf eine beliebige Stelle des Balkens an, dannzerteilt man damit den Korper in zwei Teilkorper und hat an den beiden Schnitt-

ufern jeweils eine Kraft R(s) und ein Moment M (s) einzufuhren, die als Resul-tierende die Stelle aller am anderen Teilkorper angreifenden Lasten vertreten.Das Schnittufer, aus dem die Koordinate hinaustritt, ist das positive Schnittufer.Dementsprechend ist das gegenuberliegende das negative Schnittufer.

Es gibt eine ahnliche Konvention wie bei Fachwerken: Am positiven Schnittu-fer werden die unbekannten Komponenten von R und M so eingefuhrt, dasssie in positive Koordinatenrichtung zeigen. Am gegenuberligenden negativenSchnittufer gilt es anders herum.

51

3 Statik

Die Schnittkraft R(s) hat ebenso wie das Schnittmoment M(s) drei Komponen-ten, gemessen in einem an der Schnittstelle eingefuhrten orthonormalen Koor-

dinatensystem. Die drei Achsen dieses Koordinatensystems zeigen bei krumm-

linigen Balken in Richtung der Balkenachse (darunter versteht man hier dieTangente an die Mittellinie) es, in Richtung des Radius des Krummungskreises

eb und senkrecht dazu en (s. Kap 5.6).

R(s) = Nes + Qnen + Qbeb

M (s) = Mtes + Mnen + Mbeb

Das Symbol N statt eines Rs und der Begriff Normalkraft haben sich ein-geburgert, weil diese Kraftkomponente entlang der Balkenachse, also senkrecht(normal) zur Schnittflache wirkt. Der Buchstabe Q kommt von quer. Die beidenso bezeichneten Kraftkomponenten heißen Querkrafte. Eine ahnliche Erklarunggibt es fur die Momentenkomponente Mt, die entsprechend ihrer Wirkung aufden Balken Torsionsmoment genannt wird. Die beiden anderen Großen heißenBiegemoment.

Bei geraden Balken ist der Einheitsvektor es mit ex identisch. Es gibt keinenKrummungsradius. Der wird aber auch nicht gebraucht, weil mit ey und ez

schon zwei Einheitsvektoren gegeben sind, die senkrecht zur Balkenachse stehen.

R(x) = Nex + Qyey + Qzez (3.17)

M (x) = Mtex + Myey + Mzez (3.18)

Im ebenen Fall (Ebene x, z) wird es noch etwas einfacher, da sich hier die sechsSchnittgroßen auf drei reduzieren.

R(x) = Nex + Qzez (3.19)

M(x) = Myey (3.20)

Da es hier nicht mehr notwendig ist, zwischen verschiedenen Q und M zu un-terscheiden, fallen meistens auch die Indizes y und z weg.

52

Page 25: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Balken auf zwei Stutzen

Beispiel Balken auf zwei Stutzen

a 2a

F

x

C = 1

3F

B = 2

3F

z

A = 0

F

Nachdem die Auflager berechnet sind: (A = 0, B = 2

3F und C = 1

3F ),

wird der Balken an einer beliebigen Stelle x geschnitten. Dadurch entste-hen zwei Teilsysteme, an deren Schnittufer die unbekannten Schnittgroßenangetragen werden. Offensichtlich ergibt sich bei den entstehenden Teilsy-stemen ein Unterschied, je nachdem, ob der Schnitt links oder rechts derEinzelkraft angreift.

Jedes Teilsystem bleibt in Ruhe, d.h. es muss fur sich genommen dieGleichgewichtsbedingungen erfullen. Die reichen bei statisch bestimm-ten Systemen immer aus, die 6 (bei ebenen Problemen 3) unbekanntenSchnittgroßen zu bestimmen. Dabei ist es unerheblich, ob man die Gleich-gewichtsbedingungen an dem Teilsystem mit dem positiven oder an demmit dem negativen Schnittufer anschreibt. Anzuraten ist immer das ein-fachere.

F

x

F

x2

3F 2

3F

1

3F

1

3F

Bereich a < x < 3a

pos.

neg.

M

M

N

Q

Bereich 0 < x < a

neg.

pos.

M

M

N

Q

N

Q

N

Q

53

3 Statik

Bereich 0 < x < a, positivesSchnittufer

Fix = 0 = N

Fiz = 0 = Q −2

3F

MiS = 0 = M −2

3Fx

Bereich a < x < 3a, negativesSchnittufer∑

Fix = 0 = N

Fiz = 0 = Q +1

3F

MiS = 0 = M − (3a − x)1

3F

N

Q

M

0

+-

+

F

2

3Fa

Die grafische Darstellung der Ergebnissebeider Bereiche nebeneinander zeigt einenSprung von Q um den Betrag der Einzelkraftan der Einleitungsstelle. An derselben Stel-le hat der Momentenverlauf einen Knick undden betragsmaßig großten Wert. An den Ein-spannstellen muss der Momentenverlauf ver-schwinden, da keines der Auflager in der Lageist, ein Moment aufzubringen.

Wenn das vorangegangene Beispiel zeigt, dass jede Einzellast (Kraft oder Kraf-tepaar = Moment), die auf ein Linientragwerk aufgebracht wird, eine weitereBereichsgrenze bedeutet, so ist das Gleiche fur Knicke in der Balkenachse of-fensichtlich, weil keine Koordinate gleichzeitig in zwei Richtungen zeigen kann.Ein Knick bedeutet ein neues Koordinatensystem, ein neues Koordinatensystemfangt einen neuen Bereich an.

Beispiel Abgewinkelter Balken

Ein abgewinkelter Balken auf zwei Stutzen mit Einzelkraft.

F

Cl

l2

F

B

A

x1

z1

x2

z2

54

Page 26: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Abgewinkelter Balken

Auflagerberechnung:

i

Fih = 0 = A − F → A = F

i

MiA = 0 = Fl

2+ Cl → C = −

F

2

i

Fiv = 0 = B + C → B =F

2

Schnittlasten Bereich I (0 < x1 < l):

F

1

2Fx1

F

1

2F

x2N1

Q1

M1

N1

Q1M1

l − x1

Linkes Teilsystem

Fix = 0 = N1 + F

→ N1 = −F∑

Fiz = 0 = Q1 −F

2

→ Q1 =F

2∑

MiS = 0 = M1 −F

2x1

→ M1 =F

2x1

Schnittlasten Bereich II (0 < x2 < l2):

l2− x2

N2

M2

M2

N2

Q2

Q2

x2F

1

2F 1

2F

FOberes Teilsystem

Fix = 0 = N2

Fiz = 0 = Q2 + F

→ Q2 = −F∑

MiS = 0 = M2 − F (l

2− x2)

→ M =l

2Fx

(

1 − 2x

l

)

55

3 Statik

Darstellung der Ergebnisse:

N

Q

M

−F 0

1

2F

−F

+ +

FL2

x1 x2

I II

3.6 Umgang mit Streckenlasten

Bisher wurde das Schnittprinzip zur Berechnung von Auflagerkraften und Schnitt-großen nur auf Korper angewendet, an denen Einzellasten angreifen. Das reichtfur alle Falle aus, bei denen die tatsachlich flachenhaft oder volumenhaft angrei-fenden Krafte in Form von Einzelkraften und Einzelmomenten idealisiert undzusammengefasst werden konnen.

In anderen Worten: Hier wird das komplizierte Kraftsystem flachenhaft odervolumenhaft angreifender Krafte durch die resultierende Kraft ersetzt. Ihr An-griffspunkt wird so gewahlt, dass ein aquivalentes Kraftsystem entsteht (Kap.2.4). Eine spezielle Anwendung dieses Gedankens wurde bei der Schwerpunkts-berechnung vorgestellt (Kap. 2.6). Hier war die volumenhaft angreifende Kraft

k = gρ(r) eg ;r = (x, y, z) Ortsvektor

eg Richtungvektor

Erdbeschleunigung

Andere Ursachen fur volumenhaft angreifende Krafte sind elektromagnetischeFelder oder Fliehkraftwirkungen an rotierenden Bauteilen.

Volumenhaft angreifende Krafte werden bezogen auf eine Volumeneinheit ange-geben. Im allgemeinen Fall haben sie drei Komponenten, die jede fur sich vom

56

Page 27: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

3.6 Umgang mit Streckenlasten

Ort abhangen konnen.

r kk =

(

kx(x, y, z), ky(x, y, z), kz(x, y, z))

Ahnliches gilt fur flachenhaft angreifende Krafte, die bezogen auf eine Flachen-einheit angegeben werden (z.B. Wasser- und Winddruck).

Bei linienhaften Korpern ist die Ausdehnung in zwei Richtungen sehr klein imVergleich zur eigentlichen Ausdehnungsrichtung s. Deshalb ist es gerechtfertigt,anzunehmen, dass die volumenhaft und flachenhaft angreifenden Krafte nichtvon den beiden Quer-Richtungen abhangen.

r

k

s

k =(

kx(s), ky(s), kz(s))

Das eroffnet die Moglichkeit, die volumenhaft bzw. flachenhaft angreifendenKrafte entlang der Quer-Richtungen zu integrieren. Das Ergebnis sind Kraft-großen, die nur noch auf eine Langeneinheit bezogen sind. Solche Lasten, dieman bei Linientragwerken kennt (z.B. Eigengewicht), heißen Streckenlasten.Entsprechend der Modellvorstellung, dass der Balken zwar eine Querschnitts-

flache, aber keine Ausdehnung quer zur Balkenachse hat, ist die Angriffslinievon Streckenlasten q die Balkenachse.

q =(

n(s), qn(s), qb(s))

︸ ︷︷ ︸

gekrummter Balken

bzw. q =(

n(x), qy(x), qz(x))

︸ ︷︷ ︸

gerader Balken

Z. B. ist die Streckenlast, die das Eigengewicht eines horizontalen, geraden Bal-kens reprasentiert:

q = (0, 0, gρA(x)) ; A(x) : Querschnittsflache

57

3 Statik

Beispiel Balken unter Dreiecks-Last

A

Cxz

B ldx

q(x) = q1xq1l

An einem infinitesimal kurzen Balkenstuck dx an der Stelle x im Intervall[0, l] greift die Kraft q(x) dx an. Die Gesamtwirkung aller dieser Krafteberechnet sich aus dem Integral uber das gesamte Intervall.

MiB = 0 = Cl −

∫ l

0

xq(x) dx

→ C =q1

l

∫ l

0

x2 dx =q1

l

[x3

3

]l

0

= q1

l2

3

Fiz = 0 = B + C −

∫ l

0

q(x) dx

→ B + C = q1

∫ l

0

x dx = q1

[x2

2

]l

0

= q1

l2

2− C = q1

l2

6

Das Ergebnis fur B + C ist die Resultierende der Streckenlast. Wennman untersuchen wollte, an welcher Stelle die Resultierende hatte an-greifen mussen, um als aquivalente Belastung die Streckenlast bei derAuflagerberechnung zu ersetzen, ware als Ergebnis der Schwerpunkt derDreiecksflache herausgekommen.

Das im vorangegangenen Kapitel vorgestellte Verfahren zur Schnittgroßenbe-stimmung kann analog auf Systeme mit Streckenlasten ubertragen werden.

58

Page 28: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Schrag stehender Balken unter Eigengewicht

Beispiel Schrag stehender Balken unter

Eigengewicht

A

B C

q

n

entspricht:

q0

45

C

Schnittprinzip:

ξ

nl

q l2

zQ

N

M

qn

A

B

l

x

Auflager: Aus der Symmetrie der Belastung folgt:B = C = ql

2und A = nl mit n = q = 1

2

√2q0.

Schnittgroßen allgemein:

Im Bereich [0, x] wirken an der Stelle ξ die Krafte n dξ und q dξ, derenGesamtwirkung durch Integration uber das ganze Intervall zu berechnenist.

Fix = 0 = N + nl −

∫ x

0

n dξ → N = −q0√2(l − x)

Fiz = 0 = Q −ql

2+

∫ x

0

q dξ → Q =q0

2√

2(l − 2x)

MiS = 0 = M −ql

2x +

∫ x

0

(x − ξ)q dξ

→ M =ql

2x − qx

∫ x

0

dξ + q

∫ x

0

ξ dξ

M =q0

2√

2x(l − x)

Schnittgroßen mit Hilfe der Resultierenden:

Bei einfachen Funktionsverlaufen n und q (z.B. konstant) ist die Resul-tierende als Flacheninhalt einfach zu berechnen (z.B. nx bzw. qx). Der

59

3 Statik

Angriffspunkt der Resultierenden ist der Schwerpunkt der Flache (z.Bx/2)

Fix = 0 = N + nl − nx → N =q0√

2(l − x)

Fiz = 0 = Q −ql

2+ qx → Q =

q0

2√

2(l − 2x)

MiS = 0 = M −ql

2x + qx

x

2→ M =

q0

2√

2x(l − x)

Darstellung der Ergebnisse:

N

Q

M

1

2ql

−nl

− 1

2ql

1

8ql2

-

+

-

+

3.7 Zusammenhang zwischen den Schnittgroßen

Auf einen geraden Balken wirken die Streckenlasten

q = ( n(x), 0, q(x) )

An einem Stuck Balken, das mit zwei Schnitten an den Stellen x und x + 4x

herausgeschnitten wird, wirken an der Schnittstelle x, einem negativen Schnit-tufer, die Schnittgroßen M, Q und N . Am gegenuberliegenden Schnittufer, dasein positives Schnittufer ist, wirken die entsprechenden Großen, nur jeweils umeinen Betrag 4M,4Q,4N verandert. Das Stuck 4x soll so kurz sein, dass in-nerhalb von 4x die Verlaufe der Streckenlasten q und n als konstant angesehenwerden konnen.

60

Page 29: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

3.7 Zusammenhang zwischen den Schnittgroßen

z

x

n(x)

q(x) q(x)

n(x)

x4x

R

Q + 4Q

M + 4M

N + 4N

Q

N

M

Die Gleichgewichtsbedingungen ergeben fur das Balkenelement∑

Fix = 0 = −N + n(x)4x + N + 4N∑

Fiz = 0 = −Q + q(x)4x + Q + 4Q

MiR = 0 = −M − Q4x + q(x)4x4x

2+ M + 4M

R ist der Schnittpunkt der Balkenachse mit der rechten Schnittflache.

4x2

4x1

x

FDie Division durch 4x ergibt den Differenzenquotienten,der die Steigung einer Sekante durch Punkte (x|F (x)) und(x + 4x|F (x + 4x)) angibt (F : Stellvertreter fur N , Q

oder M). Die Sekanten-Steigung ist nicht sehr informativ,weil sie von der Große von 4x abhangt. Die anschließendeGrenzwertbildung (4x → 0) fuhrt aber zum Differenzial-quotienten, der die Steigung der Tangente an die Kurve imPunkt (x|F (x)) ist. Das ist ein eindeutiger Wert.

Man erhalt drei Differenzialgleichungen:

N ′ =dN(x)

dx= lim

4x→0

4N

4x= −n(x) (3.21)

Q′ =dQ(x)

dx= lim

4x→0

4Q

4x= −q(x) (3.22)

M ′ =dM(x)

dx= lim

4x→0

4M

4x= Q(x) (3.23)

Die formale Ableitung der letzten Gleichung (3.23) fuhrt unter Benutzung dervorletzten Gleichung (3.22) zu einer weiteren Beziehung, die spater noch Be-

61

3 Statik

deutung finden wird.

M ′′(x) = −q(x) (3.24)

Die Losung einer Differenzialgleichung vom obigen Typ (vgl. 3.21, 3.22, 3.23)kann man der Differenzialgleichung ablesen:

F ′ = f(x) (3.25)

heißt, man sucht die Funktion F , deren Ableitung f(x) ist. Das ist die sogenann-te Stammfunktion

∫f(x) dx, die man in ausfuhrlichen Integraltabellen findet.

Die Stammfunktion (s. Anhang A.4) ist aber nicht die einzige Funktion, diedie Bedingung der Differenzialgleichung erfullt. Jede Funktion, die sich von derStammfunktion nur durch eine Konstante unterscheidet, hat als Ableitung dasErgebnis f(x). Die formale Losung von (3.25) ist also

F =

Stammfunktion︷ ︸︸ ︷∫

f(x) dx +

Intergrationskonstante︷︸︸︷

C

was eine ganze Losungsschar darstellt. Die endgultige Losung gewinnt man,indem man versucht, Randbedingungen zu erfullen, z.B. an Auflagern und Ge-lenken, wo verschiedene Schnittgroßen den Wert 0 annehmen mussen.

Beispiel Gerbertrager

Fest eingespannter Gerbertrager unter trapezformiger Streckenlast.

llx

z

2q0 q0

q(x) = q0(2 − x2l

)Q′ = −

1

2q0

(

4 −x

l

)

Q = −1

4q0l

(

8x

l−

x2

l2

)

+ C1

M = −1

12q0l

2

(

12x2

l2−

x3

l3

)

+ C1x + C2

Randbedingungen:

M(0) = 0 = C2 → C2 = 0M(l) = 0 = − 11

12q0l

2 + C1l → C1 = 11

12q0l

62

Page 30: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Gerbertrager

Losung:

Q =1

12q0l

(

11 − 24x

l+ 3

x2

l2

)

M =1

12q0l

2x

l

(

11 − 12x

l+

x2

l2

)

Q = 0 wenn

(

11− 24xmax

l+ 3

x2

max

l2

)

, →xmax

l= 4 ±

37

3x1 max

l= 0.488 ∈ [0, 2] (Extremum von M)

x2 max

l= 7.51 6∈ [0, 2]

→ M lokal

max= M(0.488l) = 0.2188q0l

2, M relativ

max= M(2l) = −1.5q0l

2

Besondere Werte (Auflagerreaktionen)

Q(0) =11

12q0l ; linkes Auflager

Q(l) = −10

12q0l Gelenkkraft

Q(2l) = = −25

12q0l ; rechtes Auflager

Grafische Darstellung

Q

M

+

-

− 3

2q0l

2

0.2q0l2

− 25

12q0l

− 10

12q0l

11

12q0l

0.48l

63

Page 31: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

3 Statik

3.7.1 Tipps und Tricks

Die zuvor hergeleiteten Differenzialgleichungen (3.21 - 3.23) liefern einige Kon-trollmoglichkeiten, wenn nicht gar Losungswege bei der Berechnung von Lini-

entragwerken.

Kontrolle der Ergebnisse

a) In aller Regel ist die Streckenlast q, wenn uberhaupt vorhanden, einfach,z.B. konstant oder linear. Aus q = konst folgt:

q = konstz.B.= 0 → Q = linear → M = quadratisch

entsprechend gilt

q = linear → Q = quadratisch → M = kubisch

undn = konst → N = linear

b) Ein Sprung in q bedeutet einen Knick in Q.

c) Ein Sprung in Q bedeutet einen Knick in M .

d) Ein Nulldurchgang von q (auch als Sprung) bedeutet einen Extremwertbei Q, ebenso bedeutet

e) ein Nulldurchgang von Q (auch als Sprung) einen Extremwert bei M .

Einfluss von Einzelkraften und Momenten

Am Balkenelement der Lange 24x greift ander Stelle x die Einzelkraft Fz an, die sehr vielgroßer ist als die Resultierende einer eventu-ell vorhandenen Streckenlast 2q4x. (Die Kraftwird in positiver z-Richtung gezahlt.) Da derAngriffspunkt der Kraft keine Ausdehnunghat, kann 4x beliebig klein werden.

Fz

Q(x + 4x)

24x

Q(x −4x)

z

x

lim4x→0

Q(x + 4x)

︸ ︷︷ ︸

Q+

= lim4x→0

Q(x −4x)

︸ ︷︷ ︸

Q−

− lim4x→0

2q4x

︸ ︷︷ ︸

=0

−Fz

→ Q+ = Q− − Fz

64

Beispiel Gerbertrager

(Die Bezeichnungen Q+ und Q− bedeuten die Querkraft am positiven (+) undnegativen (−) Schnittufer des Balkenelements, an dem Fz angreift.)

Fur eine Einzelkraft in Richtung der Balkenachse gilt entsprechend:

N+ = N− − Fx

und dasgleiche gilt fur ein in positiver Richtung drehendes außeres Einzelmo-

ment Ma

M+ = M− − Ma

Das kann einerseits der Kontrolle von Ergebnissen dienen, die mit dem Schnitt-prinzip gewonnen wurden, oder es entstehen auf diese Art und Weise an denStellen, an denen Einzelkrafte und -Momente eingeleitet werden, die Ubergangs-bedingungen, die man braucht, um die entstandenen Integrationskonstanten zubestimmen, wenn die Losung von den Differenzialgleichungen abgeleitet wurde.

Dabei fallt auf, dass bei einem Durchlauftrager (das ist ein Balken ohne Knicke)in allen Bereichen dieselbe Differenzialgleichung integriert wird, weil die vorge-schriebene Streckenlast q(x) fur die gesamte Lange gilt. D.h. in allen Bereichenentstehen ahnliche Losungen, die sich nur durch die unterschiedlichen Integrati-onskonstanten unterscheiden. Dafur gibt es die Ubergangsbedingungen, s.o. Esgeht aber auch einfacher:

Foppl-Systematik Nach einer Idee von August Foppl, 1854-1924, definiertman Hilfe einer speziellen (Foppl)-Klammer Funktionen in einem Bereich x > a,die in dem Bereich x < a nicht existieren, weil die Definition heißt:

〈x − a〉n =

0 wenn x < a

(x − a)nwenn x ≥ a

, n ≥ 0 (3.26)

Die Integration einer Foppl-Klammer folgt der Fallunterscheidung, die die obigeDefinition vorschreibt.

〈x − a〉n dx =

∫0 dx = 0 ; x < a

∫(x − a)n =

(x − a)n+1

n + 1 ; x ≥ a

=〈x − a〉n+1

n + 1

Damit kann man in die Losung einer Differenzialgleichung Sprunge einbauen,wie sie z.B. an der Stelle x = xF bei der Querkraft durch die Einleitung ei-ner Einzelkraft F erzeugt wird: Die an der Krafteinleitungsstelle xF geltendeSprungbedingung Q+ = Q− − F (s.o.) heißt mit Foppl-Klammer ausgedruckt:

Q(x) =

q(x) dx

︸ ︷︷ ︸

Stammfunktion

+ C︸︷︷︸

Integrationskonstante

−〈x − xF 〉0F

65

Page 32: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

3 Statik

Weil 00 = 0, aber (w 6= 0)0 = 1 ist, funktioniert die Foppl-Klammer hier wieein Schalter.

Beispiel Durchlauftrager (Foppl-Systematik)

F F F

a a a a

Ein Durchlauftrager tragt in gleichen Abstanden drei gleich große Einzel-krafte F . Wie ist der Momentenverlauf?

Q′(x) = −q(x)hier= 0

→ Q(x) = C1 − 〈x − a〉0F − 〈x − 2a〉0F − 〈x − 3a〉0F

M ′(x) = Q(x)

→ M(x) = C1x − 〈x − a〉1F − 〈x − 2a〉1F − 〈x − 3a〉1F + C2

Randbedingungen:M(0) = 0 = C10 − 〈0 − a〉1

︸ ︷︷ ︸

0

F − 〈0 − 2a〉1︸ ︷︷ ︸

0

F − 〈0 − 3a〉1F︸ ︷︷ ︸

0

+C2

→ C2 = 0M(4a) = 0 = C14a − 〈4a − a〉1

︸ ︷︷ ︸

3a

F − 〈4a − 2a〉1︸ ︷︷ ︸

2a

F − 〈4a − 3a〉1︸ ︷︷ ︸

a

F

→ C1 = 3

2F

2Fa

M

3

2Fa 3

2Fa

Vereinfachung durch zusatzliche Schnitte Bei komplizierten Linientragwer-

ken mit vielen außeren Kraften und Momenten erreicht man eine Vereinfachung,wenn man zusatzlich zu dem Schnitt an der Stelle, an der die Schnittgroßen be-rechnet werden sollen, noch weitere Schnitte fuhrt an Stellen, wo die Losungschon bekannt ist. An den entstandenen positiven oder negativen Schnittuferndes betrachteten Teilkorpers werden die bekannten Schnittgroßen vorzeichenge-treu angetragen.

66

Beispiel Verzweigtes Balkensystem

Beispiel Verzweigtes Balkensystem

z3

F

F

F

I II

III IV

V

x1z1 x2

z2

F

x3

Ein doppel-T-formiges Balkensystem istdurch außere Lasten und daraus folgen-den Auflagerreaktionen belastet (s. Skiz-ze). Die einzelnen Bereiche sind jeweils a

lang.

Bereich I:

F

x1

Q

N

z1 M

N1(x1) = 0

Q1(x1) = F, Q(a) = F

M(1x1) = Fx1, M(a) = Fa

Bereich II:

x1

z1

2aM

N

Q

FN2(x1) = 0

Q2(x1) = F, Q(a) = F

M2(x1) = −F (2a− x1), M2(a) = −Fa

Bereich III:

x3

z3

F

Q

N

M

a + x3

N2(x3) = 0

Q2(x3) = −F, Q(a) = −F

M2(x3) = −F (a + x3), M3(0) = −Fa

Bereich IV:

x3

z3

MN

Q

F

a

N4(x3) = 0

Q4(x3) = −F, Q(a) = −F

M4(x3) = F (a − x3), M4(0) = Fa

67

Page 33: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

3 Statik

Bereich V:

Fa

Fa

F

Fx2

QN

M

N5(x2) = 0

Q5(x2) = 0

M5(x2) = 2Fa

Dieses Vorgehen lohnt sich besonders bei einem Knick in der Balkenachse, alsowenn zwischen der Balkenkoordinate x1 und der Balkenkoordinate x2 zweieraufeinander folgender Abschnitte ein Winkel α ist.

Bereich IBereich II

α N2

Q2

M2

+Q1 cosα

N1 cosα−Q1 sin α

N1 sin α

x2

M1

Q2

N2

M2

Q1

z2

N1

M1

x2

Fur einen Winkel von α = 90 heißt das, dass die Normalkraft des vorange-gangenen Abschnittes die Querkraft des folgenden Abschnittes wird, und dienegative Querkraft des vorangegangenen Abschnittes wird die Normalkraft desfolgenden.

68

Page 34: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

4 Das besondere Auflager – die

Haftreibung

Die beiden bisher eingefuhrten Lager (Festlager und Gleitlager) sind Ideali-sierungen. Das eine halt beliebig große Krafte aus, das andere ist reibungsfrei.Tatsachlich aber sind alle technisch realisierbaren Lager begrenzt in der Aufnah-me von Kraften und Reibung ist uberall. Es deutet sich hier die Notwendigkeitan, die beiden bisherigen Lageridealisierungen um eine dritte zu erweitern, dieallerdings auch wieder eine Idealisierung ist:

Bis zu einer gewissen Grenze verhalt sich die Lagerung wie ein Fest-

lager. Ist die Grenze uberschritten, dann gibt das Lager in einergeometrisch vorgegebenen Gleitebene, der Kontaktflache nach.

Man beobachtet diesen Fall bei einem Klotz auf einer geneigten rauen Ebe-ne. Bei Neigungswinkeln α, deren Betrage unter einem bestimmten, von derBeschaffenheit der in Kontakt stehenden Oberflachen abhangigen Wert αmax

bleiben, bleibt der Klotz ruhig liegen. Bei betragsmaßig großeren Neigungswin-kel gleitet er ab. An der Kontaktflache beider Korper (Klotz und Ebene) wirktnaturlich ein kompliziertes, ortsabhangiges Kraftsystem aus flachenhaft verteiltwirkenden Kraften. Zur Vereinfachung der Uberlegungen wird im weiteren nurnoch die Resultierende davon betrachtet, die in eine Komponente N senkrechtzur Kontaktflache und eine zweite, in der Kontaktflache liegende KomponenteH hat. Diese Zusammenfassung und Zerlegung ist an jeder Stelle moglich, ander ein Korper in Reibkontakt mit einem anderen steht. Die Symbole N und H

kommen von den Begriffen Normalkraft und Haftkraft. Bei diesem Beispiel ist:

69

4 Das besondere Auf lager – die Haftreibung

g

α

S

G

N

H

NH

i

Fin = 0 = N − G cosα normal zur

i

Fit = 0 = H − G sin α tangential zur Kontaktflache

Die Erfahrung zeigt, dass die maximale Haftkraft in guter Naherung als pro-portional zur Normalkraft angenommen werden kann. Dem entspricht das Cou-

lombsche Reibgesetz.

|Hmax| ∼ N

bzw. |Hmax| = µ0N ; fur N ≥ 0

oder als Ungleichung |H | ≤ µ0N (4.1)

Die Einschrankung N ≥ 0 setzt als Konvention die Einfuhrung von N alsstutzende Druckkraft auf jeden Teilkorper voraus. N < 0 wurde dann Kontakt-

verlust bedeuten. Der Proportionalitatsfaktor µ0 heißt Haftreibungskoeffizient.Er

ist abhangig von der Materialpaarung und der Oberflachenbeschaffenheit.

Materialpaarung Haftreibungs- Gleitreibungs-

koeffizient koeffizient

µ0 µ

Stahl - Stahl 0.15− 0.5 0.1− 0.4Stahl — Grauguss 0.2 0.1

Grauguss — Bronze 0.28 0.16Stahl — Eis 0.03 0.015

Leder — Metall 0.4 0.3Holz — Stahl 0.5 0.15Holz — Holz 0.5 0.3

Gummi — Asphalt 0.7−−0.9 0.5−−0.8Ski — Schnee 0.1−−0.3 0.04−−0.2

70

Page 35: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Stehende Leiter

Die Haftkraft H ist wie die Normalkraft N eine Reaktionskraft, sie wird wiejede andere Auflagerreaktion behandelt. Ihr Ergebnis muss die Haftbedingung(4.1) erfullen. Tut es das nicht, dann ist das System nicht im Gleichgewicht unddie beiden Korper gleiten an der Kontaktstelle mit der Relativgeschwindigkeit

v gegeneinander ab (Kap. 5.3.1). Vorweg genommen sei hier die Tatsache, dassin diesem Fall an der Kontaktstelle eine Gleitreibungskraft R entgegen derGeschwindigkeit v wirkt.

R = −µN sgn(v) sgn(x) =

1 ; x > 00 ; x = 0−1 ; x < 0

vgl.(5.5)

Beispiel Stehende Leiter

G

N

H

A

µ0

h

x

b

G Eine gewichtslose Leiter steht aneiner glatten Wand

(µ0W = 0 : Gleitlager)und auf rauem Boden (µ0B = µ0).

Sie ist durch eine vertikale Einzel-kraft G in der Entfernung x vonder Wand belastet. Fur welches x

ist die Haftbedingung verletzt?

i

Fiv = 0 → N = G

i

MiA = 0 = Gx − Nb + Hh → H =G

h(b − x) ; mit 0 < x < b

Haftbedingung: |H | =G

h(b − x) ≤ µ0N = µ0G

→b

h−

x

h≤ µ0 →

x

h≥

b

h− µ0

Der Kunstgriff, die Wand als glatt zu bezeichnen, um nicht zu einem statisch

uberbestimmten System zu kommen, wird beim nachsten Beispiel ebenfalls an-gewandt.

71

4 Das besondere Auf lager – die Haftreibung

Beispiel Spannzwinge

Wie ist die Geometrie des beweglichen Teils einer Spannzwinge auszule-gen, dass die Zwinge halt?

a c a ac c

b

Kontaktstelle 2

2: Haften

1

2N

NH

F F FN

N

HKontaktstelle 1

1: Gleiten2: Gleiten1: Haften

Aus der Summe der horizontalen Krafte folgt, dass die Normalkrafte inbeiden Kontaktstellen gleich groß sein mussen, wie schon in der Skizzevermerkt. Aus der Summe der vertikalen Krafte folgt: H = F .

Fall 1:

i

Mi2 = 0 = Fc − Nb → N = Fc

b

Fall 2:

i

Mi1 = 0 = F (c + a) − Nb → N = Fc + a

b

Haftbedingung:|H | = F ≤

µ0F

cb

Fall 1

µ0Fc+a

bFall 2

Fall 1 ist der ungunstigere Fall, damit wird er zur Messlatte:

H = F ≤ µ0Fc

b→ b ≤ µ0c

Ein mehr akademisches Beispiel scheint das folgende zu sein. Der Keil gehortaber, wie das Rad, zu den klassischen Erfindungen der Menschheit. Der Keilder Neuzeit ist die Schraube.

72

Page 36: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Zwei Keile

Beispiel Zwei Keile

K

F

NH

F

K

N

H

K

F

K

α

F

Das Gesamtsystem ist im Gleichgewicht. Fur die Teilsysteme muss dasGleiche gelten. Daraus folgt:

Fit = 0 = H − F cosα − K sin α∑

Fin = 0 = N − F sin α + K cosα

Der Winkel α hat nur sinnvolle Werte zwischen 0 und 90. In diesemBereich sind sin α und cosα und damit auch tan α positiv.

Haftreib-Bedingung : |H | ≤ µ0N

|F cosα − K sinα| ≤ µ0(F sin α + K cosα)

bzw. |F − K tanα| ≤ µ0(F tan α + K) (4.2)

Will man die Ungleichung (4.2) in eine Aussage fur F verwandeln, mussman zwei Falle unterscheiden

1. : F > K tan α → |F − K tan α| = F − K tan α

(4.2) : F ≤ Ktan α + µ0

1 − µ0 tanα

2. : F < K tan α → |F − K tan α| = K tan α − F

(4.2) : F ≥ Ktan α − µ0

1 + µ0 tanα

die man wieder zusammen fuhren kann. Gleichgewicht ist gesichert, wenndas Verhaltnis F/K eine untere und eine obere Schranke einhalt:

tan α − µ0

1 + µ0 tan α≤

F

K≤

tan α + µ0

1 − µ0 tan α(4.3)

73

Page 37: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

4 Das besondere Auf lager – die Haftreibung

Wenn man die Reibzahl µ0 als Tangens eines Winkels ρ0 (s. A.1.1) in einemrechtwinkligen Dreieck interpretiert, in dem die Krafte N und H aus der Haft-reibbedingung die Katheten sind, hat man den sogenannten Reibungswinkel

bzw. den Reibungskegel eingefuhrt. (Krafte, die innerhalb des Reibungskegels(±ρ0) in ein Haftreibungslager eingeleitet werden, erfullen die Haftbedingung.)

Bei der letzten Ungleichung (4.3) erlaubt der Reibungswinkel, bzw. sein Tangens(tan ρ0 = sin ρ0/ cos ρ0) noch eine weitere Umformung.

tanα − tan ρ0

1 + tan ρ0 tanα≤ F

K≤

tan α + tan ρ0

1 − tan ρ0 tan α

→ tan(α − ρ0) ≤FK

≤ tan(α + ρ0)

(Die letzte Umformung benutzt die Additionstheoreme fur trigonometrischeFunktionen, s. Kap. A.1.2.)

Wenn α < ρ0 ist, ist die oben stehende Bedingung sogar fur F = 0 erfullt, undsei K auch noch so groß. Diesen Effekt nennt man Selbsthemmung. Er wird beiBefestigungsschrauben und Transport-Spindeln (Z.B. Wagenheber) benutzt.

4.1 Seilreibung

Die Erfahrung zeigt, dass ein um einen Zylinder geschlungenes Seil einer sehrgroßen Zugkraft S1 Widerstand leistet, bevor es nachrutscht, auch wenn amanderen Ende nur eine kleine Zugkraft gegen halt.

S2

S1

dH

S

φ

dNS + dS

1

2dφ

1

2dφ

Ein kleiner Ausschnitt der Umschlingung schließt den Winkel dφ ein. Nimmtman die Winkelhalbierende dieses Winkel als Symmetrielinie fur das freige-

74

4.1 Seilreibung

schnittene Seilstuck, bilden die Seilkrafte an beiden Schnittufern mit der Hori-zontalen jeweils den Winkel dφ/2, wobei sich die Seilkraft am positiven Schnit-tufer um eine kleine Anderung dS von der am negativen Schnittufer unterschei-det. Die Normalkraft dN , mit der die Zylinderwandung das Stuck Seil stutzt,ist

dN = (S + dS) sindφ

2+ S sin

2= (2S + dS) sin

2(4.4)

Die Haftreibkraft folgt aus der Summe der horizontalen Krafte als

dH = (S + dS) cosdφ

2− S cos

2= dS cos

2(4.5)

Die beiden Kreisfunktionen lassen sich naherungsweise durch eine abgebrocheneTaylorreihe ausdrucken. Eine Taylorreihe approximiert eine gegebene Funktionin der Umgebung der Stelle x0, um die sie entwickelt wird. Je mehr Termebenutzt werden, umso genauer ist die Approximation. (Die Bezeichnung n!, dieim Folgenden benutzt wird, bedeutet n-Fakultat und wird als Produkt 1·2·3 · · ·nberechnet. 0! ist per definitionem 1.)

f(x) = f(x0) +1

1!f ′(x0)(x − x0) +

1

2!f ′′(x0)(x − x0)

2 +

+1

3!f ′′′(x0)(x − x0)

3 +1

4!f ′′′′(x0)(x − x0)

4 + . . .

z.B. sin(x) entwickelt um x0 = 0

sin(x) = sin(0) +1

1!cos(0)x −

1

2!sin(0)x2 −

1

3!cos(0)x3 +

+1

4!sin(0)x4 +

1

5!cos(0)x5 ± . . .

≈ x −1

3!x3 +

1

5!x5 ± . . .

z.B. cos(x) = cos(0) −1

1!sin(0)x −

1

2!cos(0)x2 +

1

3!sin(0)x3 +

+1

4!cos(0)x4 −

1

5!sin(0)x5 ± . . .

≈ 1 −1

2!x2 +

1

4!x4 ± . . .

Das vereinfacht die obigen Gleichungen (4.4,4.5), zumal das Argument dφ

2in-

finitesimal klein ist, so dass hohere Potenzen davon oder Produkte mit anderen

75

Page 38: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

4 Das besondere Auf lager – die Haftreibung

infinitesimal kleine Großen vernachlassigbar sind.

dN = (2S + dS)dφ

2= S dφ +

vernachlassigbar︷ ︸︸ ︷

1

2dS dφ

dH = dS

Die Haftbedingung, die jedes fur Stuck Seil erfullt werden muss, ist:

| dH | = | dS| < µ0 dN = µS dφ

Annahme dS > 0 (4.6)

→ dS < µS dφ

dS

S< µ dφ

Die Ungleichung ist Stellvertreterin entsprechender Ungleichungen fur alle Teil-stucke des Seils vom Anfang bis zum Ende der Umschlingung. Man kann dielinken und rechten Seiten aller Ungleichungen addieren, ohne das Wesen derAussage zu andern. In anderen Worten: Die linke und rechte Seite werden inte-griert, wobei obere und untere Grenzen beider Integrale einander entsprechenmussen.

S2∫

S1

dS

S<

φ2∫

φ1

µ dφ

ln S|S2

S1= ln S2 − ln S1 = ln

S2

S1

< µ(φ2 − φ1)

Die Ungleichung andert auch dann ihre Aussage nicht, wenn ihre linke undrechte Seite zum Argument einer monoton steigenden Funktion gemacht wird.Eine solche Funktion ist die e-Funktion (vgl. Kap. A.1.3), die Umkehrfunktiondes naturlichen Logarithmus.

eln

S2

S1 =S2

S1

= eµ(φ2−φ1) (4.7)

→ S2 < S1eµ(φ2−φ1), fur S2 > S1 (4.8)

Wenn die Annahme dS > 0 (vgl. 4.6) nicht stimmt, andert sich in den nachfol-genden Gleichungen ein Vorzeichen und deshalb das Ungleichheitszeichen.

− dS < µS dφ

→dS

S> −µ dφ

76

Beispiel Angebundenes Pferd

Ab hier ist der Fortgang derselbe wie oben, mit dem Ergebnis:

S2 > S1e−µ(φ2−φ1), fur S2 < S1

was dieselbe Aussage ist, nur dass hier S2 die haltende und S1 die treibendeKraft ist, also umgekehrt wie in (4.8). Beider Versionen lassen sich in einerFormel zusammenfassen:

Saktiv ≤ Spassiveµ0φu , φu :Umschlingungswinkel,

immer positiv(4.9)

Beispiel Angebundenes Pferd

Ein Pferd ist an einem Rundholz festgebunden. D.h. die Trense ist 2 1

4mal

um das Holz geschlungen und wird nur vom Gewicht der herunterhangen-den Restlange l (1 g/cm) gehalten.

l

21

Der Reibkoeffizient zwischen Trense und Holz µ0 = 0.55, die maximaleZugkraft, bevor die Trense reißt, ist 1100 N.

Wie lang muss der Rest l sein, damit das Pferd nicht loskommt?

1100 N = l1g

cm︸ ︷︷ ︸

m

ge0.55 9

2π → 1100

kg m

s2= l

kg

10m9.81

m

s2e7.775

l =10

9.811100e−7.775 m = 0.47 m

77

Page 39: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

5 Dynamik der Punktmasse

In den vorangegangenen Kapiteln, z.B. bei den Uberlegungen zur statischen Be-stimmtheit von Systemen und insbesondere im letzten Kapitel bei der Verlet-zung der Haftbedingung, wurde erwahnt, dass sich Korper in Bewegung setzen,wenn sich nicht im Gleichgewicht befinden.

Das einfachste Modell fur einen Korper, der sich unter dem Einfluss von Kraftenin Bewegung setzt, ist die Punktmasse. Eine Punktmasse hat keine Ausdehnung,daher es ist unerheblich, ob der Korper, den sie darstellt, deformierbar ist odernicht: Er ist ein massebehafteter Punkt, der sich im Raum bewegt. Um dieseBewegung beschreiben zu konnen, die ja die Anderung seines Aufenthaltsortesim Verlauf der Zeit ist, werden noch einige weitere Begriffe eingefuhrt, so z.B.die Geschwindigkeit.

5.1 Geschwindigkeit und Beschleunigung

Die Geschwindigkeit ist ein Vektor, der zum Zeitpunkt t die Anderung desOrtsvektors x = (x, y, z) im Lauf der Zeit angibt. Er folgt aus einer Grenzbe-trachtung. (Das haufig verwendetet Symbol v kommt vom lateinischen Wortvelocitas).

v = lim4t→0

4x

4t= lim

4t→0

4x

4t4y

4t4z4t

=

x

y

z

4x = x(t + 4t) − x(t) =

x(t + 4t) − x(t)y(t + 4t) − y(t)z(t + 4t) − z(t)

Das Ergebnis sind die Ableitungen der Vektorkomponenten nach der Zeit, ub-licherweise symbolisiert durch einen ubergesetzten Punkt.

˙( ) =d( )

dt78

5.1 Geschwindigkeit und Beschleunigung

Da man sich nicht auf die Sonderfalle der konstanten Geschwindigkeit beschran-ken will, sondern auch die Falle behandeln will, in denen sich die Geschwindig-keit v im Lauf der Zeit andert, hat sich ein weiterer Begriff eingeburgert, dieBeschleunigung. Sie ist ebenfalls ein Vektor und gibt fur einen Zeitpunkt t an,in welchem Maß sich die Geschwindigkeit im Lauf der Zeit andert. (Das haufigverwendetet Symbol a kommt vom lateinischen accelleratio).

a = lim4t→0

4v

4t= lim

4t→0

4x

4t4y4t4z

4t

=

x

y

z

4v = v(t + 4t) − v(t) =

x(t + 4t) − x(t)y(t + 4t) − y(t)z(t + 4t) − z(t)

Der ubergesetzte doppelte Punkt deutet die zweimalige Ableitung nach der Zeitan.

( ) =d

dt˙( ) =

d2( )

dt2

Die abkurzende Symbolik der Zeitableitung ˙( ) und ( ) wird oft benutzt, um dieZusammenhange zwischen den Vektoren a, v und x, also zwischen Beschleuni-gung, Geschwindigkeit und Ort darzustellen.

v = x

a = v = x

Das kann beliebig fortgesetzt werden, da auch Beschleuigungen nicht unbedingtkonstant sein mussen. Die nachste Ableitung, a, ist der Ruck, der aber nur inspeziellen Anwendungen diskutiert wird, z.B. soll bei Schienenfahrzeugen derUbergang von der Geraden in die Kurve ruckfrei sein, was zu ganz bestimmtenmathematischen Kurven, den Klotoiden fuhrt. Ein ruckhafter Beschleunigungs-vorgang von Fahrzeugen wird als unkomfortabel empfunden, besonders wennman noch keinen Sitzplatz gefunden hat.

5.1.1 Kinematische Zusammenhange bei Translation

Der Bewegungszustand eines Punktes auf einer geraden Bahn zum Zeitpunktt und seine kunftige Entwicklung ist vollstandig beschrieben, wenn ein funk-tionaler Zusammenhang zwischen zweien von den vier Großen t, s, v und a

79

Page 40: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

5 Dynamik der Punktmasse

angegeben ist, z.B a(t) oder v(s). Die restlichen Großen lassen sich ausrechnen.Dazu muss man unter Umstanden unterschiedliche Wege einschlagen, die in derFormelsammlung (Anhang B, Kinematik) in einer Tabelle zusammengestelltsind.

5.2 Das Bewegungsgesetz (Impulssatz)

Isaac Newton (1643-1727) definierte das Produkt aus der Masse m und derGeschwindigkeit des Massenmittelpunktes vm eines Korpers als die Bewegungs-

große (quantitas motus), die im heutigen Sprachgebrauch Impuls genannt wird,

I = mvm

und fand durch Beobachtung der Natur heraus, dass die zeitliche Anderung desImpulses gleich der Summe aller angreifenden Krafte ist.

I =d

dt(mvm) =

k

F k

Diese Gesetzmaßigkeit heißt Impulssatz .

Abgesehen von einigen Sonderfallen, in denen Korper im Lauf der Zeit ihreMasse andern (z.B. Raketen), kann die Masse m als Konstante aus der Diffe-rentiation herausgezogen werden.

I = mxm =∑

k

F k (5.1)

Selbstverstandlich kann diese Vektorgleichung komponentenweise interpretiertwerden.

mxm =∑

k

Fxk (5.2)

mym =∑

k

Fyk (5.3)

mzm =∑

k

Fzk (5.4)

80

Beispiel Freier Fall

Beispiel Freier Fall

Eine Punktmasse, die ohne andere storendeReibungseinflusse allein dem Schwerfeld derErde unterliegt, gehorcht, ein geeignetes Ko-ordinatensystem zu Grunde gelegt, den folgen-den Differenzialgleichungen, die aus dem Im-pulssatz (5.2, 5.3) stammen.

mx = 0, my = −mg

Offensichtlich ist die Bewegung der Punktmas-se von ihrer Masse m selbst unabhangig, denn

y

x

m

mg

H

L

αv0

die kurzt sich aus den Gleichungen heraus. Ubrig bleiben zwei lineare Dif-ferenzialgleichungen zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten (vgl.Kap. A.5.3). Die erste ist homogen, die zweite hat eine konstante rechteSeite. Tatsachlich ist es noch einfacher, denn es handelt sich eigentlichum lineare Differenzialgleichungen 1. Ordnung fur die Geschwindigkeitenx und y.

Man lost sie, indem man sich fragt: Welche Funktion x(t) muss ich nachder Zeit ableiten, um eine Null zu erhalten? Die Losung kann nur eineKonstante sein.

Die zweite Frage ist dann, welche Funktion x(t) muss ich ableiten, umeine Konstante zu erhalten? In Gleichungen sehen die Antworten fur beideDifferenzialgleichungen so aus:

x = 0

x = C1

x = C1t + C2

y = −g

y = −gt + D1

y = −1

2gt2 + D1t + D2

Das ist die allgemeine Losung fur alle Aufgabenstellungen rund um den’Schiefen Wurf’. Die darin noch enthaltenen unbekannten Integrationskon-stanten bestimmt man anhand der speziellen Problemstellung, die immerschon Teile der Losung beinhaltet.

Z.B. ist hier, wenn man die Zeitzahlung dann beginnt, wenn die Punkt-masse abgeworfen wird, bekannt, dass x(t = 0) = 0 und y(t = 0) = H

sein muss. Außerdem kennt man die Abwurfgeschwindigkeit v0 und den

81

Page 41: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

5 Dynamik der Punktmasse

Anstellwinkel α, d.h. man kennt, ebenfalls fur t = 0, die Geschwindig-keitskomponenten x = v0 cosα und y = v0 sin α.

Diese Aussagen mussen auch von der allgemeinen Losung erfullt werden.

x(0) = v0 cosα = C1

x(0) = 0 = C1 · 0 + C2

y(0) = v0 sinα = −g · 0 + D1

y(0) = H = −1

2g · 02 + D1 · 0 + D2

→ C1 = v0 cosα, C2 = 0, D1 = v0 sinα, D2 = H

Die Losung beschreibt die Bahnkurve in parametrischer Darstellung alsx(t) und y(t). Man ist aber immer in der Lage, den gemeinsamen Para-meter t durch x auszudrucken und in y einzusetzen. In diesem Fall heißtdann die Bahnkurve:

t =x

v0 cosα, t2 =

x2

v2

0cos2 α

y(x) = −g

2v20cos2 α

x2 + tan αx + H

Zur Beantwortung der Frage nach der Wurfweite L braucht man sich nurbewusst zu machen, dass, wenn die Punktmasse auf den Boden auftrifft,ihre x-Koordinate gleich L und ihre y-Koordinate gleich 0 ist. Fur α = 45

folgt:

0 = −g

v2

0

L2 + L + H → L1/2 =v2

0

2g

(

1 ±

4Hg

v2

0

+ 1

)

5.3 Gefuhrte gerade Bewegung

Nicht jede Bewegung ist vollkommen frei. In den Fallen, in denen die Punkt-masse einer (hier zunachst einmal geraden) Bahn folgen muss, fuhrt man prakti-scherweise das Koordinatensystem so ein, dass eine Koordinatenrichtung (z.B.x) entlang der Bahn zeigt und die andere (z.B. y) senkrecht dazu. Wenn diePunktmasse gezwungen ist, auf der Bahn zu bleiben, muss die y-Koordinate fur

82

Page 42: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Geradlinige Bewegung mit Reibung

alle Zeiten t den Wert 0 beibehalten. In anderen Worten: Es gibt keine Anderungvon y, d.h. y ist und bleibt 0, sie andert sich auch nicht (y = 0).

In Richtung der Bahn wirken Krafte, unter anderem Reibungskrafte.

5.3.1 Gleitreibung

Die Erfahrung zeigt, dass die Reibkraft entlang einer Bahn in guter Naherungals proportional zur Normalkraft (N > 0) angenommen werden kann, mit derder bewegte Korper gegen die Bahn gedruckt wird. Die Richtung der Reibkraftist immer entgegen der Relativgeschwindigkeit des Korpers zur Bahn. Dem ent-spricht das Coulombsche Reibgesetz.

R = −µN sgn(v) sgn(x) =

1 ; x > 00 ; x = 0−1 ; x < 0

(5.5)

Der Proportionalitatsfaktor µ heißt Gleitreibungskoeffizient. Er ist abhangig vonder Materialpaarung und der Oberflachenbeschaffenheit und immer kleiner alsder zughorige Haftreibungskoeffizient.

Beispiel Geradlinige Bewegung mit Reibung

Ein Klotz gleitet unter Einfluss seines Gewichts auf einer rauen schiefenEbene ab (µ < µ0 < tan α). Bei t = 0 befindet sich der Schwerpunkt imKoordinatenursprung. Die Anfangsgeschwindigkeit sei 0.

T

αmg

N

αG = mg

x

µ

ymy =

i Fiy = 0 → N = mg cosα

Reibgesetz (5.5): T = µN sgn(x)

Impulssatz (5.1):

mx =∑

i Fix = mg sinα − T

Alles ineinander eingesetzt, ergibt eine Differenzialgleichung 2. Ordnungfur x,

mx = mg sin α − µmg cosα sgn(x)

83

5 Dynamik der Punktmasse

aus der die Masse m herausgekurzt und die Erdbeschleunigung g ausge-klammert werden kann.

x = g cosα(tan α − µ sgn(x)︸ ︷︷ ︸

>0

) = K = konst

Wie im vorangegangenen Beispiel sucht man die Funktion x(t), die, ab-geleitet nach der Zeit, die konstante rechte Seite der Differentialgleichungergibt. Das leistet x(t) = Kt + C1. Und x(t) = 1

2Kt2 + C1t + C2 ist die

anloge Folgerung daraus.

Diese allgemeine Losung muss die Anfangsbedingungen erfullen.

x(0) = 0 = K · 0 + C1 → C1 = 0

x(0) = 0 =1

2K · 02 + C1 · 0 + C2 → C2 = 0

Der Wert von sgn(x) lasst sich an der fertigen Losung uberprufen.Annnahme x > 0 → sgn(x) = 1

x = g cosα(tan α − µ)t > 0 kein Widerspruch

Annahme x < 0 → sgn(x) = −1

x = g cosα(tan α + µ)t > 0 Widerspruch

5.3.2 Andere Bewegungswiderstande

Im vorangegangenen Beispiel wurde eine Widerstandskraft behandelt, derenGroße nur vom Betrag der senkrecht zur Bewegungsrichtung wirkenden Nor-

malkraft und einer weiteren Proportionalitatskonstanten abhangt. Diese Ideali-sierung beschreibt die sogenannte trockene Reibung einigermaßen genau. Mannennt ein solches Reibgesetz geschwindigkeitsunabhangig, auch wenn das Vor-zeichen zumindest von der Richtung der Geschwindigkeit abhangt. Die Bezeich-nungsweise liegt daran, dass sich die verschiedenen Widerstandsmodelle immerauf die Form

W = W (|v|) sgn(v) ; v : Bahngeschwindigkeit

bringen lassen. Im Fall der trockenen Reibung ist W = µN , also unabhangigvon |v|.

Weitere Modelle zur Beschreibung von Reibungseffekten sind

84

Page 43: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Freier Fall mit Luftwiderstand

1. Geschwindigkeitsproportionaler Widerstand

W = rv = r |v| sgn(v) → W = r |v| (5.6)

Dieser Ansatz ist geeignet, Schmiermittelreibung oder das Verhalten vonKorpern bei kleinen Geschwindigkeiten in zahen Flussigkeiten zu beschrei-ben. Er ist der einfachste Ansatz, mit dem viskose Dampfung in schwin-genden Systemem (Radaufhangung) beschrieben werden kann.

2. Quadratische Widerstandskraft

W = kw|v2| sgn(v) → W = kw |v2| (5.7)

Dieser Ansatz beschreibt z.B. Luftwiderstand, also das Verhalten vonKorpern in Flussigkeiten oder Gasen mit geringer Zahigkeit bis zu mo-deraten Geschwindigkeiten. Beim Umschlag in turbulente Stromung istder nachste Ansatz geeigneter.

3. Kubische Widerstandskraft

W = ζv3 = ζ |v|3 sgn(v) → W = ζ |v|3 (5.8)

Beispiel Freier Fall mit Luftwiderstand

Ein Korper beginnt, unter Einfluss seines Gewichtes aus der Ruhelage zufallen.

m

z

W = kw z2 G = mg

Impulssatz:

mz = mg − kw z2

→ z = g − kwm z2

Substitution:

z = v , z = v

→ v = g − kwm v2

An der Differenz auf der rechten Seite kann man erkennen, dass die Be-schleunigung v irgendwann 0 wird. Namlich dann, wenn die Endgeschwin-digkeit v∞ erreicht wird.

0 = g −kw

mv2

∞ → v∞ =

√mg

kw

→ v = kw

m(v2

∞ − v2)

85

5 Dynamik der Punktmasse

Zur Losung der obigen Differenzialgleichung empfiehlt sich die Trennung

der Variablen (hier: v und t).

v =dv

dt=

kw

m(v2

∞ − v2) →dv

v2∞

− v2=

kw

mdt

Das Bilden der Stammfunktion auf beiden Seiten und die Hinzufugung ei-ner Konstanten fuhrt auf die allgemeinste Form einer Gleichung, die durchDifferenzieren (vg. Kap. A.3) auf die ursprungliche Differenzialgleichungzuruckgefuhrt werden kann.

∫dv

v2∞

− v2=

kw

m

dt + C1

lt. Bronstein

∫dx

a2 − x2=

1

2aln

a + x

a − x

→1

2v∞ln

v∞ + v

v∞ − v=

kw

mt + C1

Diese Losung muss auch die Anfangsbedingung v(0) = 0 erfullen, worausdie Bedingung

1

2v∞ln

v∞ + 0

v∞ − 0︸ ︷︷ ︸

ln 1=0

=kw

m0 + C1

also C1 = 0 folgt.

In der bisherigen Form t = t(v) ist die Losung noch unbrauchbar.

lnv∞ + v

v∞ − v= 2

v∞kw

mt = 2

gkw

mt

Sie muss nach v aufgelost werden. Dazu benutzt man die Umkehrfunktiondes Logarithmus naturalis, die e-Funktion:

e

(

lnv∞ + vv∞ − v

)

=v∞ + v

v∞ − v= e

2

gkwm t

Hilfsgroße x =

gkw

mt

→ v∞ + v = (v∞ − v)e2x

bzw. v(1 + e2x) = v∞(e2x − 1)

86

Page 44: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

5.4 Arbeit, Energie und Leistung

→ v = v∞e2x − 1

e2x + 1

Dass sich darin eine Hyperbelfunktion versteckt, sieht man erst, wenn man

den Bruch mit 1 = e−x

e−x erweitert.

→ v = v∞ex − x−x

ex + e−x= v∞ tanh x = v∞ tanh

gkw

mt

(Zu den Hyperbelfunktionen s. Kap. A.1.4)

Der zuruckgelegte Weg z folgt aus einer weiteren Integration uber die Zeit.

z(t) = v∞

tanh

gkw

mt dt + C2

Bronstein:

tanh ax dx =1

aln coshax

→ z(t) =v∞

√gkwm

ln

(

cosh(√

gkw

mt))

+ C2

Der cosh(0) ist 1. Der ln(1) ist 0. Damit ist die Anfangsbedingung z(0) = 0erfullt, wenn C2 = 0 ist.

z(t) = mkw

ln

(

cosh(√

gkwm t

))

5.4 Arbeit, Energie und Leistung

Eine Punktmasse m, die sich unter dem Einfluss außerer Krafte (ResultierendeF ) bewegt, gehorcht dem Impulssatz. Die antreibende Resultierende mag sichdabei im Lauf der Zeit t andern oder auch von Ort x und Geschwindigkeit x

abhangig sein. Aus dem Impulssatz (5.1) folgt:

mx =∑

i

F i = F (x, x, t) ; x = (x, y, z)

87

Page 45: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

5 Dynamik der Punktmasse

Wenn die obige Gleichung skalar mit x, der Geschwindigkeit der Punktmassemultipliziert wird,

mx · x = F · x =: L (5.9)

entsteht auf der rechten Seite ein Ausdruck, der als die Definition der Leistung

L gelten soll, die die Kraft F an der Punktmasse m erbringt, wenn sie mitder Geschwindigkeit v = x unterwegs ist. Die Leistung ist, wie spater nahererlautert wird, die zeitliche Anderung der Arbeit, anders gesagt: die Arbeit, diepro Zeiteinheit geleistet wird.

Die Definition beinhaltet auch, dass die Leistung Null ist, wenn sich die Punkt-masse gar nicht bewegt (v ≡ 0 ) oder nur senkrecht zur angreifenden Resultie-renden. Wenn das der Fall ist, wird auch keine Arbeit verrichtet, was z.B. immerbei Auflagerkraften der Fall ist oder bei einem Koffertrager auf waagerechtemBahnsteig.

Als weitere Definition wird die kinetische Energie E der geradlinigen Bewegungeingefuhrt, manchmal auch Translationsenergie genannt,

E =1

2m v2 =

1

2m x · x, v = |x| =

√x · x (5.10)

deren Ableitung nach der Zeit genau den Term in (5.9) ergibt, der auf der linkenSeite steht.

E =d

dt

(1

2m x · x

)

=1

2m

d

dt

(x2 + y2 + z2

)

=1

2m (2xx + 2yy + 2zz) = m (x, y, z) · (x, y, z)

= m x · x = m x · x s. (5.9)

D.h. mit den beiden Definitionen wird (5.9) zur Bilanz der mechanischen Lei-

stung

E = L (5.11)

in Worten: Die Anderungsgeschwindigkeit der kinetischen Energie ist gleich der

Leistung der einwirkenden Kraft.

Eine weitere Definition ist die Arbeit. Die Arbeit, die von einer Kraft zwischenden Zeitpunkten t1 und t2 geleistet wird, ist:

A12 =

t2∫

t1

L dt(5.9)=

t2∫

t1

F · x dt (5.12)

88

5.4 Arbeit, Energie und Leistung

Mit ihr folgt aus der Leistungsbilanz (5.11) durch Integration uber die Zeit dieBilanz der mechanischen Arbeit, auch genannt Arbeitssatz.

E = L → dE = L dt

E2∫

E1

dE =

t2∫

t1

L dt ; E1 = E(t1), E2 = E(t2)

E2 − E1 = A12 (5.13)

D.h. Arbeit wird positiv gezahlt, wenn sie von außen in das System hineingesteckt wird.

5.4.1 Konservative Krafte, Potenzielle Energie

Ein Sonderfall liegt vor, wenn die Kraft F im Impulssatz (5.1, 5.9, 5.12) nichtexplizit von der Zeit t abhangt und schon gar nicht von der Geschwindigkeit x,sondern allenfalls vom Ort x, der sich selbstverstandlich mit der Zeit andernkann. In diesem Fall ist die Arbeit, die zwischen zwei Zeitpunkten t1 und t2 ander Punktmasse geleistet wird, auch nur vom Ort abhangig.

A12 =

t2∫

t1

F (x) · x dt︸︷︷︸

dx

=

x2∫

x1

F (x) · dx = A12(x1, x2);x1 = x(t1)x2 = x(t2)

Die letzte Gleichung gibt Anlass zu einer weiteren Definition: Die potenzielle

Energie U ist die negative Stammfunktion der Kraft, erweitert um eine Integra-tionskonstante.

U = −

(∫

F (x) · dx + C

)

⇔ − dU = F (x) · dx (5.14)

Rein ortsabhangige Krafte sind Federkrafte, und Gewichtskrafte sind nur in demMaß vom Ort abhangig, wie die Erdbeschleunigung vom Ort abhangt, meistensgar nicht.

F (x) = konst. = m g Gewichtskraft U = −m g · x − C

= −c x − F 0 lin. Federkraft U = 1

2c x · x + F 0 · x − C

F 0 : Vorspannkraft bei x = 0

= F (x) nicht lineare Federkraft

(5.15)

89

Page 46: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

5 Dynamik der Punktmasse

Beispiele fur nicht konservative Krafte sind alle Reibkrafte (5.5, 5.6, 5.7, 5.8).

Die rechts stehende Version von (5.14) gibt Gelegenheit, die Leistung L beikonservativen Systemen auszurechnen.

(5.9) : L = F · x = F ·dx

dt=

F · dx

dt= −

dU

dt= −U(x(t)) = −U

Andererseits entspricht die Leistung L der Anderungsgeschwindigkeit der kine-tischen Energie E (s. 5.11), d.h.

E + U = (E + U)· = 0 (5.16)

bzw.

E2∫

E1

dE +

U2∫

U1

dU = E2 − E1 + U2 − U1 = 0

→ E1 + U1 = E2 + U2 (5.17)

Die Aussage von (5.16) bzw. (5.17) nennt man die Bilanz der mechanischen

Energie oder den Energieerhaltungssatz oder kurz den Energiesatz, womit letzt-endlich auch der Begriff konservativ geklart ist, denn der letzte Satz sagt aus,dass in einem System, in dem nur konservative Krafte wirken, die mechanische

Energie (das ist die Summe aus kinetischer und potenzieller Energie) erhalten(lat: conservare) bleibt.

Der Energiesatz bietet sich immer an, wenn nicht die zeitliche Gesamtlosungeines Problems gefragt ist, sondern nur der Zustand des Systems zu bestimmtenZeitpunkten.

Beispiel Punktmasse auf reibungsfreier Kurve

µ = 0

m

v0

1

2h

gy

x

Eine Punktmasse m rutscht unter dem Ein-fluss der Erdschwere eine reibungsfreie Bahnentlang, die am oberen Ende um h hoher liegtals der Startpunkt und dort eine horizontaleTangente hat.

90

Page 47: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Punktmasse auf reibungsfreier Kurve

Die Punktmasse hat die Anfangsgeschwindigkeit v1. Mit welcher Geschwin-digkeit v2 verlasst sie die Bahn am oberen Ende in horizontaler Richtung?

Der Energiesatz (5.17) sagt:

E1 + U1 = E2 + U2

E1 =1

2mv2

1, E2 =

1

2mv2

2

Die potenzielle Energie folgt aus (5.15):

U = −m

0−g

0

·

x

y

0

− C = mgy − C

→ U1 = mg0− C, U2 = mgh − C

1

2mv2

1 − C =1

2mv2

2 + mgh − C → v2 =√

v2

1− 2gh

(Anm: Da die Konstante C offensichtlich aus der Rechnung herausfallt,weil es nur auf die Differenz der potenziellen Energie ankommt, kann mansie ohne weiteres auch 0 setzen.)

Die gefundene Losung ist nur dann sinnvoll, wenn v2

1> 2gh. Ist das nicht

der Fall, kommt die Punktmasse gar nicht erst zum Ende der Bahn, son-dern kehrt in einem Punkt 3 um. In diesem Fall konnte man nur die Fragestellen, wie hoch kommt sie uberhaupt? Die Antwort kann man ebenfallsaus dem Energiesatz ziehen, weil im Umkehrpunkt 3 die Geschwindigkeitv3 = 0 ist.

E1

︷ ︸︸ ︷

1

2mv2

1 + U1︸︷︷︸

0

= E3︸︷︷︸

0

+

U3

︷ ︸︸ ︷

mgh3 → h3 =v2

1

2g

In der Form (5.16) kann der Energiesatz dazu dienen, die Bewegungsgleichungeines Systems herzuleiten.

91

5 Dynamik der Punktmasse

Beispiel Ungedampfter Ein-Massen-Schwinger

gc

m

x

Eine Punktmasse m hangt unter Einfluss der Erdbe-schleunigung g an einer linearen Feder, Federsteifig-keit c.

Die kinetische und potenzielle Energie folgen aus (5.10) und (5.14):

E =1

2m x2, U = Ug + Uc

Anteil aus Gewichts- und Federkraft,

Ug = −mgx − Cg Uc =1

2cx2 + F0x − Cc

Aus dem Energiesatz (5.16) folgt:

E + U = 0 =d

dt

(1

2m x2 +

1

2cx2 + F0x − mgx − C

)

C = Cg + Cc

= m x x + cx x + (F0 − mg)x

= [mx + cx − (F0 − mg)]x

F0 ist der Wert der Federkraft, wenn x = 0 ist. Wenn das Koordina-tensystem so eingefuhrt ist, dass bei x = 0 Gleichgewicht herrscht, dasSystem also seine Ruhelage hat, dann ist gerade die Federkraft mit derGewichtskraft im Gleichgewicht (F0 = mg)

Die Differenzialgleichung, die die Bewegung des ungedampften Ein-Mas-

sen-Schwingers beschreibt, ist damit

x +c

mx = 0 (5.18)

weil die letzte Gleichung fur jedes beliebige x 6= 0 nur erfullt werden kann,wenn der Inhalt der eckigen Klammer verschwindet.

Selbstverstandlich ist x ≡ 0 → x ≡ 0 auch eine berechtigte Losung. Siebeschreibt die Ruhe in der Gleichgewichtslage.

92

Page 48: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Ungedampfter Ein-Massen-Schwinger

5.4.2 Nicht konservative Krafte

Im Allgemeinen liegen bei einem technischen Problem konservative und nicht

konservative Krafte vor, so dass zumindest zum Teil die Uberlegungen aus demvorangegangenen Abschnitt genutzt werden konnen. Der Arbeitssatz (5.13) be-sagte:

E2 − E1 = A12 =

t2∫

t1

L dt =

t2∫

t1

F (t) · x dt

Wenn nun F (t) zum Teil aus konservativen Kraften, zusammengefasst zu F k(x),und zum Teil aus nicht konservativen Kraften, z.B. Reibkraften, zusammenge-fasst zu F R(t), besteht, dann lasst sich das Integral uber die Leistung L mitHilfe der Definition der potenziellen Energie (5.14) zum Teil losen.

E2 − E1 =

x2∫

x1

F k(x) · dx +

t2∫

t1

F R(t) · x dt

mit x1 = x(t1), x2 = x(t2)

= −

U2∫

U1

dU + AR12 = −U2 + U1 + AR12

mit AR12 =

t2∫

t1

F R(t) · x dt

Das neu eingefuhrte Symbol AR12 fasst die Arbeit zusammen, die von den nicht

konservativen Kraften vom Zeitpunkt t1 bis zum Zeitpunkt t2 geleistet wird.Eine weitere Form des Arbeitssatzes ist somit:

E2 + U2 = E1 + U1 + AR12

Das hilft auf den ersten Blick nicht viel, ist aber von durchschlagendem Erfolg,wenn es sich bei der Ursache der nicht konservativen Krafte um CoulombscheReibung handelt. In diesem Fall ist die Reibkraft eventuell konstant.

FR(t) = −µN sgn(x) = konst.

93

5 Dynamik der Punktmasse

mit x > 0 → AR12 = −

t2∫

t1

µN x dt︸︷︷︸

dx

= −µN

x2∫

x1

dx

Die dissipierte Arbeit berechnet sich in diesem Fall also aus dem Produkt vonReibkraft und Reibweg, wobei hier nichts uber die Geradlinigkeit der Koordinatex vorausgesetzt wurde. Der Reibweg kann also auch entlang einer gekrummtenBahn verlaufen, Hauptsache ist, die Reibkraft bleibt konstant. Wie das aberohne eine geradlinige Bahn der Fall sein konnte, ist schwer vorstellbar.

Beispiel Punktmasse auf rauer Bahn bergauf

s =?

α

µ

mv0

Eine Punktmasse rutscht mit der An-fangsgeschwindigkeit v0 einen Hang (Nei-gungswinkel α) hinauf.

Wie weit kommt sie unter Reibungsein-fluss (Gleitreibungskoeffizient µ) ?

Zeitpunkt 1: E1 = 1

2mv2

0 U2 = 0

Zeitpunkt 2: E2 = 0 U2 = mgh h = s sin α

Reibarbeit: AR12 = −µNs N = mg cosα s : Reibweg

E2 + U2 = E1 + U1 + AR12

mgs sin α =1

2mv2

0− µmgs cosα

→ s =v2

0

2g cosα(tan α + µ)

5.5 Der Ein-Massen-Schwinger

In diesem Abschnitt wird stellvertretend fur viele schwingfahige Gebilde derlineare Ein-Massen-Schwinger vorgestellt. Er besteht aus einer Punktmasse m,

94

Page 49: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

5.5 Der Ein-Massen-Schwinger

einer masselosen, linearen Feder (Federsteifigkeit c) und einem geschwindig-

keitsproportionalen Dampferelement (Dampfungsbeiwert d) und ist durch einezeitlich veranderliche Kraft F (t) beansprucht.

cxdx

x

F (t)

c

dm

F (t)

Der Impulssatz fuhrt zu der Differenzialgleichung

m x = −d x − c x + F (t)

m x + d x + c x = F (t)

bzw. x +d

mx +

c

mx =

F (t)

m(5.19)

5.5.1 Ungedampfte Eigenschwingung

Unter Vernachlassigung der Dampfung und der außeren Belastung entsteht die-selbe Differenzialgleichung wie im vorangegangenen Beispiel (s. 5.18). Sie stelltden Idealfall dar (kein Energieverlust, kein Energiegewinn) und er soll hier zu-erst behandelt werden, weil alle anderen Falle auf ihn Bezug nehmen.

x +c

mx = x + ω2

0x = 0 mit ω0 =

√c

m

Die Losung dieser homogenen linearen Differenzialgleichung 2. Ordnung mitkonstanten Koeffizienten setzt sich aus zwei linear unabhangigen Funktionenx1/2(t) zusammen, die, zweimal nach der Zeit abgeleitet, bis auf einen Faktorin sich selbst ubergehen. Das leistet z.B. die Funktion

x = eλt → x = λeλt → x = λ2eλt

und alle, die sich nur um einen Faktor (x = A eλt) von ihr unterscheiden.

0 = x + ω2

0x = λ2eλt + ω2

0eλt = (λ2 + ω2

0)eλt

Die letzte Gleichung kann fur beliebige Zeiten t nur erfullt werden, wenn derInhalt der Klammer verschwindet. Diese Bedingung ergibt die charakteristische

Gleichung (vgl. Kap. A.5.3).

λ2 + ω2

0= 0 → λ1/2 = ±j ω0 ; j =

√−1

95

5 Dynamik der Punktmasse

D.h. die Losungen der charakteristischen Gleichung sind komplexe Zahlen. Mitihnen sieht ist die allgemeine Losung der Differenzialgleichung folgendermaßenaus:

x(t) = A eλ1t + B eλ2t = A ej ω0t + B e−j ω0t (5.20)

Mit Hilfe der Euler-Formel (vgl. Kap. A.6) wird daraus:

x(t) = A(cos ω0t + j sin ω0t) + B(cos ω0t − j sin ω0t)

So sieht die Losung noch etwas unhandlich aus. Besonders irritierend ist dieimaginare Zahl j, da der Weg, den ein Ein-Massen-Schwinger nimmt, nur einereelle Zahl sein kann.

Da offensichtlich die Klammerinhalte komplexe Zahlen sind, mussen auch dieVorfaktoren A und B komplex sein, denn nur das Produkt von zwei komplexenZahlen kann unter Umstanden reell werden.

A = <A + j=A B = <b + j=B <A,<B,=A,=B ∈ IR

x(t) = (<A + j =A)(cos ω0t + j sin ω0t) + (<B + j =B)(cos ω0t − j sin ω0t)

= (<A + <B) cosω0t + (=B −=A) sin ω0t (5.21)

+j[(=A + =B)︸ ︷︷ ︸

=0

cosω0t + (<A −<B)︸ ︷︷ ︸

=0

sin ω0t]

Um eine reelle Losung zu garantieren, muss der Inhalt der eckigen Klammerverschwinden, was nur der Fall ist, wenn beide runden Klammern gleichzeitigverschwinden. Das ist der Fall, wenn

<B = <A und =A = −=B (5.22)

ist. Ist das der Fall, bleibt fur den Rest der Gleichung (5.21):

x(t) = 2<A cosω0t + 2=B sin ω0t

→ x(t) = A1 cosω0t + A2 sin ω0t x(t) = −A1ω0 sinω0t + A2ω0 cosω0t

(5.23)Das bedeutet keinerlei Einschrankung: Mit A1 und A2 wird die allgemeineLosung an die Anfangswerte angepasst. Die Bedingung (5.22) kann danach im-mer erfullt werden.

96

Page 50: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

5.5 Der Ein-Massen-Schwinger

Fur die allgemeine Losung (5.23) gibt es noch eine andere Darstellung, die etwasubersichtlicher ist, weil sie nur noch eine Kreisfunktion enthalt. Man gelangt zuihr durch eine raffinierte Substitution:

A1 = C cos γ, A2 = C sin γ

Die beruht auf dem Wissen, dass man in einer Ebene in der richtigen Richtung(γ) nur weit genug (C) gehen muss, um jeden beliebigen Punkt (A1, A2) zuerreichen, aber nicht gleichzeitig einen anderen. Außerdem kommen die Additi-onstheoreme fur Kreisfunktionen zum Einsatz (vg. Kap A.1.2).

x(t) = C cos γ cosω0t + C sin γ sinω0t = C cos(ω0t − γ)

→ x(t) = C cos(ω0t − γ) x(t) = −Cω0 sin(ω0t − γ) (5.24)

Die beiden Konstanten C und γ dieser Darstellung der allgemeinen Losunghangen eng mit den Konstanten A1 und A2 aus der anderen Darstellung (5.23)zusammen.

A2

1+ A2

2= C2 cos2 γ + C2 sin2 γ = C2 → C =

A21

+ A22

A2

A1

=C sin γ

C cos(γ)= tan γ → γ = arctan

A2

A1

φ

CA1

A2

Interpretation Beide Darstellungen haben ihre Vorteile. Mit der ersten lasstsich leichter rechnen, die zweite lasst sich besser interpretieren: Sinus- und Ko-sinusfunktionen in der Losung sind periodische Funktionen mit der Amplitude1, die sich in gleichen Zeitabstanden T immer wiederholen, wenn sich ihr Argu-ment um 2π geandert hat (vgl. Kap. A.1.1). D.h.

[ω0(t + T ) − γ] − [ω0t − γ] = 2π → T =2π

ω0

97

5 Dynamik der Punktmasse

T ist die Periodendauer, ihr Kehrwert

f =1

T=

ω0

ist die Frequenz. Bei diesem besonderen System (ungedampft und ohne Kraftein-wirkung) spricht man von der Eigenfrequenz. Die anfangs eingefuhrte Große ω0,die sich um den Faktor 2π von der Eigenfrequenz unterscheidet

ω0 =

√c

m= 2π f

ist die Eigenkreisfrequenz. Die Konstante C in der allgemeinen Losung x(t) =C cos(ω0t−γ) bestimmt den Maximalwert von x, also die Amplitude der Schwin-gung, wogegen die andere Konstante nur eine Koordinatenverschiebung in derZeitachse t bewirkt. Diese Große nennt man die Phasenverschiebung.

Beispiel Eigenschwingung

Wie groß ist die Eigenkreisfrequenz des dargestellten Systems?

Freikorperbild:

M + m

Fc3

Fc12

A

m

M

x

starr

glatt

c1 c2

c3

Impulssatz: (M + m)x = −Fc12 − Fc3

Federwege: s3 = x, s1 = y, s2 = x − y

y : Hilfskoordinate, Verschiebung von Punkt A nach rechts.

Federgesetz: Fc3 = c3s3, Fc12 = Fc1 = c1s1 = Fc2 = c2s2

→ c1y = c2(x − y) → y =c2

c1 + c2

x → Fc12 =c1c2

c1 + c2

x

Differenzialgleichung aus Impulssatz:

(M + m)x +

(

c3 +c1c2

c1 + c2

)

= 0 bzw. x +c3 + c1c2

c1+c2

M + m︸ ︷︷ ︸

ω2

0

x = 0

98

Page 51: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Eigenschwingung

Eigenkreisfrequenz: ω0 =

√c1c2 + c1c3 + c2c3

(c1 + c2)(M + m)

5.5.2 Gedampfte Schwingung

Der Ansatz, der sich bei der Losung der ungedampften Eigenschwingung bewahrthat, ist auch bei einem gedampften System dienlich.

x +d

mx +

c

mx = 0 (5.25)

Zuerst werden einige Großen zusammengefasst, um die Differenzialgleichung aufeine uberschaubarere Form zu bringen.

c

m= ω2

0 (schon bekannt),d

m= 2Dω0

→ D =d

2m√

cm

bzw.=

d

2√

mc

Damit wird (5.25) zu: x + 2Dω0x + ω2

0x = 0 und mit x = eλt, x =λeλt, x = λ2eλt zu

(λ2 + 2Dω0λ + ω2

0)eλt = 0

Die letzte Gleichung kann nur fur alle Zeiten erfullt werden, wenn der Klam-merinhalt verschwindet. Aus dieser Bedingung entsteht die charakteristische

Gleichung.λ2 + 2Dω0λ + ω2

0 = 0

Uber die Losungen der charakteristischen Gleichung, genauer gesagt, ob reelleoder komplexe Nullstellen entstehen, entscheidet die zuvor eingefuhrte Große D

(sie heißt: das Lehrsche Dampfungsmaß und ist dimensionslos), denn die Losungbeinhaltet einen Wurzelterm.

λ1/2 = −Dω0 ± ω0

D2 − 1

Die zu unterscheidenden Falle sind D≥

<1, doch zuvor wird eine weitere Abkurzung

eingefuhrt,ω = ω0

|1 − D2|

99

5 Dynamik der Punktmasse

mit der sich die Nullstellen etwas einfacher schreiben lassen.

D =

> 1 : starke Dampfung

= 1 : kritische Dampfung

< 1 : schwache Dampfung

λ1/2 =

−Dω0 ± ω

−ω0

−Dω0 ± jω

(5.26)

Starke Dampfung Mit den beiden reellen Nullstellen λ1/2 folgt aus dem An-

satz eλt die Losung:

x(t) = C1e(−Dω0+ω)t + C2e

(−Dω0−ω)t

= e−Dω0t(C1e

ωt + C2e−ωt

)(5.27)

x = −e−Dω0t[C1(Dω0 − ω)eωt + C2(Dω0 + ω)e−ωt

]

deren beide Konstanten aus Anfangswerten zu bestimmen sind. Z. B.

x(0) = 0 x(0) = v

0 = C1 + C2

v = −[C1(Dω0 − ω) + C2(Dω0 + ω)]

→ C1 = −C2 =v

Kritische Dampfung Hier handelt es sich um eine doppelte Nullstelle, d.h. mitdem bisherigen Ansatz entstehen keine zwei linear unabhangigen Funktionenx(t). Also muss ein weiterer Ansatz herangezogen werden, da in die Losung einerlinearen Differenzialgleichung n-ter Ordnung n linear unabhangige Funktionengehoren.

x(t) = t eλt → x = (1 + λt)eλt → x = (2λ + λ2t)eλt

fuhrt bei der Differenzialgleichung (D = 1)

x + 2ω0x + ω2

0x = 0

zu der charakteristischen Gleichung

0 = 2λ + λ2t + 2ω0(1 + λt) + ω2

0t

= (2λ + 2ω2) + (λ2 + 2ω0λ + ω2

0)t

100

Page 52: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

Beispiel Eigenschwingung

die fur beliebiege t nur erfullt werden kann, wenn beide Klammern gleichzeitigverschwinden.

1. Klammer: 2λ + 2ω0 = 02. Klammer: λ2 + 2ω0λ + ω2

0= (λ + ω0)

2 = 0

Es folgt jedesmal: λ = −ω0, eine widerspruchsfreie Losung.

Die Gesamtlosung lautet damit

x(t) = C1e−ω0t + C2te

−ω0t

= (C1 + C2t)e−ω0t (5.28)

x(t) = [−ω0C1 + (1 − ω0t)C2]e−ω0t

Im Vorgriff auf den nachsten Abschnitt, der zu einer periodischen Losung fuhrt,bleibt zu erwahnen, dass aus diesem Grunde die kritische Dampfung den aperi-

odischen Grenzfall darstellt.

Schwache Dampfung Mit den komplexen Nullstellen λ1/2 = −Dω0 ± jω (vgl.5.26) folgt die allgemeine Losung:

x(t) = C1e(−Dω0+jω)t + C2e

(−Dω0−jω)t = e−Dω0t(C1e

j ωt + C2e−j ωt

)

Beim Inhalt der Klammer kommen dieselben Uberlegungen zum Tragen wie beider allgemeinen Losung des ungedampften Schwingers (5.20). Auch hier kannder Inhalt der Klammer durch

C cos(ωt − φ) bzw. A cosωt + B sin ωt vgl. (5.24)

ersetzt werden, womit die endgultige Losung z.B. lautet:

x(t) = e−Dω0t [A cosωt + B sin ωt] mit ω = ω0

|1 − D2| (5.29)

x(t) = e−Dω0t(−Dω0)[A cos ωt + B sinωt]

+e−Dω0t[−Aω sin ωt + Bω cosωt]

= e−Dω0t[(−Dω0A + B)ω cosωt − (Dω0B + A)ω sin ωt]

Bei gegebenem Dampfungsmaß D errechnen sich die Konstanten A und B ausden Anfangswerten x(0) = s und x(0) = v. Es handelt sich tatsachlich um eineperiodische Losung mit der Kreisfrequenz ω. Es war also passend, gerade diesesSymbol fur die zuvor eingefuhrte Abkurzung zu wahlen.

101

Page 53: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

5 Dynamik der Punktmasse

Im Gegensatz zur ungedampften Eigenschwingung ist die Kreisfrequenz ω derschwach gedampften Schwingung um den Faktor

√1 − D2 von der Eigenkreis-

frequenz ω0 verschieden, also kleiner. Außerdem ist die Schwingung von einerabfallenden e-Funktion begrenzt, deren Wert bei Null ebenfalls vom Damfungs-maß abhangt (s. folgendes Bild). Die miteinander verglichenen Schwingungenbasieren auf den angegebenen Anfangswerten, die bei der ungedampften Schwin-gung gerade die Amplitude 1 m verursachen. Die Losung der schwach gedampf-ten Schwingung ist damit

x(t) = e−Dω0t 1 m√

1 − D2

︸ ︷︷ ︸

Hullkurve

sin(√

1 − D2t

s

)

5

k = 100

x

1

-1

t

10

Anmerkung zu schwach gedampften Schwingungen:

Wenn man experimentell in der Lage ist, die Große vom Maximal-AusschlagenA1 und A2 zu messen, die den zeitlichen Abstand von k Halbperioden aufein-ander haben, dann lasst sich aus diesen Messgroßen naherungsweise die Damp-fungskonstante D bestimmen. Die ist in diesem Fall kleiner als 1. Sogar sehrviel kleiner, denn sonst liefert das Experiment keine guten Messwerte. Damitist die Kreisfrequenz ungefahr gleich der Eigenkreisfrequenz.

x(t) = Ce−Dω0t cos(ωt − φ) ≈ Ce−Dω0t cos(ω0t − φ)

1. Ausschlag: x(t1) = Ce−Dω0t1 cos(

2nπ︷ ︸︸ ︷

ω0t1 − φ)︸ ︷︷ ︸

=1

= A1

102

Beispiel Eigenschwingung

2. Ausschlag: x(t1 + kT

2) = Ce−Dω0(t1+k T

2) cos(

(2n+k)π︷ ︸︸ ︷

ω0(t1 + kT

2) − φ)

= Ce−Dω0(t1+k T

2) = Ce−Dω0t1e−Dω0k T

2 = A2

→|A2|

A1

= e−Dω0k T

2 mit ω0 =2π

T→ D =

1

kπln

A1

|A2|

Mit dem Verhaltnis der Messwerte A1/|A2| = 4 und k = 1 (s. Bild oben) folgtfur das Dampfungsmaß: D = 0.44 (tatsachlich 0.4 s.o.).

5.5.3 Die fremderregte Schwingung

Die anfangs aufgestellte Differenzialgleichung (5.19)

x +d

mx +

c

m=

1

mF (t)

beinhaltet einen Term, in dem die gesuchte Losungsfunktion x(t) nicht vor-kommt. Er wurde deswegen als inhomogen auf die rechte Seite geschafft undbislang ignoriert.

Bei linearen inhomogenen Differenzialgleichungen, wie hier, setzt sich die Losungaus der Losung der homogenen Differenzialgleichung und einer weiteren Funk-tion zusammen, die die inhomogene Differenzialgleichung erfullt. Das ist diesogenannte ’partikulare Losung’ (vgl. Kap. A.5)

Ungedampfte, fremderregte Schwingung Das System gehorcht der Differen-zialgleichung (5.19) mit d = 0:

x +c

mx =

1

mF (t) (5.30)

1. Konstante Erregerkraft (Gewichtskraft) F (t) = mg

Ansatz: xp = b, → xp = xp = 0

(5.30) →c

mb = g → b =

mg

c= x0

103

Page 54: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

5 Dynamik der Punktmasse

x(t) = A cos(ω0t − φ)︸ ︷︷ ︸

xh

+x0

x0 ist die statische Auslenkung, die die Feder durch das Gewicht der Masse m

erfahrt. Man nennt x0 auch die statische Ruhelage.

2. Lineare Erregerkraft F (t) = F0 + F1t

Ansatz: xp = b0 + b1t, → xp = b1, → xp = 0

(5.30) →c

m(b0 + b1t) =

F0

m+

F1

mt

Koeffizientenvergleich:

c

mb0 =

F0

m→ b0 =

F0

cc

mb1 =

F1

m→ b1 =

F1

c

x(t) = A cos(ω0t − φ)︸ ︷︷ ︸

xh

+F0

c(1 + F1

F0

t)

3. Periodische Erregerkraft Das ist die technisch relevante Erregung, die z.B.von allen periodisch arbeitenden Antriebsmaschinen ausgeht. Es reicht hier aus,nur den einfachen Fall F (t) = F0 cos(Ωt) zu betrachten, da sich jede periodischeFunktion F (t) durch eine Fourier-Zerlegung in eine Reihe von Kosinus- und Si-nusfunktionen zerlegen lasst (Bronstein/Semendjajew/Musiol/Muhlig: Taschen-

buch der Mathematik, Verlag Harri Deutsch, 2001, S. 436 ff). Im Ubrigen bein-haltet der hier untersuchte Fall fur Ω = 0 auch den statischen Lastfall.

F (t) = F0 cos(Ωt)

Ansatz xp = a sin(Ωt) + b cos(Ωt)

xp = aΩ cos(Ωt) − bΩ sin(Ωt)

xp = −aΩ2 sin(Ωt) − bΩ2 cos(Ωt)

104

Beispiel Eigenschwingung

(5.30) → −aΩ2 sin(Ωt)−bΩ2 cos(Ωt)+

ω2

0

︷︸︸︷c

m

(

a sin(Ωt)+b cos(Ωt))

=F0

mcos(Ωt)

bzw.

a(ω2

0 − Ω2)︸ ︷︷ ︸

0

sin(Ωt) +(

b(ω2

0 − Ω2) −F0

m︸ ︷︷ ︸

0

)

cos(Ωt) = 0

Koeffizientenvergleich: a = 0, b =F0

m

1

ω2

0− Ω2

=F0

c

1

1 − Ω2

ω2

0

fur Ω 6= ω0

Gesamtlosung:

x(t) = xh + xp = A cos(ω0t − φ) + F0

c1

1 −Ω2

ω2

0

cos(Ωt) (5.31)

Die Losung ist eine Uberlagerung von zwei harmonischen Schwingungen

unterschiedlicher Frequenz (ω0 und Ω). D.h., das System antwortet in seinerEigenfrequenz (ω0) und in der Erregerfrequenz (Ω).

Um den Einfluss der Fremderregung zu untersuchen, reicht es aus, eine be-stimmte Losung naher zu betrachten, z.B. die, die sich ergibt, wenn das Systembei t = 0 am Ort der statischen Auslenkung x0 = F0

cin Ruhe ist.

x(t) = A cos(ω0t − φ) + x0

1

1 − Ω2

ω2

0

cos(Ωt)

x(0) = 0 = −Aω0 sin(0 − φ) − x0

Ω

1 − Ω2

ω2

0

sin 0

→ φ = 0 fur A 6= 0

x(0) = x0 = A cos(ω00 − φ) + x0

1

1 − Ω2

ω2

0

cos(Ω0)

→ A = −x0

Ω2

ω2

0

1−Ω2

ω2

0

Da die Hauptaufgabe des ’idealen’ ungedampften Ein-Massen-Schwingers ist,einen Vergleich fur den ’realen’ gedampften Ein-Massen-Schwingers abzugeben,

105

Page 55: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

5 Dynamik der Punktmasse

wird die Antwort in der Eigenfrequenz nicht weiter beachtet: Sie klingt beischwachster Dampfung nach einiger Zeit ab, und es bleibt allein die Antwortin der Erregerfrequenz Ω. Die Zeit, die das dauert, nennt man den Einschwing-vorgang. Der wird selten naher untersucht, sondern man wartet ab, bis sich derstationare Zustand einstellt.

Das ist der andere Teil der Antwort, der in der Erregerfrequenz Ω schwingt. Erhat (vgl. 5.31) die Amplitude

b = x0

1

1 − Ω2

ω2

0

b ist fur Ω < ω0 positiv, d.h. die Antwort ist mit der Erregung im Gleichtakt,in Phase. Fur Ω > ω0 ist die Amplitude b negativ, d.h. die Antwort ist imGegentakt zur Erregung, bzw. sie ist um π = 1800 phasenverschoben.

Das Verhaltnis

V = |b|/x0 =1

|1 − ζ2|, ζ =

Ω

ω0

also das Verhaltnis der Amplitude b zur statischen Auslenkung heißt Vergroße-

rungsfunktion oder Verzerrungsfunktion (weil auch Verkleinerungen moglichsind). In der Schwingungstechnik sagt man auch Amplitudengang. Die Eigen-schaft der Schwingungsantwort, auf die periodische Erregung unterhalb der Ei-genfrequenz in Takt und oberhalb in Gegentakt zur Erregung zu sein, nenntman entsprechend den Phasengang.

Die Vergroßerungsfunktion V geht fur kleine Ω gegen 1 und fur sehr große Ωgegen 0. Fur Werte von Ω → ω0 wachst sie uber alle Grenzen. Dieses schonerwahnte Phanomen nennt man Resonanz.

1

V

0 1 ζ

0

1

0

180

0

ζ = Ω

ω0

Vergroßerungsfunktion Phasengang

φ

106

Beispiel Eigenschwingung

4. Erregung in der Eigenfrequenz (Resonanz) In diesem speziellen Fall heißtdie Differenzialgleichung:

x + ω2

0x =

F0

mcos(ω0t)

Wie schon gezeigt (vgl. Koeffizientenvergleich vor Losung 5.31), versagt derspezielle Ansatz xp = b cos(ω0t) in der Form der rechten Seite.

Ein zweiter Versuch mit einem leicht abgewandelten Ansatz, der an den Losungs-weg bei doppelten Nullstellen der charakteristischen Gleichung im vorangegan-genen Kapitel erinnert, ist:

xp = bt sin(ω0t)

xp = b sin(ω0t) + btω0 cos(ω0t)

xp = 2bω0 cos(ω0t) − btω2

0sin(ω0t)

(5.30) → b(

2ω0 cos(ω0t) − ω2

0t sin(ω0t))

+ bω2

0t sin(ω0t) =F0

mcos(ω0t)

→ b =F0

2mω0

→ xp =1

2

F0

mω20

︸ ︷︷ ︸

x0

ω0t sin(ω0t) =1

2x0ω0t sin ω0t

Die partikulare Losung ist eine periodische Schwingung, deren Amplitude pro-portional zur Zeit t anwachst, auch dann, wenn man die Anfangsbedingungenso wahlt, dass der homogene Losungsanteil verschwindet.

5.5.4 Gedampfte, periodisch fremderregte Schwingung

Das System gehorcht der Differenzialgleichung

x + 2Dω0x + ω2

0x =

F0

mcos(Ωt) mit ω2

0=

c

m; D =

d

2mω0

Die homogene Losung der gedampften Schwingung ist, vgl. (5.27), (5.28), (5.29):

xh = e−Dω0t

(C1eωt + C2e

−ωt) D > 1(C1 + C2t) D = 1(C1e

jωt + C2e−jωt) D < 1

mit ω = ω0

|1 − D2|

Wie klein oder groß auch immer die Dampfung ist, sie ist nicht Null. Also wer-den wegen des Terms e−Dω0t uber kurz oder lang die Losungsanteile aus der

107

Page 56: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

5 Dynamik der Punktmasse

homogenen Differenzialgleichung soweit abklingen, dass sie vernachlassigt wer-den konnen. Die Phase, bis das soweit ist, nennt man den Einschwingvorgang.

Bei gedampften Schwingungen betrachtet man deshalb in aller Regel nur denstationaren Zustand, d.h. die partikulare Losung.

Als partikulare Losung soll hier ein Ansatz dienen, der etwas uber die”Form

der rechten Seite“ hinausgeht

xp = a cosΩt + b sinΩt

xp = −aΩ sinΩt + bΩ cosΩt

xp = −aΩ2 cosΩt − bΩ2 sin Ωt

xp + 2Dω0xp + ω2

0xp

= −aΩ2 cosΩt − bΩ2 sin Ωt + 2Dω0(−aΩ sinΩt + bΩ cosΩt)

+ ω2

0(a cosΩt + b sinΩt)

= (−aΩ2 + 2Dω0bΩ + ω2

0a) cosΩt + (−bΩ2 − 2Dω0aΩ + ω2

0b) sinΩt

→ a (ω2

0− Ω2)

︸ ︷︷ ︸

A

+b 2Dω0Ω︸ ︷︷ ︸

B

=F0

mund − a 2Dω0Ω

︸ ︷︷ ︸

B

+b (ω2

0− Ω2)

︸ ︷︷ ︸

A

= 0

Die beiden letzten Gleichungen liefern als Losung fur die Amplituden a und b

a =F0

m

A

A2 + B2, b =

F0

m

B

A2 + B2

→ xp =F0

m(A2 + B2)(A cosΩt + B sin Ωt)

Substitution: A = C cosΦ, B = C sin Φ

heißt umgekehrt: tanΦ =B

Aund C2 = A2 + B2

→ xp =F0

m

√A2 + B2

A2 + B2(cos Ωt cosΦ + sin Ωt sinΦ︸ ︷︷ ︸

cos(Ωt+Φ)

)

=F0

m

1√

(ω2

0− Ω2)2 + (2Dω0Ω)2

cos(Ωt − Φ)

108

Beispiel Eigenschwingung

→ limt→∞

x(t) = xp =F0

c︸︷︷︸

x0

1√

(1 − Ω2

ω2

0

)2 + (2D Ω

ω0

)2

︸ ︷︷ ︸

Def.: V (Ω;D)

cos(Ωt − Φ) = x cos(Ωt − Φ)

Die obige Definition der Vergroßerungsfunktion V gibt das frequenzabhangigeVerhaltnis der Amplitude x zur statischen Auslenkung x0 an (linkes Bild). Aus

tan Φ =B

A= 2D

Ω

ω0

1 − Ω2

ω2

0

kann man die frequenzabhangige Phasenverschiebung berechnen (rechtes Bild).

1

1

V

90

180Φ

1 Ω/ω0

Ω/ω0

der Antwort in ErregerfrequenzVergroßerungsfunktion und Phasengang

Der Maximalwert der Vergroßerungsfunktion liegt nicht da, wo die Erregerfre-

quenz gleich der Eigenfrequenz ist (vgl. die gestrichelte Linie im linken Graph),sondern da, wo der Nenner, oder, noch einfacher, der Inhalt der Wurzel, den

man als Funktion von z = Ω2

ω2

0

auffassen kann, sein Minimum hat.

d

dz

([1 − z]2 + 4D2z

)= 0 = 2(1 − z)(−1) + 4D2

→ zR = 1 − 2D2bzw.

ΩR

ω0

=√

1 − 2D2

Der Wert der Vergroßerungsfunktion V an dieser Stelle heißt Resonanzuber-

hohung.

Vmax = V (zR) =1

(1 − zR)2 + 4D2zR

=1

2D√

1 − D2

109

Page 57: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

5 Dynamik der Punktmasse

5.6 Kinematik der gefuhrten Punktbewegung

Ein Punkt bewegt sich auf einer Bahnkurve im Raum. Zum Zeitpunkt t ist erbezuglich eines kartesischen Koordinatensystems (x, y, z) an der Stelle

x = x(t) ex + y(t) ey + z(t) ez =(

x(t), y(t), z(t))

hat die Geschwindigkeit

v = x(t) ex + y(t) ey + z(t) ez =(

x(t), y(t), z(t))

und erfahrt die Beschleunigung

a = x(t) ex + y(t) ey + z(t) ez =(

x(t), y(t), z(t))

Vgl. Kap. 5.1.

Die Tatsache, dass die Geschwindigkeit notgedrungen tangential zur Bahnkur-ve verlauft, ermoglicht es, aus ihr den Tangenteneinheitsvektor der Bahn zuberechnen.

et =v

|v|

Der darin vorkommende Betrag der Geschwindigkeit ist

v(t) = |v(t)| =√

x2(t) + y2(t) + z2(t)

Bezeichnet man den entlang der Bahnkurve zuruckgelegten Weg, die sogenannteBogenlange, mit s, dann ist s nichts anderes als die Geschwindigkeit entlang derBahn, also

s = v(t) → s(t) =

t∫

0

v(τ) dτ =

t∫

0

x2(τ) + y2(τ) + z2(τ) dτ

Der Vektor der Geschwindigkeit ist umgekehrt

v = s et (5.32)

Wahrend die Geschwindigkeit immer tangential zur Bahn verlauft, ist das vonder Beschleunigung nicht gesagt. Man kann sie immerhin in einen Teil tangential

110

5.6 Kinematik der gefuhrten Punktbewegung

zur Bahn und den Rest, senkrecht (normal) zur Bahn, zerlegen.

a = at + an

at = (a · et) et (5.33)

an = a − at (5.34)

Aus (5.32) kann ebenfalls die Beschleunigung ausgerechnet werden.

a = v = set)· = s et + s et (5.35)

Eine Eigenschaft eines Einheitsvektors wie et ist, dass seine Lange 1 ist. Also istauch das Skalarprodukt von et mit sich selbst immer 1. Diese banale Aussageergibt ein brauchbares Ergebnis, wenn sie formal nach der Zeit abgeleitet wird.

(et · et)· = 0 = et · et + et · et = 2et · et → et ⊥ et

Ein Vergleich von (5.33) bzw. (5.34) mit (5.35) ergibt

at = (a · et) et = s et

und

an = s et (5.36)

Eine weitere Uberlegung ist, dass der Tangentenvektor in erster Linie vom Ortauf der Bahnkurve abhangt, an dem er sich zur Zeit t befindet, also Funktion vons ist. s wiederum ist Funktion der Zeit. Die Zeitableitung des Tangentenvektorsist folglich nach der Kettenregel zu bilden.

et =d

dtet(s(t)) =

d

dset

︸ ︷︷ ︸

(et)′

ds

dt︸︷︷︸

s

, et = s(et)′, et ⊥ et → (et)

′ ⊥ et (5.37)

Der durch die Ableitung nach der Bogenlange neu definierte Vektor (et)′ ist ein

Vektor, der von einem Ort der Bahnkurve in Richtung Mittelpunkt des Kreiseszeigt, den man gerade an diesem Ort in die Bahnkurve einschmiegen kann.Diesen Kreis nennt man den Krummungskreis.

Der Betrag von (et)′ kann jeden Wert annehmen, bei geraden Bahnen z.B. ist

er Null. (Damit er wegen des verwendeten Symbols e nicht mit einem Einheits-vektor verwechselt wird, behalt er im Folgenden seine Klammern.)

111

Page 58: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

5 Dynamik der Punktmasse

Als geometrische Interpretation gibt der Betrag von (et)′ die Krummung κ des

an diesem Punkt in die Bahnkurve einschmiegbaren Krummungskreise an, dieder Kehrwert des Krummungsradius ρ ist.

κ = |(et)′| ρ =

1

κ

Der Einheitsvektor, den man aus (et)′ berechnen kann, ist

en =(et)

|(et)′|=

(et)′

|(et)′|

s

s

mit (5.37)=

et

sκ=

ρ

set

Also gilt:(5.37) → et = s

ρen

(5.36) → an = s2

ρen

→ a = s et +s2

ρen

Beispiel Punkt auf Kreisbahn

Auf einer Kreisbahn um den Koordinatenursprung in der (x, y)-Ebenebewegt sich mit der Winkelgeschwindigkeit φ > 0) ein Punkt.

x = r (cos φ(t), sin φ(t), 0)

v = x = rφ (− sinφ, cos φ, 0)

v = |v| = rφ

sin2 φ + cos2 φ︸ ︷︷ ︸

1

= rφ

et =v

v= (− sinφ, cos φ, 0)

a = v = r (−φ sin φ − φ2 cosφ, φ cosφ − φ2 sinφ, 0)

at = (a · et) et = r(φ sin2 φ + φ2 sin φ cos φ +

+φ cos2 φ − φ2 sin φ cosφ)

(− sin φ, cosφ, 0)

= rφ(− sinφ, cos φ, 0)

an = a − at = rφ2(− cosφ,− sinφ, 0)

en =an

|an|= (− cosφ,− sin φ, 0)

Die Beschleunigung, die die Punktmasse senkrecht zu seiner Kreisbahnerfahrt, ist auf den Mittelpunkt des Kreises gerichtet. Sie heißt Zentripe-

talbeschleunigung und hat den Betrag rφ2. Entsprechend ist die Kraft, die

112

Beispiel Punkt auf Kreisbahn

dazu notig ist, den Punkt von der geraden Bahn, die er einhalten will aufdie vorgeschriebene Kreisbahn zu zwingen, laut Impulssatz

F = man

Die Punktmasse selbst, wenn sie denken und fuhlen konnte, wurde dieReaktion darauf mit umgekehrten Vorzeichen empfinden, also nach außen,und sich als Opfer einer Zentrifugalkraft, die sie an die Wand druckt.

113

Page 59: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

A Mathematische Grundlagen

A.1 Funktionen

Funktionen sind eindeutige Zusammenhange abhangiger Großen von unabhangi-gen Großen. Man bezeichnet die unabhangigen Großen als die Variablen derFunktion. Von ihnen hangen die Funktionswerte eindeutig ab. Die beteiligtenGroßen konnen unterschiedliche Wertigkeit haben. Man spricht, je nach Gege-benheit von skalarwertigen und vektorwertigen Funktionen.

Jeder beliebige arithmetische Ausdruck (z.B. x2) kann eine Funktion definieren,es gibt aber auch spezielle Funktionen. Zu denen gehoren z.B. die Kreisfunktio-nen und andere, die im Folgenden beschrieben werden.

Umkehrfunktionen: Bei skalarwertigen Funktionen von einer skalaren Variablenkann man die Umkehrfunktion bilden, indem man die ursprungliche Funktiony = f(x) nach x auflost

z.B. y = x2 → x1/2 = ±√

y

und anschließend die Bezeichner austauscht.

y1 =√

x bzw. y2 = −√

x

Die Graphen von Umkehrfunktionen sehen im xy-Koordinatensystem aus wiedie Graphen der ursprunglichen Funktionen, an 45-Linie (y = x) gespiegelt.Der wichtigste Effekt einer Umkehrfunktion ist, dass, wenn man sie auf ihreUrsprungsfunktion anwendet, nur die unabhangige Variable ubrig bleibt. Z.B.:

y = x2, Umkehrfunktion y =√

x →√

x2 = x oder (√

x)2 = x

y = ex, Umkehrfunktion (s.u.) y = ln x → ln(ex) = x oder elnx = x

A.1.1 Die Kreisfunktionen

Kreisfunktionen sind periodische Funktionen im Definitionsbereich von [−∞, +∞].Periodisch heißt, die Funktionswerte wiederholen sich in gleichmaßigen Abstanden.Der Abstand heißt Periode T . Bei Kreisfunktionen ist die Periode T = 2π|360

195

A Mathematische Grundlagen

Der Sinus ist definiert durch das Verhaltnis von Gegenkathete zu Hypothenuseim rechtwinkligen Dreieck. Der Sinus ist stetig und beliebig oft stetig differen-zierbar. Er hat den Wertebereich [-1,+1]. Die Ableitung des Sinus nach seinemArgument ist der Kosinus: sin′ x = cosx.Spezielle Werte:

0 π6|30 π

4|45 π

3|60 π

2|90

0 1

2

1

2

√2 1

2

√3 1

sin(−x) = − sin x, sin(x + π) = − sin x

30 6045

sin x1

-1

x

[deg]

0.5

090 180

270

360

Der Kosinus ist definiert durch das Verhaltnis von Ankathete zu Hypothenuseim rechtwinkligen Dreieck. Der Kosinus ist stetig und beliebig oft stetig diffe-renzierbar. Er hat den Wertebereich [-1,+1]. Die Ableitung des Kosinus nachseinem Argument ist der negative Sinus: cos′ x = − sinx.Spezielle Werte:

0 π6|30 π

4|45 π

3|60 π

2|90

1 1

2

√3 1

2

√2 1

20

cos(−x) = cosx, cos(x + π) = − cosx

30 6045

18090

270 360

cosx1

0.50

-1

x

[deg]

Der Tangens ist das Verhaltnis von Gegenkathete zu Ankathete im recht-winkligen Dreieck. Der Tangens hat Pole (Unstetigkeitsstellen) an den Stellen( 1

2± n)π, n ∈ IN. Die Ableitung des Tangens nach seinem Argument ist außer-

halb der Polstellen tan′ x = 1/ cos2 x

196

Page 60: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

A.1 Funktionen

Spezielle Werte:

0 π6|30 π

4|45 π

3|60 π

2|90

0 1

3

√3 1

√3 ±∞

tan(−x) = − tanx, tan(x + π) = tanx

tanx1

6045

x

30 90180

270 360[deg]

0

Auf Grund der Definition gilt tan x =sin x

cosx.

Der Kotangens ist das Verhaltnis von Ankathete zu Gegenkathete im recht-winkligen Dreieick, also der Kehrwert des Tangens. Der Kotangens hat Pole(Unstetigkeitsstellen) an den Stellen ±nπ, n ∈ IN. Die Ableitung des Kotangensnach seinem Argument ist außerhalb der Polstellen cot′ x = −1/ sin2 x

Spezielle Werte:

0 π6|30 π

4|45 π

3|60 π

2|90

±∞√

3 1 1

3

√3 0

cot(−x) = − cotx, cot(x + π) = cot x

1

0

cot x

6045

9030

180 270

360[deg]

x

197

A Mathematische Grundlagen

Auf Grund der Definition gilt cotx =cosx

sin x.

A.1.2 Additionstheoreme der Kreisfunktionen

sin(x ± y) = sin x cos y ± cosx sin y

cos(x ± y) = cosx cos y ∓ sin x sin y

tan(x ± y) =tanx ± tan y

1 ∓ tan x tan y

A.1.3 e-Funktion und Logarithmus naturalis

Die e-Funktion ist in ihrem ganzen Definitionsbereich [−∞, +∞] positiv. Siefolgt einer standigen Linkskurve und hat bei Null den Wert 1. Die e-Funktionist die einzige Funktion, die bei Ableitung nach ihrem Argument in sich selbstubergeht.

1

-1 0 1

x

exe−x

Die Spiegelung an der Hochachse liefert die ’abklingende’ e-Funktion, die ent-steht, wenn der Exponent x ein negatives Vorzeichen hat: y = e−x.

Die Umkehrfunktion der e-Funktion ist der Logarithmus naturalis (ln), des-sen Definitionsbereich folglich auf die positiven Zahlen (ohne Null) beschrankt

198

Page 61: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

A.1 Funktionen

ist. Der Wertebereich geht dafur von −∞ bis +∞. Der Logarithmus natura-lis durchfahrt eine standige Rechtskurve, hat einen negativen Pol bei 0 undschneidet die x-Achse bei 1. Die Ableitung des ln x ist 1

x.

1.0

1.0

ln x

ex

x

A.1.4 Die Hyperbelfunktionen

Grundlage aller Hyperbelfunktionen ist die e-Funktion.

Sinus hyperbolicus Definition: sinh =1

2(ex − e−x)

D.h. der Sinus hyperbolicus ist die halbe Differenz zwischen einer aufklingendenund einer abklingenden e-Funktion. Deshalb ist sein Funktionsgraph punktsym-metrisch zum Koordinatenursprung.

sinh x

1

x

1

-1

199

A Mathematische Grundlagen

Kosinus hyperbolicus Definition: cosh =1

2(ex + e−x)

D.h. der Kosinus hyperbolicus ist das arithmetische Mittel aus einer aufklingen-den und einer abklingenden e-Funktion. Sein Funktionsgraph ist klappsymme-trisch zur Hochachse und hat der Wert 1 bei x = 0.

-1 0 1

x

1

coshx

Der Tangens hyperbolicus ist analog zum Tangens der Kreisfunktionen defi-niert:

tanh =sinh x

cosh x=

ex − e−x

ex + e−x

Weil fur große positive und negative x jeweils die abklingende bzw. aufklingendee-Funktion keine Rolle mehr spielt, nahert sich der Funktionsgraph asympto-tisch an 1 bzw. an -1 an.

1

-1

1

-1

tanh x

A.2 Matrizenrechnung

Matrizen sind Strukturen, in denen Skalare in Zeilen und Spalten verwaltetwerden. Ihre Große gibt man uber die Anzahl der Zeilen und Spalten an. Z.B.

200

Page 62: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

A.2 Matrizenrechnung

ist eine (2×3)-Matrix eine Matrix mit 2 Zeilen und 3 Spalten. Matrizen mitgleich viel Spalten und Zeilen nennt man quadratisch.

Matrizen mit nur einer Zeile und n Spalten nennt man einen Zeilenvektor derLange n, ebenso ist eine Matrix mit nur einer Spalte und m Zeilen ein Spalten-vektor der Lange m.

Die einzelnen Elemente der Matrix M bezeichnet man i.Allg. mit mij , wobeii die Zeilennummer und j die Spaltennummer bedeuten. i und j nennt manIndex (Plural: Indizes). Sie sind Stellvertreter fur die Zahlen von 1 bis n, bzw.m. (Bei Spalten- und Zeilenvektoren verzichtet man auf die Angabe der Spaltej ≡ 1 bzw. Zeile i ≡ 1.)

Die Reihe der Matrixelemente, bei denen Zeilen- und Spaltenindex ubereinstim-men, nennt man die Hauptdiagonale der Matrix.

Transponierte Die Transponierte MT einer Matrix M ist wieder einem Matrixmit so viel Zeilen und Spalten wie die Ursprungsmatrix Spalten und Zeilenhatte. Die Elemente der Transponierten sind die Elemente der Ausgangsmatrixmit vertauschten Indizes.

mT

ij = mji

Man kann auch sagen, die Transponierte entsteht durch Spiegelung an derHauptdiagnonalen.

Matrizenmultiplikation Zwei Matrizen A und B konnen miteinander multi-pliziert werden,

C = AB

wenn die Spaltenzahl von A mit der Zeilenzahl von B ubereinstimmt. Es entstehteine Matrix mit so vielen Zeilen wie A und so vielen Spalten wie B. Das Elementcij dieser Ergebnismatrix entsteht aus dem sogenannten Skalarprodukt der i-tenZeile von A mit der j-ten Spalte von B.

cij =

n∑

k=1

aikbkj , n : ubereinstimmende Spalten- und Zeilenzahl

Fur den Fall, dass B nur ein Spaltenvektor b ist, wird daraus:

ci =n∑

k=1

aikbk

201

A Mathematische Grundlagen

was sich hervorragend dazu eignet, lineare Gleichungssysteme in kompakterForm anzugeben:

a11x1 + · · · + a1mxm = r1

.... . .

... =...

an1x1 + · · · + anmxm = rn

→ A x = r

Darin nennt man A die Koeffizientenmatrix, x den Vektor der Unbekannten undr die ’rechte Seite’.

Ein lineares Gleichungssystem ist losbar, wenn es ebenso vielen Gleichungen wieUnbekannte hat. D.h. die Koeffizientenmatrix muss quadratisch sein. Daruber-hinaus darf aber keine Gleichung als Linearkombination der anderen darstellbarsein. Wenn doch, dann reicht die Information nicht nicht mehr aus, alle Unbe-kannten zu bestimmen.

Determinante Die Determinante einer quadratischen Matrix entscheidet da-ruber, ob einzelne Zeilen oder Spalten eine Linearkombination der anderen sind.Ist das der Fall, wird die Determinante 0.

Die Determinante einer (2× 2)-Matrix berechnet sich aus dem Produkt derHauptdiagonalelemente minus dem Produkt der Nebendiagonalelemente.

det

∣∣∣∣

a b

c d

∣∣∣∣= ad − bc

Determinanten großerer (n×n)-Matrizen A werden rekursiv berechnet, indemman nach einer beliebigen Zeile oder Spalte ’entwickelt’. Wahlt man zur Ent-wicklung z.B. die Zeile i der Matrix A aus, dann ist die gesuchte Determinantedie vorzeichenalternierende Summe von Produkten der Elemente aik dieser Zei-le mit den zugehorigen Unterdeterminaten. Das sind die Determinanten derMatrizen, die von A ubrig bleiben, wenn man die Zeile i und die Spalte k her-ausstreicht.

det A =

n∑

k=1

(−1)i+kaik det Asub

ik

Die Unterdeterminanten bestimmt man nach dem gleichen Verfahren, bis manbei (2×2)-Untermatrizen anlangt.

Z.B. eine (3×3)-Matrix, entwickelt nach der ersten Zeile, ergibt:

det

∣∣∣∣∣∣

a b c

d e f

g h i

∣∣∣∣∣∣

=

202

Page 63: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

A.3 Differenzialrechnung

= (−1)2a det

∣∣∣∣

e f

h i

∣∣∣∣+ (−1)3b det

∣∣∣∣

d f

g i

∣∣∣∣+ (−1)4c det

∣∣∣∣

d e

g h

∣∣∣∣

= a(ei − fh) − b(di − fg) + c(dh − eg)

= aei + bfg + cdh − ceg − afh − bdi

Das letzte Ergebnis kommt auch heraus, wenn man die gegebene (3×3)-Matrixnach rechts um die beiden ersten Spalten erweitert.

∣∣∣∣∣∣

a b c a b

d e f d e

g h i g h

∣∣∣∣∣∣

Dann findet man die positiv zahlenden Dreier-Produkte auf den drei neben-einander liegenden ’Hauptdiagonalen’ wieder und die negativen auf den dreiGegendiagonalen. Diese Berechnungsvorschrift heißt Sarrus-Regel und gilt nur

bei (3×3)-Matrizen.

A.3 Differenzialrechnung

Eine stetige Funktion f(x) (das ist eine, die manzeichnen kann, ohne den Stift absetzen zu mussen)hat in aller Regel an der Stelle x+4x einen anderenWert f(x + 4x), als an der Stelle x. Wie groß derUnterschied 4f = f(x + 4x) − f(x) allerdings ist,hangt von der Große von 4x ab.

4xb

x

4xa

f(x) 4fa 4fb

φb

Entsprechend unterschiedlich ist die Lage der Hypothenuse des Dreiecks, das aus4x und 4f gebildet wird. Je nachdem wie groß 4x gewahlt wird und sich 4f

ergibt, berechnet die Steigung der Hypothenuse aus dem Differenzenquotienten

s =4f

4x= tan φ

d.h. die Steigung ist der Tangens des Steigungswinkels φ.

Geometrisch ist die Hypothenuse des Steigungsdreiecks eine Sekante. Sie schnei-det die Kurve f(x) in mindestens zwei Stellen. Damit ist sie ein ungeeignetesInstrument, um die Eigenschaften der Kurve f(x) an der Stelle x zu beschreiben,denn durch einen Punkt einer Kurve gehen unendlich viele Sekanten.

Etwas anderes erhalt man, wenn man den Abstand 4x zum zweiten Sekanten-schnittpunkt immer kleiner werden lasst. Dann wird im Grenzubergang (4x →

203

A Mathematische Grundlagen

0) aus der Sekante eine Tangente, die nur noch einen einzigen Beruhrungspunktan der Stelle x hat. Die Steigung der Tangente im Punkt x ist gleichzeitig dieSteigung der Kurve f(x), an die sich die Tangente anschmiegt.

sT = lim4x→0

4f

4x=

df

dx= f ′(x)

Aus dem Differenzenquotienten wird dabei der Differenzialquotient, der dieSymbole d statt 4 benutzt, um anzudeuten, dass sich der Quotient nicht mehraus endlichen Großen bestimmt, sondern aus ’infinitesimal’ (d.h. unendlich) klei-nen. Das Ergebnis f ′ nennt man Ableitung von f . Dabei ist das Hochkommaeine abkurzende symbolische Schreibweise fur die Anweisung: Bilde den Diffe-renzialquotienten von f , d.h. leite die Funktion f nach ihrem Argument ab.Wenn das Argument allerdings die Zeit t ist, findet man statt des Hochkommasoft auch einen ubergesetzten Punkt.

Zur Berechnung einer Ableitung ist die obige Gleichung eine gradlinige Re-chenanweisung, wenn die abzuleitende Funktion explizit angegeben ist, z.B. furf(x) = xn kommt heraus:

f ′ = lim4x→0

(x + 4x)n − xn

4x

= lim4x→0

(xn +

(n1

)xn−14x +

(n2

)xn−24x2 + · · ·

)− xn

4x

= lim4x→0

nxn−14x +(

n2

)xn−24x2 + · · ·

4x

= lim4x→0

[

nxn−1 +(n

2

)

xn−24x + · · ·]

= nxn−1

Dieses Ergebnis und andere von haufig verwendeten Funktionen sind in Tabel-lenwerken gesammelt, z.B. Bronstein/Semendjajew: Taschenbuch der Mathema-

tik.

Auf die gleiche Art und Weise erhalt man auch die sogenannte Produktregel,die ein Hilfsmittel sein kann, wenn sich die abzuleitende Funktion als Produktzweier Funktionen darstellt: f(x) = u(x)v(x):

f ′ = lim4x→0

u(x + 4x)v(x + 4x) − u(x)v(x)

4x

= lim4x→0

(u(x) + 4u)(v(x) + 4v) − u(x)v(x)

4x

= lim4x→0

u(x)v(x) + v(x)4u + u(x)4v + 4u4v − u(x)v(x)

4x204

Page 64: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

A.3 Differenzialrechnung

= lim4x→0

v(x)4u + u(x)4v + 4u4v

4x

= lim4x→0

[

v(x)4u

4x+ u(x)

4v

4x+

4u

4x

4v

4x4x

]

= v(x)u′(x) + u(x)v′(x) + u′(x)v′(x) dx︸ ︷︷ ︸

0

Quotientenregel: f(x) =u(x)

v(x)→ f ′ =

u′v − v′u

v2

Kettenregel: f(x) = g(t(x)) → f ′(x) =dg

dt

dt

dx

Leitet man eine abgeleitete Funktion (f ′) ein zweites Mal ab, entsteht die zweiteAbleitung f ′′, gekennzeicht durch ein weiteres Hochkomma (oder einen weiterenubergesetzten Punkt. Das ist die abkurzende Schreibweise fur:

f ′′(x) =d

dx

(df

dx

)

=d2f

dx2

Das ist beliebig fortsetzbar, solange die abzuleitenden Funktionen differenzier-bar bleiben.

Funktionen von mehreren Variablen kann man selbstverstandlich auch ableiten.Was dabei heraus kommt, ist allerdings keine globale Eigenschaft der Funktionan der Stelle, wo man sie betrachtet. Das gilt nur im eindimensionalen Fall.Hier ist die Ableitung nach einer der beteiligten Variablen nur eine Teilaussage.Deswegen nennt man sie ’partielle’ Ableitung und kennzeichnet den Differen-zialquotienten mit speziellen Symbolen (∂).

f = f(x, y, z) : f,x =∂f

∂x, f,y =

∂f

∂y, f,z =

∂f

∂z

Will man sich eine Vorstellung davon machen, so geht das am besten mit einerFunktion von zwei unabhangigen Variablen (f(x, y)). Fasst man die Variablenals rechtwinklig zueinander stehende Koordinaten der xy-Ebene auf, dann bil-det die Funktion f(x, y) uber dieser Ebene ein Gebirge, und das Zahlentripel(x, y, f(x, y)) ist ein Punkt darauf.

Die partielle Ableitung ∂f/∂x gibt nur die Neigung einer Tangente an, dieim Punkt (x, y, f(x, y)) in x-Richtung an die Gebirgsflache angeschmiegt ist.(Deswegen nennt man die partielle Ableitung auch Richtungsableitung.) Siegibt keine Aussage daruber, ob es in y-Richtung steiler oder flacher ist.

205

A Mathematische Grundlagen

Manchmal ersetzt man die Funktion f(x) in der Nachbarschaft der Stelle x0

durch ihren Funktionswert, ihre Tangente und Terme mit hoheren Ableitungen.Das nennt man eine Taylorreihe.

f(x) = f(x0) + f ′(x0)(x − x0)

∣∣∣∣+

f ′′(x0)

2!(x − x0)

2 +f ′′′(x0)

3!(x − x0)

3 + · · ·

Ublicherweise bricht man diese unendliche Summe nach dem zweiten Glied abund beschrankt sich auf infinitesimal kleine Nachbarschaften (x − x0) → dx.Als Naherung fur die eigenliche Funktion f(x) ist das bei x0 exakt richtig undum so falscher, je weiter man sich von x0 entfernt.

Bei Funktionen von mehreren Variablen sieht die Talorreihe sehr viel kompli-zierter aus. Schon der zweite Term wird (fur infinitesimale Nachbarschaft) zu

df =∂f

∂xdx +

∂f

∂ydy

Das nennt man ein totales Differenzial (hier fur zwei Variablen angegeben).Um in dem obigen Beispiel zu bleiben, entspricht das einem Bierdeckel, derim Punkt (x, y, f(x, y)) an die Gebirgsflache genagelt wird. Im Sinne der derDifferenzialgeometrie ist das eine Tangentialebene.

A.4 Integralrechnung

Die Flache unter einer Kurve f(x) lasst sich naherungsweise als Summe vonTeilflachen Fi angeben, die 4x breit sind und so hoch wie der Funktionswertz.B. an ihrer linken Kante.

4x

f(xi)

xi

xa xb

x

y4Fi

Fi

F ≈

b∑

i=a

Fi =

b∑

i=a

f(xi)4x

xa = a4x, xb = b4x, xi = i4x

Dabei macht man bei jedem Streifen Fi einen Fehler 4Fi, der relativ zumFlacheninhalt des Streifens um so kleiner wird, je schmaler man ihn wahlt. ImGrenzubergang, in dem die Streifen unendlich schmal und ihre Anzahl unendlich

206

Page 65: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

A.4 Integralrechnung

hoch werden, geht der Fehler gegen Null. Um diesen Grenzubergang zu kenn-zeichnen, wird das Summenzeichen durch ein anderes Symbol (

∫) ersetzt und

das endlich breite 4x verwandelt sich in ein ’infinitesimal’ schmales dξ. Dendabei entstehenden Ausdruck nennt man nicht mehr Summe, sondern Integral.Das, was hinter dem Intergralzeichen (

∫) steht, heißt Integrand.

F = lim4x→0

b∑

i=a

f(xi)4x =

xb∫

xa

f(ξ) dξ =

xb∫

xa

dF

Der Ort xi, der die Lage des Streifens Fi im Intervall [xa, xb] beschrieb, wird er-setzt durch die ’Integrationsvariable’ ξ. Das ist eine Koordinate in der Richtungvon x. Sie ist eine Hilfsgroße, genauso wie zuvor der Zahlindex i eine Hilfsgroßewar. Diesen Aufwand betreibt man allerding nur, wenn Verwechslungen moglichsind, ansonsten benutzt man x statt ξ. Man weiß ja, was man macht.

dF ist der Flacheninhalt eines solchen infinitesimal schmalen Streifens.

Der Zusammenhang dF = f(x) dx lasst sich umstellen:

f(x) =dF

dx= F ′(x)

D.h. das Ergebnis der Integration ist die Funktion F , die man ableiten muss(s. Kap. A.3), um den Integranden zu erhalten. Man nennt F auch die Stamm-funktion von f .

Im Gegensatz zu einem Integral uber ein festgelegtes Intervall nennt man einIntegral ohne Angaben von Integrationsgrenzen ein ’unbestimmtes’ Integral.Seine Losung ist die Stammfunktion, erweitert um eine beliebige Konstante.

Wenn die Intervallgrenzen bekannt sind (bestimmte Integrale), ist die Losungdie Differenz der Werte der Stammfunktion an den Intervallgrenzen.

xb∫

xa

f(x) dx =[

F (x)]xb

xa

= F (xb) − F (xa)

Z.B.π∫

0

cos(x) dx =[

sin x]π

0

= sin π − sin 0 = 0

Die eckigen Klammern im zweiten Term deuten an, dass die Integration schondurchgefuhrt ist (die Funktion, die man ableiten muss, um den Kosinus (Inte-grand) zu bekommen, ist der Sinus (gesuchte Stammfunktion)). Die tief- und

207

A Mathematische Grundlagen

hochgestellten Integrationsgrenzen werden im Weiteren eingesetzt und die Er-gebnisse voneinander abgezogen.

Die Flache unter der Kurve f(x) kommt bei der oben beschriebenen Integrationentlang der einen Koordinate x (eindimensionaler Raum) nur deshalb heraus,weil jedes dx mit dem Funktionswert f(x) gewichtet wurde. Die Integrationvon ungewichteten dx ergibt nur die Lange des Intervalls [xa, xb].

dx

f(x)

dy

xa xb

y

x

Zum selben Ergebnis (Flache) kommtman, wenn man die Funktion f(x) alsals eine der Grenzen eines Gebietes inder (x, y)-Ebene auffasst und alle in-finitesimal kleinen Teilfflachen dA =dx dy, die innerhalb des Gebietes liegen,ohne jede Wichtung summiert.

Eine solche Integration uber zwei Koordinatenrichtungen kennzeichnet man miteinem doppelten Integralzeichen, in diesem Fall mit:

A =

∫∫

A

dA =

xb∫

xa

f(x)∫

0

dy

dx

Eine Integration uber ein Volumen wird mit einem Dreifach-Integralzeichen ge-kennzeichnet, z.B. V =

∫∫∫

VdV .

Selbstverstandlich konnen solch infinitesmal kleinen Teilflachen oder Teilvolumi-na, die immer einem Ort zugeordnet sind, auch mit einer Zahl gewichtet werden,die von Ort zu Ort andere Werte annimmt: g(x, y, z). Ebenso selbstverstandlichkonnen solche Wichtungsfunktionen auch vektoriellen Charakter haben. Dasheißt nicht anderes, als dass die Integration komponentenweise durchgefuhrtwird und das Ergebnis ein Vektor ist.

Solche Funktionen von mehreren unabhangigen Variablen werden uber geschlos-sene Gebiete entsprechender Dimension ausgefuhrt, indem man die oben be-schriebene Integration nacheinander fur jede Variable durchfuhrt. Wahrend derIntegration uber eine Variable sind alle ubrigen als konstant anzusehen, weilsie als ’unabhangige’ Variablen eben keine Funktion der anderen sind, d.h. ausderen Sicht konstant.

Welche Integration uber welche Integrationsvariable man zuerst durchfuhrt,hangt nur davon ab, wie sich die Gebietsgrenzen als Funktion der einzelnen un-abhangigen Variablen am einfachsten darstellen lassen. Bei dem Beispiel obensind die Grenzen: x = xa, y = 0, x = xb und y = f(x)

208

Page 66: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

A.5 Differenzialgleichungen

A.5 Differenzialgleichungen

Gleichungen, in denen Ableitungen vorkommen, heißen Differenzialgleichungen.Die hochste Ableitung bestimmt die Ordnung der Differenzialgleichung.

Wenn die Ableitungen nur in linearer Form auftreten, also nicht als Argumentvon Funktionen oder als Potenzen, dann spricht man von linearen Differenzial-gleichungen.

Wenn die Ableitungen nur nach einer Variablen gebildet werden, hat man es mitgewohnlichen Differenzialgleichungen zu tun. Im anderen Fall treten partielleAbleitungen auf, weil die abgeleitete Große von Funktion mehrerer Variablenist. Dann handelt es sich auch um partielle Differenzialgleichungen, die hier nurerwahnt, aber nicht weiter behandelt werden.

y′′ + a1y′ + a0y = f(x)

ist also eine gewohnliche lineare Differenzialgleichung 2. Ordnung. (Ublicher-weise bringt man eine Differenzialgleichung auf eine Form, in der die hochsteAbleitung den Vorfaktor 1 hat.)

Es gibt keinen Konigsweg zur Losung von Differenzialgleichungen, nur verschie-dene Angange fur verschiedene Kategorien von Differenzialgleichungen.

A.5.1 Gewohnliche lineare Dgl 1. Ordnung

y′ + a0y = f(x) (G1)

An diesem fast ’einfachsten’ Fall kann man eine oft erfolgreiche Strategie klarmachen, doch das spater. Zuerst zum wirklich einfachsten Fall: a0 = 0 bzw.

y′ = f(x)

Die Losung ist die Beantwortung der Frage:”Welche Funktion y muss ich ab-

leiten, um f(x) heraus zu bekommen?“ Antwort: Die Stammfunktion, erweitertum eine beliebige Konstante.

Zuruck zum allgemeineren Fall. Angenommen, man wusste eine Funktion yp,die die Diffenzialgleichung (G1) erfullt.

y′

p + a0yp = f(x) (G2)

Dann kann man rein formal die beiden Gleichungen (G1) und (G2) voneinanderabziehen und erhalt:

209

A Mathematische Grundlagen

y′ − y′

p︸ ︷︷ ︸

y′h

+ a0(y − yp︸ ︷︷ ︸

yh

) = f(x) − f(x) = 0 → y′

h + a0yh = 0 (G3)

Das geht nur bei linearen Differenzialgleichungen, fuhrt aber hier zu einer neu-en Differenzialgleichung fur die Funktion yh. Die rechte Seite dieser Dgl istverschwunden. Solche Differenzialgleichungen nennt man homogene Differen-zialgleichungen. Sie machen das Problem etwas ubersichtlicher, weil man dieeigentlich gesuchte Losung y zusammensetzt aus der Losung yh der homogenenDifferenzialgleichung und einer einzigen weiteren Funktion yp, die die ursprung-liche Dgl erfullt. Diese einsame Losung nennt man die partikulare Losung.

Die Uberlegungen zur homogenen und partikularen Losung bei linearen Diffe-renzialgleichungen ist nicht auf Differenzialgleichungen 1. Ordnung beschrankt,sondern sie gelten fur jede Ordnung.

Homogene Losung Die Losung der homogenen Differenzialgleichung (G3) istmit der Beantwortung der Frage gefunden:

”Welche Funktion gibt es, die bei

der Ableitung ein Vielfaches ihrer selbst ergibt?“ Diese Eigenschaft hat nur diee-Funktion (vgl. Kap. A.1.3).

deλx

dx= λeλx

Also macht man (wie es heißt) den Ansatz: yh = eλx, → y′

h = λeλx und setztdiesen Ansatz in die homogenen Dgl (G3) ein.

λeλx

︸︷︷︸

y′h

+a0 eλx

︸︷︷︸

yh

= (λ + a0)eλx = 0

Die entstandene Gleichung kann nur erfullt werden, wenn die Klammer ver-schwindet, weil die Funktion eλx an keiner Stelle x Null wird. Damit wird derKlammerinhalt zu einer Bestimmungsgleichung fur λ:

λ = −a0 → yh = Ce−a0x

Die zugefugte Konstante C dient zur Erweiterung des Losungsvorrats: Die obigeArgumentation hatte fur yh = Ceλx genauso funktioniert.

Partikulare Losung Ein Tipp zur partikularen Losung ist immer der ’Ansatzvom Typ der rechten Seite’. Das ist mit der allgemeinen Funktion f(x) nichtzu beschreiben, sondern braucht das explizite Aussehen der rechten Seite einer

210

Page 67: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

A.5 Differenzialgleichungen

Dgl, um sich daran zu orientieren.

Wenn z.B. die rechte Seite ein Polynon ist, z.B.

y′ + a0y = k0 + k1x + k2x2

dann ware ein Ansatz vom Typ der rechten Seite ein ahnliches Polynom

yp = b0 + b1x + b2x2 → y′

p = b1 + 2b2x

und eingesetzt in die Differenzialgleichung ergabe sich:

b1 + 2b2x︸ ︷︷ ︸

y′p

+a0(b0 + b1x + b2x2

︸ ︷︷ ︸

yp

) = k0 + k1x + k2x2

Das wird etwas sortiert, und zwar nach den Potenzen von x.

b1 + a0b0︸ ︷︷ ︸

k0

+(2b2 + a0b1︸ ︷︷ ︸

k1

)x + a0b2︸︷︷︸

k2

x2 = k0 + k1x + k2x2

Der anschließende Koeffizientenvergleich fuhrt zu Bestimmungsgleichungen furdie Faktoren b0 bis b2 mit den Ergebnissen.

b2 =k2

a0

, b1 =k1

a0

− 2k2

a2

0

, b0 =k0

a0

−k1

a2

0

+ 2k2

a3

0

An diesem Beispiel ist zu sehen, dass der Begriff ’Typ der rechten Seite’ mit et-was Vorsicht zu genießen ist. Selbst wenn auf der rechten Seite zwei Koeffizienten(k0 und k1) nicht vorhanden sind, bleiben alle Faktoren (b0, b1, b2) des Ansatz-Polynoms erhalten. Ein einfacherer Ansatz, z.B. in der Form yp = b2x

2 hattenicht ausgereicht. In mathematischen Worten: Man muss den Funktionenraumdes Ansatzes soweit aufspannen, dass auch alle aus dem Ansatz entstehendenAbleitungen enthalten sind.

Ist z.B. in der rechten Seite einer Dgl eine Kreisfunktion enthalten

y′ + a0y = A sin αx

dann muss in diesem Fall ein Ansatz fur yp vom ’Typ der rechten Seite’ auchden Kosinus enthalten.

yp = Ks sin αx + Kc cosαx → y′

p = αKs cosαx − αKc sinαx

Dgl: → αKs cosαx − αKc sin αx + a0(Ks sin αx + Kc cosαx) = A sin αx

Koeffizientenvergleich:

211

A Mathematische Grundlagen

(a0Ks − αKc︸ ︷︷ ︸

A

) sin αx + (a0Kc + αKs︸ ︷︷ ︸

0

) cosαx = A sin αx

Ergebnis: Ks =a0

a20

+ α2A, Kc =

−α

a20

+ α2A

A.5.2 Gewohnliche nicht lineare Dgl 1. Ordnung

Eine Differenzialgleichung der Form y′ = f(y) lasst sich immer auf die Form

dy

dx= f(y) → dy = f(y) dx →

dy

f(y)= dx

bringen. Diese Umformung nennt man Trennung der Variablen (alles, was y

heißt, nach links, alles was x heißt, nach rechts!) Der Weg zur Losung fuhrtuber die Suche nach den Stammfunktionen auf beiden Seiten, erganzt durcheine Konstante.

∫dy

f(y)=

dx + C = x + C

Wenn allerdings die Form der Differenzialgleichung etwas komplizierter ist,namlich

y′ = f(y, x)

dann hangt es sehr von der speziellen Form der Funktion f ab, ob sich dieTrennung der Variablen durchfuhren lasst.

A.5.3 Gewohnliche lineare Dgl 2. Ordnung

Bei technischen Schwingungsproblemen entstehen Differenzialgleichungen derForm

y′′ + a1y′ + a0y = f(x)

fur die sich die gesuchte Losung y aus der homogenen Losung yh und der par-tikularen Losung yp zusammensetzt (vgl. Kap. A.5.1).

Homogene Losung Die homogene Losung kann nur eine Funktion sein, derenverschiedene Ableitungen in Linearkombination eine Null produzieren konnen.Das leistet wiederum nur die e-Funktion.

212

Page 68: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

A.6 Komplexe Zahlen

yh = eλx, y′

h = λeλx, y′′

h = λ2eλx

→ (λ2 + a1λ + a0)eλx = 0

Die Gleichung kann nur erfullt werden, wenn die Klammer verschwindet, denneλx ist > 0. Aus dieser Bedingung entsteht die charakteristische Gleichung, dieso heißt, weil sie uber den Charakter der Losung entscheidet.

λ2 + a1λ + a0 = 0

ist eine quadratische Gleichung, deren Losungen

λ1/2 = −a1

√a1

4− a0

sind. Der Inhalt der Wurzel entscheidet daruber, ob die Losungen λ1/2 reell,komplex oder doppelt sind. Letzteres ist der Fall, wenn der Wurzelinhalt 0 ist.

Bei doppelter Nullstelle muss ein weitere Ansatz (yh = xeλt) hinzu genom-men werden, da die Losung einer Dgl 2. Ordnung zwei unabhangige Funktionenbraucht.

Bei komplexen Zahlen λ1/2 kommt die Euler-Formel (s. Abschnitt A.6) zumTragen und fuhrt zu harmonischen Funktionen in der Losung.

A.6 Komplexe Zahlen

Die Zahl, die mit sich selbst multipliziert den Wert -1 ergibt, gibt es nicht unterden reellen Zahlen. (Das sind die, fur die man sich den Zahlenstrahl vorstellt,der von −∞ bis +∞ reicht.)

Man kann sich aber vorstellen, dass es eine solche Zahl auf einem zweiten Zah-lenstrahl gibt, der mit dem reellen Zahlenstrahl nichts zu tun hat, d.h. senkrechtauf dem ersten steht. Man nennt diese Zahl j und sagt, dass sie eine imaginareZahl sei.

j2 = −1 bzw. j =√−1

Es bleibt nicht bei dieser einzigen imaginaren Zahl: Jede reellle Zahl, malge-nommen mit j ist eine imaginare Zahl. Und eine Zahl, die sich additiv aus einerreellen und eine imaginaren Zahl zusammensetzt, nennt man eine komplexeZahl.

z(A, B) = A + jB, A, B ∈ IR

213

A Mathematische Grundlagen

In dem Koordinatensystem, das aus den beiden erwahnten Zahlenstrahlen gebil-det wird (das ist die Gaußsche Zahlenebene), ist eine komplexe Zahl ein Punkt.D.h. man kann die komplexe Zahl z als Ortsvektor in der Zahlenebene inter-pretieren. Die Komponenten dieses Vektors in reeller und imaginarer Richtungnennt man den Realteil (<) und Imaginarteil (=) von z.

0

φ

z

<

=

A

B

Die ’Lange’, nicht der Betrag (!) der komplexen Zahl z berechnet sich nach denRegeln der Vektorrechnung als

|z| =√

A2 + B2

Andersherum kann man den Realteil und Imaginrteil von z aus der Lange als

<z = |z| cosφ bzw. =z = |z| sinφ

ausrechnen. Damit ist eine weitere Darstellungsform fur komplexe Zahlen gege-ben, der noch eine dritte zur Seite gestellt wird.

z(A, B) = A + jB = |z| (cosφ + j sinφ) = |z|ejφ

Der letzte Zusammenhang (genannt die Euler-Formel) ist nicht gleich ersicht-lich. Man braucht zu seiner Herleitung die Taylorreihe der e-Funktion.

f(x) = f(x0) +

∞∑

k=1

f (k)(x)

k!

∣∣∣∣x0

(x − x0)k , f (k) =

dk

dxkf(x)

Das gibt fur ex entwickelt bei x0 = 0

ex = 1 +x

1!+

x2

2!+

x3

3!+

x4

4!+

x5

5!+

x6

6!+ · · ·

und fur ejx

ej x = 1 +j x

1!−

x2

2!−

j x3

3!+

x4

4!+

j x5

5!−

x6

6!± · · ·

214

Page 69: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

A.6 Komplexe Zahlen

= 1 −x2

2!+

x4

4!−

x6

6!± · · ·

︸ ︷︷ ︸

cos x

+j( x

1!−

x3

3!+

x5

5!± · · ·

︸ ︷︷ ︸

sin x

)

Zu jeder komplexen Zahl z gehort eine konjugiert komplexe Zahl z mit der glei-chen Lange |z|, dem gleichen Realteil (<z = <z) und dem negativen Imaginarteil(=z = −=z).

z(A, B) = A − jB = |z|(cosφ − j sin φ)

Durch formale Umformungen, die auf dem Tatbestand

cosφ = cos(−φ) und − sin(φ) = sin(−φ)

basieren, gelangt man zu der Aussage

cosφ − j sin φ = cos(−φ) + j sin(−φ) = ej(−φ) = e−jφ

was heißt, dass e−jφ die konjugiert komplexe Zahl zu ejφ ist. Dasselbe kannman auch in der Gaußschen Zahlenebene ablesen, in der die Zahlen ejφ einenKreis um den Nullpunkt mit dem Radius 1 darstellen.

0

=

ejφ

−φ

<

1

1

φ

Komplexe Zahlen in der Form z = |z|ejφ nennt man auch Zeiger.

Rechenregeln Da komplexe Zahlen als Ortsvektoren in der Ebene interpre-tiert werden konnen, sind Addition und Subtraktion selbsterklarend: Sie werdenkomponentenweise ausgefuhrt.

x = y ± z = <y ±<z + j(=y ±=z)

Bei der Multiplikation horen die Gemeinsamkeiten dann auf: Es gibt kein Ska-larprodukt und kein Kreuzprodukt, sondern nur das Produkt von Summen.

x = yz = (<y + j=y)(<z + j=z) = <y<z + j(<z=y + <y=z) + j2=y=z

x = <y<z −=y=z + j(<z=y + <y=z)

215

A Mathematische Grundlagen

Ein angenehmes Ergebnis kommt heraus, wenn y = z die konjugiert komplexeZahl zu z ist, d.h. <y = <z und =y = −=z.

x = z z = <z<z + =z=z + j 0 = |z|2

Das hilft bei der Division von komplexen Zahlen

x =y

z=

y

z

z

z=

yz

|z|2

Division und Multiplikation produzieren in der Darstellung mit Real- und Ima-ginarteil umfangreiche Ausdrucke. In der Zeiger-Darstellung werden die Ergeb-nisse wesentlich eleganter.

x = yz = |y|ejφy |z|ejφz = |y||z|ej(φy+φz)

x =y

z=

|y|ejφy

|z|ejφz

=|y|

|z|ej(φy−φz)

216

Page 70: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

B Formelsammlung

Vektorrechnung

kartesische Koordinaten

Skalarprodukt Betrag

a · b = a1b1 + a2b2 + a3b3 |a| =√

a · a =√

a2

1+ a2

2+ a2

3

Kreuzprodukt

a × b = det

∣∣∣∣∣∣

e1 e2 e3

a1 a2 a3

b1 b2 b3

∣∣∣∣∣∣

=

a2b3 − a3b2

−a1b3 + a3b1

a1b2 − a2b1

Spatprodukt

[a, b, c] = det

∣∣∣∣∣∣

a1 a2 a3

b1 b2 b3

c1 c2 c3

∣∣∣∣∣∣

218

Kraftesysteme

Resultierende Kraft Resultierendes Moment bzgl. C

F =n∑

k=1

F k M c =n∑

k=1

(rk − c) × F k

Fx =n∑

k=1

Fxk Mcx =n∑

i=1

(riy − cy)Fiz − (riz − cz)Fiy

Fy =n∑

k=1

Fyk Mcy =n∑

i=1

(riz − cz)Fix − (rix − cx)Fiz

Fz =n∑

k=1

Fzk Mcz =n∑

i=1

(rix − cx)Fiy − (riy − cy)Fix

Gleichgewicht

F = 0 M c = 0

219

Page 71: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

B Formelsammlung

Korper mit Masse

Gewicht Masse

G =∫∫∫

Vg dm m =

∫∫∫

Vρ(r) dV

Volumen Flache Lange

V =∫∫∫

VdV A =

∫∫

adA S =

Sds

Schwerpunkt Massenmittelpunkt

s = 1G

∫∫∫

Vr dG s = 1

m∫∫∫

Vr dm

Volumen- Flachen- Linien-

schwerpunkt schwerpunkt schwerpunkt

s = 1V

∫∫∫

Vr dV s = 1

A

∫∫

ar dA s = 1

S

Sr ds

Gesamtschwerpunkt

s =

i

rsiGi

i

Gi

s =

i

rsimi

i

mi

s =

i

rsiVi

i

Vi

s =

i

rsiAi

i

Ai

s =

i

rsiSi

i

Si

220

Statik von Stabwerken

Schnittkrafte

Nx Qy Qz

Schnittmomente

Mt = Mx My Mz

Dgln bei Streckenlasten

(keine Streckenmomente) : ebener Fall

N ′ = −n(x) Q′y = −qy(x) Q′

z = −qz(x)

M ′t = 0 M ′

y = Qz(x) M ′z = −Qy(x)

M ′′y = −qz(x) M ′′

z = qy(x)

Reibung

Haftreibung Gleitreibung

|H | ≤ µ0N R = −µN sgn(v) sgn(x) =

1 ; x > 00 ; x = 0−1 ; x < 0

Seilreibung, φum : Umschlingungswinkel, immer positiv

Saktiv ≤ Spassiveµ0φum Saktiv = Spassiveµφum

221

Page 72: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

B Formelsammlung

KinematikG

egeb

ent

xv

a

t−

v(t

)=

x(t

)a(t

)=

v(t

)x(t

)=

∫v(t

)dt+

C

a(t

)=

v(t

)

v(t

)=

∫a(t

)dt+

C1

x(t

)=

∫v(t

)dt

+C

1t+

C2

x

t(x)

? →x(t

)da

wei

ter

oder

dt

dx

=1 v

→v(x

)

da

wei

ter

dx dt

=v

→dx v

=dt

→t+

C1

=∫

dx

v(x

)→

t(x)

da

wei

ter

Dgl:x−

a(x

)=

0→

x(t

)→

v=

x

v

t(v)

? →v(t

)da

wei

ter

oder

dt

dv

=1 a

→a(v

)

da

wei

ter

x(v

)? →

v(x

)da

wei

ter

oder

v=

x(v

)=

dx

dv

dv dt

→a

=v dx

dv

=a(v

)

da

wei

ter

dv dt

=a

→dt=

dv

a(v

)

→t+

C1

=∫

dv

a(v

)→

t(v)

da

wei

ter

a

t(a)

? →a(t

)da

wei

ter

oder

?

x(a

)? →

a(x

)da

wei

ter

oder

?

v(a

)? →

a(v

)da

wei

ter

oder

?

222

Dynamik

Weg Geschwindigkeit Beschleunigung

x v = x a = v = x

Impuls Impulssatz

mx =∑

k Fkx

I = mv = mx mx =∑

k

F k my =∑

k Fky

mz =∑

k Fkz

geradlinige Bewegung

Schmierreibung Luftreibung turb. Luftreibung

W = r |v| sgn(v) W = kwv2 sgn(v) W = ζ |v|3 sgn(v)

Leistung kin. Energie Bilanz d. mech. Leistung

L = F (t)x E = 12mx2 E = L

Arbeit Arbeitssatz potenzielle Energie

A12 =t2∫

t1

L dt E2 − E1 = A12 U = −(∫

F (x) dx + C)

oder E2 + U2 = E1 + U1 + AR12 ⇔ F (x) = − dUdx

= −U ′

Energieerhaltungssatz

E + U = 0 → E1 + U1 = E2 + U2

223

Page 73: Technische Mechanik I - Skript - Schreiber.pdf

B Formelsammlung

Ein-Massen-Schwinger

Differenzialgleichung

unged., homogen. gedampft, homogen gedampft, inhomogen

x + cm x = 0 x + d

m x + cm x = 0 x + d

m x + cm x =

F (t)m

Definitionen

Eigenkreisfrequenz Lehrsches Kreisfrequenz

Dampfungsmaß

ω0 =√

cm D = d

2m

√c

m

= d2√

mcω = ω0

|1 − D2|

homogene Losung Einmassenschwinger (Weg)

D = 0x(t) = A cosω0t + B sin ω0 = C cos(ω0t − φ)

x(t) = −Aω0 sin ω0t + Bω0 cosω0 = −Cω sin(ω0t − φ)

C =√

A2 + B2, φ = arctan BA

D < 1x(t) = e−Dω0t(A cosωt + B sin ωt) = e−Dω0tC cos(ωt − φ)

x = e−Dω0t(

(Bω − Dω0A) cosωt − (Aω + Dω0B) sin ωt)

= −e−Dω0tC(

Dω0 cos(ωt − φ) + ω sin(ωt − φ))

C =√

A2 + B2, φ = arctan BA

D = 1x(t) = (A + Bt)e−ω0t

x(t) = [−Aω0 + B(1 − ω0t]e−ω0t

D > 1x(t) = e−Dω0t (Aeωt + Be−ωt)

x(t) = −e−Dω0t [A(Dω0 − ω)eωt + B(Dω0 + ω)e−ωt]

224

Periodisch angeregter Ein-Massen-Schwinger

Erregerkraft Erregeramplitude Erregerkreisfrequenz

F (t) = F cosΩt F Ω

Eingeschwungene Schwingungsantwort

x(t) = x cos(Ωt − φ) x = x0 V (ζ) x0 = Fc

statische Auslenkung

Vergroßerungsfunktion/Phasengang (ζ = Ω

ω0

)

D = 0 D > 0V = 1

|1−ζ2|V = 1√

(1−ζ2)2+(2Dζ)2

φ = 180〈ζ − 1〉0 φ = arctan 2Dζ

1−ζ2

Bewegung eines Massenpunktes

Beschreibung der Bahnkurve

Tangentenvektor Bogenlange

et = v

|v|s(t) =

t∫

0

x2(τ) + y2(τ) + z2(τ) dτ

Normalenvektor Bi-Normalenvektor

en =(et)

|(et)′|

= et

|et|eb = et × en

Krummung Krummungsradius

κ = |(et)′| ρ = 1

κ

Kreisbahn (Zentripetalbeschleunigung, Richtung Mitte)

az = rφ2 = rω2

225